BVerfG, 09.07.1957 - 2 BvL 30/56
§ 41 Abs. 2 des schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes vom 29. Januar 1955, nach dem die Parteien oder Parteiengruppen für den Fall, daß ein gewählter Vertreter die Wahl ablehnt oder durch Tod oder Verlust seines Sitzes ausscheidet, die Reihenfolge des Nachrückens der Ersatzmänner aus der von ihnen eingereichten Gemeinde- oder Kreisliste nach der Stimmabgabe der Wähler ändern können, ist mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht vereinbar.
Beschluß
des Zweiten Senats vom 9. Juli 1957
– 2 BvL 30/56 –
in dem Verfahren wegen der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 41 Abs. 2 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes für Schleswig-Holstein in der Fassung vom 29. Januar 1955 (GVBl. Schl.-H. S. 10) – Antrag des Landesverwaltungsgerichts Schleswig – I. Kammer – 1 K 172/55 –
Entscheidungsformel:
§ 41 Abs. 2 des Wahlgesetzes für die Gemeinde- und Kreisvertretungen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz) in der Fassung vom 29. Januar 1955 (GVBl. S. 10) ist nichtig.
Gründe
A.
1. In Schleswig-Holstein sind die Gemeinde- und Kreisvertretungen am 24. April 1955 neu gewählt worden. Für diese Wahl galt das Wahlgesetz für die Gemeinde- und Kreisvertretungen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz) in der Fassung vom 29. Januar 1955 (GVBl. S. 10).
Nach diesem Gesetz setzen sich die Gemeinde- und Kreisvertretungen aus Vertretern zusammen, die aus den Wahlbezirken der Gemeinden oder Kreise nach den Grundsätzen der relativen Mehrheitswahl (unmittelbare Vertreter) und solchen, die aus den Gemeinde- und Kreislisten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl (Listenvertreter) gewählt werden. Lehnt ein Bewerber die Wahl ab, so rückt grundsätzlich der nächste Bewerber auf der Liste derjenigen politischen Partei oder Parteiengruppe nach, für die der ablehnende Bewerber aufgestellt war (§ 41 Abs. 1 Satz 1). Es kann jedoch von der politischen Partei oder Parteiengruppe auch ein anderer Listenbewerber als Ersatzmann benannt werden. Dazu bestimmt der § 41 Abs. 2 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes (GKWG) im einzelnen:
"Die Reihenfolge, in der die Bewerber nachrücken, kann durch die Parteien oder Parteiengruppen geändert werden. Die beantragte Änderung muß dem Wahlleiter spätestens zwei Wochen nach der Bekanntmachung des Ausscheidens mitgeteilt werden."
2. In Bad Segeberg haben sich anläßlich der am 24. April 1955 durchgeführten Neuwahl der Gemeindevertretung die CDU, die FDP und die "Segeberger Wählergemeinschaft" (SWG) zu einer Parteiengruppe zusammengeschlossen. Diese Parteiengruppe hat unter dem Kennwort: "Wahlgemeinschaft Segeberg" gemeinsam unmittelbare Bewerber in den Wahlbezirken aufgestellt und einen einheitlichen Listenwahlvorschlag eingereicht. Im Wahlbezirk 2 war der von der Wahlgemeinschaft Segeberg aufgestellte unmittelbare Bewerber Adolf R., der der FDP angehört, erfolgreich. Dieser lehnte am 28. April 1955 die Annahme der Wahl aus gesundheitlichen Gründen ab. Der Gemeindewahlleiter forderte deshalb mit Schreiben vom 3. Mai 1955 den Postamtmann a. D. Carl C. (CDU) als Vorsitzenden der Wahlgemeinschaft Segeberg unter Hinweis auf § 41 GKWG auf, einen Ersatzmann vorzuschlagen. Zugleich machte er das Ausscheiden R.'s öffentlich bekannt.
C. ersuchte mit Schreiben vom 4. Mai 1955 den Gemeindewahlleiter, den nächsten Listenbewerber, nämlich ihn selbst, nach § 16 Abs. 5 Satz 1 GKWG als gewählt festzustellen. Dies lehnte der Gemeindewahlleiter mit der Begründung ab, daß der § 16 GKWG nach dem eindeutigen Wortlaut des § 41 GKWG in diesem Falle keine Anwendung finden könne.
