RG, 07.07.1884 - IV 96/84

Daten
Fall: 
Revision gegen ein Berufungsurteil
Fundstellen: 
RGZ 12, 373
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.07.1884
Aktenzeichen: 
IV 96/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Posen
  • OLG Posen

Ist die Revision gegen ein Berufungsurteil zulässig, durch welches einem in erster Instanz zurückgewiesenen Antrage auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zum Einspruche gegen ein Versäumnisurteil stattgegeben und die Sache zur anderweiten Verhandlung in die erste Instanz zurückverwiesen worden ist?

Gründe

"Die Rechtsmittel der Berufung und der Revision finden nur gegen Endurteile statt. Als Endurteil stellt sich die Entscheidung erster Instanz auch dar, durch welche der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumnis der Notfrist zur Erhebung des Einspruches gegen das Versäumnisurteil vom 12. Mai 1883 zurückgewiesen worden ist. Denn die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages hatte die Bedeutung, daß es bei der durch das Versäumnisurteil ausgesprochenen Verurteilung des Beklagten nach dem Klagantrage sein Bewenden haben sollte. Damit war der Rechtsstreit vollständig entschieden. Gegen das Urteil erster Instanz war also Berufung zulässig. Das Erkenntnis zweiter Instanz will das vom ersten Richter angenommene, in der Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil bestehende Hindernis der Verteidigung des Beklagten gegen die Klage beseitigen. Es trifft aber in der Sache selbst keine Entscheidung, sondern will die Entscheidung in der Sache auf dem, mit der Beseitigung jenes Hindernisses gewiesenen Wege nur vorbereiten. Es ist also kein Endurteil im Sinne des §. 272 C.P.O., sondern fällt unter den Begriff eines Zwischenurteiles im Sinne des §. 275 a. a. O. Auch dadurch hat es nicht die prozessualische Natur eines Endurteiles erhalten, daß es (laut der Entscheidungsgründe, in denen gesagt wird, das weitere Verfahren habe, ohne daß eine Zurückverweisung in die Vorinstanz in der Disposition auszusprechen gewesen sei, vor dem Gerichte erster Instanz zu erfolgen) nach Vorschrift des §. 500 Nr. 1 a. a. O. das Verfahren in der Berufungsinstanz zu erledigen bestimmt ist. Gegen ein Zwischenurteil aber ist das Rechtsmittel der Revision in der Regel nicht zulässig. Wenn es im §. 216 Abs. 2 a. a. O. heißt, daß auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages und auf die Anfechtung der Entscheidung die Vorschriften Anwendung finden, welche in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozeßhandlung gelten, so wird damit die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages einem Endurteile in Ansehung der Rechtsmittel nicht gleichgestellt. Es wird damit die Anfechtung der Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages den Rechtsnormen unterworfen, welche für die nachgeholte Prozeßhandlung gelten. Die Anfechtbarkeit der gedachten Entscheidung durch Rechtsmittel soll also nicht ausgeschlossen sein.1

Aber die Frage, ob die Entscheidung einer selbständigen Anfechtung durch Rechtsmittel unterliegt, wird dadurch nicht beantwortet. Diese Frage ist nach den allgemeinen Bestimmungen über die Zulässigkeit der geordneten Rechtsmittel zu entscheiden und danach für den vorliegenden Fall zu verneinen. Denn es liegt keiner der Fälle vor, in welchen einem Urteile, das virtuell ein Zwischenurteil ist, die Bedeutung eines Endurteiles in Ansehung der Rechtsmittel durch positive Vorschrift beigelegt wird, wie dies für die Urteile über prozeßhindernde Einreden im §. 248 C.P.O., für die über den Grund eines Anspruches vorab ergehenden Entscheidungen im §. 276 a. a. O., für die dem Beklagten die Geltendmachung von Verteidigungsmitteln vorbehaltenden Urteile im §. 502 a. a. O., für die im Urkundenprozesse unter Vorbehalt der Rechte ergehenden Urteile im §. 562 a. a. O. geschehen ist. Hieraus folgt, daß die dem Beklagten erteilte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Anfechtung mittels des Rechtsmittels der Revision nur unter der Voraussetzung unterliegt, daß der Rechtsstreit anderweit zur Verhandlung und Entscheidung in zweiter Instanz, und zwar zur Abgabe eines Endurteiles, gelangt, und der Kläger über letzteres in einer die Zuständigkeit des Revisionsgerichtes begründenden Weise Beschwerde führt."

  • 1. Vgl. Hahn, Materialien zur C.P.O. Bd. 1 S. 248.