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BVerfG, 08.11.1972 - 1 BvL 15/68, 1 BvL 26/69

Daten
Fall: 
Fahrbahndecke
Fundstellen: 
BVerfGE 34, 139; NJW 1973, 505; DÖV 1973, 204
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
08.11.1972
Aktenzeichen: 
1 BvL 15/68, 26/69
Entscheidungstyp: 
Beschluss

Die Herausnahme der Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten aus dem Erschließungsaufwand gemäß § 128 Abs. 3 Nr. 2 des Bundesbaugesetzes ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 8. November 1972
-- 1 BvL 15/68, 26/69 --
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGB1. I S. 341) -- Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse a) des Bayerischen Verwaltungsgerichts München - III. Kammer - vom 12. Februar 1968 (Nr. 3 148/67) - 1 BvL 15/68 -, b) des Bayerischen Verwaltungsgerichts München - II. Kammer - vom 21. Mai 1969 (Nr. 23 15/68) - 1 BvL 26/69-.

Entscheidungsformel:
§ 128 Absatz 3 Nummer 2 des Bundesbaugesetzes vom 25. Juni 1960 (Bundesgesetzbl. I S. 341) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

Gegenstand dieser Normenkontrollverfahren ist die Frage, ob der Ausschluß der Kosten für die Fahrbahn einer Ortsdurchfahrt aus dem Erschließungsaufwand nach § 128 Abs. 3 Nr. 2 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) - BBauG - mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

I.

Die Erschließung, welche nach dem Bundesbaugesetz eine öffentliche Aufgabe ist, umfaßt im wesentlichen die Herstellung der für die Allgemeinheit bestimmten örtlichen öffentlichen Straßen, Wege, Plätze und Grünanlagen, die nach städtebaulichen Grundsätzen zur Baureifmachung eines zur Bebauung vorgesehenen Gesamtgebietes erforderlich sind (§ 123 Abs. 1 und 2, § 125 Abs. 1 BBauG). Sie obliegt grundsätzlich der Gemeinde als Pflichtaufgabe, die nach dem Gesetz Träger der "Erschließungslast" ist (vgl. die Überschrift zu § 123 BBauG). Im Rahmen dieser Erschließungslast sind die Gemeinden berechtigt und verpflichtet, zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag von den Eigentümern zu erheben, deren Grundstücke durch die Anlage erschlossen worden sind (§ 127 Abs. 1, § 131 Abs. 1 BBauG). Die Erschließungsanlagen, für die eine Beitragserhebung in Frage kommt (beitragsfähige Erschließungsanlagen), umfassen nach § 127 Abs. 2 BBauG die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze sowie die Sammelstraßen, Parkflächen und Grünanlagen, soweit sie zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind. Der zur Herstellung dieser Anlagen erforderliche Aufwand wird nach Maßgabe des § 128 BBauG der Beitragsberechnung zugrunde gelegt. Beiträge können allerdings nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand - § 129 Abs. 1 Satz 1 BBauG).

Der nach diesem System maßgebliche Erschließungsaufwand ist in § 128 BBauG im wesentlichen auf die Kosten für den Erwerb und die Freilegung der Flächen für die Erschließung sowie auf die Kosten ihrer erstmaligen Herstellung beschränkt. Ausgeschlossen sind dagegen die Aufwendungen für Brücken, Tunnel und Unterführungen sowie die Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten nach Maßgabe des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG. Der hier wesentliche Teil des § 128 BBauG lautet:

Umfang des Erschließungsaufwandes
(1) Der Erschließungsaufwand nach § 127 umfaßt die Kosten für ...
(2) ...
(3) Der Erschließungsaufwand umfaßt nicht die Kosten für
1. ...
2. die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung, soweit die Fahrbahnen dieser Straßen keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern.

II.

Die II. und III. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München haben diese Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt.

