RG, 23.12.1880 - Va 32/80

Daten
Fall: 
Grundstückserwerb im Wege der Zwangsvollstreckung
Fundstellen: 
RGZ 3, 309
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.12.1880
Aktenzeichen: 
Va 32/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • KreisG Essen
  • OLG Hamm

Kann der Ersteher eines subhastierten Grundstückes auf Grund des Zuschlagsurteiles auch solche bewegliche Sachen in Anspruch nehmen, welche zwar zur Zeit der Einleitung der Subhastation Pertinenzen des Grundstückes waren, aber von dem Eigentümer des letzteren vor der Versteigerung zum Zwecke dauernder Trennung, wennschon unbefugter Weise, von demselben entfernt sind?

Tenor

Das Reichsgericht hat die von den Klägern gegen das zweite Urteil eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen, aus folgenden, den Sachverhalt ergebenden Gründen:

Gründe

"Im November 1877 wurde gegen den Kommissionär B. die notwendige Subhastation des Grundstückes Altenessen Nr. 1722/34 mit dem darauf stehenden Gebäude (dem sogenannten Venustempel), in welchem damals als Bekleidung von Wänden etc. Marmorstücke eingebaut waren, eingeleitet. Noch vor der am 27. Februar 1878 abgehaltenen Versteigerung erwirkten aber die Beklagten, welche das gedachte Grundstück von dem Subhastaten gekauft haben wollen, auf Grund eines gegen denselben erstrittenen Erkenntnisses dessen Umschreibung für sich und entfernten den größten Teil der Marmorstücke.

Die Kläger, welche das Grundstück in der Versteigerung erstanden und zugeschlagen erhielten, beanspruchen die von den Beklagten weggenommenen Marmorstücke als Pertinenzen desselben oder bezw. deren Wert, sind aber von dem Appellationsrichter mit Rücksicht auf §§. 78 - 81. 194. 196. 213. 340 A.L.R. I. 11 abgewiesen, weil die Pertinenzeigenschaft einer Sache aufhöre, wenn sie dauernd von der Hauptsache getrennt werde, die streitigen Marmorstücke daher durch Verkauf und Übergabe jene Eigenschaft vor der Versteigerung verloren hätten, also den Klägern nicht mit zugeschlagen seien.

Nach der Nichtigkeitsbeschwerde sollen hierdurch die gedachten Vorschriften, die §§. 105. 106 A.L.R. I. 2, §. 9 der Subhastations-Ordnung vom 15. März 1869, §. 137 des deutschen Strafgesetzbuches und der Rechtsgrundsatz verletzt sein, daß der Adjudikatar in die Rechte der verkaufenden Gläubiger eintrete und durch den Zuschlag das Recht erwerbe, von dem Subhastaten unmittelbar die Herausgabe oder Vergütung von Pertinenzstücken zu fordern, welche er in der Zeit zwischen der Einleitung der Subhastation und der Versteigerung, bezw. dem Zuschlage, von dem zur Subhastation stehenden Grundstücke entfernt habe.

Diese Angriffe können für begründet nicht erachtet werden.

Auf notwendige Subhastationen finden nach §§. 340 und 344 A.L.R. I. 11 die allgemeinen Grundsätze vom Kauf, und in Ansehung der Gewährleistung, also auch wegen des Mitverkaufes von Pertinenzen, die vom Kauf in Pausch und Bogen Anwendung.

Als mit subhastiert und adjudiziert sind daher nur solche Pertinenzstücke anzusehen, welche diese Eigenschaft noch zur Zeit des geschlossenen Kaufes haben. Vergl. §. 78 mit §. 194 a. a. O. Dies aber ist weder die Zeit der Einleitung der Subhastation, noch die des Ausgebotes im Subhastationspatent, sondern die Zeit der Versteigerung, weil erst durch die letztere der Subhastationskauf abgeschlossen wird.

Vergl. Dernburg, preußisches Privatrecht Bd. 1 §. 350.

Da die streitigen Marmorstücke zur Zeit der Einleitung der Subhastation unzweifelhaft Pertinenzen des subhastierten Grundstückes waren (§§. 80 und 47 A.L.R. I. 2), aber von dem letzteren vor der Versteigerung entfernt sind, so fragt es sich hiernach, ob sie trotzdem ihre Pertinenzeigenschaft bis zur Versteigerung behalten haben. Wäre dieses anzunehmen, so würden die Kläger auch ohne besondere Tradition derselben, die nach §. 54 A.L.R. I. 7 nur zur Übertragung ihres Besitzes erforderlich gewesen wäre, durch den Zuschlag das Eigentum daran erworben haben (§. 342 A.L.R. I. 11), also zu der angestellten Vindikationsklage befugt sein.

