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BGH, 06.12.1988 - XI ZR 81/88

Daten
Fall: 
Anfechtbarkeit der Tilgungsbestimmung wegen Irrtums
Fundstellen: 
BGHZ 106, 163; BauR 1989, 204; DB 1989, 718; JZ 1989, 255; NJW 1989, 1792; NJW-RR 1989, 1144; WM 1989, 409; ZIP 1989, 105
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
06.12.1988
Aktenzeichen: 
XI ZR 81/88
Entscheidungstyp: 
Urteil

Die bei der Leistung vorgenommenen Tilgungsbestimmung des Schuldners ist wegen Irrtums anfechtbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Restwerklohn für Arbeiten an einem Mehrfamilienhausneubau in D in Anspruch. Dieser Neubau wurde von der aus den Eheleuten S, dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehenden Bauherrengemeinschaft begonnen und nach. Ausscheiden der Eheleute S Anfang Februar 1985 von dem Beklagten und seiner Ehefrau zu Ende geführt.

Am 14. Dezember 1984 übersandte der Kläger der Bauherrengemeinschaft die zweite Abschlagsrechnung. Nach ihrer Prüfung bat der bauleitende Architekt, dem Kläger eine Abschlagszahlung in Höhe von 15.000 DM zu überweisen.

Der Zeuge S. war zur gleichen Zeit gemeinsam mit dem Zeugen Sch Bauherr eines Objekts in M, für das der Kläger ebenfalls Bauleistungen erbrachte und eine Schlußrechnung vom 10. August 1984 in Höhe von 166.839,35 DM übersandt hatte. An diesem Objekt der Bauherrengemeinschaft S/Sch war der Beklagte nicht beteiligt. Zur Begleichung einer restlichen Werklohnforderung des Klägers für dieses Objekt akzeptierten die Zeugen S und Sch im Januar 1985 einen am 24. April 1985 fälligen Wechsel über 56.410,83 DM. Mit Schreiben vom 6. April 1985 bot ihnen der Kläger eine Teilprolongation für den Fall an, daß er eine Woche vor Fälligkeit des Wechsels einen Verrechnungsscheck über mindestens 1/4 der Wechselforderung, d.h. 14.102,71 DM und die Wechselunkosten in Höhe von 1.349, 94 DM - also über 15.452,65 DM - sowie einen neuen von den Zeugen S und Sch akzeptierten Wechsel über die verbleibende Restforderung erhalte.

Am 22. April 1985 wurden von dem Baukonto der nur noch aus dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehenden Bauherrengemeinschaft bei der Sparkasse D 15.452,65 DM an den Kläger überwiesen. Der Überweisung lag ein unterschriebener, maschinenschriftlich ausgefüllter Überweisungsauftrag an die Sparkasse D zugrunde, in dem als Auftraggeber die "BHG Dr. M/S D " und als Verwendungszweck "Abschlagszahlung gem. Schreiben 6.04.1985" vermerkt sind.

Der Kläger sah diese Überweisung als Zahlung von 1/4 der Wechselforderung an, die gegen die Bauherrengemeinschaft S/Sch wegen des Objektes in M noch offen war, und prolongierte deshalb am 24. April 1985 die restliche Wechselforderung über 42.308, 12 DM. Dieser Prolongationswechsel wurde bei Fälligkeit von den Mitgliedern der Bauherrengemeinschaft S/Sch nicht eingelöst.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1985 mahnte der Kläger die Abschlagszahlung von 15.000 DM für das Objekt des Beklagten in D an. In dem Schreiben heißt es, "der uns am 23.04.85 zugegangene Betrag von 15.452,65 DM hatte ja einen anderen Verwendungszweck. "

Der Kläger weigerte sich, vor Leistung der Abschlagszahlung weitere Arbeiten auszuführen. In einem Schreiben seines Rechtsanwalts vom 20. September 1985 vertrat de Beklagte den Standpunkt, die Überweisung vom 22. April 1985 über 15.452,65 DM sei auf die Abschlagszahlung und nicht auf Ansprüche aus Bauleistungen für das Objekt der Bauherrengemeinschaft S/Sch in M zu verrechnen, erklärte vorsorglich die Anfechtung und rechnete mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe der irrtümlichen Überweisung auf.

Der Beklagte hat behauptet, der Zeuge S habe ihm den Überweisungsauftrag vom 22. April 1985 unterschriftsreif zur Unterzeichnung vorgelegt und ihn in den Irrtum versetzt, die Überweisung betreffe eine Forderung des Klägers aus Bauleistungen an dem Objekt in D. Er habe den Überweisungsauftrag in der Annahme unterzeichnet, die Überweisung beziehe sich auf die diesbezügliche zweite Abschlagsrechnung des Klägers vom 14. Dezember 1984 in Höhe von 15.000 DM.

Nachdem er festgestellt habe, daß er von dem Zeugen S getäuscht worden sei, habe er die Überweisung unverzüglich wegen Irrtums angefochten.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Betrages von 15.452, 65 DM stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter und beantragt den Erlaß eines Versäumnisurteils gegen den im Revisionsrechtszug nicht vertretenen Beklagten.