Den Rechtsstreitigkeiten liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Eigentümer von Grundstücken an der Ortsdurchfahrt München der Bundesstraße 2, die in eine Bundesautobahn mündet. Nach dem Ausbau der Straße hat die Landeshauptstadt München die beiden Anlieger zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 8 344 DM beziehungsweise 11 916 DM herangezogen; hierbei sind Kosten für die Fahrbahn der Ortsdurchfahrt in Ansatz gebracht worden. In den anschließenden Anfechtungsprozessen haben die Gerichte die Verfahren ausgesetzt, da sie § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig halten.

Sie haben im einzelnen dargelegt, daß die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten von der Gültigkeit dieser Vorschrift abhänge und zur Begründung der Verfassungswidrigkeit im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Regelung begünstige in willkürlicher Weise die Anlieger von Ortsdurchfahrten. Da der Erschließungsbeitrag "ein echter Beitrag im technischen Sinne des Abgabenrechts" sei, müßten die Grundsätze zur Anwendung kommen, "die für das Abgabenrecht allgemein und für Beiträge insbesondere gelten". Nach diesem System sei jeder, der durch eine öffentliche Maßnahme einen Vorteil erlange, zu einem entsprechenden Beitrag heranzuziehen. Auch die Erschließung eines Grundstücks sei eine Leistung, die der Begünstigte durch einen Beitrag entgelten müsse. Da auch die Herstellung einer Ortsdurchfahrt dem Anlieger grundsätzlich einen Vorteil bringe, die angefochtene Vorschrift ihn aber von der Beitragspflicht freistelle, führe die Regelung zu einer systemwidrigen Durchbrechung der "Grundsätze der Abgabengleichheit und der speziellen Entgeltlichkeit öffentlicher Vorzugsleistungen". Hierfür gebe es keine sachlich gerechtfertigte Begründung. Nach dem System des gemeindlichen Abgabenrechts sei eine unentgeltliche Erschließung nur erlaubt, wenn das öffentliche Interesse es rechtfertige, die Kosten ausschließlich oder doch überwiegend aus allgemeinen öffentlichen Finanzmitteln zu bestreiten. Ein solches öffentliches Förderungsinteresse sei aber für die Herstellung der Straßen des überörtlichen Verkehrs nicht anzuerkennen, soweit die Gemeinden die Erschließungslast für diese Straßen trügen und deshalb den Erschließungsaufwand auf die unmittelbar begünstigten Anlieger umlegen könnten. Für die Grundstückseigentümer entstehe und bestehe der Erschließungsvorteil unabhängig von der Bedeutung einer Straße für den überörtlichen Verkehr. Nachteilige Auswirkungen dieses Verkehrs rechtfertigten keine Begünstigung der Anlieger von Ortsdurchfahrten, weil solche Belastungen nichts am Erschließungsvorteil änderten.

III.

1.

Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG für verfassungsmäßig. Der Gesetzgeber sei von der vertretbaren Annahme ausgegangen, daß der Ausbau von Ortsdurchfahrten in der Breite der anschließenden freien Strecke durch den überörtlichen Verkehr gefordert werde. Würden insoweit nicht nur allgemeine Haushaltsmittel eingesetzt, sondern auch Beiträge erhoben, so würden die Anlieger schlechter gestellt als Anlieger von Ortsdurchfahrten, die nicht in der Straßenbaulast der jeweiligen Gemeinde stünden. Eine Regelung, die die Erhebung von Beiträgen für Kosten gestatte, die beim Bau der Ortsdurchfahrten überörtlicher Verkehrsanlagen entstehen, würde zwar dem Gedanken des Vorteilsausgleichs besser gerecht, sei aber mit dem Kostenerstattungsprinzip, das dem Erschließungsbeitragsrecht zugrunde liege, nicht zu vereinbaren.

2.

