Kommentare: Jan Backmann, Abteilungsleiter im Justizministerium Schleswig-Holstein

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Eine Strafanzeige wegen Verdachts der Rechtsbeugung (§ 339 StGB)

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Dies ist die Fortsetzung meines Beitrags über meine Erfahrungen mit der Behandlung von auf Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt gestützten Anzeigen durch Staatsanwälte in Schleswig-Holstein vom 03.08.2023. Frau Ministerin van der Decken hat auf meine Schreiben nicht geantwortet. Ich erhielt ein Schreiben von Prof. Schady und zuletzt von Prof. Backmann.

Letzteres lautet unter anderem wie folgt:

„Ihr Schreiben vom 10. August 2023 ist mir als Leiter der Abteilung‚ Rechts- und justizpolitische Angelegenheiten, Gerichte und Staatsanwaltschaften, Gnadenwesen‘ zur Prüfung und Beantwortung vorgelegt worden. Ihr darin vorgebrachtes Begehren war als (weitere) Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den hiesigen Bescheid vom 1. August 2023 anzusehen, da Sie deutlich gemacht haben, mit der von Herrn Prof. Dr. Schady getroffenen Sachentscheidung nicht einverstanden zu sein und weiterhin eine in Ihrem Sinne ausfallende Entscheidung erwirken zu wollen.

Ich habe nunmehr die Gelegenheit gehabt, die hier im Hause entstandenen Aktenvorgänge selbst durchzusehen und die Angelegenheit mit Herrn Prof. Dr. Schady zu erörtern.

Nach umfassender Überprüfung der Angelegenheit und intensiver Befassung mit den von Ihnen vorgebrachten Erwägungen habe ich keine Veranlassung, die Ihnen mit Bescheid vom 1. August 2023 mitgeteilte Bewertung der Angelegenheit durch Herrn Prof. Dr. Schady zu korrigieren. Wie schon die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Generalstaatsanwalt in Schleswig und Frau von Massow ist auch die Behandlung der Angelegenheit durch Herrn Prof. Dr. Schady nicht zu beanstanden. Auf die Ihnen zugegangenen Bescheide nehme ich insoweit Bezug. Entgegen Ihrem Vorbringen setzt ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO ‚zureichende tatsächliche Anhaltpunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat‘ voraus, welche positiv festzustellen sind. Es genügt also nicht, wenn ein strafrechtlich relevantes Verhalten lediglich nicht ausgeschlossen werden kann.

Die von mir hervorgehobenen Sätze enthalten eine rechtlich unzutreffende Aussage. Richtig ist das, was überall auch im Internet zu lesen ist:

„Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte sind dann gegeben, wenn die Möglichkeit einer strafbaren Handlung besteht.“

Das Schreiben enthält außer dem Fettgedruckten keine Sachaussage, sondern soll den Eindruck erwecken, man habe sich ernsthaft mit meinen Argumenten beschäftigt, was tatsächlich nicht der Fall war.

Die Justizverwaltung in Schleswig-Holstein, möglicherweise auch die in anderen Ländern, machen Justizpolitik gegen den eindeutig feststellbaren Willen des Gesetzgebers. Die politische Führung des Ministeriums weiß davon nichts oder schaut trotz Kenntnis tatenlos zu.

Am Ende des Schreibens von Herrn Prof. Backmann gibt es dann noch eine deutliche Missbilligung der Widerspenstigkeit des Rechtssuchenden:

„Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie aus dem tatsächlichen Geschehen andere Schlüsse ziehen, insbesondere von einem strafrechtlich relevanten Verhalten des Vorsitzenden Richters am Landgericht F. überzeugt sind und eine gegenteilige Beurteilung nicht akzeptieren wollen. An meiner Bewertung vermag dies nichts zu ändern. Ihre weitere Dienstaufsichtsbeschwerde weise ich daher ebenso wie Ihre persönliche Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Prof. Dr. Schady als unbegründet zurück.

