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BGH, 02.04.1957 - VI ZR 9/56

Daten
Fall: 
Persönlichkeitsrecht
Fundstellen: 
BGHZ 24, 72; NJW 1957, 1146; MDR 1957, 600; DVBl 1957, 616; DB 1957, 579; DÖV 1957, 454
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
02.04.1957
Aktenzeichen: 
VI ZR 9/56
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Kleinewefers, Engels, Martin, Hanebeck, Bode

1. Das durch Art. 1, 2 GrundG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sonstiges Recht im Sinne des §823 Abs. 1 BGB.
2. In einer seiner Erscheinungsformen richtet es sich auf die Wahrung der persönlichen Geheimsphäre durch Geheimhaltung ärztlicher Zeugnisse über den Gesundheitszustand.
3. Die Reichweite des Persönlichkeitsrechts bemißt sich im Streitfalle nach dem Prinzip der Güter- und Interessenabwägung.


hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 1957 unter Mitwirkung der Bundesrichter Dr. Kleinewefers, Dr. Engels, Martin, Hanebeck und Dr. Bode
für Recht erkannt:

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 10. November 1955 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Am 1. April 1951 kam es zwischen dem Kläger und dem Autobusbesitzer K. in H. vor dem Bahnpostamt in H. zu einer Auseinandersetzung, weil Knösel sich bei der Fahrt mit seinem Autobus dadurch behindert fühlte, daß der Kläger mit seinem Personenkraftwagen vor dem Autobus anhielt, um einen Brief in den Postbriefkasten zu werfen. K. nannte den Kläger einen "Idioten". Es ist streitig, ob K. den Kläger, wie dieser behauptet, auch vor die Brust und in den Rücken gestoßen hat. Der Kläger erstattete am gleichen Tage gegen K. Strafanzeige wegen Beleidigung und Körperverletzung und erhob im Mai 1951 gegen ihn eine Schadensersatzklage, mit der er außer einem Schmerzensgeld von 150 DM Zahlung von 289,40 DM dafür verlangte, daß er sich wegen der Folgen der behaupteten schweren körperlichen Mißhandlung an 18 Tagen von anderen Ärzten habe behandeln lassen müssen und während dieser Konsultationen seine eigene ärztliche Praxis nicht habe versehen können, wegen seiner beschränkten Arbeitsfähigkeit auch durch einen anderen Arzt die Hausbesuche bei seinen Patienten habe ausführen lassen müssen (13 C 566/51 Amtsgericht Hildesheim). In dem Strafverfahren kam es bei der Hauptverhandlung vom 11. Juli 1951 vor dem Amtsgericht in Hildesheim (5 Ds 78/51) zwischen K. und dem als Nebenkläger zugelassenen Kläger zum Abschluß eines Vergleiches, wobei K., obwohl er eine Körperverletzung bestritt, auf Anraten des Richters im Einblick auf zwei ... Vorstrafen wegen Beleidigung eine Forderung des Klägers von 440 DM unter Übernahme der Kosten des Zivilprozesses anerkannte.

Der Kläger war bei der V.-Feuerversicherungs-AG in D. gegen Unfall mit einer Tagegeldversicherung von täglich 40 DM bei Arbeitsunfähigkeit und entsprechend geringerem Betrag bei beschränkter Arbeitsfähigkeit versichert. Am 14. Juni 1951 zeigte er der Vereicherungsgesellschaft den Vorfall vom 1. April 1951 an, wie er es bereits mit einem - nicht eingetroffenen - Schreiben vom 8. April 1951 getan zu haben angab. Vorher hatte er Leistungen der Versicherungsgesellschaft schon mehrfach in Anspruch genommen, zuletzt wegen eines Autounfalls vom 3. Februar 1951. Die Versicherung hatte ihn wegen dieses Unfalls am 10. Mai 1951 mit 2.000 DM entschädigt, nachdem der Facharzt Dr. Gramse in Berlin mit ärztlichem Gutachten vom 16. März 1951 eine 100prozentige Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 3. Februar bis 18. März 1951 und eine 75prozentige Arbeitsbeschränkung für weitere 3 bis 4 Wochen bescheinigt und der Kläger Mitte April 1951 mitgeteilt hatte, daß er in allernächster Zeit wieder voll arbeitsfähig sein werde. Als die Versicherungsgesellschaft, die inzwischen am 4. Juni 1951 das Versicherungsverhältnis gekündigt hatte, das Schreiben vom 14. Juni 1951 erhielt, fiel ihr auf, daß sich die beiden Schadensfälle teilweise deckten; sie mißtraute der ärztlichen Bescheinigung des Dr. Gramse vom 16. März 1951, zumal er auch in allen früheren Versicherungsfällen des Klägers ärztliche Bescheinigungen ausgestellt hatte. Sie beauftragte daher den in ihren Diensten stehenden Beklagten mit der Klärung der Angelegenheit.