Entscheidungsgründe

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die restliche Werklohnforderung des Klägers in Höhe von 15.452, 65 DM erloschen:

Aus der bei objektiver Betrachtungsweise maßgebenden Sicht des Klägers sei allerdings die Überweisung vom 22. April 1985 eine Teilleistung auf seine am 24. April 1985 fällige Wechselforderung gegen die Bauherrengemeinschaft S/Sch. Dafür spreche entscheidend der auf dem Gutschriftsbeleg für den Kläger als Empfänger bestimmte Vermerk über den Verwendungszweck. Hinzu komme, daß der überwiesene Betrag von 15.452,65 DM genau dem vom Kläger mit Schreiben vom 6. April 1985 mindestens geforderten Viertel der Wechselforderung zuzüglich der Wechselunkosten entspreche. Aus seiner Sicht habe deshalb die Leistung eines Dritten auf seine Wechselforderung vorgelegen. Durch die Überweisung vom 22. April 1985 sei daher nicht die mit der Klage geltend gemachte Forderung erfüllt worden.

Die restliche Werklohnforderung sei jedoch durch die Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch in gleicher Höhe erloschen. Dieser Bereicherungsanspruch stehe der seit Februar 1985 nur noch aus dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehenden Bauherrengemeinschaft aufgrund der wirksamen Anfechtung der bei der Überweisung vom 22. April 1985 vorgenommenen Tilgungsbestimmung zu. Die Tilgungsbestimmung sei anfechtbar. Der Beklagte habe sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Abgabe der an den Kläger gerichteten Tilgungsbestimmung auf dem Überweisungsträger am 22. April 1985 in einem Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung befunden. Die Kenntnis des Zeugen S von dem Irrtum des Beklagten bräuchten sich dieser und seine Ehefrau als Bauherrengemeinschaft nicht nach § 166 BGB zurechnen zu lassen. Durch die wirksame Anfechtung sei die Tilgungsbestimmung der Überweisung vom 22. April 1985 rückwirkend entfallen. Mit dem dadurch entstandenen Bereicherungsanspruch sei gegenüber der Werklohnforderung in gleicher Höhe wirksam aufgerechnet worden.

Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten. Er habe den ihm ob liegenden Beweis nicht geführt, daß er durch sein Vertrauen auf die Gültigkeit der Tilgungsbestimmung einen Schaden erlitten habe.

2. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet.

a) Die Verwendungszweckangabe auf der Überweisung vom 22. April 1985 enthält eine Tilgungsbestimmung. Sie ist für den Schuldner aus mehreren Schuldverhältnissen in § 366 Abs. 1 BGB geregelt und nach herrschender Auffassung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung anzusehen (Staudinger/Kaduk, BGB 12. Aufl. § 366 Rdn. 21; MünchKomm/Heinrichs, BGB 2. Aufl. § 366 Rdn. 9; Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 366 Anm. 2 a; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Allgemeiner Teil 14. Aufl. S. 242). Die Entscheidung darüber kann hier jedoch offenbleiben. Selbst wenn sie nur als rechtsgeschäftsähnliche Erklärung gelten könnte, wäre das Ergebnis dasselbe. Denn geschäftsähnliche Willensäußerungen stehen den Willenserklärungen insofern nahe, als auch sie gewöhnlich im Bewußtsein der eintretenden Rechtsfolgen und oft sogar in der Absicht, sie hervorzurufen, vorgenommen werden. Deswegen finden die allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen auf geschäftsähnliche Willensäußerungen entsprechende Anwendung (BGHZ 47, 352, 357 m.w.Nachw.). Die Anfechtung der Tilgungsbestimmung wegen Irrtums ist daher grundsätzlich in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zumindest in entsprechender Anwendung des § 119 BGB möglich (vgl. Staudinger/Lorenz, BGB 12. Aufl. § 812 Rdn. 60; Soergel/Zeiss, BGB 11. Aufl. § 366 Rdn. 7; Erman-Westermann, BGB 7. Aufl. § 812 Rdn. 15; Thomä JZ 1962, 623/627; Weitnauer NJW 1974, 1729/1731; Wieling JZ 1977, 291; zweifelnd Flume JZ 1962, 281/282; Zeiß JZ 1963, 7/9; kritisch MünchKomm/Lieb, BGB 2. Aufl. § 812 Rdn. 94; offengelassen in BGH, Urt. v. 14. März 1974 - VII ZR 129/73, NJW 1974, 1132/1133). Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, hat sich der Beklagte am 22. April 1985 bei der Abgabe der an den Kläger gerichteten Tilgungsbestimmung auf dem Überweisungsträger in einem Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung befunden. Er glaubte zu erklären, die Überweisung erfolge auf die noch ausstehende Abschlagszahlung des Klägers für das von der Bauherrengemeinschaft des Beklagten erworbene Objekt in D., während er tatsächlich erklärt hat, die Überweisung betreffe die Wechselforderung des Klägers gegen die Zeugen Sch und S wegen des von ihrer Bauherrengemeinschaft erworbenen Objekts in M. Bei dieser Fallgestaltung scheidet die gelegentlich erwogene Annahme eines Motivirrtums (vgl. Zeiß aaO.) auf jeden Fall aus (vgl. Staudinger/Lorenz aaO.).

b) Die Anfechtung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Zeuge S die Umstände kannte, die zu dem Irrtum des Beklagten bei der Überweisung geführt haben. Die aus dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehende Bauherrengemeinschaft und damit der Beklagte brauchen sich die Kenntnis des Zeugen S, entgegen der Ansicht der Revision nicht nach § 166 Abs. 1 BGB oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zurechnen lassen.

