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RG, 03.01.1889 - IV 239/88

Daten
Fall: 
Vollmacht des Testamentsvollstreckers
Fundstellen: 
RGZ 23, 205
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.01.1889
Aktenzeichen: 
IV 239/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Erfurt
  • OLG Naumburg

Erlöschen der Vollmacht des Testamentsvollstreckers wegen Pflichtwidrigkeit.

Gründe

... "Der Berufungsrichter hat erwogen, daß, wenn auch das Gesetz nicht direkt ausspreche, daß ein Testamentsvollstrecker wegen ihm zur Last fallender Pflichtwidrigkeiten seines Amtes entsetzt und demselben Besitz und Verwaltung des Nachlasses entzogen werben könne, sich doch die Zulässigkeit einer derartigen, unter Umständen durchaus unentbehrlichen gerichtlichen Maßregel, welche auf Antrag der Interessenten einzutreten habe, aus der Erwägung rechtfertige, daß erhebliche Pflichtwidrigsten des Testamentsvollstreckers sich als unvorhergesehene Umstände darstellen, unter welchen eine Fortdauer der Ausübung des Testamentsvollstreckeramtes seitens des pflichtwidrig Befundenen auch dem Willen des Erblassers, seines Machtgebers, sicherlich nicht mehr entsprechen würde.

Diese Annahmen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stehen mit der Auffassung des Allgem. Landrechtes im Einklange, welches den letztwillig ernannten Testamentsvollstrecker als Bevollmächtigten des Erblassers bezeichnet (§. 557 I. 12), und beruhen auf der nach Lage der Sache gerechtfertigten Unterstellung, daß der Erblasser, wenn er die Pflichtvergessenheit des von ihm ernannten Vollstreckers vorausgesehen hätte, die Ernennung überhaupt nicht vorgenommen oder, wenn geschehen, wiederum zurückgenommen haben würde, und daß daher die Entziehung der Vollmacht durch den Richter gegenüber einem Pflichtwidrigen, in der Wahrung der ihm anvertrauten Interessen als unzuverlässig erwiesenen Vollstrecker lediglich als mit der Intention des Erblassers übereinstimmend anzusehen sei.1

Fraglich könnte sein, welcher Richter für die Entscheidung über das Erlöschen der Vollmacht zuständig ist, ob der Nachlaßrichter oder der Prozeßrichter. Doch auch in dieser Hinsicht ist der Vorinstanz beizutreten, welche davon ausgeht, daß -- nach dem maßgebenden preußischen Rechte -- dem Prozeßrichter die Entscheidung zusteht. Das Amt des Testamentsvollstreckers ist kein öffentliches Amt, sondern hat den Charakter eines Privatgeschäftes. Der Testamentsvollstrecker untersteht nicht, wie der Vormund dem Vormundschaftsgerichte gegenüber, der Disziplin des Nachlaßrichters. Die streitige Frage kann daher nur zwischen dem Testamentsvollstrecker und den bei der Sache als Interessenten beteiligten Personen im ordentlichen Rechtswege ausgetragen werben.2

In letzterer Beziehung sind die Kläger als gerichtlich bestellte Pfleger des Nachlasses für legitimiert zu erachten.

Bei dem Mangel ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften über die Zulässigkeit der Entfernung des Testamentsvollstreckers überhaupt fehlt es auch an einer gesetzlichen Direktive, unter welchen Voraussetzungen die Entfernung auszusprechen sei. Daß nach dieser Richtung in den Fällen der Untreue (§. 266 Nr. 1 St.G.B.) ein Bedenken nicht obwalten kann, ist ohne weiteres anzunehmen. Es ist aber davon auszugehen, daß auch minder schwere Pflichtverletzungen Grund geben können, die Aufhebung der Vollmacht geboten erscheinen zu lassen. Dahin gehören insbesondere: Ungehorsam gegen die Anordnungen des Erblassers, grobe Fahrlässigkeit bei der Verwaltung des Amtes, bewiesener Mangel an Zuverlässigkeit und Integrität, wie im allgemeinen jedes Verhalten des Vollstreckers, welches begründeten Anlaß zu der Annahme bietet, daß das fernere Beibehalten desselben den Interessen des Nachlasses und der Erben schädlich oder gefährlich sein würde. Inwieweit dem Testamentsvollstrecker Verstöße solcher Art zur Last fallen, sodaß die Notwendigkeit der Entfernung gegeben ist, hat der Richter unter Berücksichtigung der obwaltenden tatsächlichen Verhältnisse nach freiem Ermessen zu beurteilen. In dieser Hinsicht hat der Berufungsrichter eine Reihe von Fällen zusammengestellt, in welchen sich der Beklagte Ordnungswidrigkeiten nach der bezeichneten Richtung hat zu schulden kommen lassen.

Wenn der Berufungsrichter auf Grund der festgestellten Thatsachen zu der Überzeugung gelangt ist, es sei hinreichender Anlaß gegeben, dem Beklagten das ihm anvertraute Amt zu entziehen, so läßt diese Annahme nach den vorausgeschickten Darlegungen eine Rechtsnormverletzung nicht erkennen. In thatsächlicher Beziehung konnte der Richter ohne Rechtsirrtum in dem Vorgehen des Beklagten bei Ausleihung von Kapitalien und deren Sicherstellung eine grobe Fahrlässigkeit und in dem festgestellten Streben des Beklagten auf Ausbeutung seines Amtes zur Erlangung persönlicher Vorteile, zum Teil unter Schädigung der Masse, einen Mangel an rechtschaffener Gesinnung und an Treue erblicken, und auch die Feststellung, daß Beklagter sich des Ungehorsams gegen die Befehle des Erblassers schuldig gemacht habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden." ...

  • 1. Vgl. Dernburg, Preußisches Privatrecht 3. Aufl. Bd. 3 §. 169 S. 485; Förster-Eccius, Theorie und Praxis 5. Aufl. Bd. 4 §. 255 S. 449. 452; Gruchot, Erbrecht Bd. 2 S. 239; Sturm, Die Lehre von der Testamentsvollziehung nach gemeinem und preußischem Rechte, in den Jahrbüchern für Dogmatik Bd. 20 S. 145; Beseler, Von den Testamentsvollziehern, in der Zeitschrift für deutsches Recht Bd. 9 S. 207. 208.
  • 2. Vgl. Förster-Eccius, a. a. O. Bd. 4 S.449; Gruchot, a. a. O. Bd. 2 S. 242.