Der Beklagte begab sich zu diesem Zweck Ende Juli 1951 zu K.. Da er bei Dessen Schwerhörigkeit keine erschöpfende Auskunft erhalten konnte, suchte er tags darauf mit ihm zusammen den Rechtsanwalt B. auf, der K. in dem Schadensersatzprozeß vertreten hatte. Bei dieser Besprechung tauschten der Beklagte und Rechtsanwalt R. die über die beiden Unfälle vom 3. Februar und 1. April 1951 vorhandenen Unterlagen aus. Dabei tauchte der Verdacht auf, daß der Kläger die durch den Autounfall vom 3. Februar 1951 erlittenen Folgen auch zur Grundlage des Schadensersatzanspruchs gegen K. benutzt hatte. Auf Veranlassung des empörten K. erstattete Rechtsanwalt R. am 30. August 1951 gegen den Kläger Strafanzeige wegen Betruges.

In dem Strafverfahren, das von der Staatsanwaltschaft gegen den Kläger eingeleitet wurde (7 Ms 40/52 Amtsgericht Hildesheim), erklärte dieser mit Schreiben vom 9. Oktober 1951, er habe nach dem Autounfall seine ärztliche Tätigkeit am 19. März 1951 wieder aufgenommen. Dem Vorwurf, daß er bei dieser Sachlage von der Versicherungsgesellschaft mehr verlangt und erhalten habe, als er habe beanspruchen können, begegnete er mit der Erklärung, daß er am 19. März 1951 noch nicht in vollem Umfange wieder tätig geworden sei. Das Schöffengericht hat diese Einlassung trotz erheblicher Bedenken für nicht widerlegt erachtet Auch mit Bezug auf die Ansprüche, die der Kläger auf Grund des Vorfalls vom 1. April 1951 erhob, hat das Schöffengericht einen Betrug des Klägers nicht für nachgewiesen gehalten. Zwar hatte die Versicherungsgesellschaft mittlerweile auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. Gramse vom 28. Juli 1951, daß der Kläger in der Zeit vom 1. April bis 23. April 1951 infolge neuer Verletzungen zunächst zu 75 %, darauf zu 50 % und schließlich zu 25 % in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt gewesen sei, 340 DM an den Kläger gezahlt; das Schöffengericht war aber der Ansicht, daß sich die Unrichtigkeit dieser Bescheinigung nicht habe feststellen lassen. Auch habe der zwischen dem Kläger und K. zustande gekommene Vergleich die Zahlungsverpflichtung der Versicherungsgesellschaft nicht beeinflußt. Durch Urteil vom 27. Januar 1953 ist der Kläger daher von der Anklage des Betruges freigesprochen worden.

