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BGH, 24.09.2002 - KZR 10/01

Daten
Fall: 
Salvatorische Klausel
Fundstellen: 
BauR 2003, 91; BB 2003, 175; BGHR 2003, 158; DAR 2003, 273; DB 2003, 500; DB 2002, 2646; DNotI-Report 2003, 37; DStZ 2003, 247; EBE/BGH 2002, 395; EWiR 2003, 311; GRUR 2004, 353; GRUR 2004, 301; JurBüro 2003, 220; LMK 2003, 19; MDR 2003, 143; Mitt. 2003, 89; MK 2003, 27; NJW 2003, 347; NJW 2003, 1780; NWB 2003, 266; NZM 2003, 61; RdW 2003, 117; WM 2003, 211; WRP 2003, 86; WuW 2003, 277; ZfBR 2003, 138; ZfIR 2003, 675; ZfIR 2003, 39; ZGS 2004, 5; ZGS 2003, 5; ZIP 2003, 126; ZNotP 2003, 65; ZVI 2002, 453
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
24.09.2002
Aktenzeichen: 
KZR 10/01
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Hirsch, Goette, Ball, Bornkamm, Meier-Beck
Instanzen: 
  • OLG Düsseldorf, 20.12.2000
  • LG Duisburg
Stichwörter: 
  • Salvatorische Klausel - Prüfung der Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts trotz Erhaltensklausel - Darlegungs- und Beweislast für Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts

Die weit verbreitete, in der Regel standardmäßig verwendete salvatorische Klausel, nach der ein nichtiges Rechtsgeschäft auch ohne die nichtige Klausel wirksam sein soll, entbindet nicht von der nach § 139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Bedeutsam ist sie lediglich für die von § 139 BGB abweichende Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast; diese trifft denjenigen, der entgegen der Erhaltensklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält (Aufgabe von BGH, Urt. v. 8. 2. 1994 - KZR 2/93, WuW/E 2909, 2913 - Pronuptia II).

1. Urteil

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Meier-Beck für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

2. Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer einer Tennis- und Badmintonhalle in Ob., welche sie bis Ende 1994 an eine GmbH verpachtet hatten, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ihre Ehefrauen sind. Zum 1. Januar 1995 pachtete der Beklagte die Halle für zehn Jahre an. Er übernahm in dem "Mietvertrag" u. a. die Verpflichtung, die Sportanlage an allen Wochentagen von 8. 00 Uhr bis 23. 30 Uhr zu betreiben, detaillierte Geschäftsaufzeichnungen unter Hinzuziehung eines Steuerberaters zu fertigen und den Klägern periodisch betriebswirtschaftliche Auswertungen, Summensaldenlisten und Bilanzen vorzulegen. Außer dem "Mietzins", dessen jährliche Anhebung bereits im Vertrag geregelt war, hatte der Beklagte bestimmte Betriebskosten zu tragen. Ferner ist in § 7 des Vertrages bestimmt:

"Mieter ist bekannt, daß Vermieter weitere Sportanlagen besitzt und diese teilweise selbst betreibt, teilweise durch eine Betriebsgesellschaft betreiben läßt. Mieter sichert zu, zum gemeinsamen Nutzen bei der Vermarktung der Sportanlagen eng mit Vermieter zusammenzuarbeiten. Um sich zum Kunden hin geschlossen zu präsentieren, ergeben sich folgende Notwendigkeiten:
1. Mieter wird unter dem Logo 'O.' arbeiten. Briefbögen und Werbeunterlagen wird Vermieter dem Mieter zu Selbstkosten zur Verfügung stellen.
2. Die Kosten gemeinschaftlicher Werbungen … werden im Verhältnis der Nutzflächen der unter dem Logo 'O.' betriebenen Sportanlagen aufgeteilt.
3. Mieter wird die von Vermieter vor einem jeden Saisonbeginn vorgegebenen Abonnement- und Einzelstundenpreise übernehmen. … Ohne schriftliche Zusicherung des Vermieters ist es Mieter untersagt, Rabatte an Abonnenten zu gewähren. …

5. Im Rahmen der gedeihlichen Zusammenarbeit sind Nachfrageüberhänge sofort dem Vermieter zu benennen. Vermieter sichert zu, gleichermaßen zu handeln und die unter dem Logo 'O.' auftretenden Betriebsgesellschaften entsprechend gleichlautend zu verpflichten. …"

§ 21 enthält folgende "Salvatorische Klausel":

"1. Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam oder nichtig sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.
2. Die Parteien verpflichten sich, unwirksame oder nichtige Klauseln durch rechtswirksame zu ersetzen, die dem wirtschaftlich Gewollten am nächsten kommen. Das gleiche gilt, falls der Vertrag eine ergänzungsbedürftige Lücke enthalten sollte."

Die in diesem Vertrag genannten anderen 'O.'-Tennishallen befinden sich ebenfalls in Ob. Betreiberinnen sind zwei Gesellschaften, an denen die Kläger und ihre Ehefrauen beteiligt sind.

