BGH, 02.11.1966 - IV ZR 239/65
Inhalt der Verpflichtung zu ehelicher Lebensgemeinschaft und Bedeutung der Verletzung dieser Pflicht für die Zerrüttung der Ehe.
Tenor
Das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. Juli 1965 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist 1913, die Beklagte 1915 geboren; 1939 haben die Parteien geheiratet. Von 1945 bis 1952 lebten sie zusammen in Berlin. Im Oktober 1952 zog der Kläger aus beruflichen Gründen allein nach Stuttgart.
Der Kläger verlangt die Scheidung aus § 48 EheG. Die im April 1961 erhobene Klage ist zunächst in beiden Instanzen erfolglos gewesen. Der erkennende Senat hat jedoch das erste Berufungsurteil aus Verfahrensgründen aufgehoben.
Im weiteren Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen, die Zerrüttung der Ehe sei aus der Einstellung der Beklagten zum ehelichen Verkehr entstanden. Sie habe ihm erklärt, sie empfinde nichts beim Geschlechtsverkehr und sei imstande, dabei Zeitung zu lesen; er möge sich selber befriedigen. Der eheliche Verkehr sei eine reine Schweinerei. Sie gebe ihm lieber Geld fürs Bordell. Sie wolle auch nicht mit einem dicken Bauch herumlaufen; mit Kindern wüßte sie garnichts anzufangen. - In diesem Sinne habe die Beklagte sich auch Dritten gegenüber geäußert.
Die Beklagte habe sich beim ehelichen Verkehr entsprechend verhalten. Auf dieser Einstellung beruhe es, daß er sich mehr und mehr seiner Angestellten, der Zeugin Da., zugewandt und die Zeugin in seine Stuttgarter Wohnung aufgenommen habe. Zum letzten Verkehr mit der Beklagten sei es 1950 gekommen.
Die Beklagte hat der Scheidung widersprochen. Sie hat behauptet, die Zerrüttung der ehelichen Gesinnung beim Kläger habe ihre Ursache in dieser Hinwendung zu der Zeugin Da.. Bis 1950 hätten die Parteien etwa wöchentlich miteinander verkehrt. Sie habe nie Widerwillen oder Gleichgültigkeit gegen den Geschlechtsverkehr oder gegen eine Mutterschaft geäussert. Im November 1950 habe ihr die Zeugin Beziehungen zum Kläger eingestanden. Trotz dieser Belastung des ehelichen Verhältnisses sei es aber bis zum März 1952 durchweg noch alle vier Wochen zum Verkehr gekommen.
Die Parteien haben weiter vor allem darüber gestritten, ob auch die Beklagte sich von der Ehe abgewandt und Beziehungen zu ihrem Untermieter Pleing aufgenommen habe.
Das Kammergericht hat die Berufung des Klägers erneut zurückgewiesen. Mit der Revision beantragt der Kläger, die Ehe der Parteien zu scheiden, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungsrichter führt aus, die ersten ernsten Spannungen in der Ehe hätten sich ergeben, als der Kläger mit seiner Angestellten ein engeres Verhältnis angeknüpft habe. Es sei bewiesen, daß er mit der Zeugin schon vor dem November 1950 die Ehe gebrochen habe. Die Zerrüttung habe ihren Anfang genommen, als die Beklagte in diesem Zeitpunkt die volle Gewissheit von diesen Beziehungen des Klägers erlangt habe.
Die Behauptung des Klägers, sein Verhältnis zu der Zeugin sei die Folge der Einstellung der Beklagten zum ehelichen Verkehr, gehe fehl. Es möge auf sich beruhen, ob sich die Parteien infolge des Krieges erst nach 1945 wirklich kennen gelernt hätten und schon 1950 darüber einig gewesen seien, wegen der großen Gegensätze der Einstellung auseinandergehen zu wollen. Denn sie seien zusammengeblieben und hätten demnach ihre Gegensätze nicht als unüberbrückbar empfunden. Die Beklagte habe auch den ehelichen Verkehr nicht schlechthin abgelehnt. Sie habe sich vielmehr vor dem Dazwischentreten der Zeugin im Rahmen dessen bereit gefunden, was der Kläger habe beanspruchen können. Nach der Entdeckung dieses Verhältnisses habe sie sich berechtigterweise zurückgehalten und sich dem Kläger erst ganz versagt, als er sich trotz ihrer Vorhaltungen nicht von der Zeugin gelöst habe.