Wegen der Kosten und Erwerbseinbüßen, die ihm nach seiner Berechnung in Höhe von 1.669,60 DM durch die persönliche Wahrnehmung verschiedener Gerichtstermine und die Beauftragung zweier Anwälte in dem Strafverfahren entstanden sind, hat der Kläger in dem gegenwärtigen Rechtsstreit K. und den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, K. habe sich durch die von ihm veranlaßte Betrugsanzeige einer leichtfertigen falschen Anschuldigung schuldig gemacht; der Beklagte habe hieran dadurch mitgewirkt, daß er dem Anwalt des K. in unzulässiger Weise die Versicherungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat in der Berufungsinstanz seine Ansprüche gegen den Beklagten weiterverfolgt und sie hier vor allem darauf gestützt, daß der Beklagte, indem er die Schadensakten der Versicherungsgesellschaft mit den darin enthaltenen ärztlichen Gutachten dem Rechtsanwalt R. zugänglich gemacht habe, gegen die durch §300 StGB und §141 RVO gesetzlich geschützte Schweigepflicht verstoßen und ein absolutes Recht des Klägers auf Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes verletzt habe.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, erstrebt der Kläger weiterhin die Verurteilung des Beklagten.

Entscheidungsgründe

I.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht nicht die Revisionssumme (§546 ZPO). Doch hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen, weil es der Ansicht ist, daß bei dem Streit darüber, ob der Beklagte durch die Offenbarung der bei den Akten der Versicherungsgesellschaft befindlichen ärztlichen Bescheinigungen eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung begangen hat, eine Rechtsfrage zur Entscheidung stehe, die von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung sei. Die Revisionserwiderung zieht dies in Zweifel. Gegen die Wirksamkeit der Revisionszulassung bestehen jedoch keine rechtlich begründeten Bedenken.

II.

1.

Das Berufungsgericht ist zu der Auffassung gelangt, es lasse sich nicht feststellen, daß die Betrugsanzeige, die K. durch Rechtsanwalt R. gegen den Kläger hat erstatten lassen, falsch gewesen sei, geschweige denn, daß K. auch nur leichtfertig gehandelt habe. Es hat daher auch verneint, daß sich der Beklagte der Teilnahme an einer nach §164 StGB strafbaren falschen Anschuldigung des K. oder der mittelbaren Täterschaft dieses Vergehens schuldig gemacht habe und nach §823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das in jener Strafbestimmung zu erblickende Schutzgesetz schadenersatzpflichtig geworden sei.

Ohne sich dagegen zu senden, daß die Annahme der Teilnahme des Beklagten an einer von K. begangenen vorwerfbar falschen Anschuldigung abgelehnt worden ist, tritt die Revision doch der Ansicht des Berufungsgerichts entgegen, daß dem Beklagten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, sich in mittelbarer Täterschaft gegen §164 StGB vergangen zu haben. Sie macht geltend, der Beklagte habe angesichts des Attestes des Dr. Gramse von Ende Juli 1951 mit der Bescheinigung, daß der Kläger vom 1. bis 23. April 1951 infolge neuer Verletzungen in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt gewesen sei, nicht darüber im unklaren sein können, daß der Kläger am 1. April 1951 nicht mehr unter Folgen des Autounfalls gelitten habe, die ihn in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt hätten; der Beklagte habe daher auch gar nicht der Meinung sein können, so handeln zu dürfen, wie er es getan habe. Demgegenüber hat das Berufungsgericht jedoch hervorgehoben, daß der Kläger in der ärztlichen Bescheinigung des Dr. Gramse vom 16. März 1951 noch bis etwa Mitte April 1951 zu 75 % für arbeitsunfähig erklärt worden ist und daß der Kläger selbst in seinem Schreiben an die Versicherungsgesellschaft von Mitte April angezeigt hat, er werde in allerkürzester Frist wieder voll arbeitsfähig sein, ohne hierbei etwas von neuen Verletzungen vom 1. April 1951 zu erwähnen. Daß das Berufungsgericht im Einblick hierauf den Beweis für das Vorliegen einer objektiv falschen Anschuldigung nicht als geführt angesehen hat, läßt sich rechtlich nicht beanstanden. Damit entfällt aber auch die Annahme einer falschen Anschuldigung, die der Beklagte in mittelbarer Täterschaft begangen haben könnte.

2.

Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht auch die Auffassung des Klägers zurückgewiesen, daß sich der Beklagte gegen die in §300 StGB, §141 RVO normierte Geheimhaltungspflicht vergangen und aus diesem Grunde nach §823 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig gemacht habe. Der Beklagte gehört nicht zu den Personen, die nach §300 StGB für den Fall unbefugter Offenbarung eines Berufsgeheimnisses mit Strafe bedroht werden. Die V. Feuerversicherungs-AG ist auch kein Sozialversicherungsträger und keine Versicherungsbehörde, deren Angestellten und sonstigen als Organ, Mitglied, Vertreter oder Beisitzer tätigen Personen nach §141 RVO bei Vermeidung von Strafe die unbefugte Offenbarung dessen untersagt ist, was ihnen in amtlicher Eigenschaft über Krankheiten oder andere Gebrechen Versicherter oder ihre Ursachen bekannt geworden ist. Auch andere Bestimmungen ähnlicher Art (wie §13 der Reichsärzteordnung vom 13. Dezember 1935 [RGBl I, 1433], §10 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. Februar 1927 [RGBl I, 61], §21 a GewO usw.) greifen nicht ein. Die entsprechende Anwendung der genannten Strafbestimmungen auf Angestellte einer privaten Versicherungsgesellschaft, denen vermöge ihres Beschäftigungsverhältnisses ärztliche Bescheinigungen über den Gesundheitszustand von Versicherungsnehmern bekannt geworden sind, ist nicht zulässig. Durch eine derartige Analogie läßt sich die Annahme des Bestehens eines Schutzgesetzes, gegen das der Beklagte mit der Folge einer Schadensersatzpflicht nach §823 Abs. 2 BGB verstoßen haben könnte, nicht rechtfertigen.

3.

Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit eines aus §823 Abs. 1 BGB abzuleitenden Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht gezogen.

a)

Mit Recht ist es davon ausgegangen, daß die Bestimmungen in Art. 1 und 2 GrundG, in denen die Unantastbarkeit der Menschenwürde ausgesprochen und das Recht eines jeden auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit anerkannt ist, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt, ein Grundrecht gewährleistet, das sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern auch im Privatrechtsverkehr gegenüber jedermann gilt (BGHZ 13, 334 [338]; Wernicke in Bonner Kommentar Art. 1 Bem. II 1 c; Nipperdey in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte Bd II S. 18 ff; Hamann, Das Grundgesetz Art. 1 Bem. B; BGB RGRK 10. Aufl. Vorbem II vor §1; Heimerich in BB 1956, 249 [251]; a.A. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz 2. Aufl. S. 65 ff, 147). Denn nicht anders kann es verstanden werden, daß es in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 als Verpflichtung aller staatlichen Gewalt erklärt worden ist, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen, und daß in Art. 1 Abs. 3 die in den nachfolgenden Bestimmungen niedergelegten Grundrechte, darunter in erster Linie das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, zu unmittelbar geltendem, Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung bindendem Recht erhoben worden sind. Danach ist aber auch die Folgerung unabweisbar, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein "sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB anzusehen ist (Nipperdey a.a.O. S. 37; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 14. Aufl. §78 I 2; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht S. 104, 106 ff, 127 ff, 139; Staudinger-Coing BGB 11, Aufl. Vorbem 18 ff vor §1; Palandt-Danckelmann BGB 16. Aufl. Bem. 2 vor §1).

