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BVerfG, 10.12.1974 - 2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73

Daten
Fall: 
Magistratsverfassung Schleswig-Holstein
Fundstellen: 
BVerfGE 38, 258; BayVBl 1975, 78; MDR 1975, 206; NJW 1975, 255
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
10.12.1974
Aktenzeichen: 
2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73
Entscheidungstyp: 
Urteil

§ 73 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bezieht sich nicht auf Verfahren der abstrakten Normenkontrolle.

Urteil

des Zweiten Senats vom 10. Dezember 1974 auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 1974
-- 2 BvK 1/73; 2 BvR 902/73 --
in dem Verfahren 1. zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 (GVBl. S. 251) - Antragsteller: die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages 1-27 ... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Manfred Hansen, Kiel, Virchowstraße 23 -; 2. über die Verfassungsbeschwerde der Stadt Kiel gegen Art. 1 Nr. 4 - § 64 Abs.2 Satz 1und Abs. 3 n.F. - und Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 (GVBl. s. 251) - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Bernhard Leverenz, Karlsruhe, Graf-Eberstein-Straße 29 - Beteiligte: 1. der Schleswig-Holsteinische Landtag, vertreten durch den Präsidenten, Kiel, Landeshaus - Bevollmächtigter: Professor Dr. Günter Püttner, Speyer -, 2. die Schleswig-Holsteinische Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Kiel, Landeshaus - Bevollmächtigter: Professor Dr. Hans H. Klein, Göttingen -.

Entscheidungsformel:
1. In § 64 Absatz 3 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 251) sind die Sätze 2-7 mit Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 der Landessatzung für Schleswig-Holstein unvereinbar und daher nichtig.
2. § 64 Absatz 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für Schleswig- Holstein in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 251) ist mit der Landessatzung für Schleswig-Holstein und mit dem Grundgesetz vereinbar.
3. Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
4. Das Land Schleswig-Holstein hat der Stadt Kiel drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Die Antragsteller begehren im Normenkontrollverfahren eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob die Bestimmungen der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein über die Wahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder in Städten mit Magistratsverfassung in der Form, die sie durch das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 (GVBl. S. 251) -- Änderungsgesetz -- erhalten haben -- § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 bis 7 n.F. --, mit der Landessatzung für Schleswig-Holstein vereinbar sind. Die Verfassungsbeschwerde der Stadt Kiel richtet sich, gestützt auf Art. 28 GG, gegen dieselben Bestimmungen sowie gegen § 71 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein in der Fassung des Änderungsgesetzes, soweit die Bestimmung der Sachgebiete der Magistratsmitglieder der Hauptsatzung vorbehalten und für eine Änderung eine Zweidrittel-Mehrheit vorgeschrieben wird.

I.

1.

Die Schleswig-Holsteinische Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. April 1973 (GVBl. S. 89) -- GO -- sieht in Städten als Organe die Stadtvertretung und den Magistrat vor (§ 7 Abs. 1 und 2 GO). Die Mitglieder der Stadtvertretung werden für vier Jahre gewählt (§ 31 Abs. 2 GO, § 1 Abs. 1 Gemeinde- und Kreiswahlgesetz in der Fassung vom 11. September 1965 [GVBl. S. 75]).

Der Magistrat leitet die Stadtverwaltung (§ 7 Abs. 2 GO). Er besteht aus dem Bürgermeister als Vorsitzendem und hauptamtlichen und ehrenamtlichen Stadträten (§ 62 Abs. 1 GO). Seine Mitglieder werden von der Stadtvertretung gewählt und zwar die ehrenamtlichen für die Dauer der Wahlperiode der Stadtvertretung und der Bürgermeister und die hauptamtlichen Stadträte auf mindestens sechs und höchstens zwölf Jahre (§ 64 Abs. 1, § 65 GO).

2.

Für die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters und der hauptamtlichen Stadträte war bisher die Wahl durch die Mehrheit der Stadtvertretung vorgesehen; jedes Mitglied der Stadtvertretung konnte Kandidaten vorschlagen (§ 64 GO a.F.). Jetzt bestimmt § 64 GO in der Fassung des Art. 1 Nr. 4 des Änderungsgesetzes:

§ 64 Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters und der hauptamtlichen Stadträte
(1) Die Wahlzeit des hauptamtlichen Bürgermeisters und der hauptamtlichen Stadträte beträgt sechs Jahre. Die Stadtvertretung kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer gesetzlichen Mitglieder eine längere Wahlzeit bis zu höchstens zwölf Jahren beschließen.
(2) Der hauptamtliche Bürgermeister wird auf Vorschlag einer Partei oder anderen Vereinigung in der Stadtvertretung, die die Besetzung der Stellen der hauptamtlichen Magistratsmitglieder im Verhältnis der Sitze in der Stadtvertretung verlangen kann, gewählt. ...
(3) Die Stadtvertretung wählt die hauptamtlichen Stadträte. Jede Partei oder andere Vereinigung in der Stadtvertretung, der nach § 40 Abs. 3 Satz 1 die Stelle eines hauptamtlichen Stadtrats zustehen würde, kann bei der Besetzung der Stellen der hauptamtlichen Stadträte Berücksichtigung ihrer Vorschläge im Verhältnis ihrer Sitze verlangen; in diesem Falle findet eine Abstimmung über die Vorschläge nicht statt. Für die Zuteilung der neu zu besetzenden Stellen werden bei jeder Partei oder anderen Vereinigung in der Stadtvertretung so viele Höchstzahlen ausgeschieden, wie bereits andere Stellen auf ihren Vorschlag hin besetzt sind. Der hauptamtliche Bürgermeister wird derjenigen Partei oder anderen Vereinigung in der Stadtvertretung angerechnet, auf deren Vorschlag er gewählt worden ist. Die Parteien oder anderen Vereinigungen in der Stadtvertretung benennen in der Reihenfolge der verbleibenden Höchstzahlen die neuen hauptamtlichen Stadträte. Die Stadtvertretung kann einen Vorschlag zurückweisen, wenn ihm zwei Drittel ihrer gesetzlichen Mitglieder widersprechen. Sie stellt die Zuteilung der Stellen und ihre Besetzung durch Beschluß fest.
(4) Zum hauptamtlichen Bürgermeister und zum hauptamtlichen Stadtrat kann nur gewählt werden, wer zu städtischen Ehrenämtern wählbar ist. Der Bewerber muß die für sein Amt erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde besitzen und über die notwendigen Erfahrungen auf dem Gebiet der gemeindlichen Selbstverwaltung verfügen. ...
(5) ...
(6) Die Kommunalaufsichtsbehörde kann der Wahl oder Wiederwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters oder eines hauptamtlichen Stadtrats binnen drei Wochen nach Eingang der Anzeige und der Wahlunterlagen widersprechen, wenn der Gewählte nicht die Voraussetzungen des Abs. 4 erfüllt; ... Widerspricht die Kommunalaufsichtsbehörde, so hat die Stadtvertretung einen anderen Bewerber zu wählen.
(7) ...