Den Vorgang schließe ich mit diesem Bescheid nunmehr endgültig ab. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Sie in dieser Sache auf offensichtlich unbegründete Eingaben aus diesem Haus keinen weiteren Bescheid mehr erhalten werden.“

Wir erinnern uns: der Vorsitzende Richter am Landgericht F. hat aus dem § 311 Strafprozessordnung flugs einen § 311 Zivilprozessordnung gemacht, den es mit dem behaupteten Inhalt gar nicht gibt. Niemand kann mir die Berechtigung abstreiten, zu behaupten, dass hier eine erhebliche Entfernung von Gesetz und Recht vorliegt. Es geht zunächst auch nicht um eine Verurteilung, sondern nur um die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens.

Ich habe einen früheren Fall zu Anlass genommen, nochmals an den Herrn Staatsanwalt H zu schreiben. Ich will aus diesem Schreiben nur auszugsweise wörtlich zitieren und im Übrigen den Inhalt komprimiert wiedergeben. Es heißt dort zu Beginn wörtlich:

„Sehr geehrter Herr Staatsanwalt H, zu diesem Vorgang überreiche ich als Anlage den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts… vom 15. Oktober 2018 auf den ich bereits in meinem Schreiben vom 9.10.2022 hingewiesen habe. Dieser einstimmige Beschluss erfüllt die objektiven und subjektiven Tatmerkmale der Rechtsbeugung. Verjährung wird am 15. Oktober 2023 eintreten, sowie sie nicht unterbrochen wird.

Der Beschluss weist auf der Grundlage von § 522 ZPO meine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.04.2018 (Az. 16 C 13/17) zurück.

Es heißt dort unter anderem wörtlich:
‚Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.04.2018, Aktenzeichen 16 C 13/17, ist gemäß§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat…
Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung entschieden, dass der streitgegenständliche Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10.07.2016 zu TOP 13 (Wiederbestellung der Verwalterin deren Bestellung am 31.12.2016 ablief) nicht für nichtig zu erklären ist…
Ein Einladungsmangel i. S. des § 23 Abs. 2 WEG liegt… nicht vor…
Eine Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft für die Bestellung eines Verwalters ergibt sich aus §§ 6 Nr. 9, 20 der Teilungserklärung; auf die Ausführungen unter Ziffer 2 des Hinweisbeschlusses vom 05.09.2018 wird Bezug genommen’“

Im weiteren Verlauf des Schreiben habe ich darauf hingewiesen, dass das Landgericht in dem Beschluss vom 15.10.2018 wie auch das Amtsgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil unberücksichtigt gelassen hätten, dass das Amtsgericht am 31.01.2016 (16 C 67/16) bereits einmal über die dieselbe Versammlung entschieden und dabei im Urteil festgestellt habe, dass der Beschluss zu TOP 3 (Genehmigung der Betriebskostenabrechnungen) und TOP 6 (Genehmigung Wirtschaftsplan) nichtig sei. Die natürliche Folge sei gewesen, dass den anderen Beschlüssen die ‚Geschäftsgrundlage‘ gefehlt habe, also ausnahmslos alle anderen Beschlüsse auch die Wiederbestellung ebenfalls nichtig gewesen seien.

Ich habe ferner ausgeführt, dass das Amtsgericht in den Gründen des Urteils vom 31.1.2017 ausgeführt habe, dass die Verwalterin nicht, wie in der Gemeinschaftsordnung der fraglichen WEG vorgesehen, zu getrennten Versammlungen der Gesamtgemeinschaft und der für eine getrennte Verwaltung gebildeten Untergemeinschaften geladen habe, sondern zu einer Versammlung der Gesamtgemeinschaft in der alle über alles abgestimmt hätten. Dieser Ladungsmangel habe dazu geführt, dass die Gesamtgemeinschaft keine Beschlusskompetenz für irgendetwas gehabt habe.