Larenz (Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" im Recht der unerlaubten Handlungen, NJW 1955, 521) tritt dem mit der Erwägung entgegen, hierdurch wurde bei dem generalklauselartigen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das System des im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Rechts der unerlaubten Handlung gesprengt, das in §823 Einzeltatbestände typischer Unrechtshandlungen aufgestellt und in §826 eine Generalklausel nur für schwere Verstöße geschaffen habe, die durch vorsätzliches sittenwidriges Handeln gekennzeichnet seien. Dieses Bedenken kann jedoch nicht durchgreifen. Das bürgerliche Recht muß dem übergeordneten Verfassungsrecht weichen und gilt, soweit das Grundgesetz Bestimmungen anderen Inhalts getroffen hat, nur mit den hieraus sich ergebenden Wandlungen. Mag auch der Verfassungsgesetzgeber, wie Larenz betont, das Recht der Einzelpersönlichkeit vor allem gegen ein mögliches Übergewicht der "kollektiven Interessen" haben sicherstellen wollen und an die Sicherung der Persönlichkeitsrechte im Verhältnis zu anderen einzelnen nur in zweiter Linie gedacht haben, so ist durch die Ausstattung des Persönlichkeitsrechts mit der bindenden Kraft unmittelbar geltenden. Rechts doch auch dieser weiterreichende Gesetzeswille im Grundgesetz mit unverkennbarer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht worden. Daher kann auch mit rechtspolitischem Bedenken, die aus der Sorge vor "uferloser Ausweitung" hergeleitet werden (Palandt-Gramm BGB 16. Aufl. §823 Anm. A 6 i), nicht in Frage gestellt werden, daß dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Rechtsgeltung auch innerhalb der Zivilrechtsordnung zukommt und daß es den Rechtsschutz gegen Verletzungen genießt, den das Zivilrecht insbesondere in den Bestimmungen über unerlaubte Handlungen gewährt. Nicht nur nach §826 BGB ist es geschützt, sondern auch der Schutz des §823 Abs. 1 BGB steht ihm zur Seite. Der Rechtszustand ist damit ähnlich demjenigen, der in der Schweiz besteht (Art. 18 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs und Art. 49 des Obligationenrechts).

Allerdings ist zuzugeben, daß der Begriff des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von generalklaueelartiger Weite und Unbestimmtheit ist. Wie sich das Wesen der Persönlichkeit mit ihrer Dynamik nicht in feste Grenzen einschließen läßt, so ist auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinem Inhalte nach nicht abschließend festzulegen. Das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ist gewissermaßen ein "Muttergrundrecht" (Hamann a.a.O. Art. 2 Bern B 2; Dürig JZ 1957, 170) oder "Quellreeht" (Larenz a.a.O. S. 525), aus dem die konkretisierten Gestaltungen fließen, die es im Einblick auf die verschiedenartigen Persönlichkeitswerte des einzelnen, seine Lebensgüter und Umweltbeziehungen gewinnt. So sind daher auch die besonderen Bestimmungen des bisherigen Rechts, durch die das Leben des Menschen, seine körperliche Unversehrtheit und Gesundheit, die Freiheit, Ehre, der Name, das Eigentum, der Besitz, die Urheberrechte usw, gegen Verletzungen geschützt werden, nicht etwa bedeutungslos geworden, vielmehr haben sie dadurch eine Erweiterung erfahren, daß ein Persönlichkeitsschutz auch sonst in Betracht kommen kann. Der erweiterte Persönlichkeitsschutz wird sich gerade an jene Bestimmungen und die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ihrer Anwendung weithin anlehnen können. Trotz Verneinung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes hat die Rechtsprechung auch bisher schon in zahlreichen Fällen einen Weg gesucht, Persönlichkeitsrechte vor ihrer Verletzung zu schützen (vgl. die Aufzählung bei Staudinger-Coing a.a.O. Vorbem 21 vor §1).

In der Entscheidung BGHZ 13, 334 hat der I. Zivilsenat eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darin erblickt, daß ein Zeitungsverlag eine Zuschrift ohne Billigung des Verfassers mit Änderungen veröffentlichte und hierdurch in die persönlichkeitsrechtliche Eigensphäre des Verfassers eingriff, dessen Persönlichkeitsbild durch die Änderungen verfälscht erscheinen konnte.

Dabei ist hervorgehoben worden, daß die ungenehmigte Veröffentlichung privater Aufzeichnungen in der Regel einen unzulässigen Eingriff in die jedem Menschen geschlitzte Geheimsphäre darstelle. Dem verletzten Verfasser ist ein Schutzanspruch aus §823 Abs. 1 BGB unter Hinweis darauf zugebilligt worden, daß vom Blickpunkt des Persönlichkeitsschutzes aus die Interessenlage des Autors derartiger Aufzeichnungen im wesentlichen die gleiche sei wie die des Werkschöpfers urheberrechtlich geschützter Werke; für dessen Schutz habe die Rechtsprechung bereits seit langem die zur Anwendung gebrachten Rechtsgrundsätze aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht abgeleitet; dieses sei nur eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (auf diese Erwägungen wird auch in der Entscheidung BGHZ 15, 249 [257] zurückgegriffen).