Dazu bestimmt § 40 Abs. 3 GO in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des Änderungsgesetzes:

(3) Sind die Vorschläge der Parteien und anderen Vereinigungen in der Gemeindevertretung gemäß § 33 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 64 Abs. 3 oder § 65 Abs. 1 im Verhältnis ihrer Sitze zu berücksichtigen, so sind die Stellen auf die Vorschläge nach der Reihenfolge zu verteilen, die sich durch Teilung der auf die Vorschläge entfallenden Stimmenzahlen oder der für sie zu berücksichtigenden Sitzzahlen durch 1, 2, 3, 4 usw. ergeben. Dabei bleiben im Falle des § 64 Abs. 3 die Stellen derjenigen hauptamtlichen Stadtvertreter außer Betracht, die von der Stadtvertretung durch Mehrheitswahl gewählt worden sind. Über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleicher Höchstzahl das vom Vorsitzenden zu ziehende Los.

Diese Vorschrift wird durch Art. 2 des Änderungsgesetzes ergänzt:

Artikel 2 Übergangsvorschrift
Bei der Besetzung der Stellen der hauptamtlichen Stadträte nach § 64 Abs. 3 Satz 2 werden die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Amt befindlichen hauptamtlichen Magistratsmitglieder derjenigen Partei oder Vereinigung in der Stadtvertretung angerechnet, auf deren Vorschlag sie gewählt worden sind. § 40 Abs. 3 Satz 2 findet insoweit keine Anwendung.

3.

Die Sachgebiete der Stadträte bestimmte nach bisherigem Recht der Magistrat (§ 71 Abs. 1 GO a.F.).

§ 71 Abs. 1 in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des Änderungsgesetzes lautet nunmehr:

Sachgebiete der Magistratsmitglieder können nur durch die Hauptsatzung bestimmt werden. Für die hauptamtlichen Stadträte sind Sachgebiete zu bestimmen. Beschlüsse über die Bestimmung oder Änderung der Sachgebiete der Stadträte bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl. Die Sachgebiete sollen so bestimmt werden, daß sie untereinander ausgewogen sind. Dabei sind die Unterschiede, die sich aus der ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Wahrnehmung eines Sachgebietes ergeben, zu berücksichtigen.

Die Hauptsatzung bedarf nach § 4 Satz 3 GO der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde.

II.

1.

Die Antragsteller des Normenkontrollverfahrens haben mit Schriftsatz vom 22. August 1973, eingegangen am 28. August 1973, beantragt festzustellen, daß das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972, verkündet am 29. Dezember 1972 (GVBl. S. 251), in seinen Bestimmungen für die Besetzung der hauptamtlichen Magistratsstellen, einschließlich der Übergangsvorschrift des Art. 2 Änderungsgesetz, mit der Landessatzung von Schleswig-Holstein in der Fassung vom 15. März 1962 (GVBl. S. 123) -- LS -- förmlich oder sachlich nicht vereinbar ist. Sie sind der Meinung, der Antrag sei nicht fristgebunden, weil § 73 Abs. 2 BVerfGG auf ein abstraktes Normenkontrollverfahren keine Anwendung finde.

Zur Begründung haben die Antragsteller unter Vorlage eines Gutachtens von Professor Dr. Frowein, Bielefeld vorgetragen: § 64 Abs. 3 GO n.F. verstoße gegen das Demokratiegebot des Art. 2 LS, weil dieses eine Beschränkung der Wahlentscheidung der Stadtvertretung durch das Gebot der anteilmäßigen Besetzung des Magistrats nur dann zulasse, wenn in dieser Besetzung der Volkswille zum Ausdruck komme. Daran fehle es hier, weil die Amtszeiten der hauptamtlichen Stadträte mit der Wahlperiode der Stadtvertretung nicht übereinstimmen. Es verstoße auch gegen Art. 2 LS, die Fraktionsvorschläge als Wahl durch die Stadtvertretung zu qualifizieren, wenn über diese Vorschläge in der Stadtvertretung überhaupt nicht abgestimmt werde.

§ 64 Abs. 3 GO verstoße ferner gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sowie gegen Art. 39 Abs. 1 LS. Auch nach diesen Verfassungsbestimmungen könnten Fraktionsvorschläge der Stadtvertretung nicht als Wahl zugerechnet werden. Diese Bestimmungen sollten gerade gewährleisten, daß die Wahl der Hauptverwaltungsbeamten durch das Plenum der Stadtvertretung selbst erfolge.

§ 64 Abs. 3 GO verstoße auch gegen das in Art. 28 Abs. 1 GG gewährleistete freie Mandat der Gemeindevertreter; jeder Gemeindevertreter müsse die Möglichkeit haben, in freier Entscheidung die Annahme oder Ablehnung der Fraktionsvorschläge zu erklären.

Die Antragsteller bringen weiter vor, die Übergangsvorschrift in Art. 2 Änderungsgesetz sei ein belastendes Gesetz mit echter Rückwirkung, weil sie den Wahlvorschlägen in den früheren Stadtvertretungen nachträglich eine rechtliche Bedeutung zulege, die ihnen damals nicht zukam.

Die Antragsteller haben schließlich auf ein Gutachten von Professor Dr. Ule, Speyer, erstattet im Auftrag des Städteverbandes Schleswig-Holstein vor Erlaß des Änderungsgesetzes, Bezug genommen.

2.

Die Verfassungsbeschwerde der Stadt Kiel macht sich die Argumente der Antragsteller im Normenkontrollverfahren weitgehend zu eigen und trägt zusätzlich vor:

Zum Wesen des freien Mandats gehöre das Recht, Wahlvorschläge zu machen; damit sei nicht vereinbar, daß § 64 Abs. 2 und 3 GO das Vorschlagsrecht für den hauptamtlichen Bürgermeister und die übrigen hauptamtlichen Magistratsmitglieder nur den Fraktionen vorbehalte.

