BVerfG, 23.01.1957 - 2 BvF 3/56

Daten
Fall: 
Kommunalwahl-Sperrklausel
Fundstellen: 
BVerfGE 6, 104; NJW 1957, 171
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
23.01.1957
Aktenzeichen: 
2 BvF 3/56
Entscheidungstyp: 
Urteil

Auch im Kommunalwahlrecht kann eine 5 v.H.-Sperrklausel gegen Splitterparteien unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines störungsfreien Funktionierens der Selbstverwaltung gerechtfertigt sein.

Urteil

des Zweiten Senats vom 23. Januar 1957
- 2 BvF 3/56 -
in dem Verfahren wegen Feststellung der Vereinbarkeit des § 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) vom 12. Juni 1954 (GVBl. S. 226) mit dem Grundgesetz, Antragsteller: Die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Entscheidungsformel:

§ 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) vom 12. Juni 1954 (GVBl. S. 226) ist mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar.

Gründe

A.

Das Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) vom 12. Juni 1954 - KWG (GVBl. S. 226) gilt nach seinem § 1 für die Wahl des Rates in den Gemeinden, der Amtsvertretung in den Ämtern und des Kreistages in den Landkreisen. Es kombiniert die Mehrheitswahl mit der Verhältniswahl. Jeder Wähler hat eine Stimme. Mit ihr wählt er den Vertreter im Wahlbezirk und, falls der Bewerber von einer politischen Partei aufgestellt ist, die von ihr für das Wahlgebiet aufgestellte Reserveliste. Die Sitze werden auf die an der Listenwahl teilnehmenden politischen Parteien nach den Grundsätzen des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens unter Anrechnung der in den Wahlbezirken errungenen Sitze verteilt (§ 28 KWG). Bei der Verteilung der Sitze aus der Reserveliste werden nur politische Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 v. H. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben (§ 30 Abs. 6 KWG). Im vorliegenden Verfahren ist darüber zu entscheiden, ob diese 5 v. H.-Sperrklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Diese Sperrklausel findet sich bereits in den §§ 33 Abs. 4 und 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Gemeindewahlen in Nordrhein-Westfalen vom 6. April 1948 (GVBl. S. 185). In der Fassung dieses Gesetzes nach der Bekanntmachung vom 18. August 1952 (GVBl. S. 161) war sie in den §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 in dem Abschnitt V, "Wahlsystem und Verteilung der Sitze", enthalten. Diese Bestimmungen hatten folgenden Wortlaut:

"1. Wahlsystem.
§ 32
(1) bis (3) ...
(4) Der Verhältniswahl werden die für politische Parteien im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen unter Nichtberücksichtigung der Stimmen für diejenigen Parteien zugrundegelegt, die weniger als 5 v. H. der Gesamtstimmenzahl aller politischen Parteien erhalten haben.
(5) bis (8) ..."

"3. Wahlergebnis auf der Reserveliste.
§ 34
(1) ...
(2) Der Wahlleiter zählt zunächst die für alle parteiangehörigen Bewerber im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen nach Parteien getrennt zusammen. Er bringt dann die auf die Parteien, die weniger als 5 v. H. der Gesamtstimmenzahl der Parteien erhalten haben, entfallenden Stimmen von der Gesamtstimmenzahl in Abzug. Weiter stellt er fest, wieviel Prozent von der zu berücksichtigenden neuen Gesamtstimmenzahl auf jede Partei entfällt und wieviel Prozent der direkt zu vergebenden Sitze ihr demgemäß zustehen würden. Parteien, die diese Sitzzahl in der direkten Wahl nicht erreicht haben, weist er von der Reserveliste zusätzlich Sitze bis zur Höhe der ihnen zustehenden Zahl zu.
(3) bis (5) ..."

Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeindewahlen im Lande Nordrhein-Westfalen sowie einiger Bestimmungen des kommunalen Verfassungsrechts vom 9. Juni 1954 (GVBl. S. 219) ist das bisherige Kommunalwahlrecht geändert worden. In Art. 2 wurde der Innenminister ermächtigt, die sich aus diesem Gesetz ergebende neue Fassung des Kommunalwahlgesetzes unter neuem Datum und unter neuSperrklauseler Paragraphenfolge bekanntzumachen und hierbei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu berichtigen. Dies ist mit Datum vom 12. Juni 1954 geschehen (GVBl. S. 226). Durch das Änderungsgesetz wurden die Bestimmungen der bisherigen §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 über die 5 v. H.-Klausel in einem § 30 Abs. 6 zusammengefaßt.