Da feststehe, daß die Parteien bis 1952 regelmäßig miteinander verkehrt hätten, komme der angeblichen Äusserung der Beklagten, der eheliche Verkehr sei eine reine Schweinerei, keine erhebliche Bedeutung zu. Sie könne aus einer Verstimmung heraus gefallen sein; später könne die Beklagte dem Kläger damit auch bedeutet haben, daß er durch sein Verhalten sein Recht auf ehelichen Verkehr in Frage stelle. Die übrigen von ihr behaupteten Äusserungen über den ehelichen Verkehr seien grobe Taktlosigkeiten, ungehörig und eine Kränkung des Klägers. Sie ließen aber nur erkennen, daß die Beklagte zum ehelichen Verkehr nicht immer aufgelegt gewesen sei. Die Gründe könnten gerade in der Person des Klägers und seinem Verhalten gelegen haben. Der Kläger selbst habe aus diesem Verhalten der Beklagten auch keine scheidungsrechtlichen Folgerungen gezogen.
Da er mithin durch die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen zu der Zeugin im Jahre 1950 die erste Ursache für die Zerrüttung der Ehe gesetzt und sie in den folgenden Jahren durch ein immer engeres Verhältnis zu der Zeugin entscheidend vertieft habe, habe er sie überwiegend verschuldet. Zu Lasten der Beklagten ergebe zwar ein Brief aus dem Juni 1957, daß sie den Kläger als "Putzlumpen" und "verkommenes Stück" beschimpft habe; es handle sich aber um eine Reaktion auf die Fortführung seines Verhältnisses zu der Zeugin. Vorzuwerfen sei der Beklagten auch, daß sie sich gegenüber Dritten herabwürdigend über den ehelichen Verkehr und über den Kläger geäussert habe. Selbst wenn man aber hinzunehme, daß sie gesagt haben solle, sie hätte nichts gegen einen Autounfall des Klägers, ändere sich an dessen überwiegendem Verschulden und damit an der Zulässigkeit des Widerspruchs nichts. Ein ehewidriges Verhalten im Umgang mit dem Zeugen P. sei der Beklagten nicht nachzuweisen.
Mit dieser Würdigung wird das Berufungsgericht dem Wesen der ehelichen Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft, zu der die Ehegatten einander nach §1353 Abs. 1 BGB auch rechtlich verpflichtet sind, nicht gerecht.
Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, daß sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen läßt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet.
Ob eine solche allein auf die eigene Befriedigung ausgehende Haltung überhaupt eine tragfähige Grundlage für eine dauerhafte menschliche Verbindung der Ehegatten abgeben kann, ist hier nicht zu erörtern. Denn in der normalen Ehe sucht und findet der Ehegatte die eigene Befriedigung in der Hingabe und in der Befriedigung des anderen. Wird dies nicht erreicht, so ist das eheliche Verhältnis häufig bereits dadurch schwer gefährdet. Seine Grundlage wird aber in aller Regel vollends zerstört, wenn der innerlich nicht beteiligte Ehegatte den anderen durch eine zynische Behandlung des Geschlechtsverkehrs vor sich selbst erniedrigt, indem er ihm unverhüllt zumutet, seinen Partner als blosses Objekt seiner Triebe zu gebrauchen.
Deshalb muß der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen. Eine Behandlung, die die eigene Beteiligung mit der Teilnahme der Dirne gleichsetzt, ist geeignet, den Ehepartner zu demütigen und die eheliche Gemeinschaft, zu deren Vollzug in der Regel die ständige Wiederholung der geschlechtlichen Vereinigung gehört, an ihrer Wurzel zu untergraben.
