RG, 22.11.1920 - IV 264/20

Daten
Fall: 
Staat als Rechtsnachfolger der säkularisierten Klöster
Fundstellen: 
RGZ 101, 10
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.11.1920
Aktenzeichen: 
IV 264/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Ist der Staat Rechtsnachfolger der säkularisierten Klöster hinsichtlich der diesen gegenüber den Kirchengemeinden erwachsenen privatrechtlichen Verbindlichkeiten?

Tatbestand

Die Klägerinnen behaupten, die Pfarrkirche in Bonndorf sei von dem Bischof Marquard in Constanz durch Urkunde vom Jahre 1403 (Freiburger Diözesanarchiv Bd. 14 S. 216) dem Paulinerkloster in Bonndorf inkorporiert worden. Seitdem habe das Kloster alle Bedürfnisse der Kirche, auch die nach der Inkorporation neu entstandenen, befriedigt, so daß das Kloster die Stellung einer Kirchenfabrik erlangt habe. Diese Verpflichtung zur Bestreitung aller Kultusbedürfnisse sei durch die im Jahre 1807 erfolgte Säkularisation des Klosters auf den Badischen Staat übergegangen, der sie seit dieser Zeit auch immer erfüllt habe. Erst in neuerer Zeit seien über den Umfang der Verpflichtung Streitigkeiten entstanden. Insbesondere weigere sich der Staat, die Kosten der Heizung der Kirche und der Sakristei sowie der Beleuchtung der Kirche zu übernehmen.

Das Landgericht hat die Klägerinnen mit ihrem Antrag auf Feststellung dieser Verpflichtungen abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben die Klägerinnen beantragt, festzustellen: 1. daß der Beklagte schuldig sei, die zur Heizung der Sakristei nötigen beweglichen Erfordernisse zu stellen, 2. daß dem Beklagten die unbeschränkte Pflicht obliege, die örtlichen kirchlichen Bedürfnisse in der Pfarrkirche zu Bonndorf in der Art und dem Umfange zu befriedigen, wie sie einem Pfarrkirchenvermögen (Kirchenfabrik, Kirchenfonds) obliegen, also nicht bloß in dem Umfange, wie er bei der Säkularisation bestanden und sich seither quantitativ erweitert hat, sondern auch insoweit, als nach der Säkularisation Einzelbedürfnisse qualitativ neuer Art entstanden sind oder entstehen.

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß dem Beklagten die unbeschränkte Pflicht obliegt, die örtlich kirchlichen Bedürfnisse der Pfarrkirche Bonndorf in dem Umfange weiter zu befriedigen, in dem der Beklagte bisher die Befriedigung vornahm, einschließlich künftiger quantitativer Erweiterungen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerinnen führte zur Aufhebung des Urteils.

Gründe

Das Berufungsgericht unterstellt zugunsten der Klägerinnen, daß das Paulinerkloster in Bonndorf infolge der Inkorporation der Bonndorfer Pfarrkirche in das Kloster privatrechtlich verpflichtet gewesen sei, alle Kultusbedürfnisse der Pfarrkirche zu bestreiten. Es verneint aber die Frage, ob diese Verpflichtung auf den Badischen Staat übergegangen sei, und zwar mit folgender Begründung: Ein allgemeiner Rechtssatz, aus dem ein Übergang solcher Verpflichtungen herzuleiten sei, bestehe nicht. Aus dem § 35 des Reichsdeputationshauptschlusses sei nur eine öffentlichrechtliche Verpflichtung des Staates zu entnehmen, derzufolge die Güter eines säkularisierten Klosters u. a. zur Förderung des Gottesdienstes verwendet werden müßten. Auch aus den §§ 36, 77, 63 und 65 RDH. sei eine privatrechtliche Verpflichtung der säkularisierenden Staaten nicht zu folgern. Der § 35 müsse dahin verstanden werden, daß alle älteren privatrechtlichen Ausstattungspflichten gegenüber der Ortskirche bei der Säkularisation in der öffentlichrechtlichen Verbindlichkeit des Staates, für die örtlichen Seelsorgebedürfnisse zu sorgen, aufgehen sollten. Auf der Grundlage dieser öffentlichrechtlichen Pflicht des Staates habe sich in dem Zeitraume von mehr als 100 Jahren seit der Säkularisation des Klosters zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis entwickelt, kraft dessen der Staat privatrechtlich verpflichtet sei, diejenigen Leistungen, die er für kirchliche Bedürfnisse seither gemacht habe, auf sich zu nehmen, und zwar auch dann, wenn diese in Zukunft größere Aufwendungen nötig machen oder wenn die Zeitverhältnisse andere Formen der Befriedigung verlangen würden. Andersartigen neuen kirchlichen Bedürfnissen dagegen brauche der Staat auf Grund seiner privatrechtlichen Verpflichtungen nicht zu genügen. Insoweit sei eine vertragsmäßige Bindung nicht erwiesen. Insbesondere gelte das von der seitens der Klägerinnen verlangten Heizung der Sakristei.

