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BVerfG, 14.11.1969 - 1 BvR 253/68

Daten
Fall: 
Uranvorkommen
Fundstellen: 
BVerfGE 27, 211; NJW 1970, 505; MDR 1970, 390
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
14.11.1969
Aktenzeichen: 
1 BvR 253/68
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Stein, Ritterspach, Haager, Böhmer, Zeidler, Rupp-v. Brünneck, Brox

1. Zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nach § 92 BVerfGG.
2. Zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Anordnungen nach § 81a StPO.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 14. November 1969
- 1 BvR 253/68 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn W... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Curt Freiherr v. Stackelberg, Karlsruhe-Durlach, Im Rosengärtle 20 - gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. April 1968 - 3 Ws 35/67 -.

Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1.

Der im Jahre 1892 geborene Beschwerdeführer ist verantwortlicher Repräsentant der bergrechtlichen Gewerkschaft "Finstergrund" in Wieden/Schwarzwald. Im Jahre 1949 wurden durch private geologische Untersuchungen in verschiedenen Gebieten des Schwarzwaldes uranhaltige Mineralien entdeckt, für deren wirtschaftliche Auswertung sich der Beschwerdeführer interessierte. Da jedoch die damalige badische Landesregierung den privaten Abbau von Uranmineralien nicht zuließ, blieb ein Konzessionierungsantrag des Beschwerdeführers erfolglos, ebenso ein beim Wirtschaftsministerium des neu gebildeten Landes Baden-Württemberg gestellter Antrag vom 18. Juli 1953. Der Beschwerdeführer sah den damaligen Leiter der Badischen Geologischen Landesanstalt und jetzigen Präsidenten des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, Professor Dr. K. ..., als mitverantwortlich für die ablehnende Haltung der Behörden an und erhob erstmals in seinem Antragschreiben vom 18. Juli 1953 schwere Vorwürfe gegen diesen Beamten, die im wesentlichen dahin gingen, er habe Informationen über die neu entdeckten Uranvorkommen aus prokommunistischer Gesinnung pflichtwidrig veröffentlicht, um sie den Staaten des Ostblocks zur Kenntnis zu bringen. Ähnliche Vorwürfe erhob der Beschwerdeführer gegen Professor Dr. K... in weiteren Schreiben an das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg vom 28. September 1953, in einem in anderem Zusammenhang an das Landratsamt Lörrach gerichteten Schreiben vom 21. August 1953 sowie in umfangreichen Eingaben an die Staatsregierung des Landes Baden-Württemberg vom 16. Februar 1954 und 21. April 1954. Der Wirtschaftsminister stellte daraufhin im Oktober 1953 und im März 1954 gemäß § 196 StGB gegen den Beschwerdeführer Strafantrag; im August 1954 beantragte er, für den Fall der Anwendung des Straffreiheitsgesetzes vom 17. Juli 1954 - StrFG - (BGBl. I S. 203) die Unwahrheit der vom Beschwerdeführer über Professor Dr. K... aufgestellten Behauptungen gemäß § 18 StrFG festzustellen.

Nachdem in den Jahren 1955 und 1958 zwei gegen Professor Dr. K... eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Verdachts strafbarer Handlungen nach §§ 99, 100 StGB eingestellt worden waren, da es sich bei den Uranvorkommen nicht um geheimhaltungsbedürftige Tatsachen handele, eröffnete die Große Strafkammer beim Landgericht Baden-Baden am 16. Dezember 1959 gegen den Beschwerdeführer das Hauptverfahren. Die Hauptverhandlung wurde wegen parlamentarischer Inanspruchnahme des Verteidigers und wegen verschiedener Erkrankungen des Beschwerdeführers wiederholt vertagt und konnte erst im Oktober 1962 stattfinden. Die Große Strafkammer des Landgerichts Baden- Baden verurteilte den Beschwerdeführer am 24. Oktober 1962 wegen übler Nachrede in zwei Fällen - den Äußerungen vom 16. Februar 1954 und 21. April 1954 - zu Geldstrafen von jeweils 6000 DM, ersatzweise zu je zwei Monaten Gefängnis. Wegen der Äußerungen aus dem Jahre 1953 stellte das Landgericht das Verfahren ein, traf aber nach § 18 StrFG die Feststellung, daß die ehrenrührigen Behauptungen des Beschwerdeführers über Professor Dr. K... unwahr seien. Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof am 3. Dezember 1963 das Urteil mit den Feststellungen - außer im Ausspruch über die Einstellung - auf, da die Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei; wegen der Äußerung vom 21. April 1954 stellte er das Verfahren mangels Strafantrags ein.