Aus der Quintessenz meiner Darlegungen, dass nämlich bewusst falsch entschieden worden sei, habe ich den Schluss gezogen, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet sei, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen und zum Zwecke der Selbstprüfung eine entsprechende Verfügung entworfen:

„Verfügung
Gegen die Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Hz, Dr. Hg und F wird ein Ermittlungsverfahren eröffnet, da ein Anfangsverdacht – nach Aktenlage sogar ein dringender Verdacht besteht, dass die objektiven und subjektiven Tatmerkmale der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) erfüllt sind.
Wegen Rechtsbeugung macht sich ein Richter strafbar, wenn er bei der Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich das Recht falsch anwendet und dadurch einem Verfahrensbeteiligten zu Unrecht einen Vor- oder Nachteil verschafft.
Tathandlung im Sinne von § 339 StGB ist eine Verletzung von Recht und Gesetz. Dies setzt eine Rechtsanwendung voraus, die im Ergebnis nicht vertretbar ist...
Der Tatbestand der Rechtsbeugung bedarf darüber hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit einer Einschränkung, als eine Beugung des Rechts nicht schon durch jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung verwirklicht wird. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass der Richter sich bewusst in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt (Urteil des BGH v. 22.01.2014 - 2 StR 479/13).

Der Beschluss vom 15.10.2018 (11 S 33/18) der 11. Zivilammer des Landgerichts, der die Beschuldigten seinerzeit angehörten, weist auf der Grundlage von § 522 ZPO die Berufung der damaligen Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.04.2018 (Az. 16 C 13/17) zurück.

Es heißt dort wörtlich:
‚Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 16.04.2018, Aktenzeichen 16 C 13/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat…
Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung entschieden, dass der streitgegenständliche Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10.07.2016 (zu TOP 13 (Wiederbestellung de Verwalters) nicht für nichtig zu erklären ist…
Ein Einladungsmangel i. S. des § 23 Abs. 2 WEG liegt … nicht vor…
Eine Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft für die Bestellung eines Verwalters ergibt sich aus §§ 6 Nr. 9, 20 der Teilungserklärung; auf die Ausführungen unter Ziffer 2 des Hinweisbeschlusses vom 05.09.2018 wird Bezug genommen.‘

Der Beschluss ist schon deswegen problematisch, weil aus dem Beschluss Dokument ohne Rückgriff auf die Prozessakten nicht erkennbar ist, was die Kläger gegen den Beschluss des Amtsgerichts vorgebracht haben.

Hinzukommt dies: aus den zu den Akten genommenen Unterlagen geht hervor, dass das Amtsgericht schon einmal über Klaganträge derselben Kläger zu derselben Versammlung entschieden hat (Urteil vom 31.01.2017 - 16 C 67/16). Das Amtsgericht hat damals, wie sich aus dem Tenor des Urteils ergibt, festgestellt, dass der Beschluss zu TOP 3 (Genehmigung der Betriebskostenabrechnungen) und TOP 6 (Genehmigung Wirtschaftsplan) nichtig seien. Die natürliche Folge ist, dass den anderen Beschlüssen die „Geschäftsgrundlage“ fehlt, sie also ausnahmslos ebenfalls nichtig sind. Das Urteil vom 30.1. war am 15. Oktober rechtskräftig.

Des Weiteren hat das Amtsgericht schon in dem Urteil vom 31.1.2017 festgestellt aber auch in dem der Berufung zugrundeliegenden Urteil vom 18.04. außer Streit gestellt, dass für die jeweiligen Unter-WEGs der Mehrhausanlage gesondert zu der Eigentümerversammlung eingeladen hätte eingeladen werden müssen, das aber nur für die Gesamtgemeinschaft ordnungsgemäß geladen und ordnungsgemäß die Versammlung durchgeführt worden sei, so dass wegen eines Ladungsmangels keine ordentliche Eigentümerversammlung im Sinne der Teilungserklärung stattgefunden habe und Beschlüsse deswegen nicht wirksam hätten gefasst werden können.