§ 30 Abs. 6 steht in dem Abschnitt V. "Wahlsystem und Verteilung der Sitze", und hat folgenden Wortlaut:

"3. Wahl aus der Reserveliste.
(1) bis (5) ...
(6) Bei der Verteilung der Sitze aus der Reserveliste werden nur politische Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 v. H. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben.
(7) ..."

Das Änderungsgesetz und die Neufassung des Kommunalwahlgesetzes sind an dem Tage ihrer Verkündung, dem 24. Juni 1954, in Kraft getreten.

Durch Urteil vom 25. März 1954 - 1 K 181/52 - hatte das Landesverwaltungsgericht Düsseldorf in einer Verwaltungsstreitsache wegen Ungültigkeit der Gemeindewahl in Duisburg die §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 des Gemeindewahlgesetzes von 1948 in der Fassung von 1952 als mit Art. 3 GG unvereinbar nicht angewandt, da ein sachlich einleuchtender Grund für eine Abweichung vom Grundsatz des gleichen Erfolgswerts aller Stimmen nicht ersichtlich sei. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat daraufhin mit Schriftsatz vom 25. Mai 1954 beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt,

gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 6 und § 76 Nr. 2 BVerfGG festzustellen, daß § 32 Abs. 4 und § 34 Abs. 2 des Gesetzes über die Gemeindewahlen im Lande Nordrhein-Westfalen mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Nach der Änderung und Neufassung des Kommunalwahlgesetzes hat die Landesregierung mit Schriftsatz vom 8. Juli 1954 ihren Antrag dahin geändert, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen,

daß § 30 Abs. 6 des Kommunalwahlgesetzes vom 12 Juni 1954 mit dem Grundsatz vereinbar ist.

Nach Ansicht der Landesregierung gelten dieselben Gründe, mit denen die 5 v. H.-Sperrklausel im Bundes- und Landeswahlrecht gerechtfertigt wird, auch für das Kommunalwahlrecht. Auch im Kommunalwahlrecht müsse Sorge getragen werden, daß aus den Wahlen funktionsfähige Organe hervorgehen. Bei der monistischen Ratsverfassung in Nordrhein-Westfalen müßten sich Schwierigkeiten in der parteipolitischen Zusammensetzung des Rates unmittelbar auf die Verwaltung auswirken.

Außer Nordrhein-Westfalen haben folgende Länder die 5 v. H.-Sperrklausel im Kommunalwahlrecht: Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz vom 29. Januar 1955, GVBl. S. 10, § 16 Abs. 1), Hessen (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz vom 25. Februar 1952, GVBl. S. 48, § 21 Abs. 2) und Rheinland-Pfalz (Landesgesetz über die Wahlen zu den Gemeinde-, Amts-, Kreis- und Bezirksvertretungen vom 27. September 1948 i.d.F. vom 13. September 1952, GVBl. S. 127, § 135 Abs. 2, 21). Auch für die Wahl zur Stadtbürgerschaft von Bremen (Art. 143 und 148 der Bremischen Verfassung und § 8 Abs. 4 des Wahlgesetzes für die Bürgerschaft vom 22. April 1955, GBl. S. 63) und für die Wahl zur Gemeindevertretung in Bremerhaven (Verfassung der Stadt Bremerhaven vom 4. November 1947, § 9, BremGBI. S. 291, und Ortsgesetz Nr. 5 vom 9. September 1947, § 2 Abs. 2, BremGBI. 1948 S. 16) gilt die 5 v. H.-Klausel. Dagegen sind Sperrklauseln unbekannt im Kommunalwahlrecht von Baden-Württemberg (Kommunalwahlgesetz i.d.F. vom 23. Juli 1956, GVBl. S. 115), Bayern (Gemeindewahlgesetz i.d.F. vom 29. Oktober 1954, GVBl. S. 256 und Landkreiswahlgesetz vom 29. Oktober 1954, GVBl. S. 260) und Niedersachsen (Gemeindewahlgesetz vom 17. Juli 1956, GVBl. S. 81).

Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und dem Landtag von Nordrhein-Westfalen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Außerdem ist der Antrag wegen der übergebietlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage den Regierungen und Landtagen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zur Kenntnisnahme zugeleitet worden. Äußerungen sind nicht eingegangen. In der mündlichen Verhandlung am 14. November 1956 war die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vertreten.

B.

1. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr 2 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestages. Nach § 76 BVerfGG ist im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle der Antrag gemäß § 93 Abs. I Nr. 2 GG nur zulässig, wenn einer der Antragsberechtigten Bundes- oder Landesrecht

1. wegen seiner förmlichen oder sachlichen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht für nichtig hält oder
2. für gültig hält, nachdem ein Gericht, eine Verwaltungsbehörde oder ein Organ des Bundes oder eines Landes das Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht nicht angewendet hat.

2. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Frage der Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz. Der Antrag ist gestellt von einer Landesregierung, die das Landesrecht für gültig hält, nachdem ein Gericht des Landes das Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz nicht angewendet hat.

Aus dem Wortlaut von § 76 Nr. 2 BVerfGG könnte man den Schluß ziehen, "Landesrecht", das die Landesregierung für gültig hält, müsse mit dem Recht, das ein Gericht nicht angewendet hat, nach Form und Inhalt identisch sein. Eine formelle Identität liegt hier nicht vor, da das Landesverwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 25.März 1954 die §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 des Gemeindewahlgesetzes vom 6. April 1948 in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1952 nicht angewendet hat, während die Landesregierung § 30 Abs. 6 des Kommunalwahlgesetzes vom 12. Juni 1954 für gültig hält und in ihrem Antrag vom 8. Juli 1954 begehrt, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen, daß diese Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Davon abgesehen ist § 30 Abs. 6 KWG mit den §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 GWG aber auch dem Inhalt nach nicht identisch: Während die §§ 32 Abs. 4 und 34 Abs. 2 die 5 v. H. von der Gesamtstimmenzahl aller politischen Parteien errechnen, legt § 30 Abs. 6 KWG die im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen (also auch die für Einzelkandidaten abgegebenen Stimmen) zugrunde.

§ 76 BVerfGG wie auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG haben den Sinn, daß ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle nur zulässig sein soll bei Vorliegen eines besonderen objektiven Interesses an der Klarstellung der Geltung einer Norm. Ob die Beschränkung des Antragsrechts durch § 76 BVerfGG mit der Bestimmung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG vereinbar ist, kann hier dahingestellt bleiben, da die Voraussetzungen des § 76 Nr. 2 BVerfGG erfüllt sind. Denn auch nach der Änderung der Bestimmungen über die 5 v. H.-Sperrklausel durch das Kommunalwahlgesetz vom 12. Juni 1954 ist der Gehalt der in ihrer Gültigkeit zweifelhaften Rechtsnorm im wesentlichen derselbe geblieben. Es ist daher unerheblich, daß sich die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf auf die alte Fassung der 5 v. H.-Klausel bezogen hat, während die Landesregierung jetzt Feststellung der Vereinbarkeit der 5 v. H.-Klausel in der neuen Fassung mit dem Grundgesetz begehrt.

Der Antrag der Landesregierung ist daher zulässig.

C.

I.

Vom Wahlrecht zu den Kommunalvertretungen handelt im Grundgesetz der Art. 28 Abs. 1 Satz 2, der bestimmt:

"In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist."

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 5. April 1952 in dem Verfassungsstreit über das schleswig-holsteinische Landtagswahlrecht (BVerfGE 1, 208 [236]) ausgeführt, Art. 28 GG gelte nicht in den Ländern, sondern nur für die Länder; da er in dem Abschnitt "Der Bund und die Länder" stehe, betreffe er das bundesrechtliche Verhältnis der Länder zum Bund. Daraus hat der Senat die Folgerung gezogen, eine Verfassungsbeschwerde könne nicht auf Art. 28 in Verbindung mit Art. 38 GG und § 90 BVerfGG gestützt werden. Da es sich aber bei Art. 28 GG auch in dieser Deutung um eine Normativbestimmung der Bundesverfassung für die Gestaltung des Landesverfassungsrechtes handelt, ist ein Landesgesetz, das gegen diese Normativbestimmung verstößt, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Infolgedessen kann auch die Normativbestimmung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG Prüfungsmaßstab in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle sein.

