RG, 29.11.1918 - III 252/18

Daten
Fall: 
Einberufung zum Heeresdienst
Fundstellen: 
RGZ 94, 181
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.11.1918
Aktenzeichen: 
III 252/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Wird durch § 66 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874/6. Mai 1880 jede Kündigung der Beamten für die Zeit ihrer Einberufung zum Heeresdienst ausgeschlossen?

Tatbestand

Durch Vertrag vom 12. Mai 1914 stellte der Beklagte als Träger der Gutsobrigkeit über das Rittergut G. in Mecklenburg den Kläger als Lehrer daselbst zum Herbst 1914 an. Dieser trat die Stelle nicht an, da er alsbald nach Kriegsausbruch zum Heeresdienst einberufen wurde. Ostern 1915 kündigte der Beklagte dem Kläger zum Herbst 1915.

Das Landgericht stellte auf Antrag des Klägers fest, daß dieser für die Dauer seiner Einberufung zum Militärdienste das Amt eines Lehrers in G. bekleide. Die Berufung und die Revision des Beklagten sind zurückgewiesen worden.

Gründe

"Das Berufungsgericht hat die Kündigung des Beklagten, die, von einer besonderen abweichenden Vereinbarung abgesehen, an sich und zwar ohne Angabe von Gründen zum 24. Oktober 1915 zulässig gewesen sei, auf Grund des § 66 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 / 6. Mai 1880 für unwirksam erklärt, da der Kläger als Gemeindebeamter im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sei. Es legt den § 66 dahin aus, daß nicht nur, wie der Beklagte meint, die Kündigung aus Anlaß der Einberufung des Beamten zum Heeresdienste, sondern jede, auch die aus anderer Veranlassung erfolgende Kündigung unzulässig sei, es sei denn, daß im einzelnen Falle ein wichtiger Kündigungsgrund vorliege; das sei hier zu verneinen, weil in dem Verhalten des Klägers, worin der Beklagte einen wichtigen Kündigungsgrund findet, eine grobe Verletzung der diesem von jenem zu erweisenden Schicklichkeit, wie sie ein solcher Kündigungsgrund voraussetze, nicht gefunden werden könne. Da die letztere Feststellung auf tatsächlichem Gebiete liegt und von der Revision nicht angegriffen wird, da ferner die Annahme der Gemeindebeamteneigenschaft des Klägers auf dem nicht revisibelen mecklenburgischen Rechte beruht und deshalb nach § 562 ZPO. für das Revisionsgericht bindend ist, hat dieses nur zu prüfen, ob dem Berufungsrichter in der Auslegung des § 66, von der Bedeutung eines wichtigen Kündigungsgrundes abgesehen, beizupflichten ist. Das ist zu bejahen.

Nach § 66 Abs. 1 sollen die Beamten "durch ihre Einberufung zum Militärdienst in ihren bürgerlichen Dienstverhältnissen keinen Nachteil erleiden", und Abs. 2 Satz 1 bestimmt: "Ihre Stellen, ihr persönliches Diensteinkommen aus demselben und ihre Anziennität, sowie alle sich daraus ergebenden Ansprüche bleiben ihnen in der Zeit der Einberufung zum Militärdienste gewahrt." Mit der Fassung des letzteren Satzes ist die Ansicht der Revision, daß nur die Einberufung zum Heeresdienste nicht als Grund zur Kündigung genommen werden dürfe, eine Kündigung aus anderen Gründen dagegen zulässig sei, nicht vereinbar. Sie zwingt vielmehr zu der Auslegung, daß, von dem -- wie erwähnt -- hier nicht der Entscheidung bedürfenden Falle des Vorliegens eines wichtigen Kündigungsgrundes vielleicht abgesehen, jede an sich zulässige Kündigung für die Zeit der Einberufung ausgeschlossen sein soll; denn dadurch tritt der Verlust der Stelle und des Diensteinkommens ein, die dem Beamten gewahrt bleiben sollen. Demgegenüber kann man sich auch nicht darauf berufen, daß nach dieser Auslegung dem Beamten durch den Ausschluß der an sich zulässigen Kündigung aus anderen Gründen oder ohne Angabe von Gründen ein Vorteil aus ihrer Einberufung zum Heeresdienst erwachse, während sie nach Abs. 1 durch letztere nur keinen Nachteil erleiden sollten. Die Bestimmung des Abs. 2 darf nicht auf Grund der des Abs. 1 einschränkend ausgelegt werden; sie bringt die Besserstellung der zum Heeresdienst einberufenen Beamten im Verhältnis zu den übrigen deutlich zum Ausdruck. Außerdem erwachsen jenen durch eine Kündigung während ihres Heeresdienstes auch Nachteile im Vergleiche mit diesen, da sie infolge ihrer Einberufung meist nicht in der Lage sind, eine neue Stelle zu erlangen."