Am 10. Mai 1955 teilten die beiden anderen Vorstandsmitglieder der Wahlgemeinschaft Segeberg, Sch. und R., dem Gemeindewahlleiter schriftlich mit, daß auf Grund der innerhalb der Wahlgemeinschaft getroffenen Vereinbarung unter Abänderung der Reihenfolge auf der Liste gemäß § 41 GKWG der Kaufmann Hans Sch. (FDP) als Ersatzbewerber benannt werde. Daraufhin stellte der Wahlleiter den Kaufmann Hans Sch. als Nachfolger R.'s fest.
C. ist der Ansicht, der Wahlleiter habe durch die Feststellung, daß Sch. Ersatzmann sei, ihn als nächsten Listenbewerber zu Unrecht übergangen. Er hat deshalb gemäß § 41 Abs. 4 Satz 4/§ 33 GKWG gegen die Feststellung des Wahlleiters Einspruch eingelegt und gegen den seinen Einspruch zurückweisenden Beschluß der Gemeindevertretung vor dem Landesverwaltungsgericht in Schleswig Klage erhoben. In dem Wahlprüfungsverfahren macht er geltend, der angefochtene Beschluß beruhe auf unrichtiger Auslegung des § 41 GKWG. Der § 41 GKWG treffe lediglich eine Bestimmung für den Ersatz ausscheidender Vertreter. R. habe jedoch die Wahl ausgeschlagen, bevor er Vertreter geworden sei. In Frage stehe also nicht die Feststellung des Ersatzmannes für einen ausgeschiedenen Vertreter, sondern die Erstzuteilung eines Sitzes, die im § 16 Abs. 5 GKWG geregelt werde. Aber selbst wenn man der Ansicht sei, § 41 GKWG sei auch dann anzuwenden, wenn ein noch nicht in die Vertretung eingerückter Bewerber die Wahl ablehne, so habe dem von Sch. und R. unterzeichneten Änderungsantrag nicht stattgegeben werden dürfen, weil dieser Antrag weder in einer ordnungsmäßig einberufenen Vorstandssitzung behandelt noch förmlich über ihn abgestimmt worden sei.
Das Landesverwaltungsgericht hält das Klagebegehren insoweit für unbegründet, als es auf § 16 Abs. 5 GKWG gestützt wird, und will seiner Entscheidung den § 41 GKWG zugrunde legen. Es trägt auch keine Bedenken, den von den Vorstandsmitgliedern Sch. und R. unterzeichneten Änderungsantrag als rechtswirksam anzusehen, will jedoch dessenungeachtet die Feststellung Sch.'s als Nachfolger R.'s für ungültig erklären, weil es der Meinung ist, daß der § 41 Abs. 2 GKWG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl (Art. 28 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein [LS]) verstoße. Das Landesverwaltungsgericht hat deshalb durch Beschluß vom 19. Dezember 1955 das Verfahren gemäß Art. 100 GG ausgesetzt und die Akten dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 41 Abs. 2 GKWG mit dem Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit vorgelegt.
3. Dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Landtag und der Landesregierung von Schleswig-Holstein sowie den an dem ausgesetzten Rechtsstreit Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Die Bundesregierung hat sich der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts angeschlossen, ohne dem Verfahren beizutreten.
Der Landtag von Schleswig-Holstein ist dem Verfahren beigetreten. Er hält den § 41 Abs. 2 GKWG für gültig. Zur Begründung hat er ausgeführt:
Die von der Verfassung aufgestellten Wahlrechtsgrundsätze ließen sich nicht reibungslos bis zur letzten Konsequenz durchführen. Sie müßten vielmehr im Hinblick auf das jeweilige Wahlsystem stets neu konkretisiert und miteinander in Einklang gebracht werden. Der Landesgesetzgeber könne deshalb den ihm von der Verfassung erteilten Auftrag, "das Nähere zu bestimmen" (Art. 3 Abs. 4 der Landessatzung für Schleswig-Holstein [LS]), nur erfüllen, wenn ihm ein gewisser Spielraum bei der Durchführung der Wahlrechtsgrundsätze zugebilligt werde.