Das Grundgesetz schreibt kein bestimmtes Wahlsystem vor. Der Landesgesetzgeber hätte bei der Gestaltung des Kommunalwahlrechts sowohl das reine Mehrheitswahlrecht als auch das reine Verhältniswahlrecht einführen können; er konnte auch beide Systeme kombinieren. Bei jeder Gestaltung des Wahlrechts aber ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit gebunden. Während beim reinen Mehrheitswahlrecht das Gewicht der einzelnen Wählerstimme dann gleich ist, wenn sie gleichen Zählwert hat, ist die Wahlgleichheit beim Verhältniswahlsystem nur dann gewährleistet, wenn jede Stimme grundsätzlich gleichen Erfolgswert hat (BVerfGE 1, 208 [244]). Die Einführung einer Sperrklausel, die die auf die Reserveliste einer Partei entfallenden Reststimmen dann von der Berücksichtigung ausschließt, wenn für diese Partei nicht ein bestimmter Mindesthundertsatz der im Wahlgebiet insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen abgegeben worden ist, nimmt diesen Stimmen insoweit ihren Erfolgswert und beeinträchtigt dadurch auch die grundsätzlich gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien. Es fragt sich, ob eine solche Einschränkung mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbar ist.

II.

Der erkennende Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich Sperrklauseln bis zu 5 v. H. in Landtagswahlgesetzen für zulässig erklärt (BVerfGE 1, 208 [256]; 4, 31 [40]). In den beiden Entscheidungen vom 23. Januar 1957 in Sachen der Gesamtdeutschen Volkspartei - 2 BvE 1/56 - und der Bayernpartei - 2 BvE 2/56 - gegen den Deutschen Bundestag hat er auch für das Bundeswahlrecht eine Sperrklausel bis zu 5 v. H. für zulässig erklärt. Eine solche Modifikation des Erfolgswerts der Stimmen und der Gleichheit der Wettbewerbschancen der Parteien wird unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Splitterparteien in engen Grenzen für gerechtfertigt gehalten (BVerfGE 1, 208 [252]). Die Verhältniswahl begünstigt das Aufkommen kleiner Parteien. Dadurch können Störungen des Verfassungslebens eintreten. Die gesetzgebenden Körperschaften können im extremen Fall in eine Unzahl kleiner Gruppen zerfallen und damit funktionsunfähig werden, insbesondere nicht in der Lage sein, eine politisch aktionsfähige Regierung zu bilden. Diese politische Gefahr hat der erkennende Senat als einen zureichenden, aus der Natur der Sache sich ergebenden Grund für eine differenzierende Behandlung der politischen Parteien bei der Zuteilung von Sitzen bei der Verhältniswahl erachtet.

III.

Es fragt sich nun, ob diese für das Bundes- und Landeswahlrecht aufgestellten Grundsätze auch für die Gestaltung des Kommunalwahlrechts gelten oder ob Sperrklauseln im Kommunalwahlrecht etwa aus anderen Erwägungen heraus gerechtfertigt sind.

