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BGH, 20.05.1952 - 1 StR 748/51

Daten
Fall: 
Begünstigung durch Rechtsanwalt
Fundstellen: 
BGHSt 2, 375; JZ 1952, 633; NJW 1952, 894
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
20.05.1952
Aktenzeichen: 
1 StR 748/51
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Peetz, Hantel, Glanzmann, Jagusch
Instanzen: 
  • LG Traunstein, 26.07.1951

1. Rät ein Anwalt auf Befragen von einer Selbstanzeige wegen Meineids ab, so beeinträchtigt er dadurch noch nicht die Strafverfolgung im Sinne des § 257.
2. Die Selbstbegünstigung bleibt auch straflos, wenn sie zugleich einen anderen begünstigt, soweit sie sich auf Handlungen beschränkt, die nur den § 257, nicht auch andere Strafvorschriften verletzen (wie RGSt 63, 375; 88, 289), und das auch selbst bei unbegründeter Besorgnis der eigenen Strafverfolgung, RGSt 73, 268.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts in Traunstein vom 26. Juli 1951, soweit es ihn betrifft, samt den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen

Der Angeklagte L. hatte den rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten G. in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten anwaltlich vertreten. Er vertrat auch dessen Mutter, Anna G., als Klägerin in einer Widerspruchsklage gegen ein Kind G.s, das bei diesem wegen rückständigen Unterhalts ein Rundfunkgerät hatte pfänden lassen. Mit der Klage machte Anna G. das Eigentum an dem Gerät kraft Übereignung für ein Darlehn geltend. In der mündlichen Verhandlung wurde G. über die Klagebehauptungen als Zeuge nach Eidesbelehrung eidlich gehört. Er sagte wahrheitswidrig aus, seine Mutter habe dieses Gerät schon aus der Tschechoslowakei mitgebracht; es habe ihr von jeher gehört. In Wahrheit hatte er es eingetauscht und glaubte, wie auch seine Mutter, die Klägerin, es ihr in der in der Klage dargestellten Weise wirksam übereignet zu haben. Mit der unrichtigen Aussage wollte G. nach Ansicht des Landgerichts lästige Fragen vermeiden und das Eigentum seiner Mutter auf eine deutlichere, von vornherein unbezweifelbare Weise darstellen, als es dem wirklichen Hergang entsprach. Der Angeklagte L. wohnte der Vernehmung bei, stellte die Abweichung aber nicht klar, weil er nach Ansicht des Landgerichts meinte, seine Klageinformation sei unrichtig gewesen, die jetzige Aussage G.s dagegen richtig. Später, noch vor Erlaß des Urteils, bereute G. sein Verhalten und erwog die Berichtigung der Aussage, bat aber vorher den Angeklagten um anwaltlichen Rat. Dieser erkannte nun den Meineid, dachte aber nicht an die Vorschrift des § 158 StGB, die G. bei Berichtigung jetzt noch hätte zugute kommen können, und erklärte ihm, um ihn der Bestrafung zu entziehen, er solle abwarten und den Mund halten, und zwar in der Annahme, der Meineid werde nicht bekannt werden. Einige Tage danach wurde der Widerspruchsklage stattgegeben; das Urteil stützte sich auf die falsche Aussage. G. fragte den Angeklagten nun nochmals, ob er den Meineid nicht doch offenbaren solle. Dieser hatte sich über den § 158 StGB inzwischen unterrichtet und entgegnete, jetzt sei es zu spat; wie das Urteil zeige, sei doch alles gut gegangen. Im Ermittlungsverfahren wegen Meineids gab G. dann unter Beschönigungen die Wahrheit zu. Außerdem behauptete er, der Angeklagte L. habe ihm geraten, die Übereignung zur Abwendung der Pfändung vorzutäuschen. Dies war nach Ansicht des Landgerichts unwahr. Bei einer Gegenüberstellung veranlaßte ihn der Angeklagte zur Berichtigung, durch Fragen und Vorhalte aber auch dazu, nunmehr wahrheitswidrig anzugeben, bei der Vereidigung nicht gewußt zu haben, etwas Falsches zu beschwören, endlich dazu, die Entbindung des Angeklagten L. von der anwaltlichen Schweigepflicht dem Richter gegenüber abzulehnen.