Es ist deswegen rechtlich verfehlt, die der Beklagten unterstellten Äusserungen als Taktlosigkeiten, Ungehörigkeiten und Kränkungen zu werten, denen die fortgesetzte Bereitschaft zum weiteren Verkehr gegenüberstehe. Sie berühren die Grundlagen des ehelichen Einverständnisses und können zu einer entscheidenden Ursache für das Scheitern der Ehe geworden sein.
Daher kann nicht offen gelassen werden, ob die Beklagte die zahlreichen vom Kläger behaupteten und im angefochtenen Urteil unterstellten Äusserungen über den Geschlechtsverkehr in der Ehe und über die Mutterschaft tatsächlich getan hat oder nicht. Sie verlieren ihre Bedeutung nicht dadurch, daß man der Beklagten zugute hält, sie möge bei ihren einzelnen Erklärungen "verstimmt" oder zum ehelichen Verkehr "nicht aufgelegt" gewesen sein und der Kläger möge ihr durch sein eigenes Verhalten Grund gegeben haben, seine Wünsche abzuweisen. Denn ihr Inhalt schießt weit über jede verständliche Augenblicksregung hinaus und betrifft das Grundverhältnis zum Geschlechtspartner, zum ehelichen Verkehr überhaupt und zur Mutterschaft. Es bedürfte daher der Feststellung, daß der Kläger sie desungeachtet nur als Ausdruck von Augenblicksregungen aufgefaßt hat.
Für eine zutreffende Würdigung des Ausspruchs, der eheliche Verkehr sei eine reine Schweinerei, der im angefochtenen Urteil eine besondere Behandlung erfährt, wäre erheblich, ob er schon vor der Aufdeckung des ehebrecherischen Verhältnisses gefallen ist, wie der Kläger vorträgt, oder sich auf dieses Verhältnis bezieht, wie der Berufungsrichter zu erwägen scheint. Denn allenfalls in der Sinngebung, der Kläger mißbrauche die Beklagte zu seiner sinnlichen Befriedigung, während er zugleich mit einer anderen Frau ein Liebesverhältnis unterhalte, würde einer solchen Kennzeichnung des Verkehrs mit dem Ehemanne eine subjektive Berechtigung nicht abzusprechen sein. Wenn sich der Kläger dem nicht verschließen konnte, wäre es denkbar, daß eine solche Äusserung nicht in gleichem Maße abstoßend auf ihn wirkte wie für den Fall, daß sie die Einstellung der Beklagten zum ehelichen Verkehr als solchem beleuchtete.
Inhaltlich hat aber die Wendung keinerlei Bezug auf dieses Verhältnis und die Beklagte beruft sich nicht darauf, daß sie so gemeint gewesen sei. Der Berufungsrichter hätte mit seiner Deutung auch zu vereinbaren, daß die Beklagte die eheliche Beiwohnung weiter gestattet hat, obwohl das Verhältnis zu der Zeugin andauerte.
Selbst wenn aber festzustellen wäre, daß diese Äusserung eine Reaktion auf die eheliche Untreue des Klägers und die übrigen der Beklagten unterstellten Bemerkungen die Reaktion auf ein sonstwie der ehelichen Achtung und Liebe nicht entsprechendes Verhalten waren, so entwürdigten sie gleichwohl das Verhältnis der Eheleute zueinander und waren geeignet, die Hinwendung des Klägers zu einer anderen Frau entscheidend zu fördern. Das mußte die Beklagte erkennen. Die Wirkung auf den Kläger würde ihr als Mitursache seiner Abwendung von der Ehe im Rahmen der in § 48 Abs. 2 EheG geforderten Abwägung auch dann voll zuzurechnen sein, wenn ihr Verschulden unter irgendeinem Gesichtspunkt nicht so schwer zu bewerten wäre, wie es an sich dem Charakter dieser Äusserungen entspräche. Denn die Vorschrift stellt auf das Verhältnis der Mitursachen der Zerrüttung in der Person des aus der Ehe strebenden Teiles ab und erklärt den Widerspruch nur für zulässig, wenn der Kläger den überwiegenden Teil der Mitursachen verschuldet hat (LM EheG § 48 Abs. 2 Nr. 52).