1. Das Landesverwaltungsgericht Düsseldorf hält in seiner Entscheidung vom 25. März 1954 einen sachlich einleuchtenden Grund für die Durchbrechung des Grundsatzes des gleichen Erfolgswertes aller Wählerstimmen durch die Einführung der 5 v. H.-Sperrklausel im Kommunalwahlrecht von Nordrhein-Westfalen für nicht gegeben. Es ist der Auffassung, daß Bestand und Funktion der Gemeindeorgane nach dem in Nordrhein-Westfalen geltenden Kommunalrecht nicht gefährdet sind, wenn Splitterparteien im Rat vertreten sind. Das Landesverwaltungsgericht begründet seine Ansicht damit, daß der Rat der Gemeinde nach der Gemeindeordnung vom 28. Oktober 1952 (GVBl. S. 283), heute geltend in der Fassung des Gesetzes vom 9. Juni 1954 (GVBl. S. 219), kein Parlament, sondern oberstes Verwaltungsorgan sei und nur beschränkte gesetzgeberische Funktionen im lokalen Bereich habe. Der Rat sei auch nicht dazu berufen, durch Mehrheitsbeschluß eine die Geschäfte führende Regierung zu bilden. Es gebe also kein parlamentarisches System auf der Gemeindeebene; auch sei die Stellung der Ratsmitglieder funktionell von der der Abgeordneten in den Parlamenten verschieden, wie schon die Bestimmungen über die Haftung der Ratsmitglieder für durch ihre Pflichtverletzung entstandenen Schaden (§ 30 Abs. 3 der Gemeindeordnung) zeigten. Durch das Beanstandungsrecht des Gemeindedirektors und die Eingriffsmöglichkeiten der Kommunalaufsichtsbehörde werde die ordnungsmäßige Verwaltung auf der Gemeindeebene auch dann hinreichend gesichert, wenn etwa im Rat Splitterparteien vertreten seien. Schließlich würden im Rat der Gemeinde auch keine politischen Grundsatzfragen ausgetragen, und bei dem besonderen Aufgabenkreis der Gemeinden müßten auch Einzelpersönlichkeiten im Rat zur Wirkung kommen. In diesem Rahmen müßten auch Wählergruppen ohne große Anhängerschaft die gleichen Chancen haben wie die großen politischen Parteien.

2. Mit einer ähnlichen Begründung, die allerdings zum Teil auf Besonderheiten des bayerischen Gemeinderechts abhebt, hatte schon der Bayrische Verfassungsgerichtshof durch Urteil vom 18. März 1952 (BayVGHE n. F. Bd. 5 Teil II S. 66) die 5 v. H.- Klausel des Art. 24 Abs. 4 des Bayerischen Gemeindewahlgesetzes vom 16. Februar 1952 für verfassungswidrig erklärt.

IV.

Eine nähere Prüfung ergibt jedoch, daß für die differenzierende Regelung des § 30 Abs. 6 des Kommunalwahlgesetzes von Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1954 ein zureichender, aus der Natur der Sache sich ergebender Grund vorliegt.

1. Es ist ein soziologisches Faktum, daß die auf Landes- und Bundesebene bestehenden politischen Parteien nach 1945 in den Gemeinden stärker Fuß gefaßt haben, als dies vor 1933 der Fall war. Diesem Faktum tragen alle Kommunalwahlgesetze Rechnung, indem sie davon ausgehen, daß auch Kommunalwahlen "politische" Wahlen sind, die im wesentlichen in der Vorbereitung und Durchführung von den politischen Parteien getragen werden, die auch in der Landes- und Bundespolitik eine Rolle spielen. So sind die politischen Parteien als die "eigentlichen motorischen Kräfte der Kommunalwahlen und darüber hinaus der Kommunalpolitik" bezeichnet worden (Köttgen, Gemeindeverfassungsrecht in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, im Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, herausgegeben von Hans Peters, Bd. I S. 360 [368]; Hans Peters, Kommunalwissenschaften und Kommunalpolitik, ebenda, Bd. I S. 1 [12]). Die politischen Parteien haben in Nordrhein- Westfalen das gesetzliche Monopol für die Wahl auf Grund der Reserveliste (§ 17 KWG), das sich auch in anderen Kommunalwahlgesetzen findet. Die "Verfassungswirklichkeit" ist also so, daß auch die Kommunalpolitik von den politischen Parteien maßgeblich gesteuert wird und daß hierbei wieder den großen politischen Parteien die Führungsrolle zukommt. Man kann dagegen nicht einwenden, daß der überwiegende Teil der in den Gemeinden und Gemeindeverbänden auftauchenden kommunalpolitischen Fragen nicht grundsätzlicher - "weltanschaulicher" - Art ist, sondern weitgehend nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entschieden werden muß. Die politische Partei versucht eben jeweils, die divergierenden Meinungen der verschiedenen Interessentengruppen in ihren Reihen zu einer einheitlichen Meinung zusammenzuführen. In der Regel beteiligen sich alle Parteien, die für die Landtagswahlen Kandidaten aufstellen, auch an den Kommunalwahlen. Wenn aber eine Wahl vorwiegend Parteienwahl ist und das Wahlrecht überwiegend nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gestaltet ist, so können auch auf kommunaler Ebene Splitterparteien in Erscheinung treten.