In diesen Vorgängen sieht das Landgericht eine Begünstigung des G., um ihn der Bestrafung zu entziehen. Die Verurteilung des Angeklagten nach § 257 StGB kann aber aus Rechtsgründen nicht bestehen bleiben.

a) Der Beistand, um den Vortäter der Bestrafung zu entziehen, kann auch durch einen Rat geschehen. Zur vollendeten Begünstigung gehört aber, daß sich die Lage des Vortäters gegenüber der Strafverfolgung durch hierzu bestimmte und geeignete Handlungen des Begünstigenden äußerlich verbessert und daß das Verhalten des Täters geeignet ist, einen solchen Erfolg herbeizuführen (RGSt 76, 123; 58, 15; 55, 178). Das ist, soweit der Angeklagte den G. anwaltlich beraten hat, nach den bisherigen Feststellungen zu verneinen. Unerheblich ist, ob dieser Rat richtig war, ob er im Interesse G.s lag und wie er standesrechtlich zu beurteilen ist, ebenso - in diesem Zusammenhang - ob er dem Angeklagten einen Interessengegensatz zu seiner Mandantin G. ersparte. Für die persönliche Begünstigung ist allein wesentlich, ob ein anwaltlicher Rat, diesen Inhalts die Strafverfolgung G.s wegen Eidesverletzung erschwerte. Das ist zu verneinen, solange der Angeklagte nur von der Selbstanzeige abriet. G. suchte ihretwegen anwaltlichen Rat, zumal er bei seiner Vernehmung geglaubt hatte, der Angeklagte habe diesen, Verlauf der Dinge mit dem Prozeßrichter "besprochen" und lasse die zwar unrichtige, im Ergebnis aber doch, auf dieselbe Rechtslage hinauslaufende Aussage deshalb unwidersprochen geschehen. Indem ihm der Angeklagte nun riet, die Berichtigung der Aussage zu unterlassen, abzuwarten und den Mund zu halten, statt ihm nur die Rechtslage darzustellen, wirkte er zwar auf den Willen G.s ein, aber nicht auf irgendwelche Umstände außerhalb dieses Willens, und auch nur in der Weise, daß er G. von der Selbstgestellung abhielt, nicht etwa derart, daß er ihm ein Tätigwerden zur Verdunkelung des Sachverhalts anriet. Die Willensbeeinflussung durch einen solchen Rat war aber im Sinne des § 257 ungeeignet, G. zu begünstigen. Sie beeinflußte die Möglichkeit seiner Strafverfolgung nur durch Hinderung der Selbstanzeige, zu der G. rechtlich ohnedies nicht verpflichtet war, wenn sie auch sittlich zu begrüßen gewesen wäre und ihm nach § 158 StGB vermutlich Straffreiheit verschafft hätte. Dieses Verhalten des Angeklagten mag - für sich allein betrachtet - standeswidrig sein; eine strafbare persönliche Begünstigung war es nicht.

Im übrigen darf ein Strafverteidiger, ohne sich dem strafrechtlichen Vorwurf der Begünstigung auszusetzen (die standesrechtliche Seite kann auch hier außer Betracht bleiben), selbst dann noch einen Freispruch des Angeklagten anstreben, wenn er dessen Schuld kennt, solange er sich jeder bewußten Verdunkelung des Sachverhalts und jeder Erschwerung der Strafverfolgung enthält und sich bei seinem Vorgehen auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränkt, RGSt 66, 326. Als Diener am Recht wirkt er im Strafverfahren mit; zur Überführung seines Klienten brauch er aber nicht beizutragen; das Gewicht seiner Tätigkeit liegt, neben dem Gericht und der Anklagebehörde, auf der Betonung der Rechtssicherheiten des Strafverfahrens und vor allem auf der Ermittlung der entlastenden Umstände. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein Rat des festgestellten Inhalts keine Begünstigung. Der Anwalt braucht nicht darauf hinzuwirken, daß sein Klient sich selbst anzeige. Dadurch erschwert er die Strafverfolgung (im Sinne des § 257) also nicht.

