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BVerfG, 30.05.1956 - 1 BvF 3/53

Daten
Fall: 
Apothekenerrichtung
Fundstellen: 
BVerfGE 5, 25; BayVBl 1956, 213; DÖV 1956, 404; DVBl 1956, 569; JZ 1956, 486; NJW 1956, 1025
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
30.05.1956
Aktenzeichen: 
1 BvF 3/53
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Die Zuständigkeit des Bundes, die Errichtung von Apotheken zu regeln, ergibt sich aus Art. 74 Ziff. 11 GG.
2. Wenn ein Gesetz auf andere Normen verweist, so muß es, um den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit zu genügen, klar erkennen lassen, welche Normen gelten sollen.

Inhaltsverzeichnis 

Urteil

des Ersten Senats vom 30. Mai 1956
- 1 BvF 3/53 -
in dem Verfahren wegen Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 13. Januar 1953 (BGBl. I S. 9) in der Fassung der Änderungsgesetze vom 4. Juli 1953 (BGBl. I S. 469) und vom 10. August 1954 (BGBl. I S. 256) und des Zweiten Gesetzes über die vorläufige Regelung zur Errichtung neuer Apotheken vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 840) auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung.
Entscheidungsformel:

Das Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 13. Januar 1953 (BGBl. I S. 9), das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 4. Juli 1953 (BGBl. I S. 469), das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 10. August 1954 (BGBl. I S. 256) und das Zweite Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 840) sind nichtig.

Gründe

A.

Die Bayerische Staatsregierung hat beantragt, das Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 13. Januar 1953 (BGBl. I S. 9) - Apothekenstoppgesetz - in der Fassung der Änderungsgesetze vom 4. Juli 1953 (BGBl. I S. 469) und vom 10. August 1954 (BGBl. I. S. 256) und das Zweite Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 840) - zweites Apothekenstoppgesetz - für nichtig zu erklären. Die wesentliche Vorschrift dieser Gesetze ist § 1, der wörtlich übereinstimmend wie folgt lautet:

§ 1
Bis zum Inkrafttreten einer bundesgesetzlichen Regelung des Apothekenwesens darf die Erlaubnis oder die Berechtigung zur Errichtung einer Apotheke nur auf Grund der Bestimmungen erteilt werden, die am 1. Oktober 1945 in den einzelnen Ländern des Bundesgebietes galten.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, daß eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Errichtung von Apotheken nicht bestehe. Die Errichtung, der Betrieb und die Verlegung von Apotheken fielen nicht unter Art. 74 Nr. 19 GG oder Art. 74 Nr. 11 GG, da sie weder die Zulassung zu Heilberufen und zum Heilgewerbe noch den Verkehr mit Arzneien beträfen noch dem Gewerberecht unterlägen. Außerdem seien beide Gesetze "Sperrgesetze", die lediglich den Zweck hätten, die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder auszuschalten, ohne gleichzeitig eine materielle bundesrechtliche Regelung zu treffen. Der Bund könne aber von seinem Gesetzgebungsrecht nach Art. 72 Abs. 1 GG nur durch Erlaß eines Gesetzes mit materiellem Inhalt Gebrauch machen. Schließlich bestehe auch kein Bedürfnis für eine einheitliche Regelung der Errichtung von Apotheken im Bundesgebiet, da die Verhältnisse in den verschiedenen Gebieten, etwa im Bayerischen Wald und in Hamburg, unterschiedlich seien. Das Bundesverfassungsgericht habe auch das Bedürfnis zur Bundesgesetzgebung zu prüfen. Im übrigen setzten die Apothekenstoppgesetze altes Landesrecht in Kraft, das für die Errichtung von Apotheken eine Bedürfnisprüfung vorsehe und daher mit Art. 12 GG unvereinbar sei.

