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RG, 30.01.1889 - I 331/88

Daten
Fall: 
Im Auslande domizilierte Handelsgesellschaft
Fundstellen: 
RGZ 23, 31
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.01.1889
Aktenzeichen: 
I 331/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg
  • Oberlandesgericht Hamburg

1. Welches örtliche Recht kommt für die Frage zur Anwendung, ob und welcher Anspruch aus einem von einer im Auslande domizilierten Handelsgesellschaft im Auslande ausgestellten Wechsel nach Präjudizierung des Wechsels und, nachdem die Gesellschaft in Konkurs verfallen, gegen die früheren Gesellschafter bestehen geblieben ist? Ist der Art. 122 H.G.B. auf im Auslande domizilierte Handelsgesellschaften anwendbar?
2. Kann auf ein Rechtsverhältnis, auf welches das inländische Recht nicht anzuwenden, das inländische Recht lediglich deshalb angewendet werden, weil die Parteien von dessen Anwendbarkeit im Rechtsstreite ausgegangen sind?

Gründe

"Die Klage ist auf das Fundament der Bereicherung gestützt. Diese wird darin gefunden, daß die Handlung S. & T. für Rechnung des Klägers den eingeklagten Betrag erhalten, über denselben einen Wechsel an Order des Klägers auf den Beklagten gezogen, den dieser zwar acceptiert, aber nicht eingelöst, den vielmehr Kläger selbst im Regreßwege hat einlösen müssen, und aus welchem zur Zeit wegen Verjährung weder S. & T. als Aussteller, noch der Beklagte als Acceptant zu belangen. Ob die Klage danach lediglich als die Bereicherungsklage im Sinne des Art. 83 der Wechselordnung aufzufassen und nicht vielmehr auch auf das Rechtsverhältnis gegründet ist, welches zwischen dem Kläger und S. & T. dadurch entstand, daß letztere für des Klägers Rechnung die 5333,33 Frcs. erhalten haben, wie die Klage behauptet, kann auf sich beruhen.

Dem Berufungsrichter ist darin beizutreten, daß die Klage, aus beiden Gesichtspunkten insoweit unbegründet ist, als sie gegen den Beklagten als Acceptanten und Inhaber der Firma A. L. S. gerichtet ist, da unstreitig nicht der Beklagte, sondern S. & T. die Deckung erhalten haben.

Die Revision greift dies auch nicht an, sondern die Auslegung, die der Berufungsrichter dem Art. 122 H.G.B. giebt, und daß er dem Kläger die Beweislast für den Ausfall und dessen Betrag auferlegt.

Die Revision zieht zugleich in Zweifel, ob der Art. 122 auf Gesellschaften im Auslande und den Beklagten als früheren Teilhaber einer solchen Gesellschaft anwendbar sei. In dieser Richtung ist die Revision begründet.

In Anspruch genommen ist der Beklagte an zweiter Stelle als früherer Gesellschafter der Handlungsgesellschaft S. & T. auf Haiti und auf Grund der Thatsache, daß diese die Deckung erhalten, den Wechsel ausgestellt hat und aus dem nicht honorierten Wechsel nicht mehr zu belangen ist. Das dadurch zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis ist aber zweifellos nicht nach deutschem Rechte zu beurteilen. Der Wechsel ist von der auf Haiti domizilierenden Handelsgesellschaft in Cap Haiti ausgestellt. Die Verpflichtung aus der Wechselausstellung war, wie die aus dem Empfange des Betrages für Rechnung des Klägers in Cap Haiti zu erfüllen. Die Verpflichtung aus dem Empfange der Deckung und aus der Wechselausstellung, die Frage, ob sie erloschen und welcher Anspruch aus dem Wechsel und dem Empfange der Deckung übrig geblieben sei, wenn der Anspruch aus dem Wechsel erloschen, unterliegt deshalb lediglich der Beurteilung nach dem Rechte von Haiti (Code de commerce von Haiti vom 8. März 1826 Artt. 108 flg. 163. 167. 168).

Ebenso zweifellos ist, daß die Frage, wie der in Haiti über das Vermögen der dort domizilierenden Gesellschaft S. & T. eröffnete Konkurs auf die Gesellschaft, die Verpflichtung des Beklagten als Gesellschafters dem Kläger als Gesellschaftsgläubiger gegenüber, und auf die Forderung des Klägers gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter rechtlich eingewirkt hat, nur nach dem Rechte von Haiti beurteilt werden kann. Denn die juristischen Thatsachen, auf die es dabei ankommt, gehören lediglich diesem Rechtsgebiete an. In Haiti ist die Gesellschaft gegründet, der Konkurs über ihr Vermögen dort eröffnet, verhandelt und beendet, ihre Verbindlichkeit dort entstanden und zu erfüllen gewesen. Wenn der Beklagte als Inländer Gesellschafter einer Handelsgesellschaft in Haiti wurde, hat er sich damit dem Rechte von Haiti über Handelsgesellschaften im ganzen Umfange unterworfen. Für die Anwendung des deutschen Rechtes, namentlich des Art. 122 H.G.B., fehlt jeder Rechtsgrund.

Der Art. 122 ist nicht zwingendes Recht derart, daß der deutsche Richter ihn gegenüber dem Gläubiger einer ausländischen Gesellschaft allein um deswillen anzuwenden hat, weil ein Gesellschafter Deutscher ist. Die Ausführung des Berufungsrichters, es liege kein Grund vor, den Art. 122 H.G.B. nicht zur Anwendung zu bringen, wenn die Gesellschaft im Auslande, ein Gesellschafter im Inlande domiziliert, ist unzutreffend.

Was der Berufungsrichter sonst zur Begründung der Anwendung des deutschen Rechtes auf den Rechtsstreit zwischen den Parteien geltend macht, reicht dazu nicht aus. Daß beide Parteien davon ausgegangen sind, das deutsche Recht sei entscheidend, wie der Berufungsrichter sagt, genügt nicht.1 Grundsätzlich ist auf ein streitiges Rechtsverhältnis dasjenige Recht anzuwenden, dem es nach dem Gesetze oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unterworfen ist.2

Eine Ausnahme kann nach den konkreten Umständen des Falles, bei Unbekanntheit des fremden Rechtes, bei anzunehmender Übereinstimmung des fremden und des einheimischen Rechtes, sowie bei ausdrücklich erklärtem oder konkludentem Willen der Parteien, sich dem einheimischen Rechte zu unterwerfen, begründet werden. An alledem fehlt es hier. Ist, wie im vorliegenden Falle, klar, daß das fremde, nicht das inländische Recht anzuwenden, so muß der Richter die Parteien, die. vielleicht irrtümlich, von der Anwendbarkeit des deutschen Rechtes ausgehen, auf das ihm bekannte oder zugängliche fremde Recht jedenfalls dann aufmerksam machen, wenn er aus dem einheimischen Rechte zu Gunsten der einen Partei einen Rechtsbehelf entnimmt, den die Partei selbst nicht geltend gemacht hat. Auf den Art. 122 H.G.B. hat der Beklagte sich nicht berufen."

  • 1. Vgl. Bd. 12 Nr. 8 S. 38. D. E.
  • 2. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 25 S. 53.