Der Bayerische Ministerpräsident bejaht namens der bayerischen Staatsregierung die Verfassungsmäßigkeit der beanstandeten Vorschrift. Sie ziele nicht darauf ab, einen bestimmten Personenkreis zu begünstigen, sondern wolle den durch Erschließungsbeiträge zu deckenden Aufwand gegenständlich begrenzen. Die Regelung trage in angemessener Weise der Doppelfunktion der Ortsdurchfahrten Rechnung. Die öffentliche Hand sei nicht verpflichtet, zunächst Beiträge zu erheben, ehe sie allgemeine Finanzmittel einsetze.

3.

Der IV. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat auf sein Urteil vom 22. November 1968 (BVerwGE 31, 90) verwiesen und die dort vertretene Auffassung in einer Mitteilung an das Bundesverfassungsgericht aufrechterhalten. Nach seiner Ansicht kann § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden, weil der Durchgangsverkehr für die Anlieger in der Regel Nachteile mit sich bringe, die durch die Vorteile aus einer erleichterten Teilnahme am überörtlichen Verkehr nicht ausgeglichen würden. Der Gesetzgeber habe auch berücksichtigen müssen, daß Ortsdurchfahrten in kleinen Gemeinden überhaupt beitragsfrei blieben.

4.

Die Landeshauptstadt München - die Beklagte der Ausgangsverfahren - hat sich den Bedenken der Gerichte gegen die Verfassungsmäßigkeit der beanstandeten Vorschrift angeschlossen. In Großstädten bestehe zwischen den Fahrbahnbreiten von Ortsdurchfahrten und von Ortsstraßen nicht notwendig ein Unterschied. Wieweit die Fahrbahnbreite einer Ortsdurchfahrt durch das Anliegerbedürfnis veranlaßt sei, dürfe nicht aufgrund einer starren gesetzlichen Regelung, sondern nur nach den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ermittelt werden.

5.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu 1 BvL 15/68, der die Regelung für verfassungsmäßig hält, hat zusätzlich darauf hingewiesen, daß die Lage seines Grundstücks an einer Ortsdurchfahrt erhebliche Nachteile durch Lärm und Abgase mit sich bringe.

B.

§ 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Der Bund hat nach Art. 74 Nr. 18 GG das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung für den Sachbereich Bodenrecht. Zur Materie "Bodenrecht" im Sinne dieser Kompetenzzuweisung gehören "nur solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln" (BVerfGE 3, 407 [424]). Solche Vorschriften sind sachlich-rechtlich dem Schutzbereich des Art. 14 GG zuzurechnen. Kompetenz und Grundrecht bestimmen die Grenzen für die bodenrechtliche Gesetzgebung des Bundes.

Im Rahmen dieser Regelungsbefugnis kann der Gesetzgeber auch Vorschriften zum Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht erlassen (BVerfGE 3, 407 [427]; 33, 265 [286 ff.]). Er hat hiervon im Sechsten Teil des Bundesbaugesetzes Gebrauch gemacht.

1.

Die Vorschriften des Erschließungsrechts (1. Abschnitt des VI. Teiles BBauG) stehen in einem engen Zusammenhang mit dem städtebaulichen Planungsrecht (I. Teil BBauG) und dem Recht der Bodenordnung (IV. Teil BBauG). Sind nach der Aufstellung eines Bebauungsplanes die Maßnahmen zur Ordnung des Grund und Bodens sowie die etwa erforderlichen Enteignungen durchgeführt, so werden die in den Festsetzungen des Bebauungsplanes ausgewiesenen Grundstücke doch tatsächlich erst voll nutzbar, wenn die notwendigen Verkehrs- und Versorgungsanlagen sowie die Einrichtungen zur Beseitigung der Abwässer hergestellt sind. Erst nach Durchführung der hiernach gebotenen Maßnahmen kann von einem baureifen Grundstück gesprochen werden. Die Erschließungsmaßnahmen ermöglichen somit die Realisierung der in den Plänen vorgesehenen Rechtsänderungen der zum Erschließungsgebiet gehörenden Grundstücke. Die Vorschriften des Erschließungsrechts bestimmen daher im Zusammenwirken mit dem Planungs- und Bodenordnungsrecht für den hier maßgeblichen Sachbereich Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

2.