Der zur Nachprüfung gestellte § 41 Abs. 2 GKWG solle verhüten, daß durch ein schematisches Nachrücken von Ersatzleuten die unter politischen und fachlichen Aspekten sachgemäße Zusammensetzung der Vertretungskörperschaften gefährdet werde. Es sei eine parlamentarische Erfahrung, daß die Fraktionen oder politischen Gruppen einer Vertretungskörperschaft z. B. einzelne rechtskundige oder wirtschaftlich besonders erfahrene Mitglieder haben müßten. Scheide eine solche unentbehrliche Fachkraft aus, so müsse gegebenenfalls unter Änderung der ursprünglich in der Liste vorgesehenen Reihenfolge ein geeigneter Ersatzmann nachrücken können. Ebenso könne ein ausscheidender Vertreter, der einer Parteiengruppe angehört habe – wenn die parteipolitische Zusammensetzung der Fraktion der Wahlgemeinschaft, wie sie sich ursprünglich auf Grund des Wahlergebnisses gebildet habe, gewahrt bleiben solle – nur durch einen Listenbewerber der politischen Partei, der der Ausscheidende angehört habe, ersetzt werden.
Im übrigen werde auch im Rahmen des § 41 Abs. 2 GKWG dem Unmittelbarkeitsgrundsatz voll Rechnung getragen, weil sämtliche in Betracht kommenden Ersatzleute den Wählern bei der Wahl bekannt seien und als solche unmittelbar gewählt würden. Es sei eine Überspitzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes, wenn man darüber hinaus verlange, daß mit der Wählerentscheidung auch für die Zukunft die Reihenfolge der nachfolgenden Ersatzleute endgültig und unabänderlich festliegen müsse.
Der Landtag von Schleswig-Holstein hat deshalb beantragt, die Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 2 GKWG festzustellen. Er hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
1. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes kann sich im Hinblick auf die jeweils in Betracht kommende Landesverfassung oder in bezug auf das Grundgesetz stellen. Steht eine Verletzung des Grundgesetzes in Frage, so ist stets das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung berufen. Kommt ein Verstoß gegen die Landesverfassung in Betracht, so ist die Entscheidung "des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes" einzuholen (Art. 100 Abs. 1 GG).
Wie sich aus der Begründung des Vorlagebeschlusses ergibt, hält das Landesverwaltungsgericht die zur Nachprüfung gestellte Norm sowohl mit Art. 3 Abs. 1 LS wie mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG für unvereinbar.
Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muß das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. In Vollzug der Normativbestimmung des Grundgesetzes hat der schleswig-holsteinische Verfassungsgesetzgeber den Grundsatz der unmittelbaren Wahl ausdrücklich in die Landessatzung aufgenommen und in Art. 3 Abs. 1 bestimmt:
"Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim."
In Anbetracht dieser Übereinstimmung der Landessatzung mit dem Grundgesetz ist davon auszugehen, daß das Landesverwaltungsgericht § 41 Abs. 2 GKWG zunächst an der Landesverfassung gemessen hat. Ein Vorlagebeschluß, der die Vorlage auf die Verletzung sowohl einer grundgesetzlichen als auch einer landesverfassungsrechtlichen Norm stützt, muß daher, wenn das Bundesverfassungsgericht auch zur konkreten Normenkontrolle an der in Betracht kommenden Landesverfassung berufen ist, dahin ausgelegt werden, daß das Landesgericht in erster Linie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Eigenschaft als Landesverfassungsgericht anstrebt.
2. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Entscheidung der Frage, ob eine Landesnorm die Landesverfassung verletzt, grundsätzliche Sache "des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes", d. h. des für Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes zuständigen Gerichtes (v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar 1953 Anm. 3 zu Art. 100 GG [S. 542 mitte]).
Das Bundesverfassungsgericht ist das für Verfassungsstreitigkeiten innerhalb Schleswig-Holsteins zuständige Gericht. Der Begriff der Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig-Holstein und die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu ihrer Entscheidung werden im Art. 37 Nr. 1 LS abschließend geregelt. Insbesondere besteht, wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 5. April 1952 – 2 BvH 1/52 – (BVerfGE 1, 208 [233 f.]) hervorgehoben hat, daneben keine Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zur Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig- Holstein mehr, da der § 27 Buchst. d der MRVO Nr. 165 mit dem Erlaß des Grundgesetzes und der Landesverfassung gegenstandslos geworden ist. Ist aber das Bundesverfassungsgericht nach alledem das "für Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig-Holstein zuständige Gericht", so ist es auch gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zur konkreten Normenkontrolle einer schleswig-holsteinischen Landesnorm an der Landessatzung berufen.