Der Antrag wurde dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen zugestellt. Die Bundesregierung, die allein Stellung genommen hat, ist der Ansicht, daß die Errichtung von Apotheken unter Art. 74 Nr. 19 GG falle; denn der Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften umfasse auch die Einrichtungen, über die sich dieser Verkehr vollziehe. Außerdem gehöre der Betrieb von Apotheken zum Gewerbe im Sinne des Art. 74 Nr. 11 GG. Die Gesetze seien auch keine Sperrgesetze in dem von der Antragstellerin dargelegten Sinn. Das Apothekenstoppgesetz habe in den Teilen der Bundesrepublik wieder die Personalkonzession eingeführt, in denen sie nach dem 1. Oktober 1945 durch ein anderes System abgelöst worden sei. Es stelle materiell die erste bundesrechtliche Regelung der Apothekenbetriebsform dar, wenn es auch formell auf das Landesrecht verweise. Mit ihm sei zugleich ein erster Schritt in Richtung der Vereinheitlichung des Apothekenbetriebsrechts getan. Das Bedürfnis nach einer solchen Einheitlichkeit der Rechtsgestaltung sei zu bejahen. Im übrigen sei das Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung vom Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen, da die Entscheidung hierüber dem Ermessen des Bundesgesetzgebers anheimgestellt sei. Ein Verstoß gegen Art. 12 GG sei in der Wiedereinführung der Personalkonzession nicht zu erblicken. Der durch das erste Apothekenstoppgesetz im Sinne der Vereinheitlichung geschaffene Rechtszustand sei durch das zweite Apothekenstoppgesetz aufrechterhalten.

Das Gericht hat von den Landesregierungen Auskünfte über das in ihren Gebieten am 1. Oktober 1945 geltende Recht für die Erteilung einer Erlaubnis oder Berechtigung zur Errichtung von Apotheken eingeholt.

In der mündlichen Verhandlung am 20. März 1956 waren die Antragstellerin und die Bundesregierung vertreten.

B.

I.

Der Antrag der Bayerischen Staatsregierung ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i.V.m. § 76 Nr. 1 BVerfGG zulässig. Die Antragstellerin hält das Apothekenstoppgesetz und das zweite Apothekenstoppgesetz für nichtig, weil dem Bund die Zuständigkeit zur Gesetzgebung fehle. Sie hat diese Ansicht auch bei den Beratungen beider Gesetze im Bundesrat vertreten (vgl. Antrag des Landes Bayern, BR-Drucks. 226/2/52, Kurzprot. der 95. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrats vom 11. Juni 1952, Sitzungsberichte des Bundesrats, 151. Sitzung am 21. Dezember 1955, S. 386 A). Die Mehrheit der Länder, ebenso wie Bundesregierung und Bundestag, haben sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. Es bestehen daher Meinungsverschiedenheiten und Zweifel über die Vereinbarkeit der beiden Apothekenstoppgesetze mit Art. 72 und 74 GG. Daß das Apothekenstoppgesetz vom 13. Januar 1953 am 31. Dezember 1955 außer Kraft getreten ist, steht einer Entscheidung über seine Verfassungsmäßigkeit nicht entgegen, da es auch nach seinem Außerkrafttreten noch Rechtswirkungen, z. B. auf schwebende Verwaltungsstreitverfahren zu äußern vermag.

II.

Die sachliche Würdigung des Antrags ergibt:

1. Die Zuständigkeit des Bundes, gesetzliche Bestimmungen über die Errichtung von Apotheken zu erlassen, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu bejahen. Sie ergibt sich aus Art. 74 Nr. 11 GG.

