RG, 08.06.1917 - II 23/17
Enthält die Erteilung einer Gesamtprokura ohne weiteres die einer Einzelhandlungsvollmacht?
Tatbestand
Die Frage ist verneint aus folgenden Gründen:
Gründe
... "Die Revision wendet sich mit Recht gegen die Annahme, daß die von dem Gesamtprokuristen E. bewilligte Verlängerung der dem Kläger bestimmten Nachfrist für die Beklagte bindend sei. Es mag sein, daß eine solche Verlängerung zu den Rechtshandlungen gehört, die ein Handelsgewerbe, wie das der Beklagten, gewöhnlich mit sich bringt, und darum auch von einer bloßen Handlungsbevollmächtigten bewilligt werden darf. Rechtsirrig ist aber, daß ein Gesamtprokurist keine geringere Vertretungsmacht als ein Handlungsbevollmächtigter haben könnte. Ein Gesamtprokurist kann zwar zugleich zum Einzelhandlungsbevollmächtigten bestellt werden, und diese Bestellung kann (auch abgesehen von dem hier nicht gegebenen Falle des § 56 HGB.) unbedenklich stillschweigend erfolgen, sie liegt jedoch nicht, wie das Oberlandesgericht aus den §§ 49, 50, 54 HGB. entnehmen will, ohne weiteres in der Erteilung der Gesamtprokura. Nun ergibt allerdings der im Tatbestande des Berufungsurteils angezogene Briefwechsel der Parteien, daß E. eine ganze Reihe der vor dem 12. Februar 1910 an den Kläger gerichteten Briefe als Einzelprokurist unterzeichnet hat, und daraus ließe sich möglicherweise folgern, daß die Beklagte sich dem Kläger gegenüber auf das Fehlen der Vertretungsmacht des E. nicht berufen könne. Allein eine dahingehende Feststellung hat das Oberlandesgericht bisher nicht getroffen" ...