Zu § 71 Abs. 1 GO n.F. wird geltend gemacht: Mit der Verlagerung der Entscheidung über die Sachgebietsaufteilung der Magistratsmitglieder vom Magistrat in die von der Stadtvertretung zu beschließende Hauptsatzung -- die gemäß § 4 Satz 3 GO der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfe -- habe sich der Staat ein weit über die legitime Kommunalaufsicht hinausgehendes Eingriffsrecht verschafft und dadurch gegen das verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde und ihr daraus fließendes Organisationsrecht verstoßen. Es verletze ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, für Änderungen der Hauptsatzung in diesem Punkt eine Zweidrittel- Mehrheit der Stadtvertretung vorzuschreiben.

III.

1.

Für den Schleswig-Holsteinischen Landtag hat sich dessen Präsident auf Grund der Landtagsbeschlüsse vom 28. Februar und 8. Mai 1974 geäußert, die das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 22. Dezember 1972 mit der Landessatzung für vereinbar und die Verfassungsbeschwerde für unbegründet halten.

Im einzelnen führt er aus:

Für die kommunale Selbstverwaltung gelte der Grundsatz der Gewaltenteilung nicht; es sei deswegen im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die herkömmlichen Rechtsprinzipien des Parlamentsrechts auf die Arbeit der Kommunalvertretungen angewendet werden müßten oder könnten. Das Demokratiegebot verbiete weder eine Regelung, die eine den Mehrheitsverhältnissen in der Gemeindevertretung entsprechende Zusammensetzung des Magistrats ermöglicht, noch verlange es, daß bei einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse die Stärkeverhältnisse im Magistrat sogleich den neuen Mehrheitsverhältnissen angepaßt werden. Die neu getroffene Lösung stelle einen Kompromiß dar zwischen den Erfordernissen der demokratischen Legitimation der Stadträte und der zur Gewährleistung einer leistungsfähigen Verwaltung erforderlichen angemessenen amtsrechtlichen Sicherung. Das in § 64 Abs. 3 GO geregelte Verfahren sei seinem Inhalt nach eine Verhältniswahl mit gebundenen Stimmen. Die demokratische Legitimität des in diesem Verfahren festgestellten Ergebnisses sei die gleiche, wie wenn ausdrücklich eine gebundene Wahl im eigentlichen Sinne durchgeführt worden wäre. Deswegen liege auch kein Eingriff in die Personalhoheit der Gemeinde, so wie diese in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 39 Abs. 1 LS gewährleistet sei, vor.

Soweit in der Regelung eine Einschränkung des freien Mandats der Gemeindevertreter gesehen werden könnte -- wobei die Frage unberührt bleiben könne, ob freies Mandat den Gemeindevertretern in demselben Sinne zukomme wie Parlamentsabgeordneten --, sei diese Einschränkung jedenfalls zulässig, weil sie zur spezifischen Berücksichtigung der Interessen der Gemeindebürger erfolge, nämlich um durch Vorschriften über die verhältnismäßige Besetzung von Gemeindeorganen den Belangen von Minderheiten zur Durchsetzung in der Arbeit der kommunalen Selbstverwaltung zu verhelfen. Die Begrenzung des Vorschlagsrechts bei der Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters sowie der hauptamtlichen Stadträte auf Parteien und andere Vereinigungen in der Stadtvertretung sei integrierender Bestandteil des für die Stellenbesetzung gewählten Systems anteilmäßiger Berücksichtigung.

Die Genehmigungspflicht für die Hauptsatzung, zu deren Inhalt die Bestimmung der Sachgebiete der Magistratsmitglieder gehöre, könne schon deswegen nicht als unzulässiger Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde angesehen werden, weil die Kommunalaufsichtsbehörde bei ihrer Entscheidung die durch Art. 28 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen zu beachten habe. Für das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit zur Beschlußfassung über die Hauptsatzung gebe es gute Gründe.

2.

Für die Schleswig-Holsteinische Landesregierung hat sich der Ministerpräsident geäußert. Gegen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages bestünden Bedenken, weil der Antrag nicht binnen einer Frist von sechs Monaten gemäß § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG gestellt worden sei. Der Antrag sei, wie die Verfassungsbeschwerde, aber auch unbegründet. Das bisher schon für die ehrenamtlichen Stadträte geltende Wahlverfahren sei für die Wahl der hauptamtlichen Stadträte mit einer geringen Modifizierung eingeführt worden. Der nach Art. 2 LS notwendige demokratische Legitimationszusammenhang zwischen Stadtvertretung und Magistrat werde durch das Besetzungsverfahren nach § 64 Abs. 3 GO n.F. in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hergestellt. Die Stadtvertretung stelle nach § 64 Abs. 3 Satz 7 GO n.F. die Zuteilung der Stellen und ihre Besetzung durch Beschluß fest. Die Stadtvertretung könne nach § 64 Abs. 3 Satz 6 GO n.F. einen Vorschlag mit Zweidrittel-Mehrheit zurückweisen. Es verbleibe daher eine -- wenn auch eingeschränkte -- Zuständigkeit der Vertretung. Von entscheidender Bedeutung sei weiterhin, daß die Fraktionen Teile der Stadtvertretung seien. Die Tatsache allein, daß die Fraktionen ihre Vorschläge außerhalb der Sitzungen der Gemeindevertretung beschlössen und dabei formell nicht an die Regeln der Gemeindeordnung gebunden seien, vermöge die Ansicht nicht zu stützen, daß die Entscheidung nicht mehr durch einen Teil der Stadtvertretung stattfinde. Das Recht des freien Mandats werde nicht dadurch berührt, daß die Gemeindeordnung den Fraktionen als Gesamtheit Rechte einräume, die durch demokratische Abstimmung innerhalb der Fraktion ausgeübt werden. Die Inkongruenz von Wahlperiode der Vertretung und Wahlzeit der hauptamtlichen Stadträte sei in der Gewährleistung der Kontinuität und Handlungsfähigkeit des die Verwaltung leitenden Organs begründet.

Bei der Übergangsregelung (Art. 2 Änderungsgesetz) handele es sich jedenfalls lediglich um eine sogenannte unechte Rückwirkung; diese sei zulässig, weil ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelung nicht vorhanden gewesen sei.