2. Es bleibt zu prüfen, ob das Auftreten von Splitterparteien zu einer Störung der Funktionen der gewählten kommunalen Vertretungskörperschaften führen kann. Dazu muß untersucht werden, welche Funktionen diese gewählten Vertretungskörperschaften haben.

a) Gewiß ist es richtig, daß die Gemeindeordnung in Nordrhein- Westfalen kein parlamentarisches System kennt, innerhalb dessen ein "Parlament" und eine von ihm geschaffene und gleichzeitig abhängige "Regierung" sich als verfassungsrechtliche Gegenspieler gegenüberstehen. Aber mit dem Hinweis auf diesen Unterschied allein kann man die Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht für das Bundes- und Landeswahlrecht zur 5 v. H.-Klausel entwickelten Grundsätze auf das Kommunalwahlrecht nicht ausschließen. Das Bundesverfassungsgericht wägt in seiner Rechtsprechung zur 5 v. H.-Klausel im Bundes- und Landeswahlrecht das Postulat der Funktionsfähigkeit des zu wählenden Staatsorgans ab gegen das andere Postulat des gleichen Erfolgswerts aller Wählerstimmen und der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien bei der Verhältniswahl. Zu den Funktionen des Bundestages und der Landtage gehört die Gesetzgebung und die Regierungsbildung. Die Funktion des Rates im Gemeinderecht von Nordrhein-Westfalen ist die Verwaltung der Gemeinde (§ 27 GO), und zwar ist er für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig (§ 28 Abs. 1 GO). Der vom Rat aus seiner Mitte auf zwei Jahre zu wählende Bürgermeister führt den Vorsitz im Rat und vertritt diesen nach außen (§ 27 Abs. 2, § 32 GO). Der Rat hat weiter durch Wahl verschiedene Ausschüsse, voran den Hauptausschuß (§ 28 Abs. 1 Buchst. b, §§ 41, 42, 43 GO), zu bestellen. Vor allem aber muß er den Gemeindedirektor und die Beigeordneten wählen (§ 49 GO), die die Verwaltungsgeschäfte führen.

Es kommt also darauf an, ob das Vorhandensein von Splitterparteien dazu führen kann, daß der Rat diese seine Funktionen nicht ordnungsmäßig ausüben kann, daß insbesondere eine ordnungsmäßige Erledigung der Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung nicht mehr gewährleistet ist. Daß der Rat weder gesetzgeberische Funktionen im eigentlichen Sinne hat noch eine "Regierung" bilden muß, ist für die Entscheidung dieser Frage unerheblich.

b) Die Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung umfassen sowohl Selbstverwaltungsangelegenheiten (Gemeindeaufgaben, die die Gemeinde im eigenen Namen und unter eigener Verantwortung erfüllt) wie auch Auftragsangelegenheiten (Staatsaufgaben, mit deren weisungsgebundener Durchführung die Gemeinde beauftragt ist); die letzteren heißen in Nordrhein-Westfalen Pflichtaufgaben nach Weisung (§ 3 Abs. 2 GO). Zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten gehören z. B. kulturelle Aufgaben wie Theater, Museen usw., Versorgungs- und Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser, Sportanlagen, Jugendherbergen, Altersheime; die Unterhaltung von Handelsschulen, Fachschulen, Wasserversorgung, Meldewesen, Einrichtung und Erhaltung der Volksschulgebäude und der Berufsschulen, Straßen-, Kassen-, Haushalts- und Rechnungswesen. Auftragsangelegenheiten (Pflichtaufgaben nach § 3 Abs. 2 GO) sind z. B. die Ordnungsverwaltung, die Durchführung der Wahlen zum Landtag, das Personenstandswesen, die Tätigkeit der Ausgleichsämter (vgl. E. Becker, Die Selbstverwaltung als verfassungsrechtliche Grundlage der kommunalen Ordnung in Bund und Ländern, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1 S. 129 f.).

Die Selbstverwaltungsangelegenheiten unterliegen der allgemeinen Kommunalaufsicht des Staates, die grundsätzlich nur Rechtsaufsicht ist (§ 106 Abs. 1 GO). Nur bei Pflichtaufgaben nach Weisung hat die staatliche Aufsichtsbehörde eine umfassende Sachweisungsbefugnis nach Maßgabe der Gesetze (§ 106 Abs. 2 GO).