Anschließend eingeleitete Verhandlungen über eine gütliche Erledigung blieben erfolglos. Am 29. Oktober 1965 stellte das Landgericht auf Grund amtsärztlicher Gutachten das Verfahren wegen Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers vorläufig und am 14. Februar 1967 nach Einholung weiterer Gutachten auf Antrag der Staatsanwaltschaft endgültig ein. Gegen die letzte Entscheidung legten der Generalstaatsanwalt und das Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg Beschwerde ein. Der Vorsitzende des zuständigen Strafsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe bat am 1. Juni 1967 den Direktor des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität in Tübingen, Professor Dr. Schmidt, über die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ein Obergutachten zu erstatten. Der Beschwerdeführer lehnte es jedoch unter Hinweis auf sein Alter und die bereits ausgesprochene Einstellung des Verfahrens ab, sich nochmals von einem Sachverständigen untersuchen zu lassen. Das Gericht wies darauf am 5. Oktober 1967 den Verteidiger auf die Möglichkeit hin, daß nach § 81 a StPO eine zwangsweise Untersuchung angeordnet werden könne, und erkundigte sich bei dem in Aussicht genommenen Sachverständigen über die zur Erreichung des Untersuchungszwecks etwa notwendigen körperlichen Eingriffe und die gesundheitlichen Gefahren, die für den Beschwerdeführer hieraus entstehen könnten. Professor Dr. Schmidt erteilte die erbetene Auskunft am 11. Dezember 1967.

Am 1. März 1968 erschien in der "Stuttgarter Zeitung" eine Pressemeldung folgenden Inhalts:

Beschwerde im Verfahren Wölfel

Oberlandesgericht Karlsruhe muß neu entscheiden - Intervention des Justizministers -

Stuttgart, 29. Februar. Justizminister Dr. Schieler hat die Staatsanwaltschaft angewiesen, bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Baden-Baden in dem Fall Wölfel einzulegen. Wie berichtet, hatte das Landgericht Baden-Baden das Verfahren gegen den Bergbauunternehmer Carl Wölfel, dem Beleidigung und üble Nachrede gegen den früheren Präsidenten des Geologischen Landesamtes vorgeworfen werden, wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit auf Antrag des Generalstaatsanwalts eingestellt.

Justizminister Dr. Schieler sagte, es müsse nun abgewartet werden, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe über die Beschwerde entscheiden werde. Er sei entschlossen, sich über den weiteren Fortgang des Verfahrens unterrichten zu lassen. Wenn man daran glaube, daß jeder Bürger vor dem Gesetz gleich sei, dann sei dieses Verfahren ein Musterbeispiel dafür, wie ein Strafverfahren nicht laufen solle. Dieses Verfahren sei auch ein Beispiel dafür, wie ein Beschuldigter unter Beanspruchung aller Rechtsmittel ein Verfahren verzögern könne. Es sei heute noch nicht zu sagen, ob es gelingen werde, das Verfahren wieder in ein rechtes Geleis zu bringen. Eventuell müsse noch darüber entscheiden werden, ob ein medizinisches Obergutachten über die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten Wölfel eingeholt werden solle. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, daß dieser nicht dauernd verhandlungsunfähig sei. Im übrigen laufe auch noch eine Beschwerde des Wirtschaftsministeriums, weil dieses bei der letzten Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe nicht zugezogen worden sei.

Nach nochmaliger Anhörung des Verteidigers, des Generalstaatsanwalts und des Wirtschaftsministeriums ordnete das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 5. April 1968 gemäß § 81 a StPO die körperliche Untersuchung des Beschwerdeführers zur Feststellung seiner Verhandlungsfähigkeit durch Professor Dr. Schmidt und Dozent Dr. Harlfinger in Tübingen an und bestimmte, daß hierfür die Entnahme von Blutproben sowie röntgenologische, elektrokardiographische und elektroenzephalographische Untersuchungen zulässig, Lumbalpunktion und Pneumoenzephalographie dagegen ausgeschlossen seien. In der Begründung ist ausgeführt, es bestünden zwar gewichtige Beweisanzeichen dafür, daß der Beschwerdeführer entgegen den amtsärztlichen Gutachten verhandlungsfähig sei; da sie jedoch zur Überzeugung des Senats nicht ausreichten, sei die Erstattung eines Obergutachtens erforderlich, um die noch bestehenden Zweifel durch die größere Sachkunde und die besseren Erkenntnisquellen der Obergutachter zu beheben. Der Beschwerdeführer willige in die hierfür notwendige körperliche Untersuchung nicht ein, so daß es einer gerichtlichen Anordnung nach § 81 a StPO bedürfe. Nachteile für die Gesundheit des Beschwerdeführers seien von einer Untersuchung in dem angeordneten Umfang nach Auskunft des Sachverständigen Professor Dr. Schmidt nicht zu besorgen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, denn die Maßnahme sei unerläßlich, um über die erhobenen Beschwerden gegen die Einstellung des Verfahrens entscheiden zu können; sie stehe auch nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat und zu dem auf § 18 StrFG beruhenden Feststellungsinteresse des Wirtschaftsministeriums. Die Untersuchung fordere vom Beschwerdeführer lediglich die Duldung solcher Maßnahmen, denen sich im allgemeinen jeder ohne Bedenken auch bei geringen körperlichen Beschwerden und wenn die Diagnose einer ernsten Krankheit nicht zu erwarten sei, unterwerfe.