Der Genehmigungsvorbehalt für die Bestimmung und Änderung der Magistratssachgebiete diene lediglich einer präventiven Rechtskontrolle; die Prüfungsmaßstäbe seien in § 71 Abs. 1 Sätze 3 und 4 GO n.F. genau bestimmt. Das Erfordernis der Zweidrittel-Mehrheit für die Bestimmung der Sachgebiete sei notwendig, damit die anteilige Mitwirkung im Magistrat nicht von einer Mehrheitsfraktion durch inhaltliche Entleerung eines Dezernats unterlaufen werden könne.

IV.

Die Verfahren über den Normenkontrollantrag und die Verfassungsbeschwerde sind zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 1974 haben die Beteiligten durch ihre Prozeßbevollmächtigten ihren Vortrag vertieft und ergänzt.

Die Antragsteller im Normenkontrollverfahren haben dabei die Bestimmungen über die Wahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder, auf die sich ihre Anträge beziehen, näher bezeichnet als § 64 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GO n.F. sowie, soweit einschlägig, § 40 Abs. 3 GO n.F. und Art. 2 Änderungsgesetz.

B.

1.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Er ist von 27 Abgeordneten, mithin mehr als einem Drittel der 73 Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages (Art. 37 Nr. 2 LS) gestellt worden. Der Antrag ist nicht verspätet. § 73 Abs. 2 BVerfGG bezieht sich nicht auf Verfahren der abstrakten Normenkontrolle.

Die Landessatzung für Schleswig-Holstein hat gemäß Art. 99 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung zugewiesen die Auslegung der Landessatzung aus Anlaß von Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der dort näher bezeichneten Organe (Art. 37 Nr. 1 LS) und die Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Landessatzung auf Antrag der Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Landtages (Art. 37 Nr. 2 LS). Diese Zuweisung ist wirksam. Art. 99 GG bezieht sich auch auf Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (BVerfGE 1, 208 [218 f.]). Das Verfahren nach Art. 37 Nr. 1 LS ist dem Organstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, das Verfahren nach Art. 37 Nr. 2 LS der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG nachgebildet (BVerfGE 1, 208 [219]; vgl. auch 4, 31 [35]). Es sprach schon viel dafür, daß § 73 BVerfGG a.F., dem jetzt § 73 Abs. 1 BVerfGG entspricht, sich im Gegensatz zu Art. 99 GG nur auf Verfassungsstreitigkeiten im engeren, kontradiktorischen Sinne bezog, zu denen die abstrakte Normenkontrolle nicht zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 1, 208 [219]). § 73 Abs. 2 BVerfGG n.F. jedenfalls, der auf die Fristbestimmung des § 64 Abs. 3 BVerfGG verweist -- die ihrerseits für Organstreitigkeiten gilt --, ist eingefügt worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Anwendung der für Organstreitigkeiten im Bund geltenden Fristbestimmung bei den ihm zugewiesenen Organstreitigkeiten im Land Schleswig-Holstein abgelehnt hatte (BVerfGE 4, 31 [36 f.]). Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, daß § 73 Abs. 2 BVerfGG nur für Organstreitigkeiten (Art. 37 Nr. 1 LS), nicht aber für abstrakte Normenkontrollen (Art. 37 Nr. 2 LS) gelten soll; auch das abstrakte Normenkontrollverfahren im Bund kennt keine Frist.

2.

Gegen die Zulässigkeit der auf Art. 28 GG gestützten Verfassungsbeschwerde der Stadt Kiel bestehen keine Bedenken.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

C.

I.

§ 64 Abs. 3 Satz 2 bis 7 GO sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Landessatzung von Schleswig-Holstein nicht vereinbar.

1.

Die Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein sieht für die Selbstverwaltung in den Städten zwei mit eigenen Rechten ausgestattete Organe der Gemeinde vor: die Stadtvertretung und den Magistrat (§ 7 Abs. 1 und 2 GO).

Die Stadtvertretung trifft die grundlegenden Entscheidungen im eigenen Wirkungskreis und überwacht ihre Durchführung (§ 7 Abs. 1 GO). Zu den ihr vorbehaltenen Entscheidungen, die sie nicht übertragen kann, gehört die Wahl des Bürgermeisters, seiner Stellvertreter und der weiteren Mitglieder des Magistrats (§ 28 Buchst. a GO).

Der Magistrat ist der gesetzliche Vertreter der Stadt (§ 61 Abs. 1 GO). Er leitet die Verwaltung der Stadt nach den Grundsätzen und Richtlinien der Stadtvertretung und im Rahmen der von ihr bereitgestellten Mittel (§§ 7 Abs. 2, 60 Abs. 1 GO). Er bereitet die Beschlüsse der Stadtvertretung vor und führt sie aus (§ 60 Abs. 1 Buchst. b GO). Der Magistrat faßt Beschluß über die ihm von der Stadtvertretung allgemein oder im Einzelfall zugewiesenen Angelegenheiten, insbesondere etwa die Verwaltung der öffentlichen Einrichtungen und wirtschaftlichen Betriebe der Stadt sowie des sonstigen Stadtvermögens und die Regelung der Personalangelegenheiten (§ 60 Abs. 1 Buchst. c GO). Er übt, als Kollegialorgan, gegenüber dem Bürgermeister und den Stadträten die Befugnisse eines Dienstvorgesetzten mit Ausnahme der Disziplinarbefugnis aus (§ 60 Abs. 2 GO). Auch kann er einem Beschluß der Gemeindevertretung mit aufschiebender Wirkung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, der Beschluß verletze das Recht oder gefährde das Wohl der Gemeinde (§ 43 Abs. 1 Satz 2 GO).

Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden sowie hauptamtlichen und ehrenamtlichen Stadträten (§ 62 Abs. 1 GO). Die Sachgebiete der Magistratsmitglieder können nur durch die Hauptsatzung bestimmt werden; für die hauptamtlichen Stadträte sind Sachgebiete zu bestimmen (§ 71 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO). Die Mitglieder des Magistrats beraten und beschließen im Magistrat nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GO). Sie sind Beamte und leisten den Beamteneid (§ 66 GO). Die Mitglieder werden, so bestimmt es § 62 Abs. 2 GO ausdrücklich, von der Stadtvertretung gewählt.

Bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes wurden die hauptamtlichen Stadträte nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl auf mindestens sechs und höchstens zwölf Jahre gewählt (§ 64 Abs. 1 GO a.F. in Verbindung mit § 40 Abs. 2 GO). An Stelle der Mehrheitswahl ist nunmehr das in § 64 Abs. 3 Satz 2 bis 7 GO geregelte Besetzungsverfahren getreten. Diese Neuregelung ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LS nicht vereinbar.