Der Berufungsrichter wird sich daher zunächst darüber schlüssig werden müssen, ob er angesichts der Aussagen der Zeugen St. und Pr. und der Darstellung des Klägers für bewiesen erachtet, was im angefochtenen Urteil unterstellt worden ist. Wenn die Beklagte in der Ehe eine Grundeinstellung zum Ausdruck gebracht hat, die auf der Linie der von den Zeugen wiedergegebenen Äusserungen lag, dann bedarf es ernsthafter Prüfung, ob dem Kläger dadurch die eheliche Geschlechtsgemeinschaft nicht auf die Dauer unerträglich geworden ist. Es wäre nicht mehr von vorneherein von der Hand zu weisen, daß er sich aus diesem Grunde einer Frau zugewandt hat, die im Verkehr mehr zu finden und zu geben vermochte als die Befriedigung nur eines Partners, und die jedenfalls ihren Geschlechtspartner nicht vor sich selbst erniedrigte.
In diesem Falle wäre es für das Widerspruchsrecht der Beklagten nicht ausschlaggebend, daß die Anknüpfung ehebrecherischer Beziehungen zu der Zeugin und das spätere eheähnliche Zusammenleben mit ihr auch unter solchen Umständen noch einen schweren Verstoß gegen die ehelichen Pflichten darstellen und der Beklagten ein Recht auf Scheidung geben würden. Vielmehr käme es darauf an, ob die innere Abwendung des Klägers von der Beklagten überwiegend auf der Begegnung mit der Zeugin und der vom Kläger zu verantwortenden Hinwendung zu der Zeugin beruht oder mindestens im gleichen Maße auf der Entfremdung, die die Beklagte durch abstoßende Behandlung des ehelichen Geschlechtsverkehrs verschuldet hat. Bleibt offen, ob ihrer Haltung nicht für das Scheitern der Ehe das gleiche Gewicht zukommt wie der Zuneigung des Klägers zu der Zeugin, dann ist der Widerspruch nicht zulässig.
Bei der Feststellung der Ursachen der Zerrüttung würde auch der Vortrag der Parteien über Verfehlungen des Gegners in späterer Zeit dann zu berücksichtigen sein, wenn die innere Abwendung des Klägers von der Beklagten bei seinem Wegzuge im Oktober 1952 noch nicht endgültig und unheilbar war. Möglicherweise liegt dieser Bruch mit der Beklagten schon in der Beendigung der geschlechtlichen Beziehungen im März 1952. War jedoch die Ehe beim Wegzuge des Klägers noch nicht unheilbar zerrüttet, so kämen als weitere Ursachen für ihr endgültiges Scheitern insbesondere der Brief der Beklagten aus dem Jahre 1957 und die Erfahrung des Klägers, daß sie ihre Fehleinstellung zum ehelichen Verkehr, zur Mutterschaft und zu seinem weiteren Schicksal auch Dritten kundgebe, wie andererseits das weitere und engere Zusammenleben des Klägers mit der Zeugin in Betracht. Diese Verfehlungen wären gegebenenfalls in die Abwägung einzubeziehen, und zwar wiederum nicht nach dem Grade der Vorwerfbarkeit als solchem, sondern nach dem Maße ihrer Mitursächlichkeit für die Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses in der Person des aus der Ehe strebenden Klägers.
Die Aufhebung des Berufungsurteils gibt den Parteien Gelegenheit, auch die Beachtlichkeit des Widerspruchs weiter zu erörtern. Sie ist nicht ausreichend begründet, wenn der Berufungsrichter ausführt, auf Grund seines persönlichen Eindrucks halte er es für wahr, daß die Beklagte sich noch an den Kläger gebunden fühle; Erörterungen über die Scheidung hätten sich aus der Erkenntnis ergeben, daß der Kläger schwerlich zu ihr zurückkehren werde. Auch diese Würdigung kann von der rechtsirrtümlichen Auffassung über die Pflichten der Ehegatten im Rahmen ihrer ehelichen Gemeinschaft beeinflußt sein.