Der Zeuge S gehörte im Zeitpunkt der Überweisung am 22. April 1985 der Bauherrengemeinschaft des Beklagten nicht mehr an und besaß daher keine Vertretungsmacht mehr.

Die Regelung des § 166 Abs. 1 BGB findet - jedenfalls soweit es sich um die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht handelt - ihre Rechtfertigung in dem Gedanken der Zurechenbarkeit. Wer sich im Rechtsverkehr bei der Abgabe von Willenserklärungen eines Vertreters bedient, muß es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen, daß ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird, kann sich also nicht auf eigene Unkenntnis berufen. Der Bundesgerichtshof hat deshalb wiederholt bei einem der Interessenlage zwischen Vertreter und Vertretenem vergleichbaren Sachverhalt § 166 Abs. 1 entsprechend angewendet (vgl. BGHZ 83, 293, 296 ff. m.w.Nachw.). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt vor, wenn sich der Vertretene eines anderen wie eines Vertreters bedient (BGHZ 55, 307, 311; BGH, Urt. v. 22. Juni 1987 - III ZR 263/85, BGHR § 166 Abs. 1 Treuhand 1).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier jedoch. Die Revision weist zwar darauf hin, daß nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägers der Zeuge S vor der Überweisung vom 22. April 1985 bei ihm angerufen und ihm mitgeteilt habe, der Abzahlungsbetrag für den fälligen Wechsel werde von dem Baukonto in D kommen, der Kläger möge sich darüber nicht ändern. In dieser vorbereitenden telefonischen Information liegt indessen noch kein rechtsgeschäftliches Handeln für die Bauherrengemeinschaft des Beklagten und damit auch keine vorweggenommene Tilgungsbestimmung. Durch den telefonischen Hinweis ist der Zeuge S dem Kläger gegenüber nicht als für die Bauherrengemeinschaft des Beklagten Handelnder aufgetreten, sondern hat seine Erklärung ersichtlich als Schuldner der Wechselforderung abgegeben. Er hat ausschließlich seine eigenen Interessen verfolgt und wollte offenbar Rückfragen des Klägers bei dem Beklagten vorbeugen.

c) Durch die begründete Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB wurde die Tilgungswirkung der Überweisung rückwirkend beseitigt (§ 142 Abs. 1 BGB). Die darin ursprünglich liegende Leistung eines Dritten auf fremde Schuld (§ 267 Abs. 1 BGB), d.h. die Tilgung der Wechselforderung des Klägers gegen die Zeugen S und Sch, entfiel.Die Frage, ob nunmehr die vom Beklagten wirklich gewollte Tilgungsbestimmung rückwirkend für den Zeitpunkt der Leistung nachgeholt werden könnte, kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls ergab sich für die aus dem Beklagten und seiner Ehefrau bestehende Bauherrengemeinschaft ein Bereicherungsanspruch gegen den Kläger nach § 812 Abs. 1 BGB, mit dem wirksam aufgerechnet wurde (§ 389 BGB). Der direkte Bereicherungsausgleich zwischen dem Kläger und dem Beklagten begegnet bei dieser Fallgestaltung keinen Bedenken. Er ergibt sich aus der Wirkung der Anfechtung. Der Schutz des Anfechtungsgegners wird durch den Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB und durch die Bestimmung des § 818 BGB gewährleistet. Das Berufungsgericht hat dazu rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Bereicherungsanspruch nicht nach § 818 Abs. 3 BGB entfallen ist und daß der Kläger auch keinen Schadensersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB hat. Seine Behauptung, er hätte sich, wenn er die Überweisung vom 22. April 1985 nicht erhalten hätte, nicht auf die Prolongation des Wechsels über 56.410,53 DM eingelassen und seine Wechselforderung in Höhe von 15.452,65 DM - oder in geringerer Höhe - noch durchsetzen können, ist unbewiesen geblieben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Zeugen S und Sch. übereinstimmend bekundet, die von ihnen gebildete Bauherrengemeinschaft sei am 22. April 1985 bereits zahlungsunfähig gewesen.

3. Trotz der Säumnis des Revisionsbeklagten war die Sachprüfung in vollem revisionsrechtlichem Umfang geboten. Sie ergibt, daß die Revision unbegründet ist. Infolgedessen hat das Urteil nicht gegen den säumigen Revisionsbeklagten sondern gegen den nichtsäumigen Revisionskläger zu ergehen. Es handelt sich um ein kontradiktorisches Urteil (sog. unechtes Versäumnisurteil).