2.

Die Landessatzung von Schleswig-Holstein bekennt sich in Artikel 2 Absatz 1 zu dem Grundsatz der Volkssouveränität und schreibt in Absatz 2 eine repräsentativ-demokratische Struktur auch für die Verfassung der Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich vor. Nach Art. 2 Abs. 1 LS geht alle Gewalt vom Volke aus. Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 LS). Es handelt durch seine gewählten Vertretungen ... in den Gemeinden und Gemeindeverbänden (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LS). Die Verwaltung wird durch die gesetzmäßig bestellten Organe ausgeübt (Art. 2 Abs. 3 LS).

Die schleswig-holsteinischen Gemeinden sind in Übereinstimmung mit dem gemein-deutschen Verfassungsrecht Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 GO). Ihre hoheitlichen Maßnahmen sind Ausfluß von öffentlicher Gewalt, Staatsgewalt in weiterem Sinn (vgl. BVerfGE 8, 122 [132]) und damit Gewalt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 LS, die vom Volke ausgehen muß. Sie wird -- im eigenen Wirkungskreis -- ausgeübt durch die nach dem schleswig-holsteinischen Gemeinderecht zuständigen Organe, die Stadtvertretung und den Magistrat.

Der Magistrat ist mit eigenen Rechten ausgestattet. Die große Masse der Geschäfte der laufenden Verwaltung, die Regelung der Angelegenheiten, die den einzelnen Bürger unmittelbar berühren, werden unter seiner Leitung und Verantwortung erledigt. Durch die Vorbereitung der Beschlüsse im Bereich des der Stadtvertretung vorbehaltenen Aufgabenkreises übt er, zumal in größeren Städten, faktisch auch einen erheblichen Einfluß auf den Inhalt dieser Beschlüsse aus, weil er sich unmittelbar auf den besonderen Sachverstand und die Verwaltungserfahrung der hauptamtlichen Stadträte und der übrigen städtischen Beamten stützen kann. Diese sich zunehmend abzeichnende Verstärkung des Gewichts des Magistrats ist kein Zufall. Sie ist die notwendige Konsequenz einer Entwicklung, in deren Verlauf die öffentliche Hand in wachsendem Umfang im Bereich der Daseinssorge Aufgaben übernimmt, die unmittelbar oder mittelbar der persönlichen Lebensbewältigung des einzelnen Bürgers dienen. Dabei wird der größere Teil dieser Aufgaben von den kommunalen Gebietskörperschaften (und ihren Zusammenschlüssen) als eigene Angelegenheiten wahrgenommen. Sie können nur durch ein fachlich besonders qualifiziertes Gremium sachgemäß in Angriff genommen und durchgeführt werden. Das gilt sowohl für die Einrichtungen der Energie- und Wasserversorgung, des Nahverkehrs, der Abfallbeseitigung, der Krankenhäuser, Altenheime und Kindergärten wie für sonstige Maßnahmen zum Ausbau der örtlichen "Infrastruktur" im weiteren Sinne. Es gilt ebenso für die Planungsaufgaben der Gemeinden auf dem Gebiet des Bau- und Bodenrechts und der Sanierung wie für die erheblichen Teilbereiche der den kommunalen Körperschaften anvertrauten Ordnungsverwaltung. Bei der Erledigung all dieser Aufgaben spielen die dem Magistrat angehörenden leitenden Kommunalbeamten, insbesondere der Bürgermeister und die hauptamtlichen Stadträte eine besondere Rolle. Sie sind auf Zeit bestellte Berufsbeamte, regelmäßig mit einer besonderen, auf ihr Amt ausgerichteten Ausbildung und verfügen über Verwaltungserfahrung. Die wichtigsten Dezernate werden meist von ihnen geführt. Da ihre Amtszeit die Wahlperiode der Stadtvertretung überdauert, gewährleisten vor allem sie eine gewisse Kontinuität in der Gemeindeverwaltung.

Aus alledem erhellt, daß ein solch wichtiges Gemeindeorgan wie der Magistrat in den Städten Schleswig-Holsteins, das so in weitem Umfange an der Ausübung von Gewalt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 LS beteiligt ist, einer demokratischen Legitimation bedarf, die sich in einer Weise, wie Art. 2 Abs. 2 LS sie fordert, auf die Gesamtheit der Bürger der Gemeinde als dem Volk, von dem alle Gewalt ausgeht, zurückführen läßt.

3.

Nach Art. 2 Abs. 2 LS bekundet das Gemeindevolk seinen Willen durch Wahlen und handelt durch seine gewählten Vertretungen in den Gemeinden. Deshalb kann, da eine unmittelbare Wahl von Magistratsmitgliedern nicht vorgesehen ist, nur die aus einer allgemeinen Wahl hervorgegangene Stadtvertretung als Repräsentationsorgan aller Gemeindebürger dem Magistrat die erforderliche demokratische Legitimation verschaffen und zwar durch einen Akt, der ihr in ihrer Gesamtheit zugerechnet werden kann. Da der Magistrat ein Kollegialorgan ist, gilt dies für alle Mitglieder, die ehrenamtlichen wie die hauptamtlichen in gleicher Weise. Das in § 64 Abs. 3 Satz 2 bis 7 GO für die Bestellung der hauptamtlichen Stadträte vorgeschriebene Verfahren wird diesem verfassungsrechtlichen Gebot nicht gerecht. Die Auswahl und Bestellung der hauptamtlichen Stadträte erfolgt nicht durch die Stadtvertretung in ihrer Gesamtheit.

a) Zweck und Ziel der Neufassung des § 64 Abs. 3 GO ist es, auch bei der Auswahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder dem Verhältnis der politischen Kräfte in der Stadtvertretung soweit als möglich Rechnung zu tragen. Angesichts ihrer relativ geringen Zahl und dem Auseinanderfallen von Amtszeit der hauptamtlichen Magistratsmitglieder und Wahlperiode der Stadtvertretung wird dies immer nur in Grenzen möglich sein. Unbeschadet dessen ist dieses Verfahren geeignet, jedenfalls die Berücksichtigung starker Minderheiten bei der Auswahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder zu gewährleisten. Dieses gesetzgeberische Ziel ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es gibt keinen Verfassungssatz, der es ausschließt, ein Kollegialorgan, das zur Ausübung von öffentlicher Gewalt in der Gemeinde berufen ist, entsprechend oder annähernd der Stärke der politischen Gruppierungen in der Gemeindevertretung zu besetzen, um auf diese Weise auch die Auffassungen qualifizierter Minderheiten in dem Kollegialorgan zur Geltung kommen zu lassen.

b) Danach wäre eine Bestellung der hauptamtlichen Magistratsmitglieder im Wege einer Verhältniswahl verfassungsrechtlich unbedenklich. Bei dem zu prüfenden Verfahren handelt es sich indes nicht um eine Verhältniswahl, wenn auch der Wortlaut des § 64 Abs. 3 Satz 1 GO -- "Die Stadtvertretung wählt die hauptamtlichen Stadträte" -- diesen Anschein erwecken mag.

