RG, 17.04.1880 - I 303/79

Daten
Fall: 
Zeitpunkt des Vorbehalts einer Konventionalstrafe bei Annahme verspäteter Lieferung
Fundstellen: 
RGZ 2, 26
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.04.1880
Aktenzeichen: 
I 303/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Gerichtsdeputation Ukermünde
  • Appellationsgericht Stettin

Zeitpunkt des Vorbehaltes der Konventionalstrafe bei Annahme verspäteter Lieferung, nach preuß. Recht. Beweislast. - Kann der Käufer, der wegen Verzugs des Verkäufers vom Vertrage zurücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, daneben die für verzögerte Erfüllung versprochene Konventionalstrafe fordern?

Tatbestand

Kläger hatte sich dem Beklagten zur Lieferung eines Quantums Hölzer bis zum 10. Juli 1873 auf der Ablage zu B., wo ein Ringofen für Beklagten gesetzt wurde, bei Vermeidung einer Konventionalstrafe von 5 Thlr. für jeden Tag Verspätung verpflichtete

Er lieferte erst im August 1873 - der Tag steht nicht fest - aber, wie Beklagter, dessen Arbeiter das Gelieferte in Empfang nahmen, behauptet, nicht das ganze verkaufte Quantum. Beklagter schrieb ihm am 26. August, daß er sich das Fehlende nunmehr selbst für des Klägers Rechnung anderweit beschaffen werde und sich den Anspruch auf Konventionalstrafe sowohl wegen der Verspätung des Gelieferten wie für die Zeit bis zur anderweitigen Beschaffung des Fehlenden vorbehalte. Der Klage auf Bezahlung des gelieferten Quantums hat er daher im Wege teils der Kompensation, teils der Widerklage den Anspruch auf täglich 5 Thlr. Konventionalstrafe vom 11. Juli bis 15. Oktober 1873, als dem Zeitpunkte der Fertigstellung des Fehlenden aus eigenen Vorräten, entgegengestellt. Die Instanzrichter verwarfen den Anspruch auf die Konventionalstrafe, weil nicht sofort bei der Übernahme des gelieferten Holzes auf der Ablage dieselbe vorbehalten worden. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten wurde für begründet erachtet, aber das angegriffene Erkenntnis aufrecht erhalten.

Aus den Gründen

"Das zweite Erkenntnis geht nach seinen Gründen von der tatsächlichen Unterstellung aus, daß Beklagter die Hölzer, die Kläger wirklich geliefert hat, nicht in Person abgenommen hat, daß dies vielmehr durch seine Leute geschehen ist. Nach Lage der Sache können nur die auf der Ziegelfabrik zu B. beschäftigt gewesenen Arbeiter gemeint sein.

Schon durch die Unterlassung einer Vorbehaltserklärung in Bezug auf die Konventionalstrafe seitens der Leute bei der Annahme des Holzes erachtet aber der zweite Richter das Recht auf die Konventionalstrafe für verwirkt, weil Beklagter diese Unterlassung seiner Leute zu vertreten habe. Diese Annahme erscheint mangels einer Einschränkung durch vorhanden erachtete konkrete Verhältnisse rechtlich nicht zutreffend. Der zweite Richter erörtert nicht näher, welches Vertretungsverhältnis durch die Eigenschaft der handelnden Personen als "der Leute des Beklagten" begründet worden sei. Bestand eine solche Vertretung nur in Bezug auf das faktische Verhältnis des körperlichen Innehabens der gelieferten Hölzer, so daß durch deren Aufnahme seitens der Leute des Beklagten deren Gewahrsam auf ihn überging, - und hieran ist zunächst bei dem Begriff von "Leuten" und der Stellung von Arbeitern doch nur zu denken - so ist die Annahme der Verwirkung des Rechts auf die Strafe wegen des Mangels des Vorbehalts jener Leute bei gedachter Aufnahme der Hölzer unbegründet. Der §. 307 I. 5. A.L.R. knüpft den Verlust der Konventionalstrafe nicht an den Mangel der Vorbehaltserklärung im Zeitpunkte der Gewahrsamserlangung an dem verspätet gelieferten Objekte, sondern an solchen Mangel eines Vorbehaltes im Zeitpunkte der Annahme der verspäteten Lieferung als Vertragserfüllung, diesen Begriff civilrechtlich und nicht im handelsrechtlichen Sinne einer Empfangnahme verstanden.