b) Anders steht es mit dem wahrheitswidrigen Widerruf des Geständnisses, zu dem der Angeklagte den G. bei der Gegenüberstellung veranlaßt hat. Insoweit ist der Tatbestand der persönlichen Begünstigung an sich nicht zweifelhaft. G. hatte wahrheitsgemäß angegeben, bewußt falsch geschworen zu haben. Der Angeklagte kannte die Richtigkeit dieses Teils des Geständnisses, veranlaßte G. aber zu der neuen und widersprechenden Behauptung, er habe beim Schwören die Unrichtigkeit der Aussage nicht gekannt. Damit verdunkelte er bewußt die wahre Sachlage, wie sie sich aus dem Geständnis ergab, und erschwerte die Strafverfolgung. Die Absicht der Strafvereitelung ist ausreichend festgestellt.

Das Landgericht hätte aber prüfen müssen, ob sich der Angeklagte durch sein Gesamtverhalten nicht zugleich selbst begünstigen wollte, weil er selbst Strafverfolgung fürchtete. Die Selbstbegünstigung ist auch straflos, wenn sie zugleich einen anderen Vortäter begünstigt, soweit sie sich auf Handlungen beschränkt, die nur den § 257, nicht auch andere Strafvorschriften verletzen (RGSt 63, 375; 68, 289; 70, 392; 71, 281), und das auch bei unbegründeter Besorgnis der eigenen Strafverfolgung, RGSt 73, 265 [268]. Der Angeklagte L. hat, wie das Urteil ergibt, wegen seines Verhaltens im Verfahren der Widerspruchsklage im Verdacht der Anstiftung zum Prozeßbetrug und zum Meineid gestanden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß er schon bei der Gegenüberstellung mit seiner strafrechtlichen Verfolgung oder mindestens damit rechnete, die Offenbarung des wirklichen Sachverhalts durch G. könne den Verdacht strafbarer Handlungen gegen ihn selbst begründen oder stützen. Es käme dann darauf an, ob er den G. zum Widerruf des wahren Geständnisses und zur Verdunkelung deshalb veranlaßt hat, um diese Gefahr von sich selbst abzuwenden, wobei es, wie schon erörtert, genügen würde, wenn er, auch diese Absicht verfolgt hat. Das angefochtene Urteil sagt nichts darüber, ob sich der Angeklagte bisher in dieser Weise verteidigt hat, oder erst jetzt im Revisionsverfahren. Die Nichterörterung der Selbstbegünstigung im Urteil läßt das zweite vermuten. Das kann ein Beweisanzeichen dafür sein, daß er mit eigener Strafverfolgung zur Zeit der Gegenüberstellung nicht gerechnet und die Absicht der Selbstbegünstigung deshalb nicht gehabt hat. Hält das Landgericht dies in der neuen Hauptverhandlung für erwiesen, so ist es unerheblich, daß der Angeklagte in Wahrheit tatverdächtig war; zur Selbstbegünstigungsabsicht gehört, daß er mit der Möglichkeit der Strafverfolgung schon damals rechnete.

Ergeben sich hiernach strafbare Begünstigungshandlungen des Angeklagten, so entlastet ihn das Anwaltsverhältnis zur Frau G. nicht. Daß er diese in der Widerspruchsklage vertrat, berechtigte ihn nicht, zur Vermeidung eines Interessengegensatzes eine Straftat zu begehen. Befürchtete der Angeklagte - vielleicht nicht einmal zu Recht - von einer Selbstanzeige des G. eine Beeinträchtigung der Klageaussichten seiner Auftraggeberin, so mußte er den erbetenen Rat ablehnen und G. an einen andern Anwalt verweisen.

Das Landgericht ist auch im übrigen an einer neuen erschöpfenden Sachaufklärung in keiner Richtung gehindert.