Diese Begründung beruht in verschiedenen Punkten auf Rechtsirrtum.

1.

Mit Recht verwirft das Berufungsgericht die namentlich in der älteren Literatur vertretene Ansicht, daß sich schon aus § 35 RDH. eine privatrechtliche Verpflichtung des Staates ergebe, an Stelle der aufgehobenen Stifter und Klöster für die Bedürfnisse der Kirchengemeinden aufzukommen. Die Vorschrift enthält, soweit sie hier interessiert, nur die allgemeine Anweisung an die Landesherren, das eingezogene Kirchenvermögen zu gewissen Zwecken, u. a. "zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst" zu verwenden; es sind weder bestimmte kirchliche Rechtssubjekte als berechtigt bezeichnet, noch auch ist angegeben, in welchem Verhältnis das Vermögen auf die verschiedenen Verwendungszwecke verteilt werden soll. Es fehlt also der Vorschrift die nötige Bestimmtheit, um in ihr die Grundlage für eine privatrechtliche Verpflichtung des Staates zu finden (Niedner, Die Ausgaben des Preuß. Staates für die evangelische Landeskirche, 1904. S. 153; Urt. des RG. vom 29. Oktober 1808 bei Gruchot Bd. 43 S. 1046). Trotzdem sind aber, wie in Theorie und Praxis von jeher anerkannt ist, die den Klöstern aus der Inkorporation erwachsenen privatrechtlichen Pflichten durch die Säkularisation nicht erloschen, sondern mit dem auf Grund der §§ 35, 36 RDH. eingezogenen Klostervermögen auf die säkularisierenden Staaten übergegangen. Es beruht dies auf der im späteren gemeinen Rechte zur Geltung gelangten Auffassung, daß bei dem Übergang eines Gesamtvermögens der Übernehmer für die auf jenem lastenden Schulden zu haften habe. Daß der RDH. auf demselben rechtlichen Standpunkte steht, ergeben nicht nur die Vorarbeiten (vgl. z. B. die Rastatter Protokolle der Reichsfriedensdeputation Bd. 1 S. 392, Bd. 2 S. 415, 468 und die Regensburger Protokolle der außerordentlichen Reichsdeputation Bd. 1 S. 30/31, Bd. 2 S. 802), sondern auch die Vorschriften des Gesetzes selbst. Schon in § 35 ist bestimmt, daß aus dem Vermögen der säkularisierten Stifter, Abteien und Klöster die Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit bestritten werden sollen (vgl. dazu §§ 64, 66 flg.). Es sagt ferner der § 77, "es verstehe sich von selbst", daß der säkularisierende Regent alle auf den Entschädigungslanden haftenden Schulden, und zwar sowohl die Kameral- als die Landesschulden, mit übernehmen müsse. Im vorliegenden Falle handelt es sich zwar nach den rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um ein Entschädigungsland, sondern um ein sogen. Dispositionskloster im Sinne des § 35 RDH. Allein aus der Vorschrift ("es versteht sich von selbst") ist die grundsätzliche Stellungnahme des RDH. ersichtlich, und es ist kein Grund vorhanden, die Schulden, die auf den den Fürsten zugewiesenen Stiftern und Klöstern haften, anders zu behandeln als die auf den ihnen zugeteilten Ländern ruhenden.

Der Meinung des Berufungsgerichts, unter Schulden verstehe der RDH. in § 77 nur Schulden, die auf Geld und andere ein für allemal bestimmte Leistungen gerichtet seien, ist nicht beizutreten. Wenn in den §§ 77 flg. von Verzinsung der Schulden und Hypotheken gesprochen wird, so folgt daraus nicht, daß nur Schulden gemeint sind, die verzinst und im Grundbuch eingetragen werden können. Es ist kein vernünftiger Grund für die vom Berufungsgerichte gemachte Unterscheidung ersichtlich. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem unannehmbaren Ergebnis führen, daß zwar wohl die Verpflichtung zur Zahlung von Gehältern an die Geistlichen, nicht aber die Baulast auf den neuen Landesherrn übergegangen wäre. ...

2.