Mit Recht ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß bei nicht genehmigter Bekanntgabe ärztlicher Bescheinigungen über den Gesundheitszustand eines anderen dessen persönlichkeitsrechtlich geschützte Geheimsphäre gleichfalls berührt werden kann. Wie die oben erwähnten Bestimmungen der §§300 StGB, 141 RVO, 13 Reichsärzteordnung, 10 Geschlechtskrankheitengesetz zeigen, ist auch in dieser Richtung ein Persönlichkeitsrecht auf Wahrung der Geheimsphäre wenigstens insoweit bereits gesetzlich anerkannt worden, als die Geheimhaltung einem bestimmten Kreise von Personen zur Pflicht gemacht worden ist. Nunmehr ist es zu allgemeiner Geltung gelangt.

Es besteht aber nicht unbegrenzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eröffnet nicht die Möglichkeit zu schrankenloser Durchsetzung eigener Interessen. Es kann keine Rede davon sein, daß Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche überall dort beständen, wo sich jemand in seinen Belangen und seinem Streben durch einen anderen behindert sieht. Weil sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht darauf gründet, daß die Würde des Menschen mit der Möglichkeit zur Entfaltung der individuellen Persönlichkeit zu achten und zu schützen ist, ist es schon in seinen wesensmäßigen Voraussetzungen daran geknüpft, daß in dem besonderen Lebensbereich, für den es jeweils in Betracht kommt, die Persönlichkeitswerte, die das Grundgesetz schützen will, von Bedeutung sind und im gegebenen Fall berührt werden. Schranken sind vor allem dadurch gesetzt, daß nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen werden darf und nicht die Rechte anderer verletzt werden dürfen. Bei den Konfliktsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines jeden mit dem eines jeden anderen gleichen Rang hat und die freie Entfaltung, der Persönlichkeit gerade in dem Hinausstreben des einzelnen über sich selbst besteht (vgl. Larenz a.a.O. S. 522), bedarf es im Streitfälle einer Abgrenzung, für die das Prinzip der Güter- und Interessenabwägung maßgebend sein muß (BGHZ 13, 334 [338]; Coing JZ 1954, 700; v. Gamm NJW 1955, 1826 [1827]). Je nach der Gestaltung der Dinge kann die Reichweite des Persönlichkeitsrechts durchaus verschieden sein. Ob im einzelnen Falle das Persönlichkeitsrecht verletzt ist, läßt sich nur auf Grund einer sorgsamen Würdigung und Abwägung aller für seine Abgrenzung bedeutsamen Umstände beurteilen.

b)

Das Berufungsgericht hat verneint, daß der Kläger durch die Offenbarung der bei den Versicherungsunterlagen der V.-Feuerversicherungs-AG befindlichen ärztlichen Bescheinigungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sei. Zwar hätten die Bescheinigungen, so hat das Berufungsgericht erwogen, zu der Geheimsphäre des Klägers gehört; daß Dr. Gramse von seiner ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Versicherungsgesellschaft entbunden worden sei, habe ihr und dem Beklagten nicht das Recht gegeben, sie Dritten zugänglich zu machen. Doch meint das Berufungsgericht, die sittliche Würde des Klägers könne durch die Bekanntgabe an Rechtsanwalt R. schon darum nicht verletzt sein, weil es sich bei den gesundheitlichen Folgen des Unfalls vom 3. Februar 1951 um nichts anderes als um eine Gehirnerschütterung nebst Prellungen des Kopfes und im Brustbereich, Verstauchung des rechten Daumens und des rechten Beines sowie Schürfwunden am linken Kniegelenk verbunden mit einem Kniegelenkserguß gehandelt habe. Weiter hat das Berufungsgericht ausgeführt, wer sich einer strafbaren Handlung in solchem Maße verdächtig gemacht habe wie hier der Kläger, werde in seiner Würde nicht verletzt, wenn die ärztlichen Unterlagen zum Gegenstand der Untersuchung gemacht würden.