Diese Bestimmung unterstellt das Recht der Wirtschaft der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Wie die zahlreichen als Teilgebiete des Rechts der Wirtschaft genannten Rechtsmaterien erkennen lassen, soll hier Recht der Wirtschaft in einem weiten Sinne verstanden werden. Um dies zu erreichen, hat der Parlamentarische Rat den im Entwurf von Herrenchiemsee nicht verwendeten Begriff des Rechts der Wirtschaft an den Beginn der Nr. 11 gestellt. Er wollte auf diese Weise vermeiden, daß Spezialgebiete handels- oder gewerberechtlicher Art der Bundeszuständigkeit entzogen werden; dies wäre bei einer Einzelaufzählung der Zuständigkeiten möglich gewesen, wie sie der Entwurf von Herrenchiemsee für dieses Gebiet vorsah (vgl. hierzu StenProt. der 3. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 23. September 1949). Von der Absicht des Grundgesetzgebers ausgehend, eine möglichst weite Zuständigkeit des Bundes für das Recht der Wirtschaft zu begründen, muß auch "Gewerbe" als Teilgebiet der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 Nr. 11 GG umfassend verstanden werden. Anhaltspunkte dafür, daß der Grundgesetzgeber in Art. 74 Nr. 11 GG den traditionellen Gewerbebegriff der Gewerbegesetzgebung und der früheren Verfassungen (Art. 4 der Reichsverfassung von 1871, Art. 7 Nr. 16 der Weimarer Verfassung) einengen wollte, fehlen. Der Betrieb einer Apotheke fällt aber unter diesen Begriff des Gewerbes, wie Rechtsprechung, Wissenschaft und die frühere Gewerbegesetzgebung der Länder stets angenommen haben (vgl. Preuß. OVG Bd. 48, S. 297; Stier-Somlo, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Artikel Gewerbe; Urban, Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Artikel Apotheken; Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, 11. Aufl., § 29 Anm. 6; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, S. 708, 768; Schecher-Seydel, Gewerbepolizeirecht des Deutschen Reiches S. 111, 112; Sellmann, DÖV 1955, S. 168; Bayer. Gewerbegesetz vom 30. Januar 1868, GBl. 1866-69, S. 310). Der Betrieb einer Apotheke ist also zum Gewerbe zu rechnen.

Der gewerbliche Charakter des Betriebs einer Apotheke wird nicht dadurch entscheidend berührt, daß der Apothekenbetrieb durch die Arzneiversorgung dem Gesundheitswesen dient. Dieser besonderen Aufgabe wird vor allem in der Weise Rechnung getragen, daß Apotheken nur von besonders qualifizierten Personen geleitet werden dürfen.

Zwar gehört der Apothekerberuf zu den höheren freien Berufen des Gesundheitswesens; dies schließt jedoch die gleichzeitige Bejahung des gewerblichen Charakters des Apothekenbetriebs nicht aus. Es gibt sowohl gewerbliche wie nicht gewerbliche freie Berufe des Gesundheitswesens; der Apotheker gehört zu den ersteren. Vom Beruf des Arztes unterscheidet ihn die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, während der Arzt persönliche Dienstleistungen höherer Art darbietet und deshalb einen nicht gewerblichen freien Beruf ausübt. Dementsprechend unterläßt die Reichsapothekerordnung vom 18. April 1937 (RGBl. T S. 457) im Gegensatz zur Reichsärzteordnung die Feststellung, daß der Apothekerberuf kein Gewerbe sei.

Auch die Tatsache, daß sich aus dem Standesrecht des Apothekers besondere Pflichten hinsichtlich des Apothekenbetriebs ergeben, ändert dessen gewerblichen Charakter nicht. Sie betreffen die Art und Weise, in der eine Apotheke zu betreiben ist. Ihr Betrieb bleibt trotzdem Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr im Sinne des traditionellen Gewerbebegriffs.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin läßt schließlich auch die Herausnahme der Apotheken aus der Regelung dcr Reichsgewerbeordnung durch deren § 6 keinen Schluß darauf zu, daß die Apotheken nicht zum Gewerbe gehören. Die in § 6 Gewerbeordnung genannten Tätigkeiten wurden nur zum Teil deshalb ausgenommen, weil sie nicht gewerblicher Natur sind (z. B. Rechtsanwaltschaft, Notariat); andere Tätigkeiten sollten ihrer besonderen Verhältnisse wegen in Spezialgesetzen geregelt werden (vgl. die amtliche Begründung zur Reichsgewerbeordnung in Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 1869, Bd. 1 S. 50). Für die Apotheken nahm die amtliche Begründung des Entwurfs zur Reichsgewerbeordnung ein Spezialgesetz in Aussicht. Die Materie sei zu kompliziert, um beiläufig in der Gewerbeordnung geregelt zu werden (vgl. amtliche Begründung zur Reichsgewerbeordnung, aaO S. 52). Dementsprechend forderte der Reichstag im Anschluß an die Beratung des § 6 in einer Resolution den Bundeskanzler auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen der Betrieb des Apothekengewerbes und der Verkauf von Arzneimitteln für das ganze Bundesgebiet einheitlich geregelt werde (vgl. Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, 1869, Bd. 1 S. 244).

