RG, 06.02.1884 - V 436/83

Daten
Fall: 
Knappschaftsstatuten II
Fundstellen: 
RGZ 11, 269
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.02.1884
Aktenzeichen: 
V 436/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Essen
  • OLG Hamm
Stichwörter: 
  • Anspruch auf Unterstützung bei Änderung der Statuten eines Knappschaftsvereines.

Welchen Einfluß hat die Änderung der in den Statuten der Knappschaftsvereine enthaltenen Bestimmungen über Invalidenunterstützungen auf die Rechte derjenigen Mitglieder, welche schon vor der Änderung die Mitgliedschaft erlangt hatten?

Sachverhalt

Die vorstehende Frage ist in den vorbezeichneten Erkenntnissen in verschiedener Beziehung erörtert worden.
Zu b.1 aus den Gründen:

Gründe

"Der Berufungsrichter hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt, durch welche Kläger mit dem Anspruche auf Zahlung von Invalidengeld abgewiesen wurde. Das Berufungsurteil beruht auf der Erwägung, der Kläger sei arbeitsunfähig geworden unter der Herrschaft des seit dem 1. Januar 1880 in Kraft bestehenden neueren Statutes, welches ein Invalidengeld den Arbeitern 3. Klasse nicht gewähre, falls dieselben bei Aufnahme der Bergarbeit das 36. Lebensjahr bereits überschritten gehabt hatten. Die thatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift seien bezüglich des Klägers gegeben, und es sei rechtlich unerheblich, wenn dem älteren Statute auch diese Einschränkung fremd gewesen sei, unter dessen Herrschaft der Kläger über 20 Jahr Mitglied des Vereins gewesen, seine Beiträge gezahlt und seine sonstigen Verpflichtungen erfüllt habe. Denn der Kläger habe dadurch kein "wirkliches Recht", sondern nur "ein s. g. Hoffnungsrecht" auf Bezug einer Invalidenpension erlangt, welches durch die gesetzlich zulässige Änderung des Statutes in Wegfall gekommen sei.

Dieser Entscheidungsgrund ist rechtsirrtümlich.

Es läßt sich nicht mit Bestimmtheit erkennen, ob der Berufungsrichter das Vorhandensein eines "wirklichen Rechtes" deshalb verneint, weil vor Eintritt der Invalidität an sich ein Recht auf die statutenmäßig vorgesehene Invalidenpension auch als bedingtes Recht nicht existiere, oder deshalb, weil das Recht durch die Willkür des Vereines jederzeit im gewöhnlichen Wege der Statutenänderung wieder genommen werden könne. Das Eine ist aber ebenso unrichtig wie das Andere. Auch der nur bedingungsweise Verpflichtete darf zum Nachteil des dem Anderen zugedachten Rechtes während des Schwebens der aufschiebenden Bedingung nichts vornehmen, und nur, wenn die Bedingung so beschaffen ist, daß sie von einer ganz unbestimmten Willkür des Verpflichteten abhängt, fehlt es an einer rechtlichen Wirkung (102. 108 A.L.R. I. 4). Gegen solche Willkür, wie sie im vorliegenden Falle hat geübt werden sollen, schützen die Bestimmungen der §§. 68. 69 A.L.R. II. 6. Danach binden Beschlüsse der Korporation die einzelnen Mitglieder in ihren gesellschaftlichen Individualrechten gegen deren Willen jedenfalls dann nicht, wenn der Beschluß nicht gleichmäßig alle Mitglieder, sondern nur einen Teil derselben betrifft und diesen in seinem Rechte beeinträchtigt. Es mag dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfange durch Beschluß des Knappschaftsvereines eine gleichmäßige Reduktion aller Unterstützungen im Wege der Statutenänderung erfolgen kann. Darum handelt es sich hier nicht, wo ein nach dem abgeänderten Statute vorhandenes Recht nur einer einzelnen Klasse von Mitgliedern genommen werden soll. Es liegt darin zugleich die Auferlegung einer neuen Last oder Verbindlichkeit an einzelne Mitglieder, wie sie nach §. 69 a. a. O. dem Beschlüsse der Korporation entzogen ist. Denn ist es richtig, daß den Arbeitern 3. Klasse nach dem älteren Statute gegen Zahlung ihrer statutenmäßigen Beiträge das Recht auf Invalidenpension gewährt wurde, auch wenn sie bei Aufnahme der Bergarbeit über 36 Jahr alt waren, so würden diese Beiträge durch den Wegfall eines bedeutenden Teiles der Gegenleistung im Verhältnis zu dieser mit rückwirkender Kraft ebenso erheblich gesteigert worden sein. Sonach war das angefochtene Urteil aufzuheben."

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