Allein die bezeichnete Frage ist zu verneinen. Denn, wie die Pertinenzeigenschaft einer Sache nach §§. 42 und 44 A.L.R. I. 2 durch ihre dauernde Verbindung mit der Hauptsache begründet wird (vorausgesetzt, daß der Eigentümer oder der sonstige Verfügungsberechtigte diese herstellt), ebenso erfolgt auch ihre Aufhebung zwar nicht durch eine bloße Trennung zu vorübergehendem Zwecke (§. 106 a. a. O.), wohl aber durch ihre dauernde Trennung von der Hauptsache. Dadurch, daß die Beklagten die fraglichen Sachen von dem zur Subhastation gestellten Grundstücke zu dauerndem Zwecke entfernten, verloren dieselben daher ihre bisherige Pertinenzeigenschaft.

Zwar ließe sich mit einigem Scheine hiergegen einwenden, daß zur wirklichen Aufhebung der Pertinenzeigenschaft auch eine dauernde Trennung nur genüge, wenn sie rechtmäßig, das heißt von dem Verfügungsberechtigten, nicht aber, wenn sie rechtswidrig (z. B. vom Diebe) vorgenommen werde, daß aber durch die Einleitung der Subhastation, da diese nach §. 9 der Subhastationsordnung zu Gunsten der Gläubiger eine Beschlagnahme des Grundstücks bewirk, die Verfügungsbefugnis auch bezüglich der Pertinenzstücke desselben dem Eigentümer entzogen und auf die Gläubiger übertragen sei.

Auch wäre es denkbar, daß man sich für die Unwirksamkeit rechtswidriger Trennung von Pertinenzen darauf beriefe, daß nach §. 54 A.L.R. I. 7 Pertinenzstücke unbeschadet dieser Eigenschaft sich im wirklichen Besitze, scheinbar also auch im unrechtmäßigen Besitze eines Dritten, befinden können, zumal auch der letztere als ein bloß vorübergehender Zustand insofern angesehen werden kann, als der Berechtigte (im vorliegenden Falle die Gläubigerschaft) befugt ist, rechtswidrig getrennte Pertinenzen jederzeit von dem Besitzer zurückzufordern und mit der Hauptsache auch thatsächlich wieder zu verbinden.

Ferner könnte geltend gemacht werden, daß in dieser Beziehung für den Kauf in Pausch und Bogen nichts Abweichendes gelte, da bei demselben nur außer dem "gesetzlichen Zubehör" noch andere Sachen als Pertinenzen, anzusehen seien (vgl. §. 88 A.L.R. I. 11), die allgemeinen Grundsätze über Begründung und Aufhebung der Pertinenzeigenschaft jedoch hier ebenfalls Anwendung finden.

(Vgl. die Bemerkungen von Suarez über §. 87 A.L.R. I. 11 in Bornemann's System Bd. 3 §. 206 (S. 22 der ersten Ausgabe) und Koch's Kommentar Anmerk. zu §§. 87 flg.)

Diese Einwendungen erscheinen jedoch nicht als stichhaltig.

Es kann ganz dahingestellt bleiben, ob eine Trennung von Pertinenzstücken, welche lediglich rechtswidrig erfolgt, unter Umständen ohne Einfluß auf die Pertinenzeigenschaft derselben bleibt, und ob dafür aus §. 54 A.L.R. I. 7 (der auf rechtswidrigen Besitz nicht notwendig zu beziehen ist) ein Argument entnommen werden darf. Denn jedenfalls ist die Verfügung des Eigentümers über Pertinenzstücke auch nach der Einleitung der Subhastation nicht als unbedingt nichtig und rechtswidrig zu bezeichnen, wennschon sie nach §. 137 des deutschen Strafgesetzbuchs möglicher Weise strafbar sein kann. Vielmehr folgt civilrechtlich daraus, daß die Einleitung der Subhastation nur eine Beschlagnahme zu Gunsten der Gläubiger bewirkt, lediglich deren relative Nichtigkeit, das heißt die Befugnis der Gläubiger, sie anzufechten (vgl. §. 83 A.G.O. I. 29). Sie besteht daher zu Recht, so lange eine solche Anfechtung nicht wirklich erfolgt ist. In dem vorliegenden Falle handelt es sich um eine schlechthin rechtswidrige Trennung der fraglichen Pertinenzstücke überhaupt nicht.

Außerdem gilt aber bei dem Verkauf einer Sache in Pausch und Bogen diese als verkauft, "wie sie steht und liegt" (§. 83 A.L.R. I. 11); wenngleich daher bei demselben der allgemeine Grundsatz des §. 106 A.L.R. I. 2, wonach die bloße zeitweilige Trennung wegen einer vorübergehenden Ursache der Fortdauer der Pertinenzeigenschaft nicht entgegensteht, ebenfalls zur Anwendung kommt, so können doch Sachen, welche durch den Eigentümer von der Hauptsache völlig und dauernd getrennt sind, jedenfalls nicht im Sinne des Kaufs in Pausch und Bogen trotzdem fortwährend als Pertinenzstücke angesehen werden.

Dadurch, daß der Eigentümer von dem zur Subhastation gestellten Grundstücke bisherige Pertinenzstücke dauernd entfernt, hört daher für den Adjudikatar die Möglichkeit auf, dieselben als solche zu erwerben und in Anspruch zu nehmen.