Entsprechendes gilt für die Vorschriften zum Erschließungsbeitragsrecht (2. Abschnitt des VI. Teiles BBauG), die eine Regelung hinsichtlich der Kosten treffen, welche bei der Herstellung der Bebauungsfähigkeit der einzelnen Grundstücke entstehen. Die §§ 127 ff. BBauG bilden nach dem System des Bundesbaugesetzes die notwendige Ergänzung zu den erschließungsrechtlichen Vorschriften. Die gesetzliche Verpflichtung, einen Beitrag zu den bei der Erschließung entstehenden Kosten zu leisten, steht in einem unlösbaren Zusammenhang mit der tatsächlichen Erschließung der betroffenen Grundstücke. Der Erschließungsbeitrag ist im Grunde nichts anderes als die "Beteiligung" des Grundstücks an den Kosten derjenigen Maßnahmen, die seine bauliche oder gewerbliche Ausnutzung erst ermöglichen. Demgemäß hat das Gesetz den Erschließungsbeitrag als dingliche Verpflichtung normiert: die Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht (§ 133 Abs. 1 Satz 1 BBauG); der Beitrag selbst ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 134 Abs. 2 BBauG). Diese Ausgestaltung der Beitragspflicht sowie ihre Abhängigkeit von der Erschließung als einer Maßnahme, die eine funktionsgerechte Verwendung von Grund und Boden für bauliche Maßnahmen sicherstellen soll, zeigt, daß auch die Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts als inhaltsbestimmende Normen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen sind.

3.

Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG haben nicht schon deshalb vor der Verfassung Bestand, weil sie als formelles Gesetz ergangen sind. Dem Gesetzgeber sind vielmehr in mehrfacher Richtung Grenzen gezogen: Er muß sich zunächst im Rahmen der durch das Grundgesetz vorgegebenen Gesetzgebungskompetenz halten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zuständigkeitsnormen nicht nur bestimmen, welcher Gesetzgeber (Bund oder Land) zum Erlaß einer Regelung zuständig ist, sondern auch den Umfang der Regelungsbefugnis festlegen. Der Bundesgesetzgeber kann also nur solche erschließungs- und erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften erlassen, die ihrem materiellen Inhalt nach dem Sachbereich "Bodenrecht" im verfassungsrechtlichen Sinn zugerechnet werden können. Eine kompetenzwidrige Regelung würde das Grundrecht der betroffenen Grundeigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen (BVerfGE 24, 367 [384 f.]). Darüber hinaus muß der Gesetzgeber den grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie beachten und sich mit allen übrigen materiellen Verfassungsnormen in Einklang halten (BVerfGE 21, 73 [82]; 150 [155]; 25, 112 [117]; 26, 215 [222]). Insbesondere muß jede Regelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem das Grundgesetz beherrschenden Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entsprechen. Das bedeutet hier: Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, der in Art. 3 Abs. 1 GG als Grundrecht des Einzelnen garantiert ist, muß als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip (BVerfGE 6, 84 [91]; 23, 353 [373]; 25, 198 [205]; 26, 172 [185] u. 228 [244]) auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten beachtet werden (BVerfGE 21, 73 [84]).

4.

Der von den Gerichten beanstandete § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG trifft eine für die Berechnung des Erschließungsbeitrages wesentliche Regelung. Daher setzt seine verfassungsrechtliche Prüfung die Feststellung voraus, daß das Erschließungsbeitragsrecht, soweit es für die hier zu treffende Entscheidung maßgebend ist, und das diesem zugrunde liegende Erschließungsrecht des Bundesbaugesetzes dem Grundgesetz entsprechen. Stände dieses System mit der Verfassung nicht in Einklang, käme es auf die beanstandete Vorschrift für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht an. Aus der begrenzten Fragestellung ergibt sich aber auch, daß nicht darüber zu befinden ist, ob die einzelnen Vorschriften - insbesondere der von den Gerichten ebenfalls für verfassungswidrig gehaltene § 127 Abs. 1 BBauG - gültig sind. Für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 81 BVerfGG) kommt es allein auf folgende Gesichtspunkte an:

