BGH, 20.06.1996 - 4 StR 147/96

Daten
Fall: 
Labello
Fundstellen: 
MDR 1996, 1051; NJW 1996, 2663; NStZ 1997, 184; StV 1996, 545
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
4 StR 147/96
Aktenzeichen: 
20.06.1996
Entscheidungstyp: 
Urteil

Ein Lippenpflegestift ("Labello") ist kein taugliches Tatmittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB (im Anschluß an BGHSt 38, 116).

Tatbestand

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. März 1996 zutreffend ausgeführt hat.

Gründe

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht die Angeklagte im Fall II 1. der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung nach § 255 i.V.m. § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB und nicht wie es richtig gewesen wäre - der (einfachen) räuberischen Erpressung (§ 255 i.V.m. § 249 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden hat.

Nach den hierzu getroffenen Feststellungen begab sich die Angeklagte in der Absicht, einen Überfall zu verüben, in ein Geschäftslokal. Als ihr die dort tätige Verkäuferin den Rücken zuwandte, holte die Angeklagte aus ihrer Handtasche einen Lippenpflegestift ("Labello"), trat hinter die Verkäuferin und drückte ihr eine Ecke des Stiftes in den Rücken. Sie beabsichtigte, bei der Geschädigten die Vorstellung hervorzurufen, mit einer Waffe bedroht zu werden. Unter dem Eindruck des ihr von der Angeklagten weiterhin in den Rücken gehaltenen Labellostifts, den die Geschädigte für die Spitze eines Messers, einer Schere oder eines ähnlich gefährlichen Gegenstandes hielt, händigte diese der Angeklagten auf deren Forderung hin Bargeld in Höhe von zumindest 280 DM aus.

2. Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte insoweit der - einfachen - räuberischen Erpressung, nicht hingegen der - wie das Landgericht annimmt - schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht. Dem Landgericht ist darin zu folgen, daß in dem Vorgehen der Angeklagten gegen die Geschädigte die konkludente Drohung lag, sie niederzustechen, falls sie sich der Forderung nach Herausgabe von Geld widersetzen sollte. Damit hat die Angeklagte die Voraussetzungen der räuberischen Erpressung erfüllt; denn unerheblich ist, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt oder ob sie für ihn überhaupt realisierbar ist, solange er nur will, daß der Bedrohte - wie hier - die Ausführung der Drohung für möglich hält (BGHSt 23, 294, 295/296). Dagegen trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Angeklagte habe unter den tatqualifizierenden Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB gehandelt. Der von der Angeklagten verwendete Labellostift war keine "Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel" im Sinne dieser Vorschrift.

Auch wenn der Schwerpunkt der Tatbestandsbeschreibung bei § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der dort bezeichneten besonderen Absicht des Täters gesehen wird (vgl. BGH NStZ 1981, 436) so dürfen, wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHSt 38, 116, 117 mit näherer Begründung ausgeführt hat, objektive Umstände bei der Auslegung der Merkmale "Waffe oder sonst ein Werkzeug oder Mittel" nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Es genügt deshalb nicht, daß der Täter bei der Tat überhaupt irgendeinen beliebigen Gegenstand bei sich führt, den er im Zusammenhang mit der Drohung einsetzt oder einsetzen will. Jedenfalls dann, wenn der Gegenstand - und zwar schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm (etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder in ähnlicher Weise) auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken, kommt die Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht in Betracht. Einen solchen Gegenstand kann der Täter schon "seiner Art nach" (vgl. BGHSt 24, 339, 341) nur unter Täuschung über dessen wahre Eigenschaft bei der Tat einsetzen. Dann aber steht, wenn sich der Täter eines solchen Gegenstandes bei der Tat zur ausdrücklichen oder konkludenten Drohung bedient, die Täuschung so sehr im Vordergrund seiner Anwendung, daß die Qualifizierung als Werkzeug oder Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB verfehlt wäre (BGHSt 38, 116, 119). Daß es sich bei dem von der Angeklagten verwendeten Labellostift um einen harmlosen Gegenstand in diesem Sinne handelt, der die Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausschließt, bedarf keiner näheren Begründung. War damit der Labellostift aber schon für sich genommen kein taugliches Tatmittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB, so kommt es auf die konkreten Umstände seines Einsatzes nicht an.

3. Die Schuldspruchänderung berührt den Ausspruch über die im Fall II 1. verhängte Einzelstrafe nicht. Der Senat schließt aus, daß die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entnommene Einzelstrafe von zehn Monaten Freiheitsstrafe noch niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Wertung von den in § 249 StGB eröffneten Strafrahmen ausgegangen wäre.

4. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, die Beschwerdeführerin auch nur teilweise von den Kosten ihres Rechtsmittels freizustellen.