Den Beschuldigten Richtern, die das Urteil vom 31.01.2017 und das der Berufung zu Grunde liegende Urteil vom 18.04.2018 sowie den Klägervortrag kannten, war bewusst, dass der Gesamtgemeinschaft eine Beschlusskompetenz für die Wiederbestellung der Verwaltung nur zustand, wenn getrennt abgestimmt wird. Ihnen war auch bewusst, dass der Wiederbestellungsbeschluss auch aufgrund der Feststellungswirkung des Urteils vom 31.1.2017 nichtig war. Das bewusste Verschweigen rechtserheblicher Tatsachen und die bewusste Falschdarstellung von Tatsachen stellt eine Rechtsbeugung dar (BGH vom 21.07.1970 - 1 StR 199/69).

Die beschuldigten Richter handelten mit direktem Vorsatz. Ihnen stand aufgrund ihrer Erfahrung mit dem WEG- und dem Zivilrecht deutlich vor Augen, dass die Berufung nach der eindeutigen Rechtslage begründet war und die Kläger hätten obsiegen müssen. Sie haben sich zum Nachteil der Kläger mit direktem Vorsatz in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt.“

Ich haben dem Schreiben noch folgende Schlussbemerkung hinzugefügt, die ich jetzt wörtlich zitiere:

„Das seinerzeit von Ihnen verfügte Absehen von Ermittlungen gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht F verstieß gegen die staatsanwaltlichen Pflichten nach den §§ 151 ff. Strafprozessordnung. Ich habe schon als Referendar gelernt, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, jedem Hinweis auf eine Straftat nachzugehen, bis eine solche ausgeschlossen werden kann. Andernfalls ist ein Ermittlungsverfahren einzuleiten; in Zweifelsfällen ist der Anzeigende anzuhören. So kann man es überall lesen. Herr Prof. Backmann hat eingeräumt, dass eine Weisung existiert, gegen Zivilrichter nicht wegen Rechtsbeugung zu ermitteln, auch wenn eine strafbare Handlung nicht ausgeschlossen werden kann.

Ihre damalige Entscheidung ist jetzt durch die neuen Erkenntnisse überholt. Herr F. hat vorsätzlich gehandelt, weil er verhindern wollte, dass die früheren falschen Entscheidungen ans Licht kommen. Bei einigen ist Verjährung bereits eingetreten; in diesem Fall läuft die Verjährung am 15. Oktober ab, falls sie nicht vorher unterbrochen wird.“

Ich habe versäumt, in dem genannten Schreiben darauf hinzuweisen, dass jeder Staatsanwalt ungeachtet des Vorliegens einer Weisung, nicht gegen Richter zu ermitteln, persönlich verantwortlich ist. Die Entscheidung, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist, ist die Entscheidung in einer Rechtssache. Die vorsätzliche falsche Entscheidung kann den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen.

Über mich:
Dr. Urs Aschenbrenner, geboren 1940. Studium in Freiburg und Hamburg, 1960-1965. 1 Staatsexamen 1965 Hamburg, 1965/66 Studienaufenthalt an der Michigan Law School in Ann Arbor/USA. Dort die Doktorarbeit vorbereitet "Die Rechte des Beschuldigten im polizeilichen Ermittlungsverfahren Ermittlungsverfahren des nordamerikanischen Rechts und ihr Einfluss auf das Hauptverfahren". Promotion April 1969, Universität Hamburg. 2. Staatsexamen, September 1969, Hamburg. Danach Zulassung als Rechtsanwalt. Eintritt in die Sozietät Ohle Hansen Ewerwahn in Hamburg, die nach mehreren Fusionsschritten in der New Yorker Sozietät White § Case aufging. Nach 4 Jahren allround Tätigkeit Spezialisierung auf "Merger and Acquisitions" sowie Digitalisierung des Forderungseinzuges im gerichtlichen Verfahren. Ausscheiden bei White & Case 2004, Rückgabe der Zulassung 2008. Als ich Beschlüsse und Gerichtsentscheidungen in WEG Sachen, die mich selbst betrafen, nicht nachvollziehen konnte, habe ich intensiv mit WEG-Recht beschäftigt.

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