3. Die zu prüfende Norm ist nach Inkrafttreten der Landessatzung (12. Januar 1950) Gesetz geworden.
Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz ist zwar in seiner ursprünglichen Form bereits am 15. Juni 1948 (GVBl. S. 95) ausgefertigt worden. Die Bestimmungen über den Ersatz ausscheidender Vertreter sind jedoch durch das Änderungsgesetz vom 3. Februar 1951 (GVBl. S. 23) auch in dem hier in Betracht kommenden Teil neu gefaßt und dann in Vollzug des Änderungsgesetzes vom 29. Januar 1955 (GVBl. S. 5) unter einer anderen Paragraphenzahl neu bekannt gemacht worden. Die vorkonstitutionellen und die nachkonstitutionellen Fassungen der zur Nachprüfung gestellten Norm sind mithin nach Form und Inhalt nicht identisch.
Das ergibt sich einmal daraus, daß nach § 38 Abs. 1 Satz 2 GKWG i.d.F. vom 15. Juni 1948 lediglich die "Parteien" berechtigt waren, die Reihenfolge des Nachrückens zu ändern, während im § 38 Abs. 2 Satz 1 GKWG i.d.F. vom 3. Februar 1951 dieses Recht den "politischen Parteien und Parteiengruppen" eingeräumt wird. Es zeigt sich ferner darin, daß der Landesgesetzgeber das Verfahren bei Erschöpfung der Liste wiederholt geändert hat.
4. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da nur der Landtag dem Verfahren beigetreten ist, aber auf mündliche Verhandlung verzichtet hat (§ 25 Abs. 1 BVerfGG)
C.
§ 41 Abs. 2 GKWG ist mit dem in Art. 3 Abs. 1 LS enthaltenen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht vereinbar.
Der Wahlrechtsgrundsatz der Unmittelbarkeit erschöpft sich, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1957 – 2 BvR 9/56 – dargelegt hat, nicht in einem Verbot der Wahl durch Wahlmänner. Er schließt vielmehr darüber hinaus jedes Wahlverfahren aus, bei dem zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung eine Instanz eingeschaltet wird, die nach ihrem Ermessen in der Lage ist, die Vertreter auszuwählen und damit den Wählern die Möglichkeit nimmt, die zukünftigen Vertreter durch die Stimmabgabe selbsttätig zu bestimmen. Der Grundsatz der unmittelbaren Wahl verlangt ein Wahlverfahren, bei dem jede abgegebene Stimme bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet wird, ohne daß nach der Stimmabgabe noch eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen die Vertreter auswählt. Nur wenn die Wähler das letzte Wort haben, haben sie auch das entscheidende Wort; nur dann wählen sie unmittelbar.
Die Gemeindevertreter werden nach dem schleswig-holsteinischen Gemeinde- und Kreiswahlgesetz zum Teil nach den Grundsätzen der Verhältniswahl auf Grund von Listen gewählt. Aus diesen Listen wird der Ersatzmann auch dann entnommen, wenn "ein unmittelbarer Vertreter" ausscheidet. Auch bei diesem Wahlverfahren muß gewährleistet sein, daß die im Wahlakt bekundete Willensentscheidung allein maßgeblich bleibt (BVerfGE 3, 45 [50]). Das gilt auch für die Feststellung der Ersatzmänner im Falle, daß gewählte Vertreter die Wahl ablehnen oder durch Tod oder Verlust ihres Sitzes ausscheiden. Wird für den Fall des Nachrückens von Ersatzmännern, also nach der Stimmabgabe, irgendeiner Instanz das Recht eingeräumt, die neuen Vertreter zu bestimmen, so hat der Wählerwille auf die Auswahl dieser Vertreter nicht mehr einen dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl entsprechenden Einfluß. Deshalb widerspricht § 41 Abs. 2 GKWG, der den Parteien und Parteiengruppen die Möglichkeit gibt, die Reihenfolge des Nachrückens der Bewerber nach der Stimmabgabe der Wähler zu ändern, dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl.
Diese Durchbrechung des Grundsatzes der unmittelbaren Wahl läßt sich auch nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, daß die unter politischen und fachlichen Gesichtspunkten sachgemäße Zusammensetzung der Vertretungskörperschaften gesichert werden müsse. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl kann, wenn man seinen Inhalt nicht ändern will, nur als ein unabdingbares formales Prinzip verstanden werden. Er laßt sich deshalb weder aus rechtspolitischen noch aus soziologischen Erwägungen einschränken, sondern muß, solange er als verfassungskräftiges Gebot besteht, in jedem wie auch immer ausgeschalteten Wahlverfahren konsequent verwirklicht werden.
Nach alledem ist § 41 Abs. 2 GKWG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 LS verfassungswidrig und deshalb nichtig.