Das Verfahren zur Auswahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder, wie es § 64 Abs. 3 Satz 3 bis 5 GO konkret ausformt, ist schon deshalb keine Verhältnis wahl , weil in dem zur Auswahl berufenen Wahlgremium, der Stadtvertretung, selbst eine Abstimmung über die Vorschläge gar nicht stattfindet (§ 64 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz GO) und statt dessen auf Benennungsrechte der Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke abgestellt wird. Das jeweils zu bestellende hauptamtliche Magistratsmitglied wird also nicht durch das Repräsentationsorgan Stadtvertretung ausgewählt, sondern jeweils von der Fraktion, die nach Maßgabe des § 64 Abs. 3 Satz 3 bis 5 in Verbindung mit § 40 Abs. 3 GO an der Reihe ist. Ein mehr oder minder großer Teil der Mitglieder der Stadtvertretung wird daran überhaupt nicht beteiligt. Ein solches Verfahren kann nicht mehr als eine Verhältniswahl durch die Stadtvertretung qualifiziert und ihr in ihrer Gesamtheit zugerechnet werden.

Hinzu kommt, daß eine Verhältnis wahl schon ihrer Struktur nach mehrere Kandidaten für mindestens zwei in einem Wahlgang zu besetzende Stellen voraussetzt. Nur dann können die für den im Verhältnis zweiten Kandidaten abgegebenen Stimmen einen realen Erfolgswert haben. Auch an dieser Voraussetzung wird es meist fehlen. Die Höchstzahl der hauptamtlichen Stadträte bei Städten mit über 100 000 Einwohnern beträgt acht, in Städten bis zu 30 000 Einwohnern verringert sie sich auf vier (§ 63 GO). Die Amtszeiten liegen zwischen sechs und zwölf Jahren. Sie werden weiter modifiziert durch Dienstunfähigkeit, Erreichen der Altersgrenze oder Tod eines Amtsinhabers. Ist aber infolgedessen -- was meist der Fall sein wird -- nur ein hauptamtliches Magistratsmitglied neu zu bestimmen, so kann auch unter diesem Blickpunkt von einer Verhältniswahl nicht mehr die Rede sein.

c) Dieser aus den Besonderheiten des vorgegebenen Sachverhalts folgenden Schwierigkeit, bei der Bestellung der hauptamtlichen Magistratsmitglieder echte Verhältniswahlen durchzuführen, will § 64 Abs. 3 GO mit der Statuierung eines Benennungsrechtes durch die Fraktionen nach Maßgabe ihrer Größe und unter Anrechnung früherer Vorschläge begegnen. Dies führt dazu, daß ein jeweils neu zu bestellendes Magistratsmitglied unter Ausschaltung der übrigen Gemeindevertreter von einer Fraktion ausgewählt wird. Das ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LS nicht vereinbar. Denn eine Fraktion kann den Akt der demokratischen Legitimation eines Magistratsmitglieds, zu dem nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LS die Stadtvertretung als Repräsentationsorgan berufen ist, nicht leisten. Fraktionen sind Teile und ständige Gliederungen der Vertretungskörperschaft. Sie haben den technischen Ablauf der Meinungsbildung und Beschlußfassung in der Vertretungskörperschaft, in der sie tätig sind, in gewissem Grade zu steuern und damit zu erleichtern (vgl. BVerfGE 20, 56 [104]). Eine Fraktion ist aber immer nur Teil eines Ganzen und kann daher nicht rechtlich wirksam die Funktionen und Kompetenzen des Ganzen wahrnehmen. Der Stadtvertretung in ihrer Gesamtheit, als dem Organ, das in der Gemeinde den Volkswillen repräsentiert, darf die Entscheidung über die personelle Besetzung des Magistrats, der ebenfalls einer demokratischen Legitimation bedarf, nicht entzogen werden. Eine solche Entziehung liegt aber vor, wenn -- wie hier -- eine vom Plenum zu treffende Entscheidung in eine der Fraktionen verlagert wird.

4. Der von Art. 2 Abs. 2 LS geforderte Legitimationszusammenhang, den die in § 64 Abs. 3 Satz 2 bis 5 GO geregelte Benennung eines hauptamtlichen Magistratsmitglieds durch eine Fraktion nicht zu bewirken vermag, wird auch durch das weitere, in § 64 Abs. 3 Satz 6 und 7 GO umschriebene Verfahren nicht hergestellt.

a) Nach § 64 Abs. 3 Satz 6 GO kann die Stadtvertretung einen Fraktionsvorschlag zurückweisen, wenn ihm zwei Drittel ihrer gesetzlichen Mitglieder widersprechen. Dieses Widerspruchsrecht einer qualifizierten Mehrheit vermag zunächst dann nicht zu legitimieren, wenn es gar nicht zu Antrag und Abstimmung kommt. Es bleibt in diesem Fall dabei, daß über den Fraktionsvorschlag im Plenum weder diskutiert noch abgestimmt wird (§ 64 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz GO). Aber auch dann, wenn ein solcher Antrag gestellt wird, kann eine Minderheit von etwas mehr als einem Drittel ihn scheitern lassen. Daß eine solche lediglich von einer Minderheit getragene Entscheidung nicht als Billigung eines Fraktionsvorschlages durch das Plenum der Stadtvertretung bewertet werden kann, liegt auf der Hand. In einem demokratisch verfaßten Beschlußgremium könnte sie nur von der Mehrheit ausgesprochen werden. Eine Minderheit ist dazu nach der demokratischen Grundregel, daß bei Meinungsverschiedenheiten der Wille der Mehrheit den Ausschlag gibt, nicht in der Lage. Deshalb ist auch das in § 64 Abs. 3 Satz 6 GO statuierte Zurückweisungsrecht nicht geeignet, die von Art. 2 LS geforderte Legitimationskette zu schließen.