Da sich die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes schon aus Art. 74 Nr. 11 GG ergibt, braucht nicht geprüft zu werden, ob sie sich auch aus Art. 74 Nr. 19 GG ableiten ließe.

2. Die beiden Apothekenstoppgesetze sind aber deshalb nichtig, weil sie nicht den Anforderungen entsprechen, die aus rechtsstaatlichen Gründen an ein Gesetz zu stellen sind. Wenn ein Gesetz nicht selbst den gesetzlichen Tatbestand festlegt, sondern auf andere Normen verweist, so muß es, um den Anforderungen der Rechtssicherheit zu genügen, für den Rechtsunterworfenen klar erkennen lassen, was Rechtens sein soll (vgl. hierzu BayVerfGH in Sammlung von Entscheidungen des BayVGH und BayVerfGH, Bd. 67, NF, Bd. 4, S. 90 [103, 106]).

Die einzige materiellrechtliche Bestimmung der beiden Apothekenstoppgesetze, § 1, enthält keine eigene Regelung der Errichtung von Apotheken, sondern verweist generell auf das am 1. Oktober 1945 in den Ländern geltende Recht. Sein Inhalt ist daher nur unter Heranziehung des Landesrechts zu ermitteln.

Das Apothekenrecht gehört zu den unübersichtlichsten Rechtsmaterien. Nur in wenigen Ländern bestehen verhältnismäßig einfach zu ermittelnde Rechtsvorschriften aus jüngerer Zeit (vgl. etwa Bayern, Verordnung über das Apothekenwesen vom 27. Juni 1913, GVBl. S. 343, in der Fassung der Verordnung vom 7. Mai 1936, GVBl. S. 87, Gesetz über das Apothekenwesen vom 16. September 1933, GVBl. S. 274 und Württemberg, Verordnung des Staatsministeriums über die Apothekenberechtigungen vom 13. Dezember 1933, RegBl. S. 433). Überwiegend beruht die rechtliche Regelung der Errichtung neuer Apotheken auf einer Vielzahl einzelner Vorschriften. Sie gehen zum Teil auf die Zeit vor Erlaß der Verfassungen zurück und sind bald als Rechtsvorschriften, bald als Ministerialerlasse veröffentlicht. In den Ländern, in denen preußisches Recht gilt, sind außer der revidierten Apothekenordnung vom 11. Oktober 1801, dem Gewerbesteueredikt vom 2. November 1810 (GS S. 79) und der Königlichen Verordnung wegen Anlegung neuer Apotheken vom 24. Oktober 1811 (GS S. 359) noch insgesamt 15 Erlasse und Kabinettsorders heranzuziehen, die zwischen 1840 und 1913 ergingen. Wie weit spätere Erlasse frühere aufheben, kann nur mit Schwierigkeiten festgestellt werden. Die tatsächliche Unübersichtlichkeit der Vorschriften wird nicht zuletzt dadurch belegt, daß die Auskünfte der Länder, zu denen ehemals preußische Gebietsteile gehören, über das preußische Apothekenrecht nicht übereinstimmen; so nennt etwa die Auskunft eines Landes weder die Kabinettsorder vom 30. Juni 1894 noch den sie ausführenden Ministerialerlaß vom 5. Juli 1894, obwohl diese Vorschriften die Rechtsgrundlage für die Erteilung von Personalkonzessionen ohne das Recht der Präsentation des Nachfolgers bilden. Hinsichtlich des früheren hessischen Rechts gehen die Auskünfte der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen auseinander; eines der Länder nennt zwei Erlasse vom 5. Mai 1935 und 9. Juli 1936 nicht, die das andere als Änderung eines von beiden erwähnten Erlasses vom 8. Juli 1911 mitteilt. Über das am 1. Oktober 1945 im früheren Lande Lippe geltende Recht wurde folgende Auskunft erteilt:

"Im früheren Lande Lippe haben gesetzliche Vorschriften über die Errichtung neuer Apotheken, die Verlegung von Apotheken und die Verleihung von Apothekenbetriebsrechten nicht bestanden. Das einzige Gesetz auf dem Gebiete des Apothekenwesens, die lippische Medizinalordnung vom 23. 2. 1789 (L. V. Band 3 S. 337), gibt in dem abschriftlich beigefügten Abschnitt II, Kap. 12, §§ 1-3, lediglich Bestimmungen über die Qualifikation und Pflichten der Apotheker, enthält aber keine Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Apotheken oder die Rechtsnatur der im Lande Lippe zu erteilenden ,Konzessionen'.