Im Rahmen seiner bodenrechtlichen Kompetenz hatte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten, die Herstellung der Bebauungsfähigkeit von Grundstücken zu regeln. Für jede Regelung ist aber aus grundrechtlicher Sicht davon auszugehen, daß es - jedenfalls im Prinzip - zunächst zu den eigenen Aufgaben des Eigentümers gehört, sein Grundstück durch einen Anschluß an die erforderlichen Straßen bebauungsfähig zu machen. Wenn der Gesetzgeber die Erschließung im Interesse einer ordnungsgemäßen städtebaulichen Entwicklung und im Hinblick auf die steigenden Anforderungen, die sich aus dem wachsenden Verkehr ergeben, zu einer öffentlichen Aufgabe erklärt hat, bewegt er sich im Rahmen des ihm in der Verfassung gegebenen Auftrags, die Befugnis des Einzelnen an Grund und Boden unter Beachtung sozialrelevanter Gesichtspunkte zu ordnen. Die Pflicht des Eigentümers, Erschließungsmaßnahmen zu dulden, hält sich im Rahmen der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 Abs. 2 GG, die der Gesetzgeber bei Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 beachten muß (BVerfGE 25, 112 [117]).

Auch das Prinzip, die bei der Erschließung entstehenden Kosten durch Erhebung eines Beitrages auf die erschlossenen Grundstücke zu überwälzen, kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. Da der Gesetzgeber die Erschließung den Gemeinden als eine Pflichtaufgabe übertragen hat, mußte er notwendigerweise eine Kostenregelung treffen. Wenn er hierbei den Erschließungsaufwand nicht der Allgemeinheit anlasten wollte, ergab sich als nächstliegende Möglichkeit, das erschlossene Grundstück zum Anknüpfungspunkt für eine Kostenregelung zu wählen. Die verfassungsrechtliche Legitimation für die Überwälzung der der Gemeinde entstehenden Erschließungskosten ist darin zu sehen, daß die gemeindliche Tätigkeit dem Grundeigentümer einen Wertzuwachs verschafft, der ihm unberechtigterweise zuflösse, wenn er zu den Kosten nicht herangezogen würde. Aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kann nicht der Anspruch hergeleitet werden, daß rechtliche und wirtschaftliche Vorteile, die durch diese öffentlichen Maßnahmen entstehen, dem Eigentümer zufließen, die hierbei entstehenden Kosten dagegen von der Allgemeinheit getragen werden. Das gilt auch dann, wenn die Erschließung gegen den Willen des Eigentümers erfolgt.

II.

Von dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage her ergibt sich die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift.

1.

§ 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG bestimmt im Grundsatz, daß der Erschließungsaufwand, der die Grundlage für die Berechnung des Erschließungsbeitrages bildet, nicht die Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen sowie von Landstraßen I. und II. Ordnung umfaßt. Die Vorschrift verweist somit auf Regelungen des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) in der Fassung vom 6. August 1961 - BGBl. I S. 1742 - (mit späteren Änderungen) und auf entsprechende Bestimmungen in den Straßen- und Wegegesetzen der Länder. Diese Gesetze - nicht das Bundesbaugesetz - umschreiben Begriff und Wesen der in § 128 Abs. 3 Nr. 2 genannten Bundes- und Landstraßen sowie die rechtliche Bedeutung der Ortsdurchfahrt. Die Vorschrift beruht auf der Unterscheidung von kommunaler Erschließungslast und der Straßenbaulast nach den Straßengesetzen.