2.

Mit der gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe gerichteten Verfassungsbeschwerde vom 23. April 1968 rügt der Beschwerdeführer, ohne ein bestimmtes Grundrecht als verletzt zu bezeichnen, das Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt habe, verstoße gegen das "Verbot des Eingriffs der Exekutive in ein schwebendes Verfahren"; der Beschluß selbst verletze den "Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit". Wegen des von ihm beanstandeten Eingriffs hat der Beschwerdeführer in einem Schriftsatz vom 21. Mai 1969 zum Ausdruck gebracht, er sehe in den Äußerungen des Justizministers eine Weisung an die entscheidenden Richter, die deren Charakter als gesetzliche Richter im Sinne des Art. 101 GG "angreife".

Der Justizminister des Landes Baden-Württemberg habe durch seine Kritik an dem bisherigen Verfahren und mit der in seiner Presseäußerung zum Ausdruck gebrachten Erwartung, das Verfahren möge "wieder in ein rechtes Geleis" gebracht werden, in unzulässiger Weise auf den Inhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Einfluß genommen. Zumindest sei der böse Schein entstanden, daß die sachliche Unabhängigkeit der entscheidenden Richter durch eine in die Form öffentlicher Justizkritik gekleidete Weisung des Justizministers beeinträchtigt worden sei. Daß die Entscheidung des Oberlandesgerichts ohne die Einflußnahme des Justizministers anders ausgefallen wäre, lasse sich jedenfalls nicht ausschließen.

Inhaltlich verstoße die Entscheidung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bestraft werden könne der Beschwerdeführer nur noch wegen seiner Äußerung vom 16. Februar 1954; wegen der erhobenen Vorwürfe bestehe jedoch kein legitimes staatliches Strafverfolgungsinteresse mehr, weil die Zeit darüber hinweggegangen sei. Dennoch solle sich der Beschwerdeführer einer körperlichen Untersuchung mit Entnahme von Blutproben und mit röntgenologischen, elektrokardiographischen und elektroenzephalographischen Maßnahmen unterziehen, die ihm angesichts seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes nicht mehr zugemutet werden könnten.

3.

Das Justizministerium Baden-Württemberg hat sich namens der Landesregierung am 9. Dezember 1968 dahin geäußert, das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Verhalten des Justizministers enthalte die dem § 92 BVerfGG noch entsprechende Rüge, der Minister habe mit seiner Erklärung so auf die sachliche Unabhängigkeit der zur Entscheidung berufenen Richter eingewirkt, daß sie nicht mehr als gesetzliche Richter unbefangen über den Streitfall hätten entscheiden können. Es hält jedoch die Verfassungsbeschwerde insoweit für unzulässig, weil der Beschwerdeführer versäumt habe, die Richter rechtzeitig als befangen abzulehnen. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die Äußerungen des Justizministers stellten eine zulässige Urteilskritik dar, die sachlich berechtigt gewesen sei und nicht beabsichtigt habe, die vom Gericht zu treffende Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu lenken; im übrigen beruhe die angegriffene Entscheidung nicht auf dieser Kritik. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht verletzt, da das Land Baden-Württemberg ein erhebliches Interesse daran habe, die Unwahrheit der vom Beschwerdeführer gegen Professor Dr. K... erhobenen schweren Vorwürfe gerichtlich festgestellt zu sehen. Demgegenüber seien die dem Beschwerdeführer durch die körperliche Untersuchung in dem vom Oberlandesgericht angeordneten Umfang erwachsenden Unannehmlichkeiten gering.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer einen "Eingriff der Exekutive in ein schwebendes Verfahren" beanstandet; sie ist unbegründet, soweit er die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rügt.

1.