b) Legitimieren kann schließlich auch nicht die in § 64 Abs. 3 Satz 7 GO vorgesehene abschließende Beschlußfassung. Nach dieser Vorschrift stellt die Stadtvertretung "die Zuteilung der Stellen und ihre Besetzung durch Beschluß fest". In diesem Abschnitt des Benennungsverfahrens geht es also nicht mehr darum, wer als hauptamtliches Magistratsmitglied ausgewählt werden soll, sondern lediglich noch darum, ob das in § 64 Abs. 3 Satz 2 bis 5 GO im einzelnen festgelegte Benennungsverfahren korrekt durchgeführt worden ist. Ein anderer Sinn läßt sich der Bestimmung in Anbetracht ihres klaren Wortlauts und des Gesamtzusammenhanges, in den sie eingeordnet ist, nicht abgewinnen. Eine Bestätigung dafür, daß der in Frage stehende Fraktionsvorschlag von der Stadtvertretung mit Mehrheit gebilligt und diese sich den Vorschlag zu eigen gemacht hat, kann dem Beschluß nicht entnommen werden. Deshalb kommt auch ihm eine legitimierende Kraft nicht zu.

Nach alledem verstoßen § 64 Abs. 3 Satz 2 bis 7 GO, die nur als eine in sich geschlossene einheitliche Regelung gewürdigt werden können, gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 LS und sind nichtig. Damit wird die Erwähnung von § 64 Abs. 3 in § 40 Abs. 3 Satz 1 und 2 GO gegenstandslos. Gegenstandslos wird auch Art. 2 Änderungsgesetz, der lediglich Vorschriften für die Handhabung der für nichtig erklärten Regelung während einer Übergangszeit enthält.

5.

Da sich die Nichtigkeit der genannten Bestimmungen schon aus diesem Verstoß ergibt, bedarf es keiner Erörterung und Entscheidung mehr zu der Frage, ob auch ein Verstoß gegen die Gewährleistung des freien Mandats vorliegt. Ebensowenig ist noch zu entscheiden, ob ein Verstoß gegen das Grundgesetz gegeben ist.

6.

Diese Entscheidung ist mit fünf gegen drei Stimmen ergangen.

7.

Das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, bei der Auswahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder die in der Stadtvertretung vorhandenen Kräfte in einem annähernden Verhältnis zu ihrer Stärke zum Zuge kommen zu lassen und dadurch jedenfalls auch starke Minderheiten an der Wahrnehmung des dem Magistrat zugewiesenen Aufgabenkreises durch ein hauptamtliches Magistratsmitglied ihres Vertrauens zu beteiligen, kann nach einstimmiger Auffassung des Gerichts durchaus auf andere, verfassungsrechtlich zulässige Weise erreicht werden. Da eine echte Verhältniswahl sich aus den in dem vorgegebenen Sachverhalt angelegten Besonderheiten in aller Regel nicht wird durchführen lassen, andererseits eine annähernde Proportionalisierung die Berücksichtigung der früheren Vorschläge, auf Grund deren die noch im Amt befindlichen hauptamtlichen Magistratsmitglieder bestellt worden sind, voraussetzt, wäre etwa folgendes Auswahlverfahren denkbar: Den Fraktionen wird in möglichster Annäherung an ihr Stärkeverhältnis nach näherer gesetzlicher Bestimmung ein Vorschlagsrecht zugestanden. Der Vorschlag kann aber mit einfacher Mehrheit in der Stadtvertretung gebilligt oder zurückgewiesen werden, letzteres mit der Folge, daß das Vorschlagsrecht für einen weiteren Kandidaten bei der gerade vorschlagsberechtigten Fraktion verbleibt. Der von Art. 2 Abs. 2 LS geforderte Legitimationszusammenhang wäre dann zweifelsfrei gegeben. Der Rückgriff auf frühere Besetzungen ließe sich auch, soweit diese von einer vorhergehenden Stadtvertretung vorgenommen waren, mit der verfassungsrechtlich relevanten Notwendigkeit einer die jeweilige Wahlperiode überdauernden Gruppe von leitenden Verwaltungsbeamten rechtfertigen.

Denkbar wäre ferner etwa eine Wahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder mit Zweidrittel-Mehrheit, wie sie jetzt schon für die Festsetzung von Amtszeiten von mehr als sechs Jahren vorgesehen ist (§ 64 Abs. 1 Satz 2 GO). Eine solche Regelung, die der besonderen Stellung und Funktion der hauptamtlichen Magistratsmitglieder jedenfalls nicht unangemessen wäre, könnte ebenfalls geeignet sein, eine Proportionalisierung zu fördern und die Mitwirkung qualifizierter Minderheiten zu sichern.

II.

1.

§ 64 Abs. 2 Satz 1 GO ist mit der Landessatzung vereinbar.

Nach dieser Vorschrift wird der hauptamtliche Bürgermeister auf Vorschlag einer Partei oder anderen Vereinigung in der Stadtvertretung, der bei einer proportionalen Verteilung nach ihrer Sitzzahl mindestens die Stelle eines hauptamtlichen Magistratsmitglieds zustehen würde, gewählt. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen sind nicht ersichtlich. Insbesondere verletzt diese Regelung die Gemeindevertreter nicht in ihrem Recht auf freie Ausübung des Mandats.

Die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters bedarf der Vorbereitung. Vor allem sind ein oder mehrere Wahlvorschläge erforderlich. Zum anderen ist es, um eine unbegrenzte Stimmenzersplitterung zu vermeiden und die Übersichtlichkeit des Wahlvorganges zu wahren, legitim, nur solche Wahlvorschläge zuzulassen, von denen angenommen werden kann, daß sie eine gewisse Erfolgsaussicht haben. Dazu ist eine vorherige Klärung in den verschiedenen Gruppen der Stadtvertretung unvermeidlich. Diese für die Durchführung der Wahl unentbehrliche Funktion üben in einer Vertretungskörperschaft üblicherweise die Fraktionen im Rahmen ihrer Aufgabe, die Meinungsbildung und Beschlußfassung vorzubereiten und zu erleichtern, aus. Deshalb ist es grundsätzlich von Verfassungs wegen erlaubt, das Wahlvorschlagsrecht auf die Fraktionen zu beschränken (vgl. BVerfGE 27, 44 [51 f.]).