Hierbei ist davon auszugehen, daß die Straßenbaulast nach der allgemein geltenden Definition "alle mit dem Bau und der Unterhaltung" der Straßen "zusammenhängenden Aufgaben" umfaßt (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und insbesondere - worauf es hier ankommt - die Kostenträgerschaft regelt. Demgegenüber ist die kommunale Erschließungslast - im Hinblick auf ihren bodenrechtlichen Charakter - eine beschränkte Aufgabe. Sie umfaßt lediglich die Herstellung derjenigen Straßen, die zur Baureifmachung eines zur Bebauung vorgesehenen Baugebietes erforderlich sind; zugleich ist hierdurch die Kostenregelung, das heißt das Erschließungsbeitragsrecht, sachlich begrenzt, da das Recht, einen Beitrag zu den Kosten dieser Straßen zu erheben, nicht weiter gehen kann, als die Erschließungslast reicht.

Während Erschließungsanlagen als Ortsstraßen dem örtlichen Verkehr dienen, sind die in § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG genannten Ortsdurchfahrten nach den Normierungen der Straßengesetze Teile einer Bundes- oder Landstraße, "die innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt". Hierbei wird als geschlossene Ortslage "der Teil des Gemeindebezirks" verstanden, "der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist" (so § 5 Abs. 4 FStrG und die entsprechenden Landesgesetze). Die Ortsdurchfahrt zeichnet sich hiernach in tatsächlicher Richtung dadurch aus, daß auf ihr örtlicher und überörtlicher Verkehr zugleich stattfindet. Dies führt notwendigerweise zu einer Verflechtung, aber auch zu einer gewissen Konkurrenz der Interessen des überörtlichen Verkehrs einerseits sowie der Belange und der Interessen der örtlichen Gemeinschaft andererseits. Rechtlich ist die Ortsdurchfahrt dadurch charakterisiert, daß eine innerhalb einer Ortschaft verlaufende Straße des überörtlichen Verkehrs nicht den Zusammenhang der Bundes- oder Landstraße unterbricht, sondern Teil dieser Straße bleibt; sie wird also nicht Gemeindestraße. Dieser tatsächlichen und rechtlichen Situation tragen die Straßengesetze durch Abgrenzung der jeweiligen Befugnisse und Pflichten Rechnung. Für die Baulast - die hier allein interessiert - gilt insbesondere folgendes:

Nach den Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes ist der Bund grundsätzlich Träger der Straßenbaulast für die Bundesstraßen (§ 5 Abs. 1 FStrG). Von dieser Regel macht das Gesetz aber eine Ausnahme für Ortsdurchfahrten in Gemeinden mit mehr als 50 000 Einwohnern; sie sind baulastpflichtig (§ 5 Abs. 2 FStrG). Bei Ortschaften mit einer geringeren Einwohnerzahl bleibt es - abgesehen von Gehwegen und Parkflächen - bei der allgemeinen Regel. (Entsprechende Bestimmungen - auf die es hier im einzelnen nicht ankommt - gelten nach den Straßengesetzen der Länder).

Die hiernach sich ergebende Unterscheidung zwischen baulastpflichtigen und baulastfreien Gemeinden führt dazu, daß § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG dann keine besondere Bedeutung hat, wenn der Bund oder ein Land die Kosten für die Fahrbahn der Ortsdurchfahrten trägt; denn in diesem Fall entstehen der Gemeinde keine auf die Anlieger überwälzbaren Kosten. Diese Konsequenz der Regelung wird von den vorlegenden Gerichten nicht beanstandet. Dagegen halten sie es für verfassungswidrig, daß auch die Eigentümer derjenigen Grundstücke, die an einer Ortsdurchfahrt mit gemeindlicher Baulast liegen, nach Maßgabe des § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG von Erschließungsbeiträgen freigestellt sind. Sie sehen in dieser "Begünstigung" eine systemwidrige und sachlich nicht gerechtfertigte Durchbrechung des Beitragsrechts und betrachten es als ein Gebot des Gleichheitssatzes, daß in diesem Fall die den Gemeinden im Rahmen der Straßenbaulast entstehenden Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten in den abwälzbaren Erschließungsaufwand einbezogen und auf die Anlieger umgelegt werden. Diese Auffassung verkennt die Rechtslage.

2.