Mangels einer gesetzlichen Regelung ist über die Errichtung und Verlegung von Apotheken sowie die Verleihung von Apothekenbetriebsrechten im Lande Lippe von Fall zu Fall kraft landesherrlicher Gewalt entschieden worden. Dabei hat sich die Verwaltungspraxis im Lande Lippe an die in Preußen geübte Praxis angelehnt. Etwa seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts sind im Lande Lippe nur noch persönliche Konzessionen verliehen worden, denen jedoch, soweit die Konzessionen vor dem Jahre 1894 verliehen worden sind, ähnlich wie vielfach in Preußen das Recht auf Präsentation eines Nachfolgers beigelegt wurde. Da in Lippe durch keinen Gesetzesakt eine von dem bis 1894 in Preußen geltenden Recht abweichende Regelung getroffen worden ist, wird allgemein davon ausgegangen, daß zumindest die bis 1894 verliehenen Konzessionen in Lippe auch heute noch wie die preußischen Realrechte zu behandeln sind. Dementsprechend wird auf Grund der in Lippe geübten Verwaltungspraxis diesen Konzessionsinhabern auch heute noch das Recht zugestanden, einen Nachfolger zu präsentieren, soweit dieser die sonstigen Voraussetzungen zur Führung einer Apotheke erfüllt..."

Die Auskunft über Oldenburg und Schaumburg-Lippe lautete dahin, daß in den ehemaligen Ländern Oldenburg und Schaumburg-Lippe keine Gesetze und Verordnungen, die sich auf dic Errichtung und Verlegung von Apotheken beziehen, erlassen worden seien. Bei der Errichtung neuer Apotheken sei man verwaltungsmäßig ähnlich verfahren wie im ehemaligen Gebiet des Landes Preußen.

Es hat sich also ergeben, daß die Ermittlung dessen, was nach den Apothekenstoppgesetzen Rechtens sein soll, dem Rechtsunterworfenen ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse, die wohl bei den mit der Sache befaßten Verwaltungsbehörden und Gerichten, nicht aber beim Rechtsunterworfenen vorausgesetzt werden können, nicht möglich ist. Wenn nicht einmal die mit der Sache befaßten Behörden hinsichtlich der am 1. Oktober 1945 geltenden Vorschriften übereinstimmen, kann dem Rechtsunterworfenen nicht zugemutet werden, von sich aus zu ermitteln, welche Bestimmungen Anwendung finden. In jenen Gebieten, in denen lediglich eine Verwaltungsübung bestand, ist das am 1. Oktober 1945 geltende Recht nicht mit Sicherheit bestimmbar, weil aus Verwaltungsübungen nicht ohne weiteres auf das geltende Recht geschlossen werden kann.

Für den Rechtsunterworfenen sind daher weder die in Bezug genommenen Bestimmungen klar erkennbar noch kann er gegebenenfalls deren Inhalt mit hinreichender Sicherheit feststellen.

Damit wird aber der Inhalt der Apothekenstoppgesetze selbst unklar und unbestimmt. Dieser Unbestimmtheit wegen ist § 1 beider Apothekenstoppgesetze nichtig.

Da der nichtige § 1 beider Gesetze ihre einzige materiellrechtliche Vorschrift ist, und ihre weiteren §§ 2 und 3 keine selbständige Bedeutung haben, müssen die Gesetze im ganzen für nichtig erklärt werden.

Ebenso muß die Nichtigerklärung des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken vom 13. Januar 1953 die Nichtigerklärung der beiden Änderungsgesetze vom 4. Juli 1953 und 10. August 1954, die nur der Verlängerung seiner Geltungsdauer dienten, nach sich ziehen.

Da dem Antrag aus den erwähnten Gründen stattzugeben war, braucht auf die weiteren von der Antragstellerin aufgeworfenen Rechtsfragen nicht eingegangen zu werden.