RG, 02.05.1884 - III 35/84

Daten
Fall: 
Ableistung eines Offenbarungseides
Fundstellen: 
RGZ 11, 395
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.05.1884
Aktenzeichen: 
III 35/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Wiesbaden
  • OLG Frankfurt a.M.

In welcher Weise ist ein die Ableistung eines Offenbarungseides auferlegendes Urteil zu vollstrecken?
Welchem Gerichte liegt die Formulierung und Abnahme eines durch Urteil auferlegten Offenbarungseides ob?

Tatbestand

Die in erster Ehe mit Philipp M., einem Sohne des nach ihm verstorbenen Johann Wilhelm M., verheiratet gewesene Beklagte, Ehefrau K., war auf eine von ihren erstehelichen Kindern gegen sie angestellte Klage rechtskräftig verurteilt worden, den Klägern das ihnen von ihrem Großvater Johann Wilhelm M. anerfallene Vermögen auf Grund eines von ihr zu errichtenden und auf Verlangen der Kläger eidlich zu bestärkenden Inventares herauszugeben. Auf einen von den Klägern wegen Hergabe des Inventares nach §. 774 C.P.O. an das Prozeßgericht erster Instanz gerichteten Vollstreckungsantrag überreichte die Beklagte ein Inventar, wobei sie zu dessen Erläuterung u. a. bemerkte: der Erblasser Johann Wilhelm M. habe schon bei Lebzeiten seines Sohnes Philipp, ihres ersten Ehemannes, den größten Teil seines Vermögens an seine Kinder verteilt; was ihr erster Ehemann aus dieser Teilung empfangen habe, gehöre zu seinem Nachlasse, an welchem ihr, der Beklagten, die Leibzucht zustehe, und nicht zu dem den Klägern von ihrem Großvater angefallenen Vermögen, sei also in das Inventar nicht aufzunehmen. Die Kläger stellten nunmehr an das gedachte Gericht den Antrag, gemäß §. 774 C.P.O. zu erkennen, daß die Beklagte zur eidlichen Bestärkung des hergegebenen Inventares durch eine Geldstrafe von 100 M anzuhalten sei. Zur Begründung dieses Antrages führten sie an: das Inventar sei unrichtig und unvollständig; der Beklagten seien die von ihnen gegen dasselbe erhobenen Erinnerungen mitgeteilt worden mit der Aufforderung, dasselbe eidlich zu bestärken, sie sei aber dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Die Beklagte bat in ihrer Gegenerklärung um Verwerfung des klägerischen Antrages. Indem sie die von den Klägern aufgestellten Erinnerungen vorlegte, in welchen dieselben insbesondere den Anspruch erhoben, daß die erwähnten Vorempfänge des Philipp M. als Bestandteil des herauszugebenden Vermögens anzusehen und in das Inventar aufzunehmen seien, machte sie geltend, daß die Entscheidung über diesen Anspruch der Beeidigung des Inventares vorhergehen müsse; ferner meinte sie, daß es Sache der Kläger sei, ihr sowohl die Formel des verlangten Eides als auch das Gericht, vor welchem der Eid abzuleisten sei, zu bezeichnen; eventuell, schlug sie eine Formel vor, nach welcher sie zur Eidesleistung bereit sei, und gab schließlich dem Gerichte eine andere Formulierung des Eides anheim.

Das Gericht erster Instanz erließ das von den Klägern beantragte Erkenntnis und führte in seinen Gründen aus: Da die Beeidigung des Inventares eine Handlung sei, welche ausschließlich von dem Willen der Beklagten abhänge, so sei die Vorschrift des §. 774 C.P.O. zur Anwendung zu bringen; durch das ergangene Urteil sei deutlich und bestimmt ausgesprochen, was die Beklagte zu beeidigen habe; es könne derselben auch nicht unbekannt sein, daß sie sich behufs der Eidesleistung an das für die Abnahme eines solchen Eides zuständige Gericht zu wenden habe. Auf die Beschwerde der Beklagten wurde in zweiter Instanz aus dem nachstehend angegebenen Grunde die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und der klägerische Antrag verworfen. Die hiergegen von den Klägern erhobene Beschwerde wurde vom Reichsgerichte zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Vorschriften der §§. 780 flg. C.P.O. über die Ableistung und Erzwingung des gemäß der §§. 711. 769 im Vollstreckungsverfahren zu erfordernden Offenbarungseides sind nicht anwendbar auf den nach Maßgabe der Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes (§. 16 Nr. 3 Einf.-Ges. zur C.P.O.) einer Partei durch Urteil auferlegten Offenbarungseid. Behufs Erzwingung eines solchen Eides ist vielmehr, wie auch von beiden Vorinstanzen anerkannt worden ist, die Vorschrift des §. 774 C.P.O. in Anwendung zu bringen. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt aber voraus, daß die Ableistung des Eides "ausschließlich von dem Willen" der eidespflichtigen Partei abhängig ist, und die zweite Instanz hat mit Recht ausgesprochen, daß dies vorliegend zur Zeit nicht der Fall ist, weil die Formulierung des Eides noch unter den Parteien streitig ist und es daher zunächst einer Entscheidung dieses Streites bedarf.

Die erste Instanz hat auch dadurch gefehlt, daß sie der Beklagten bei dem Erlasse der Strafandrohung das Gericht, vor welchem sie den Eid abzuleisten habe, nicht bezeichnet, vielmehr es ihr überlassen hat, "sich an das für die Abnahme eines solch en Eides zuständige Gericht zu wenden", und somit den §. 774 C.P.O. angewandt hat zur Erzwingung einer nicht bloß von dem Willen der Beklagten, sondern auch von ihrer Rechtskunde abhängigen Handlung.

Nach Inhalt der von den Klägern gegen das hergegebene Inventar erhobenen Erinnerungen und der Gegenerklärung der Beklagten sind die Parteien auch darüber in Streit, was in rechtlicher Hinsicht als Bestandteil des herauszugebenden und zu inventarisierenden Vermögens anzusehen sei. Die Formel des Offenbarungseides muß der dem Prozeßgerichte zustehenden vorgängigen Entscheidung dieses Streites angepaßt und schon deshalb durch das Prozeßgericht festgestellt werden.

Auch die Ableistung des judikatmäßigen Offenbarungseides hat, als ein Akt des unter den Parteien über den Bestand des herauszugebenden Vermögens obwaltenden Rechtsstreites, vor dem Prozeßgerichte stattzufinden, sofern die Abnahme desselben nicht - was zur Zeit noch unerörtert gelassen werden kann - landesgesetzlich (§. 15 Nr. 3. §.16 Nr. 3 Einf.-Ges. zur C.P.O.) einer anderen Stelle überwiesen ist. Hiernach ist es zunächst Sache der Kläger, die Beklagte zur Verhandlung über die gegen das Inventar aufgestellten Erinnerungen und über die Formulierung des abzuleistenden Eides zu einer Gerichtssitzung zu laden (§. 191 C.P.O.), und wird die alsdann abzugebende Entscheidung sich auch darüber auszusprechen haben, an welcher Stelle der Eid abzuleisten ist."