Die vorlegenden Gerichte gehen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 128 Abs. 3 Nr. 2 davon aus, daß die den Gemeinden im Rahmen der Straßengesetze auferlegte Baulast für die Ortsdurchfahrten einen Teil der kommunalen Erschließungslast darstelle. Hieraus ergibt sich nach ihrer Ansicht das Recht der Gemeinden, die bei der Herstellung von Ortsdurchfahrten entstehenden Kosten nach den Grundsätzen des Beitragsrechts an sich "als beitragsfähigen Erschließungsaufwand auf die Anlieger um(zu)legen", wenn § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG dies nicht verhindern würde.

Schon die oben dargelegten Gesichtspunkte, die allgemein für die Abgrenzung der Erschließungslast von der Straßenbaulast maßgeblich sind, sprechen gegen diese Ausgangserwägung. Ortsdurchfahrten sind Teile der jeweiligen Bundes- oder Landstraße; sie können schon aus diesem Grunde keine Erschließungsanlagen im Sinne der §§ 127 ff. sein und daher auch nicht die Grundlage für einen Erschließungsbeitrag abgeben. § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG stellt lediglich in Übereinstimmung mit den Straßengesetzen klar, daß die Fahrbahnkosten einer überörtlichen Straße in der Breite der freien Strecke auch dann keine Erschließungskosten sind, wenn eine solche Straße durch ein Erschließungsgebiet verläuft. Auch ohne diese ausdrückliche Klarstellung ergäbe sich die Nichtzugehörigkeit dieser Kosten zum Erschließungsaufwand bereits aus den Baulastvorschriften der Straßengesetze, die allein bestimmen, wer die Kosten der überörtlichen Durchgangsstraßen zu tragen hat (wobei die Frage, wie die jeweils erforderlichen Mittel aufgebracht werden, hier keiner Erörterung bedarf). Diese Gesetze kennen aber nicht die Möglichkeit, die im Zusammenhang mit der Straßenbaulast entstehenden Kosten im Rahmen einer Beitragserhebung auf die Anlieger umzulegen. Daher ist es auch unzutreffend, wenn die vorlegenden Gerichte unterstellen, die Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten gehörten an sich zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand und würden erst durch § 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG herausgenommen. Ein solches "System" liegt dem Erschließungsbeitragsrecht nicht zugrunde. Daher entbehrt auch die Rüge der Berechtigung, diese Vorschrift durchbreche in nicht zulässiger Weise das dem Gesetz zugrunde liegende System, so daß dahingestellt bleiben kann, ob eine etwaige "Systemdurchbrechung" einen Verfassungsverstoß darstellen könnte. Das Recht der Gemeinden, einen Beitrag zu den Kosten der die Grundstücke erschließenden Straßen zu erheben, ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Kosten für den Bau der Straßen von der Allgemeinheit getragen werden.

3.

Der allgemeine Gleichheitssatz ist aber auch nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber im Rahmen der Erschließungslast eine teilweise Überwälzung der Kosten auf die Grundeigentümer zugelassen, im Rahmen der kommunalen Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten dagegen eine entsprechende Regelung nicht getroffen hat.

Diese Differenzierung ergibt sich aus der grundgesetzlich vorgegebenen Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten und den grundrechtlichen Schranken für die Regelung des Erschließungsbeitragsrechts: Nach Art. 74 Nr. 22 GG ist der Bund auf den Erlaß von Vorschriften für den Bau und die Unterhaltung der Landstraßen des Fernverkehrs beschränkt. Im übrigen liegt die Gesetzgebungsbefugnis für die Materie "Straßenbau" bei den Ländern (Art. 30, 70 GG; BVerfGE 26, 338 [370, 384]). Es ist daher Sache des Landesgesetzgebers, Vorschriften für den Bau und die Unterhaltung der Gemeindestraßen zu treffen. Der Bundesgesetzgeber kann in diesem Sachbereich lediglich innerhalb seiner bodenrechtlichen Kompetenz (Art. 74 Nr. 18 GG) tätig werden. Nur im Rahmen der hiernach sich ergebenden Grenzen steht ihm also die Regelung der Erschließungslast zu. Die von den Gerichten vorgenommene Identifikation von Erschließungslast und Straßenbaulast übersieht diese Zusammenhänge.