Die Kläger haben den Vertrag im Februar 1998 fristlos gekündigt, nachdem der Beklagte sowohl mit den "Mietzinsen" als auch mit den Betriebskosten in Rückstand geraten war. Mit der Klage verlangen sie von dem Beklagten Zahlung der ausstehenden Beträge von insgesamt 67. 919, 78 DM. Dieser hat hilfsweise mit einem Schadenersatzanspruch in Höhe von 120. 000 DM wegen angeblicher Täuschung über die Rentabilität der Anlage die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme entsprochen. Die Berufung des Beklagten hat der Kartellsenat des Berufungsgerichts, an den die Sache im zweiten Rechtszug abgegeben worden ist, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

3. Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Auffassung, daß der "Mietvertrag" der Parteien trotz der von ihm zutreffend als nichtig angesehenen Preisbindungsklausel in § 7 Nr. 3 mit Rücksicht auf die "Salvatorische Klausel" in § 21 des Vertrages wirksam ist, liegt zwar auf der Linie des Senatsurteils vom 8. Februar 1994 (KZR 2/93, WuW/E 2909, 2913 - Pronuptia II); an dieser Rechtsprechung hält der Senat indessen nicht fest. Bei Schaffung des § 139 BGB hat sich der Gesetzgeber bewußt von der ganz herrschenden Auffassung im Gemeinen Recht abgewandt, nach der die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts sich nicht auf die übrigen Teile desselben erstrecken sollte (vgl. Dernburg, Die Allgemeinen Lehren des bürgerlichen Rechts, 1902, § 119 I S. 355; Enneccerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 13. Aufl., Bd. 1, § 189 IV 1 S. 615 Fn. 15). Während der Verfasser des Vorentwurfs zum Allgemeinen Teil des BGB, Gebhard, in diesen Fällen eher zur Annahme einer Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts neigte (vgl. Schubert, Vorentwurf zum Allgemeinen Teil, Bd. 2 S. 214 f.), wollte die I. Kommission dies nur dann gelten lassen, "sofern nicht erhellt, daß es (scil. das Rechtsgeschäft) auch ohne die ungültige Bestimmung gewollt sein würde" (Motive bei Mugdan I S. 475). Da "die Verbindung für die innere Zusammengehörigkeit" spreche, im Einzelfall aber anderes gewollt sein könne, hat der Gesetzgeber Veranlassung gesehen, durch den jetzigen § 139 BGB "die Beweislage" zu regeln (Motive aaO).

Die weit verbreiteten, in der Regel standardmäßig verwendeten salvatorischen Erhaltens- und Ersetzungsklauseln besagen danach - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht, daß die von dem Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar erfaßten Teile des Geschäfts unter allen Umständen - begrenzt allein durch den ordre public - als wirksam behandelt werden sollen. Sie enthalten vielmehr nur eine Bestimmung über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der bei § 139 BGB stets vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder aber den Rest hätten gelten lassen. Während bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltensklausel die Vertragspartei, welche das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten will, darlegungs- und beweispflichtig ist, trifft die entsprechende Pflicht, wenn - wie im hier zu entscheidenden Fall - eine solche Klausel vereinbart ist, denjenigen, der den ganzen Vertrag verwerfen will. Nur bei diesem Verständnis salvatorischer Vertragsklauseln erhält der Gesichtspunkt die ihm zukommende Beachtung, daß es auf die Bedeutung der nichtigen Bestimmung für den ganzen Vertrag ankommt, ob dieser auch ohne dieselbe noch eine sinnvolle und ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen enthält und deswegen anzunehmen ist, er solle nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch ohne die nichtige Bestimmung wirksam sein.

Diese Beurteilung salvatorischer Erhaltensklauseln entspricht nicht nur der Rechtsprechung anderer Zivilsenate des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 11. 10. 1995 - VIII ZR 25/94, LM Nr. 83 zu § 139 BGB; Urt. v. 4. 12. 1996 - VIII ZR 360/95, LM Nr. 85 zu § 139 BGB; Urt. v. 30. 1. 1997 - IX ZR 133/96, LM Nr. 86 zu § 139 BGB; ferner OLG Stuttgart ZIP 1989, 60, 63 mit Nichtannahmebeschluß des Senats v. 10. 10. 1989 - KZR 26/88), sie wird auch ganz überwiegend vom Schrifttum vertreten (grundlegend Flume, Das Rechtsgeschäft, § 32, 3 S. 575; Ulmer FS Steindorff S. 799, 804 f.; MünchKomm. z. BGB/Mayer-Maly/Busche, 4. Aufl., § 139 Rdn. 5; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 139 Rdn. 36; Erman/Palm, BGB, 9. Aufl., § 139 Rdn. 10; zweifelnd nur Staudinger/Roth, BGB [1996], § 139 Rdn. 22). Durchgreifende Gründe, für den Anwendungsbereich des GWB hiervon Ausnahmen zuzulassen, bestehen nicht.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Zugunsten des Beklagten konnte lediglich als revisionsrechtlich richtig unterstellt werden, daß der "Mietvertrag", aus dem die Kläger ihre Ansprüche herleiten, ohne die nichtige Klausel des § 7 nicht geschlossen worden wäre. Ob diese Behauptung zutrifft, hat das Oberlandesgericht in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren zu klären.