Art. 28 Abs. 1 und 2 GG garantiert von Bundes wegen ausdrücklich die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände; Art. 3 Abs. 2 der Verfassung von Nordrhein- Westfalen bestimmt, daß die Verwaltung in den Händen der Landesregierung, der Gemeinden und Gemeindeverbände liegt. Art. 78 Abs. 2 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen sagt, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrem Gebiet die alleinigen Träger der öffentlichen Verwaltung sind, soweit die Gesetze nichts anderes vorschreiben; diese Vorschrift wird in § 2 GO in etwas anderer Formulierung wiederholt. Es wird also einmal die Allseitigkeit des örtlichen Wirkungskreises der Gemeinde gewährleistet. Zum anderen soll die von den Gemeinden ausgeübte Verwaltung ausdrücklich Selbstverwaltung sein, d. h. sich in eigenem Namen, in eigener Verantwortung und durch eigene gewählte Organe vollziehen. Daraus ergibt sich, daß etwaige Störungen im Ablauf der Verwaltung auf der Gemeindeebene sich unmittelbar auf das Staatsganze auswirken müssen - weil ja die Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrem Gebiet die alleinigen Träger der öffentlichen Verwaltung sind. Weiterhin folgt aus diesen Bestimmungen, daß der "Normalfall" der ist, daß die gemeindliche Vertretungskörperschaft durch eigene verantwortliche Beschlußfassung die Gemeindeaufgaben erfüllt - daß die Gemeindebürgerschaft sich also durch ihre gewählte Vertretungskörperschaft "selbst verwaltet". Es ist nicht angängig, eine mit den Mitteln der Staatsaufsicht notdürftig in Gang gehaltene Verwaltung als "ordnungsmäßige Verwaltung" der Gemeinde zu werten und der durch die Verfassung gebotenen Selbstverwaltung gleichzuachten. Aus der Möglichkeit, etwaige Fehlleistungen des Rates mit den in §§ 108 f. GO genannten Mitteln der allgemeinen Kommunalaufsicht zu korrigieren, darf nicht der Schluß gezogen werden, daß Splitterparteien im kommunalen Bereich keinerlei Störungen verursachen könnten. Mit gleichem Recht könnte man gegen Sperrklauseln im Landes- und Bundeswahlrecht einwenden, daß für den Fall von Störungen der normalen Tätigkeit des Bundestages und der Landtage von den Bestimmungen über Gesetzgebungsnotstand (Art. 91 GG), Staatsnotstand (Art. 91 GG) oder Bundeszwang (Art. 37 GG) Gebrauch gemacht werden müsse. Die Kommunalaufsicht ist nicht ein Element der Selbstverwaltung, sondern ihr Korrelat. Zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden und damit der Selbstverwaltung im eigentlichen Sinn soll deshalb nur in extremen Fällen mit den Mitteln der Beanstandung, Ersatzvornahme usw. eingegriffen werden. Davon abgesehen ist die Kommunalaufsicht grundsätzlich nur Rechtsaufsicht, kann also in den Kernbereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten ohnehin nicht gestaltend eingreifen; der Staat kann sich hier nicht an Stelle der Gemeinde setzen.

Das vom Grundgesetz so stark herausgestellte und ausdrücklich garantierte Prinzip der Selbstverwaltung ist also nur dann voll verwirklicht, wenn der Rat als Verwaltungsorgan normal funktionieren kann, d. h. wenn er ohne Eingreifen der Kommunalaufsicht eigenverantwortlich über Gemeindeangelegenheiten Beschluß faßt und die notwendigen Wahlen (Bürgermeister, Gemeindedirektor, Ausschüsse) vornimmt. Gerade dieses normale Funktionieren, auf das es allein ankommt, kann aber durch das Vorhandensein von Splitterparteien ebenso gestört werden wie das normale Funktionieren eines Parlaments.

c) Hinzu kommt, daß in Nordrhein-Westfalen eine besondere Lage gegeben ist. Über 50% der Bevölkerung leben in Stadtkreisen. Im Ruhrgebiet liegt eine Vielzahl von Großgemeinden in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Ihnen sind Aufgaben gestellt, die nur durch gemeinsame, in der gleichen Richtung gehende Anstrengungen bewältigt werden können. Außerdem können gewisse Aufgaben, die heute den Vorrang haben, wie der Wohnungsbau, der Schulhausbau und der Straßenbau, nur durchgeführt werden, wenn sowohl bei der Bereitstellung der erforderlichen Mittel wie auch bei der sachlichen Ausführung die Gemeinden mit dem Land zusammenwirken. Alles dies erfordert sachgerechte Entscheidungen aller beteiligten Organe. Dieses Zusammenspiel kann durch eine Parteizersplitterung in den Gemeindeparlamenten gefährdet werden.