Unterstellt man mit dem angefochtenen Urteil, daß die Beklagte während ihres mehrjährigen Zusammenlebens mit dem Kläger den Verkehr als reine Schweinerei betrachtet und bezeichnet hat, bei der sie Zeitung lesen könne, daß sie den Kläger aufgefordert hat, sich selbst zu befriedigen oder ein Bordell aufzusuchen, und daß sie erklärt hat, sie wolle keine Kinder, mit Kindern wisse sie nichts anzufangen, dann hat während ihres Zusammenlebens eine Bindung an die Ehe im Sinne des § 48 Abs. 2 EheG nicht bestanden. Denn diese setzt eine Gesinnung und Haltung voraus, in der der ehelichen Hingabe - wie oben ausgeführt - mindestens der Wert des aus ehelicher Liebe gebrachten Opfers belassen und dem Partner nicht angesonnen wird, im ehelichen Verkehr das gleiche zu sehen wie im Umgang mit der Dirne. Mit einer derartigen Einstellung zu Grundlagen der ehelichen Gemeinschaft kann eine Bindung an die Ehe im Sinne des Gesetzes, wenn überhaupt, dann allenfalls einhergehen, wenn und solange sich die Partner einig sind, im Verkehr nur das Mittel zur einseitigen Befriedigung ihres Geschlechtstriebes zu finden und ihn untereinander auch offen als ein solches zu behandeln.
Die Bindung einer Ehefrau an die Person des Mannes und die Ehe mit ihm ist in erhöhtem Maße zweifelhaft, wenn sie ihr geschlechtliches Verhältnis zum Ehepartner in den hier von den Zeugen bekundeten und insoweit im angefochtenen Urteil auch festgestellten Wendungen vor Dritten ausbreitet. Es bedarf einer ausdrücklichen Darlegung, aus welchen Gründen die Bindung einer Frau an die Ehe bejaht wird, die Dritten im Ernst erklärt hat, sie gebe ihrem Manne lieber Geld fürs Bordell, als daß sie sich ihm ehelich hingebe.
Der erkennende Senat kann ferner nicht prüfen, ob der Berufungsrichter bei der Bejahung der Bindung der Beklagten an die Ehe den vollen Inhalt des Briefes vom Juni 1957 im Auge behalten hat. Aus diesem Briefe könnte zu entnehmen sein, daß die Beklagte den Kläger nicht nur wegen seiner ehelichen Untreue, sondern auch als Persönlichkeit verachtet. Entspricht dies ihrer inneren Einstellung, dann ist die Ehe auch in ihrer Person unheilbar zerrüttet und ihr Widerspruch gegen die Scheidung unbeachtlich. In diesem Falle kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diese innere Abwendung der Beklagten von der Ehe mit ihm verursacht und verschuldet hat. Es ist daher auch unerheblich, ob der Beklagten der Inhalt des Briefes vorzuwerfen ist oder ob er entschuldbar erscheint.
Bei der Feststellung darüber, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis erbracht hat, daß auch die Beklagte die innere Bindung an die Ehe mit ihm nicht mehr besitzt, wird der Berufungsrichter sich weiter damit auseinanderzusetzen haben, daß der Widerstand der Beklagten gegen die Scheidung nach ihrem Brief vom 16. Oktober 1960 (Bl. 113 d.A.) einen ganz bestimmten wirtschaftlichen Grund gehabt hat. Beruht ihr Festhalten an der Ehe etwa allein auf dieser Erwägung, dann fehlt die Bindung im Sinne des § 48 EheG.
Endlich kann für diese Frage von Bedeutung sein, ob die Beklagte der Zeugin Pr. erklärt hat, sie hätte nichts dagegen, wenn dem Kläger mit dem Auto etwas passiere. Der Berufungsrichter hat das unterstellt, aber nur im Zusammenhang mit der Frage gesehen, ob die Beklagte die Zerrüttung mitverschuldet habe.