Mit der Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf die Fraktionen ist zwar eine gewisse Einschränkung der Freiheit des einzelnen Gemeindevertreters verbunden. Er kann, allein auf sich gestellt, einen Wahlvorschlag nicht zur Abstimmung stellen. Eine derartige Mediatisierung bleibt jedoch solange im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen, als sie nicht über das hinausgeht, was zur Sicherung des Wahlvorganges geboten ist (vgl. BVerfGE 10, 4 [14]). Das ist hier nicht der Fall. Es ist der Sache angemessen, wenn das Wahlvorschlagsrecht den Fraktionen vorbehalten bleibt, auf die bei einer verhältnismäßigen Verteilung ihrer Stärke nach mindestens ein hauptamtlicher Stadtrat entfallen würde. Dieses Kriterium für die Erfolgsaussicht eines Wahlvorschlages ist geeignet, von vornherein aussichtslose Vorschläge zu unterbinden, und andererseits im Hinblick darauf, daß für die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters eine absolute Mehrheit erforderlich ist, nicht übermäßig.

2.

Aus Art. 28 GG, der auf die Verfassungsbeschwerde hin als zweiter selbständiger Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist, ergibt sich nichts anderes. Die Verfassungsbeschwerde ist mithin insoweit unbegründet.

3.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

III.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GO können die Sachgebiete der Magistratsmitglieder nur durch die Hauptsatzung bestimmt werden. Für die hauptamtlichen Stadträte muß dies geschehen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 GO). Die Hauptsatzung bedarf der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde (§ 4 Satz 3 GO). Die Verfassungsbeschwerde sieht in dem Zusammenwirken dieser Bestimmungen einen mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbaren Eingriff in die Organisationsgewalt der Gemeinden. Sie ist insoweit unbegründet.

Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und Eigenverantwortlichkeit ist allerdings nicht absolut. Vielmehr sind Beschränkungen der Selbstverwaltung der Gemeinden mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar, wenn und insoweit sie deren Kernbereich unangetastet lassen (BVerfGE 23, 353 [365], ständige Rechtsprechung). Bei der Bestimmung dessen, was zum Wesen der Selbstverwaltung und damit zu dem Bereich gehört, der durch die Verfassung gegen jede gesetzliche Schmälerung gesichert ist, muß zwar der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung in einem gewissen Ausmaß Rechnung getragen werden (BVerfGE 11, 266 [274]; ständige Rechtsprechung). Dies bedeutet jedoch nicht, daß keine Regelung hingenommen werden kann, die neu und ohne Vorbild ist. Auch Änderungen, die in der Linie einer vernünftigen Fortentwicklung des überkommenen Systems liegen, sind zulässig, wenn sie nicht zur Aushöhlung der Selbstverwaltung der Gemeinde führen (BVerfGE 23, 353 [367]). Die angefochtene Regelung hält einer Prüfung an diesem Maßstab stand.

§ 71 Abs. 1 GO ist nicht ohne Vorbild. Schon nach dem Gesetz betreffend die Verfassung und Verwaltung der Städte und Flecken in der Provinz Schleswig-Holstein vom 14. April 1869 (PrGS S. 589), das bis 1933 galt, hatte das Ortsstatut über "Zahl, Titel und etwaige besondere Funktionen (Syndikus, Kämmerer usw.)" der Magistratsmitglieder das Nähere zu bestimmen (§ 28 Satz 1). Das Ortsstatut bedurfte auch damals insoweit der Bestätigung durch die Regierung (§ 18).

Dadurch, daß § 71 Abs. 1 Satz 1 GO nunmehr wieder die Bestimmung von Sachgebieten der Magistratsmitglieder der Hauptsatzung vorbehält und sie damit der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde unterwirft, wird das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden auch nicht wesentlich beeinträchtigt oder gar ausgehöhlt. Die Möglichkeit, die Sachgebiete nach eigenem Ermessen abzugrenzen und zu verteilen, verbleibt nach wie vor im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. Daß die Sachgebiete untereinander ausgewogen sein sollen (§ 71 Abs. 1 Satz 4 GO) und Unterschiede, die sich aus der ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Wahrnehmung eines Sachgebietes ergeben, zu berücksichtigen sind (§ 71 Abs. 1 Satz 5 GO), liegt in der Natur der Sache und kann schon deshalb nicht als eine ernsthaft ins Gewicht fallende Einschränkung der Ermessensfreiheit der Gemeindevertretung angesehen werden. Ebenso versteht es sich von selbst, daß die Sachgebietsverteilung der Ausstattung der Gemeinde mit für einzelne Bereiche besonders befähigten und sachkundigen hauptamtlichen Stadträten angepaßt sein muß. Der Umstand schließlich, daß die Beachtung dieser Grundsätze durch den Genehmigungsvorbehalt einer präventiven Rechtskontrolle durch die Kommunalaufsichtsbehörde zugeführt wird, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Denn dieser Rechtskontrolle sind durch die in der Gemeindeordnung im einzelnen präzis umschriebenen Prüfungsmaßstäbe enge Grenzen gezogen. In Anbetracht dessen wird das Recht der Gemeinden, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln, auch durch das Zusammenspiel von § 71 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Satz 3 GO nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG liegt nicht vor.

Welche Mehrheiten der Stadtvertretung für die Änderung der Hauptsatzung und damit der Geschäftsbereiche vorgeschrieben werden, kann unter keinem Betracht das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG berühren. Es ist auch unter dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden, wenn für solche wichtigen Entscheidungen eine breite Mehrheit in der Stadtvertretung verlangt wird; es entspricht dies vielmehr dem gerade in der kommunalen Selbstverwaltung besonders berücksichtigenswerten Gedanken des Schutzes für Minderheiten gegenüber einseitigen Mehrheitsentscheidungen.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

IV.

Es erschien angemessen, gemäß § 34 Abs. 3 BVerfGG anzuordnen, daß das Land Schleswig-Holstein der Stadt Kiel drei Viertel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten hat. Denn die Verfassungsbeschwerde war zwar, soweit sie sich gegen § 64 Abs. 2 und § 71 Abs. 1 GO richtet, zurückzuweisen und eine Entscheidung darüber, ob eine auf Art. 28 GG gestützte Verfassungsbeschwerde gegen § 64 Abs. 3 GO Erfolg haben konnte, wurde dadurch hinfällig, daß diese Bestimmungen im Normenkontrollverfahren wegen Verstoßes gegen die Landessatzung für nichtig zu erklären waren: in der Sache entsprach das aber in diesem Punkt dem Begehren der Verfassungsbeschwerde.

Diese Entscheidung wurde mit fünf gegen drei Stimmen getroffen.

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