Diese Ausführungen begegnen rechtlichen Bedenken.

Bei der Frage, ob die Würde des Menschen durch die Offenbarung ärztlicher Zeugnisse über seinen Gesundheitszustand verletzt wird, kommt es nicht sowohl auf die Art des bescheinigten Befindens als vielmehr auf die Mißachtung des Willens an, so höchstpersönliche Dinge wie die gesundheitliche Verfassung vor fremdem Einblick zu bewahren. Ärztliche Bescheinigungen sind daher nicht etwa nur dann geheimzuhalten, wenn sie Feststellungen enthalten, die für den Betroffenen peinlich sind. Etwas anderes mag gelten, wenn es sich nur um belanglose Verletzungen oder Krankheitserscheinungen alltäglicher Art handelt, die den körperlichen und geistigen Habitus nicht weiter berühren und an deren Geheimhaltung vernünftigerweise kein Interesse besteht. Die hier festgestellten Unfallfolgen sind jedoch keineswegs unerheblich und für das Erscheinungsbild des Klägers bedeutungslos gewesen.

Mißverständlich ist auch, daß der Kläger darum in seiner Menschenwürde nicht habe verletzt werden können, weil er sich einer strafbaren Handlung verdächtig gemacht habe. Wollte das Berufungsgericht damit sagen, daß die Menschenwürde dessen, der einer Straftat verdächtig ist, mindere Achtung verdiene als die unverdächtiger Menschen, so würde dies nicht gebilligt werden können. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen gilt uneingeschränkt auch für den einer Straftat Verdächtigen (BGH NJW 1954, 649).

In diesem Sinne sind die Ausführungen des Berufungsgerichts aber auch offenbar nicht gemeint. Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, liegt ihnen vielmehr der Gedanke der Güter- und Interessenabwägung zugrunde, hat das Berufungsgericht doch weiter erwogen, der Kläger hätte als akademisch gebildeter Mensch angesichts des Verdachtes einer strafbaren Handlung, in den er sich gebracht habe, die Unterlagen von sich aus zur Verfügung stellen müssen, wenn er darum angegangen worden wäre; tatsächlich habe er im Strafverfahren denn auch den Dr. Gramse von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Ersichtlich hat das Berufungsgericht also das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung der Unterlagen gegen das Interesse abgewogen, das der von der Versicherungsgesellschaft mit der Klärung des Sachverhalts beauftragte Beklagte und K. daran hatten, Klarheit darüber zu gewinnen, was es mit den Unfällen des Klägers vom 3. Februar 1951 und 1. April 1951 und ihren Auswirkungen in Wirklichkeit auf sich hatte. Sowohl die Versicherungsgesellschaft als auch K. konnten von dem Kläger zu Unrecht in Anspruch genommen worden sein, die Versicherungsgesellschaft insbesondere dann, wenn Folgen des Unfalls vom 3. Februar 1951 entgegen der ärztlichen Bescheinigung des Dr. Gramse vom 16. März 1951 und der eigenen Mitteilung des Klägers von Mitte April 1951 nicht über den 31. März 1951 hinaus fortbestanden und die Geschehnisse vom 1. April 1951 zu keiner neuen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Verletzung des Klägers geführt hatten, - K. hingegen dann, wenn der Kläger als Folge der Auseinandersetzung vom 1. April 1951 Eingestellt hatte, was in Wirklichkeit noch Folge des Unfalls vom 3. Februar 1951 war. Bei dem Verdacht unredlichen Handelns, in den er sich gebracht hatte, hätte sich der Kläger, so ist die Meinung des Berufungsgerichts, selbst für verpflichtet halten müssen, Aufklärung zu geben und sein Einverständnis damit zu erteilen, daß die bei den Versicherungsakten befindlichen Unterlagen K. und seinem Anwalt bekanntgegeben wurden. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Art der Unfallverletzungen des Klägers zu verstehen; er will besagen, daß aus der Art der Verletzungen auf kein besonderes Interesse des Klägers an ihrer Geheimhaltung habe geschlossen werden können. Wie das Berufungsgericht nach einer Hervorhebung an anderer Stelle des angefochtenen Urteils weiter bedacht hat, erfolgte die Bekanntgabe nur gegenüber K. und seinem Anwalt, nicht dagegen auch gegenüber weiteren Kreisen. Die Erwägungen des Berufungsgerichts laufen also in Wahrheit darauf hinaus, daß unter den obwaltenden Umständen das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung der ärztlichen Bescheinigungen über seinen Gesundheitszustand nicht so groß gewesen sei, daß nicht das Interesse des Beklagten und K.s, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die Versicherungsgesellschaft oder K. auch nicht übervorteilt worden waren, den Vorrang verdient hätte. Das Berufungsgericht hat damit die Begrenzung aufgezeigt, der das Persönlichkeitsrecht des Klägers an der Wahrung seiner Geheimsphäre nach dem Prinzip der Güter- und Interessenabwägung im vorliegenden Falle unterlag. Es hat die Reichweite dieses Rechts nicht für so ausgedehnt gehalten, daß es durch die Bekanntgabe der Versicherungsunterlagen an Rechtsanwalt R. verletzt worden wäre.

Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

c)

Die Revision greift allerdings ihre tatsächlichen Grundlagen an, indem sie geltend macht, dem Beklagten sei laut Bericht der V.-Feuerversicherungsgesellschaft vom 13. Juli 1954 an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen durch Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 4. August 1951 untersagt worden, die Unterlagen dem Rechtsanwalt R. zu offenbaren. Hierbei übersieht die Revision aber, daß die Besprechung, bei der der Beklagte dem Rechtsanwalt R. die Einsicht in die Unterlagen gewährt hat, bereits Ende Juli 1951 stattgefunden hat, zu einer Zeit also, zu der das Schreiben vom 4. August 1951 noch gar nicht ergangen war. Das Schreiben vom 4. August 1951 ist nach dem Inhalt des Berichts vom 13. Juli 1954 überhaupt erst die Antwort auf eine Antrage gewesen, die der Beklagte auf Grund des Ergebnisses der Besprechung mit Rechtsanwalt R. an die Versicherungsgesellschaft gerichtet und die sich darauf bezogen hat, daß Rechtsanwalt R. bei der Besprechung gebeten hatte, ihm die Akten der Versicherungsgesellschaft kurzfristig zu überlassen. Hiergegen hat sich die Versicherungsgesellschaft, der die Entscheidung über die Bitte des Rechtsanwalts R. vom Beklagten überlassen worden war, in dem Schreiben vom 4. August 1951 ausgesprochen. Selbst in dem Bericht vom 13. Juli 1954 an das Bundesaufsichtsamt hat die Versicherungsgesellschaft aber keineswegs das Verhalten, das dem Beklagten vom Kläger zum Vorwurf gemacht wird, mißbilligt, vielmehr bestätigt, daß er im Rahmen seiner Aufgaben gehandelt hat. Die Angriffe der Revision vermögen die Beurteilung des Berufungsgerichts daher nicht zu erschüttern.

Da somit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers mit Recht verneint worden ist, braucht nicht noch auf die Angriffe eingegangen zu werden, mit denen sich die Revision dagegen wendet, daß das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche hilfsweise auch mit der Begründung abgelehnt hat, daß der Beklagte, wenn eine Rechtsverletzung vorläge, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben würde oder dies jedenfalls doch habe annehmen dürfen.

4.

Das Berufungsgericht hat noch erwähnt, daß auch Schadensersatzansprüche aus §826 BGB ausscheiden. Wie nach den obigen Darlegungen nicht weiter ausgeführt zu werden braucht, tritt auch hierin kein Rechtsirrtum zutage.

Die Kostenentscheidung beruht auf §97 ZPO.