RG, 29.09.1883 - I 51/83

Daten
Fall: 
Verweis- und Verhandlungsgebühr
Fundstellen: 
RGZ 10, 370
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.09.1883
Aktenzeichen: 
I 51/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Unter welchen Voraussetzungen darf der Rechtsanwalt die Verweisgebühr nach §. 13 Nr. 4 und die Erhöhung der Verhandlungsgebühr nach §. 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte fordern?

Tatbestand

Im vorliegenden Prozesse hatte ein einziger Termin zur mündlichen Verhandlung angestanden, in welchem die Rechtsanwälte, welche beide Parteien vertraten, sich auf bei dem Prozeßgerichte befindliche Vorprozeßakten bezogen, welche ohne weiteres aus der Gerichtsschreiberei erfordert, den Rechtsanwälten vorgelegt und von ihnen als die in Bezug genommenen anerkannt wurden. In dem sofort gefällten Urteile, in welchem 5/7 der Kosten dem Kläger, 3/7 dem Beklagten auferlegt sind, ist auf den Inhalt der vorgelegten Akten Gewicht gelegt. In dem gemäß §. 100 C.P.O. eingeleiteten Verfahren wurden von dem Kläger nur die Prozeßgebühr und Verhandlungsgebühr nach §. 13 Nr. 1. 2 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte, als von seinem Vertreter berechnet, zur Erstattung liquidiert, während der Beklagte, als von seinem Vertreter berechnet, die Prozeßgebühr nach §.13 Nr. 1 a. a. O., die die nach §.17 erhöhte Verhandlungsgebühr und die Beweisgebühr nach §. 13 Nr. 4 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte erstattet verlangte. Durch den Beschluß des Reichsgerichtes wurde die Erhöhung der Verhandlungsgebühr und die Beweisgebühr für nicht gerechtfertigt erachtet aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der §. 323 C.P.O. verordnet:

"Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist dasselbe durch Beweisbeschluß anzuordnen."

Im §. 324 a. a. O. wird dann bestimmt, was der Beweisbeschluß enthält, im §. 325 a. a. O., daß dieser Beschluß bis zu seiner Erledigung nicht Gegenstand eines Abänderungsantrages der Parteien sein kann.

In den §§. 326-335 a, a. O. werden die verschiedenen gesetzesgemäßen Weisen des Beweisaufnahmeverfahrens (vor einem Mitgliede des Prozeßgerichtes, vor einem anderen inländischen Gerichte, vor einer ausländischen Behörde, vor dem Prozeßgerichte selbst) geregelt.

Letztere Gesetzesstellen setzen einen Beweisbeschluß und die Aufnahme des Beweises in einem anderen Termine als demjenigen, in welchem dieser Beschluß gefaßt ist, voraus. Dieser andere Termin ist, wenn das Beweisaufnahmeverfahren vor dem Prozeßgerichte stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung unter Verwertung der Ergebnisse der Beweisaufnahme bestimmt.

Vergegenwärtigt man sich nun

  1. den Inhalt der angeführten Bestimmungen der Civilprozeßordnung,
  2. daß in dem §. 13 Nr. 4 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte nicht von der Vertretung bei einer Beweisaufnahme, sondern von der Vertretung in einem Beweisaufnahmeverfahren gesprochen wird,
  3. daß in dem unter §. 13 Nr. 4 a. a. O. neben der Vertretung in einem Beweisaufnahmeverfahren geregelten Falle der Vertretung in dem Termine zur Leistung des durch ein Urteil auferlegten Eides der Termin zur Eidesleistung notwendig verschieden ist von dem Termine der Fällung des Eidesurteiles,

so rechtfertigt sich schon aus diesem Gesetzesinhalte für sich allein der Schluß, es setze der §. 13 Nr. 4 a. a. O. in seinem den Gebührensatz für die Vertretung in einem Beweisaufnahmeverfahren regelnden Teile ein besonderes Beweisaufnahmeverfahren im Sinne des §. 323 C.P.O. voraus, welches durch Beweisbeschluß angeordnet und demnächst in einer der in den §§. 326-335 C.P.O. verordneten Weisen aufgenommen sei, während der §. 17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte (bei dem Erstrecktwerden der Vertretung in den Fällen des §. 13 Nr. 4 a. a. O. auf die weitere mündliche Verhandlung) eine Vertretung in einem anderen Termine als demjenigen, in welchem die mündliche Verhandlung zum Beweisbeschlusse geführt hat, voraussetze. Dabei ist allerdings hervorzuheben, daß (da die weitere mündliche Verhandlung im Sinne des §.17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte oder, wie der §. 335 C.P.O. sich ausdrückt, "die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung", im Falle die durch Beweisbeschluß angeordnete Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte erfolgt, sich mit dem besonderen Beweisaufnahmeverfahren in einem und demselben Termine konzentrieren kann) in einem solchen Falle dem Rechtsanwalte, welcher die Partei, sowohl in den früheren Stadien des Prozesses, als auch bei dem Beweisaufnahmeverfahren und in der weiteren sich auf die Ergebnisse dieses Verfahrens richtenden mündlichen Verhandlung vertreten hat, die Gebühr, sowohl nach §. 13 Nr. 4 als auch nach §.17 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte außer der ihm für den Geschäftsbetrieb und die Information nach §. 13 Nr. 1 a. a. O. und für die Vertretung bei der mündlichen Verhandlung in dem früheren Termine, welche zum Beweisbeschlusse führte, nach §.13 Nr. 2 a. a. O. bereits kompetierenden Gebühr zusteht.

Mit dem zu den vorgekennzeichneten Normen schon für sich führenden Inhalte der Civilprozeßordnung und Gebührenordnung für Rechtsanwälte verknüpft sich unterstützend

a. die Erwägung, daß eine Gebührenerhöhung um einen so erheblichen Betrag sich legislativ nur rechtfertigen läßt durch den infolge einer Cäsur in dem Prozeßverfahren der bezeichneten Art durchschnittlich anzunehmenden erheblichen Mehraufwand an Zeit und Arbeitsanstrengung seitens des die Partei vertretenden Rechtsanwaltes,
b. der Inhalt der Motive zu den (demnächst unverändert ohne Beanstandung jenes Inhaltes in das Gesetz unter gleicher Zifferbezeichnung herüber genommenen) §§. 13. 17 des Entwurfes einer Gebührenordnung für Rechtsanwälte. In den Motiven zu §. 13 Nr. 4 ist namentlich der Schluß, welcher von dem Abhängen der Notwendigkeit eines besonderen Verfahrens der Beweisaufnahme spricht, in Verbindung mit dem Satze des §. 323 C.P.O.: "Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren", von Gewicht.

In den Motiven zu den §§. 15-17 des Entwurfes ist der Anschluß der Worte: "Demgemäß kann auch für die weitere mündliche Verhandlung", an den ersten Satz, und sind ferner die Ausdrücke: "dem Beweisbeschlusse vorausgegangenen mündlichen Verhandlung", "dem Beweisaufnahmeverfahren nachfolgenden Verhandlung", anzeigend dafür, daß bei der Redaktion des Gesetzentwurfes den betreffenden Bestimmungen desselben derjenige Sinn beigelegt ist, welcher oben als der Sinn der entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes klargelegt worden ist." ...