Wie oben dargelegt, umfaßt die Materie "Bodenrecht" nur solche Vorschriften, die "die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln", was aus grundrechtlicher Sicht bedeutet, daß die hierdurch begründeten Rechte und Pflichten dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterliegen. Die Gesichtspunkte, die eine Überwälzung der bei der Erschließung anfallenden Kosten auf die Eigentümer rechtfertigen, entfallen bei der Herstellung der überörtlichen Straßen. Die baulastpflichtige Gemeinde erfüllt bei der Herstellung von Ortsdurchfahrten die ihr durch die Straßengesetze übertragene Aufgabe, für die Allgemeinheit ein funktionsfähiges Verkehrsnetz zu schaffen; dagegen geht es nicht darum, eine an sich dem Eigentümer obliegende Last unter seiner Kostenbeteiligung zu erfüllen und Grundstücke nach Maßgabe der Planung bebauungs- und nutzungsfähig zu machen. Der Bau einer Ortsdurchfahrt ist - jedenfalls hinsichtlich der Fahrbahnen - unter boden- und grundrechtlichen Gesichtspunkten keine Erschließung.

Die Abgrenzung der Erschließung von der Straßenbaulast beruht nach allem keineswegs auf willkürlichen und sachfremden Gesichtspunkten. Wenn eine Ortsdurchfahrt dazu beiträgt, daß anliegende Grundstücke besser erreichbar werden, so ist das eine Nebenfolge, die nicht die Gültigkeit des Gesamtsystems in Frage stellen kann.

Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht der vorlegenden Gerichte, die Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts müßten einem übergeordneten und allgemeingültigen Beitragsbegriff entsprechen. Wenn sie hierbei offenbar davon ausgehen, daß jeder, der durch eine öffentliche Veranstaltung einen Vorteil erlange, auch zu einem Beitrag - und zwar ohne Rücksicht auf den Entstehungsgrund der Kosten - herangezogen werden müsse, übersehen sie, daß sich der Erschließungsbeitrag als eine bodenrechtliche Maßnahme im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG nur auf die der Gemeinde bei der Erschlie™Mßung, nicht aber auch auf die bei der Erfüllung der Straßenbaulast entstehenden Kosten erstrecken kann.

4.

§ 128 Abs. 3 Nr. 2 BBauG schließt die Kosten für die Fahrbahnen der Ortsdurchfahrten insoweit aus, als sie "keine größere Breite als ihre anschließenden freien Strecken erfordern". Die Vorschrift geht demgemäß von dem Regelfall aus, daß die Ortsdurchfahrt nicht breiter als die freie Strecke ist. Bei einer größeren Breite kann ein umlegungsfähiger Erschließungsaufwand entstehen. Das ist nicht zu beanstanden; denn der Gesetzgeber konnte bei der Verflechtung der örtlichen und überörtlichen Belange davon ausgehen, daß der Umfang der Fahrbahn einer Ortsdurchfahrt in der Breite der anschließenden Strecke regelmäßig durch die Interessen des überörtlichen Verkehrs veranlaßt ist, eine breitere Straße aber in der überschießenden Fläche eine Erschließungsanlage darstellen kann. Den Belangen der Gemeinde ist dadurch Rechnung getragen, daß die Grenzen der Ortsdurchfahrt von den Straßenbehörden nach Anhörung der Gemeinde festgesetzt werden (vgl. zum Beispiel § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG); die Anlieger sind durch § 129 Abs. 1 Satz 1 BBauG vor einer sachlich nicht gerechtfertigten Inanspruchnahme geschützt.

(gez.) Benda, Ritterspach, Dr. Haager, Dr. Böhmer, Dr. Faller, Dr. Brox, Dr. Simon