RG, 29.01.1884 - II 447/83

Daten
Fall: 
Zustellung innerhalb der Notfrist
Fundstellen: 
RGZ 11, 375
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.01.1884
Aktenzeichen: 
II 447/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mainz
  • OLG Darmstadt

Trifft §. 213 C.P.O. auch den Fall, wo der Gerichtsvollzieher innerhalb der Notfrist eine Zustellung gemacht hat, diese jedoch unwirksam war?

Tatbestand

Das die Beklagte verurteilende Erkenntnis erster Instanz ist am 12. Mai 1883 zugestellt worden. Der Gerichtsvollzieher St. hat am 5. Juni der Klägerin in Person und am 13. Juni dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Berufungsschrift zugestellt. In dem Verhandlungstermine vor dem Oberlandesgerichte vom 21. September 1883 hat der Anwalt der Beklagten beantragt, die Beklagte gegen die Versäumung der Berufungsfrist in den vorigen Stand wieder einzusetzen und die Klage abzuweisen. Diesen Anträgen hat das Oberlandesgericht entsprochen. Die eingelegte Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Revision rügt Verletzung des §. 218 C.P.O. Diese Rüge ist nicht begründet. Die Berufungsschrift ist spätestens am 5. Juni, also innerhalb der in §. 213 C.P.O. festgesetzten Frist dem Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Zustellung, und zwar zum Zwecke der Zustellung an den klägerischen Prozeßbevollmächtigten erster Instanz übergeben worden. Ohne Grund wird letzteres von klägerischer Seite bestritten. In der übergebenen Berufungsschrift war nämlich, wie festgestellt ist, Dr. H. als klägerischer Prozeßbevollmächtigter erster Instanz bezeichnet; hieraus mußte der Gerichtsvollzieher entnehmen, daß nach §. 164 C.P.O. behufs Einlegung der Berufung die Berufungsschrift nicht der gegnerischen Partei selbst, sondern dem genannten Prozeßbevollmächtigten derselben zuzustellen war; der Auftrag hierzu lag daher, ohne daß es noch einer besonderen Weisung an den Gerichtsvollzieher bedurfte, schon darin, daß demselben die jene Bezeichnung enthaltende Berufungsschrift zum Zwecke der Zustellung übergeben wurde. Diesen Auftrag hat der Gerichtsvollzieher innerhalb der Berufungsfrist nicht ausgeführt; die am 5. Juni an die Klägerin bewirkte Zustellung ist nach dem angeführten §. 164 unwirksam und die Frist ist versäumt, weil innerhalb derselben eine wirksame Zustellung nicht erfolgt ist. Gegen diese Versäumung mußte der Beklagten die nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Die Bestimmung des §. 213 C.P.O. muß ihrem Wortlaute nach auch dann zur Anwendung kommen, wenn der Gerichtsvollzieher, welchem spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Notfrist das zu deren Wahrung zuzustellende Schriftstück zum Zwecke der Zustellung übergeben worden ist, innerhalb der Frist eine unwirksame Zustellung bewirkt hat. Denn Versäumung einer Notfrist liegt vor, wenn dasjenige, was zu ihrer Wahrung erforderlich war, nicht oder nicht wirksam geschehen ist, und §. 213 a. a. O. gewährt, ohne diesfalls zu unterscheiden, unter der nach dem angeführten hier zutreffenden Voraussetzung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Notfrist. Auch der klägerischerseits erhobene Einwand, es hätte in der Zeit vom 5. bis 12. Juni der von dem Gerichtsvollzieher begangene Fehler bemerkt und eine rechtsgültige Zustellung der Berufungsschrift bewirkt werden können, steht nicht im Wege. Aus der Urkunde über die Zustellung vom 5. Juni konnte allerdings der Anwalt der Beklagten den Fehler ersehen; nach Inhalt des Briefes vom 13. Juni ist jedoch diese Urkunde erst am Abende des 12. Juni dem Anwalte zugekommen, und es ist nicht behauptet, daß dies früher geschehen sei. Wäre dies aber auch der Fall, so würde, da die Wiedereinsetzung nicht etwa auf Grund von §. 211 C.P.O., sondern vermöge der besonderen Vorschrift des §. 213 nachgesucht wurde, der Wortlaut dieses §. 213, welcher eine singuläre Bestimmung enthält, die Annahme, daß deshalb die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei, nicht gestatten. Nach §. 214 Abs. 3 C.P.O. ist diese Wiedereinsetzung auch rechtzeitig und formgerecht beantragt worden, da eine gültige Zustellung der Berufungsschrift mit Ladung zu dem Termine am 13. Juni, also innerhalb eines Monates nach Ablauf der versäumten Notfrist, erfolgt ist."