3. Was für die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gilt, muß auch für die Ämter und Landkreise gelten. Die Ämter sind Gemeindeverbindungen mehrerer Einzelgemeinden, die einerseits das Büro für die amtsangehörigen Gemeinden stellen, andererseits der Hebung der Verwaltungskraft leistungsschwacher kreisangehöriger Gemeinden dienen. Nach § 2 der Amtsordnung für Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1953 (GVBl. S. 218) gelten für die Ämter überwiegend die Vorschriften der Gemeindeordnung. Die Landkreise sind nach § 2 Abs. l der Landkreisordnung vom 21. Juli 1953 (GVBl. S. 305), soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen, ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung der auf ihr Gebiet begrenzten überörtlichen Angelegenheiten. Der Kreistag als oberstes Organ des Kreises hat einmal den Landrat zu wählen, der dem Bürgermeister nach der Gemeindeordnung entspricht, ferner den dem Hauptausschuß der Gemeindeordnung entsprechenden Kreisausschuß und schließlich als Leiter der Kreisverwaltung den Oberkreisdirektor. Auch in den Amtsvertretungen und den Kreistagen vom Nordrhein-Westfalen spielen die politischen Parteien die entscheidende Rolle.

4. Gegen den Versuch einer Rechtfertigung der 5 v. H.- Sperrklausel im Kommunalwahlrecht unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines störungsfreien Funktionierens der Selbstverwaltung könnte man einwenden, daß immerhin drei Bundesländer nämlich Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen, bisher ohne die 5 v. H.-Klausel in ihren Kommunalwahlgesetzen ausgekommen sind, ohne daß sich daraus Nachteile für das Funktionieren der Selbstverwaltung ergeben hätten. Dieser Einwand vermag aber der 5 v. H.-Klausel im Kommunalwahlrecht von Nordrhein-Westfalen nicht die Rechtfertigung zu entziehen. Dabei braucht gar nicht auf die Verschiedenheiten im Gemeindeverfassungsrecht abgehoben zu werden, die zwischen den Ländern, die die 5 v. H.-Klausel nicht haben, einerseits und Nordrhein-Westfalen andererseits bestehen. Denn ein Landesgesetzgeber ist nicht verpflichtet, mit der Einführung der 5 v. H.Klausel so lange zu warten, bis ein Notstand tatsächlich erkennbar geworden ist, oder ihre Einführung deshalb ganz zu unterlassen, weil in anderen Ländern ohne die 5 v. H.-Klausel ein Notstand nicht eingetreten ist. Er hat vielmehr die Befugnis, einen Notstand, der möglicherweise eintreten kann, von vornherein zu verhindern. Die Gefahr eines solchen Notstandes besteht aber zumindest immer bei den Gemeindevertretungen der Großstädte, wo sich Fraktionen bilden und wo - ähnlich wie bei den Länderparlamenten und im Bundestag - Splitterparteien die reibungslose Erfüllung der Verwaltungsaufgaben der kommunalen Vertretungen gefährden können; demgegenüber können die Einzelgänger bei den Kommunalwahlen höchstens in den kleinen Gemeinden eine Rolle spielen.

5. Die Sperrklausel gegen Splitterparteien in § 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen und die damit im Zusammenhang stehende Bevorzugung größerer Parteien gegenüber kleineren enthält zwar eine Modifizierung der Wahlgleichheit. Diese ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil ihre Fixierung durch den Gesetzgeber sich innerhalb der engen Grenzen des Ermessens hält, die diesem bei der näheren Ausgestaltung des Wahlrechts gezogen sind.

§ 30 Abs. 6 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1954 ist daher mit dem Grundgesetz vereinbar.