Auch aus dem besonderen Rechte der Hypothekengläubiger kann ein Einwand hiergegen nicht hergeleitet werden.

Das Hypothekenrecht ergreift nach §. 30 des Eigentumsgesetzes vom 5. Mai 1872 das bewegliche, dem Eigentümer gehörige Zubehör so lange, bis dasselbe veräußert und von dem Grundstücke räumlich getrennt worden ist.

Wenn aber der Eigentümer eine solche Veräußerung und Trennung nach eingeleiteter Subhastation vornimmt, so kann dieses infolge der zu Gunsten der Gläubiger eingetretenen Beschlagnahme selbstverständlich auch den Hypothekengläubigern nicht nachteilig sein. Denselben bleibt daher auch nach einer solchen Trennung bisheriger Pertinenzstücke ihr Hypothekenrecht daran erhalten. Allein auch daraus folgt nicht, daß deren Pertinenzeigenschaft trotz ihrer Trennung als fortdauernd anzusehen sei, und selbst wenn solches angenommen werden könnte, so würde immerhin nur in Bezug auf die Hypothekengläubiger diese Fortdauer zu fingieren sein. Dagegen könnte der Adjudikatar, obgleich er als Käufer seine Rechte von den verkaufenden Gläubigern ableitet, hierauf nicht die Befugnis stützen, die bisherigen Pertinenzstücke auch für sich als solche zu beanspruchen.

Unbegründet ist ferner der Einwand, daß durch diese Annahme der Realkredit (welcher von der Subhastationsordnung allerdings vorzugsweise ins Auge gefaßt ist) beeinträchtigt werde, weil der Ersteher eines Grundstücks danach selbst dann Gefahr laufe, dasselbe ohne Pertinenzen (z. B. ohne landwirtschaftliches Inventar) zu erwerben, wenn dieselben noch unmittelbar vor der Versteigerung von dem Eigentümer entfernt sind, während er deren fortwährendes Vorhandensein annehmen mußte, die bezeichnete Gefahr aber die Gebote notwendig herabdrücke. Denn abgesehen davon, daß diese praktische Erwägung für die Rechtsfrage nicht von entscheidender Bedeutung sein kann, erscheint sie nicht als zutreffend, weil auch nach der Subhastation den Gläubigern das Recht, verschleppte Pertinenzstücke zurückzufordern, mithin die Möglichkeit bleibt, sich daraus wegen des Ausfalls, welchen sie bei der Subhastation des Grundstücks und der vorhandenen Pertinenzen erlitten haben, zu befriedigen.

Eine von dem Vorstehenden abweichende Ansicht hat nun zwar das frühere preußische Obertribunal in dem Erkenntnisse vom 9. September 1870 (Striethorst, Archiv Bd. 79 S. 189) dahin aufgestellt, daß, wenn die durch Einleitung der Subhastation für die Gläubiger in Beschlag genommenen damaligen Pertinenzstücke hinterher durch den Subhastaten rechtswidrig entfernt seien, nicht bloß den Gläubigern selbst ein Anspruch auf deren Rückgabe zustehe, sondern dieses Rückforderungsrecht selbständig auch von dem Adjudikatar geltend gemacht werden könne, weil derselbe durch den Zuschlag in Ansehung des Gutes und aller Zubehörungen in die Rechte der veräußernden Gläubiger eintrete.

Indes dieser Ansicht kann nicht beigestimmt werden. Denn den Gegenstand des Zuschlages bildet nur das Grundstück selbst mit seinen fortbestehenden Pertinenzen, nicht aber ein Rückforderungsrecht der Gläubiger bezüglich verschleppter bisheriger Pertinenzstücke. Dieses Rückforderungsrecht könnte daher von dem Adjudikatar nur dann geltend gemacht werden, wenn es ihm von den Gläubigern besonders cediert würde.

Übrigens läßt sich nicht behaupten, daß das Obertribunal an dem bezeichneten Grundsatze festgehalten hat. Wenngleich nämlich dasselbe dem Adjudikatar das fragliche Rückforderungsrecht in einigen Fällen wesentlich deshalb abspricht, weil die Entfernung der betreffenden Pertinenzstücke aus besonderen Gründen für eine gerechtfertigte erachtet wurde, z. B. durch das Exekutionsrecht von Gläubigern (Striethorst, Archiv Bd. 82 S. 152) oder durch die dem Subhastaten verbliebene Verwaltungsbefugnis (daselbst Bd. 84 S. 11), so enthalten diese Entscheidungen doch nichts, was mit den obigen Ausführungen in Widerspruch stände.

Im Sinne der letzteren spricht sich auch Dernburg aus (preußisches Privatrecht Bd. 1 §. 350 zu Anmerk. 10 und 11).

Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, daß der Appellationsrichter die Kläger mit Recht abgewiesen und hierdurch der gerügten Verletzungen und Verstöße sich nicht schuldig gemacht hat.

Namentlich kann der als verletzt bezeichnete Rechtsgrundsatz nicht als richtig anerkannt werden."