Nach § 92 BVerfGG ist in der Begründung der Verfassungsbeschwerde das Recht, das verletzt sein soll, innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG entweder ausdrücklich zu bezeichnen oder durch Sachvortrag erkennbar zu machen (BVerfGE 5, 1; 8, 141 [142 f.]). In der Verfassungsbeschwerde selbst ist kein Grundrecht als verletzt bezeichnet. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen einen "Eingriff der Exekutive in ein schwebendes Verfahren" wendet, ergibt sich aus seinen Ausführungen nicht, welches Grundrecht verletzt sein soll. Die in Art. 97 GG garantierte richterliche Unabhängigkeit ist kein Grundrecht im Sinne des § 90 BVerfGG. Der Beschwerdeführer hat keinen einleuchtenden Gedankengang vorgetragen, aus dem sich die Rüge der Verletzung eines bestimmten Grundrechts entnehmen ließe. Erst nach Ablauf der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG hat er - offenbar veranlaßt durch entsprechende Ausführungen in der inzwischen abgegebenen Äußerung des Justizministeriums - zu erkennen gegeben, daß er eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) rügen wolle. Damit steht jedoch der Inhalt seines ganzen Vorbringens nicht in Einklang. Ziel einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde kann es sinnvollerweise nur sein, einen anderen, nämlich den "gesetzlichen" Richter an die Stelle des Richters treten zu lassen, der tatsächlich entschieden hat. Der Beschwerdeführer bezweifelt aber nicht die Zuständigkeit des Strafsenats, der den angegriffenen Beschluß erlassen hat; er meint nur - freilich ohne dies irgendwie zu belegen -, die Richter dieses Senats könnten bei ihrer Entscheidung "möglicherweise unbewußt" einer Weisung des Ministers gefolgt sein und dadurch ihre Unabhängigkeit verloren haben. Er verkennt selbst nicht, daß sich diese Befürchtung auch gegen alle für eine Vertretung in Betracht kommenden Richter in Baden-Württemberg richten müßte. Es ist also nicht zu erkennen, wer nach der Vorstellung des Beschwerdeführers in dieser Sache "gesetzlicher Richter" sein und wie seine Entscheidung herbeigeführt werden soll. Damit genügen die Angriffe des Beschwerdeführers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts, soweit sie mit dem Verhalten des Justizministers begründet werden, nicht der von § 92 BVerfGG geforderten Form.

2.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Anordnung einer körperlichen Untersuchung gemäß § 81 a StPO wendet, ist aus der Verfassungsbeschwerde hinreichend erkennbar, daß er das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG als verletzt rügen will. Im Schriftsatz vom 21. Mai 1969 spricht er von einem Eingriff in das "Grundrecht der persönlichen Integrität nach Art. 2 GG". Die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.

Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren, insbesondere auch Eingriffe in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit, dürfen nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angeordnet werden. Dieser Grundsatz verlangt, daß die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich ist und daß der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts steht (BVerfGE 16, 194 [202]; 17, 108 [117]). Die hiernach gebotene Abwägung zwischen den in Betracht kommenden Maßnahmen und zwischen Anlaß und Auswirkungen des angeordneten Eingriffs haben die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte unter Würdigung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die hierbei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen.

Das Oberlandesgericht hat Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkannt. Es ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Erstattung eines Obergutachtens unerläßlich ist, um die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers endgültig zu klären, und daß nach der Weigerung des Beschwerdeführers, sich freiwillig den hierzu notwendigen Untersuchungen zu unterziehen, die Anordnung einer Maßnahme nach § 81 a StPO geboten ist. Über die Notwendigkeit und Zumutbarkeit der einzelnen Untersuchungshandlungen und körperlichen Eingriffe hat es sich nach Anhörung eines Sachverständigen ausreichend vergewissert und schwerere Eingriffe wie die Vornahme einer Lumbalpunktion oder einer Pneumoenzephalographie ausgeschlossen. Das Interesse des schon in hohem Alter stehenden und nach den amtsärztlichen Zeugnissen gesundheitlich labilen Beschwerdeführers, von einer zwangsweisen körperlichen Untersuchung verschont zu bleiben, ist zwar nicht gering zu achten. Ihm steht aber ein nicht minder gewichtiges Interesse des Landes Baden-Württemberg an einem gerichtlichen Ausspruch über die vom Beschwerdeführer gegen einen hohen Beamten des Landes erhobenen, dessen menschliche und politische Integrität treffenden und daher auch durch den Zeitablauf nicht ohne weiteres überholten Vorwürfe gegenüber. Das Oberlandesgericht hat diese Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Wenn es zu dem Ergebnis kommt, daß die angeordnete Untersuchung zu den durch die Fortsetzung des Verfahrens zu wahrenden Interessen in einem angemessenen Verhältnis stehe, so kann dies verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.

Dr. Stein, Ritterspach, Dr. Haager, Dr. Böhmer, Dr. Zeidler Die Richter Rupp-v. Brünneck und Dr. Brox sind erkrankt. Dr. Stein