Wenn der angeführte §. 307 auch, falls das Recht auf die Strafe bereits erworben und Strafe und Erfüllung neben einander in obligatione sind, das Recht auf die Strafe beim Mangel seines Vorbehaltes bei nachträglicher Annahme der Erfüllung untergehen läßt, so beruht der Grund in der Voraussetzung, daß bei erinnerungsloser Annahme verspäteter Erfüllung die bisherige Erfüllungszögerung nach dem Willen des Annehmenden als mit ihren Wirkungen beseitigt gelten solle. Steht der das gelieferte Objekt aufnehmenden Mittelsperson die Vertretung des Empfängers auch in Bezug auf die Rechtshandlung der Annahme der Ware als Erfüllung des geschlossenen Vertrags zu, so wird schon die Unterlassung ihres Vorbehaltes dem Vertretenen präjudizieren. Vertritt sie ihn aber lediglich in Bezug auf das körperliche Innehaben, so muß der Geschäftsherr noch durch unverzügliche Erklärung im Zeitpunkt erlangter oder bei ordnungsmäßiger Veranstaltung zu erlangen gewesener Kunde von der Lieferung den Vorbehalt nachholen können. In der That erscheint daher der §. 307 A.L.R. I. 5. verletzt und die Nichtigkeitsbeschwerde begründet.

Bei freier Beurteilung mußte aber das zweite Erkenntnis aufrecht erhalten werden.

Es kann im allgemeinen hier dahingestellt bleiben, ob es Sache des Konventionalstrafpflichtigen ist, zur Beseitigung der Konventionalstrafforderung neben der Thatsache erfolgter rechtlicher Annahme der vollen oder teilweisen Lieferung auch den Mangel eines Vorbehaltes dieser Strafe bei der Annahme, oder Sache des Berechtigten, behufs Beseitigung der Folgerungen aus der nachträglichen Annahme den geschehenen Vorbehalt zu behaupten und zu beweisen. (Vgl. die entgegengesetzten Erkenntnisse des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 13 S. 14 und des Berliner Obertribunals in Striethorst, Bd. 30 S. 258 und Bd. 63 S. 74.)

Auch wenn man an sich den Verpflichteten in betreff der vorbehaltslosen Annahme für beweispflichtig erachten will, so liegt es doch in der Natur der Sache, daß, sobald dargethan ist, daß bei der Übernahme des verspätet gelieferten Gutes durch Mittelspersonen des Empfängers ein solcher Vorbehalt nicht gemacht ist, der Nachweis eines späteren beachtlichen Vorbehaltes Sache des Empfängers ist, da über den Zeitpunkt seiner Kenntnis von der erfolgten Lieferung der Gegner nicht unterrichtet sein kann. Sache des Beklagten wäre es daher gewesen, nachzuweisen, daß das Schreiben vom 26. August von ihm unmittelbar nach von der Lieferung erhaltener Kunde abgesandt worden, wenn er den in jenem Schreiben gemachten Vorbehalt als einen das Recht auf die Strafe erhaltenden qualifizieren wollte." ...

(Es wird weiter ausgeführt, daß es an diesem Nachweise fehlt, zumal jenes Schreiben selbst auf vorausgegangene wiederholte Aufforderungen zur Lieferung des Fehlenden Bezug nehme, und heißt es dann weiter:)

"Konnte nun auch bei Nichtlieferung des ganzen vertragsgemäßen Quantums Hölzer der mangelnde Vorbehalt bei Annahme teilweiser Erfüllung zwar die ganze Konventionalstrafe bis zur Annahme jener Erfüllung beseitigen, so vermochte er allerdings nicht deren weitere Entstehung mit 5 Thlr. pro Tag von diesem Zeitpunkte ab zu hindern. Allein entscheidend ist hier, daß die Forderung weiterer Konventionalstrafe überhaupt das erfolgte Stehenbleiben des Beklagten beim Vertrage im Sinne des Verlangens der Lieferung der Rückstände voraussetzt, während deren weiteres Laufen mit der vom Beklagten eingenommenen Stellung, nach welcher er sich das Fehlende für Rechnung des Klägers beschaffen zu wollen erklärte und auch beschafft haben will, unvereinbar ist. Indem Beklagter dem Kläger durch das Schreiben vom 26. August erklärte, daß er von ihm Erfüllung nicht mehr annehme, sich dieselbe vielmehr anderweitig für seine Rechnung verschaffen werde, konnte er überhaupt auf den Vertrag in betreff auch der Konventionalstrafe als einer noch weiter zu leistenden nicht mehr zurückgreifen. Er mochte nun sein ganzes Interesse wegen der Nichtlieferung, in welchem auch das der Verspätung mit zum Ansatz kommen konnte, geltend machen. Dieses Interesse aber ist nicht ohne weiteres, mit der vertragsmäßigen Konventionalstrafe identisch. War Kläger nicht mehr in der Lage, durch seine Lieferung das Fortlaufen einer Konventionalstrafe abzuwenden, so konnte von solcher überhaupt nicht mehr die Rede sein.

Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 13, S. 425."