Der Fortbestand der der Kirche aus der Inkorporation zustehenden Privatrechte ergibt sich vor allem aus § 63 RDH. Danach soll die bisherige Religionsübung eines jeden Landes gegen Aufhebung und Kränkung jeder Alt geschützt sein, insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchenguts auch Schuldfonds . . . ungestört verbleiben. Zu dem "Kirchengut" gehört auch der Rechtsanspruch der Kirchengemeinde gegen das Kloster auf Bestreitung aller kirchlichen Bedürfnisse. Insoweit handelte es sich nicht um Klostervermögen, das nach § 35 der Einziehung unterlag, sondern um Kirchenvermögen, das nicht angetastet werden sollte (Entsch. d. OberverwGer. Bd. 38 S. 202; Urt. des RG. vom 20. Oktober 1913 IV 277 / 23; Archiv für kath. Kirchenrecht Bd. 94 S. 143). Das Berufungsgericht erkennt an, daß diese von den Klägerinnen vertretene Ansicht sich sehr wohl begründen lasse. Es lehnt sie aber ab mit der Begründung, daß die Entscheidung, ob der Kirche ein solcher privatrechtlicher Anspruch zustehe, nicht selten sehr schwierig sei; der Staat würde in einer großen Anzahl von Fällen in eine mehr als unerfreuliche Lage versetzt werden; die Untersuchung würde sich oft auf unklare, Jahrhunderte zurückliegende Vorgänge erstrecken müssen; eine Gesetzesauslegung aber, die zu praktisch derartig unangemessenen, Staat und Kirche beunruhigenden Untersuchungen führen müsse, könne nur dann als richtig gelten, wenn sie überhaupt nicht zu umgehen sei. So aber liege es nicht. Vielmehr lasse sich § 35 RDH. wohl dahin verstehen, daß ihm zufolge alle älteren privatrechtlichen Bau-, Ausstattungs- und Gottesdienstpflichten gegenüber der Ortskirche bei der Säkularisation aufgingen in der öffentlichrechtlichen Verbindlichkeit des Staates, für die örtlichen Seelsorgebedürfnisse zu sorgen. In diesem Sinne müsse dem Angeführten nach das Gesetz verstanden werden.

Es bedarf kaum der Ausführung, daß den vom Berufungsgerichte geschilderten Beweisschwierigkeiten ein entscheidendes Gewicht bei der Auslegung des Gesetzes nicht beigemessen werden kann. Sie sind übrigens in zahlreichen Prozessen überwunden worden.

3.

Das Berufungsgericht will schließlich seine Auffassung von der öffentlichrechtlichen Natur der Ausstattungspflicht des Staates gegenüber der Kirche auf eine, wie es sagt, allgemeine, der Bedeutung der Säkularisation und der Natur des modernen Staates, oder wie es an einer anderen Stelle heißt, der "Interessenlage" entnommene Erwägung stützen. Es führt aus, die Kirche habe durch allgemeine oder besondere Anordnungen mehr der weniger willkürlich neue Bedürfnisse der Kirche schaffen können. Es sei aber nicht anzunehmen, daß der Staat sich durch kirchliche Anordnungen den Inhalt seiner Pflichten habe vorschreiben lassen, und das noch zu einer Zeit, wo er sich seine Souveränität errungen und naturgemäß eifersüchtig auf seine Unabhängigkeit auch von der Kirche geachtet habe. Das sei der Grund, aus dem die privatrechtlichen Ausstattungspflichten der Klöster mit der Säkularisation eine Änderung hätten erleiden müssen. Und diese Änderung habe sich dadurch vollzogen, daß die privatrechtliche Ausstattungspflicht des Klosters in die öffentlichrechtliche Dotationspflicht des Staates übergegangen sei, die sich aus §35 RDH. ergebe.

Auch diese Begründung ist unhaltbar. Das Berufungsgericht hat keine Bestimmung des Gesetzes anzugeben vermocht, in der seine Auffassung eine Bestätigung finden konnte. Abgesehen davon ist es auch nicht die Kirche, die in maßgebender Weise über die Frage der Notwendigkeit einer Ausgabe und der Verpflichtung des Staates zur Tragung derselben entscheidet, sondern gerade der letztere durch seine Organe, mag nun für die Entscheidung, wie z. B. über die Frage der Notwendigkeit von Bauten, die Verwaltungsbehörde (vgl. die vom Berufungsgerichte zitierte badische Rechtsbelehrung vom 1. Juli 1812, Reg.-Bl. S. 121, für Preußen die §§ 707 - 709 II 11 ALR. und dazu RGZ, Bd. 50 S. 310) oder der ordentliche Richter zuständig sein.

4.

Die gleiche Auffassung von dem Übergange der Lasten auf den säkularisierenden Staat, wie sie vorstehend begründet ist, findet sich auch in anderen Gesetzen ausgesprochen. Erwähnung verdient insbesondere die Preuß. Kabinettsorder vom 25. September 1834 (abgedruckt in Bering, Archiv f. kath. Kirchenrecht Bd. 19 S. 340), die - soweit bekannt - in der Rechtsprechung zum ersten Male in dem Rechtsstreite der kath. Kirchengemeinde zu Bielefeld gegen den Preußischen Staat unter Billigung des Reichsgerichts (Urt. vom 25. Januar 1900 IV 266 / 99) zur Anwendung gelangt ist. In ihr ist die Rechtsnachfolge des Staates in die privatrechtlichen Verpflichtungen der aufgehobenen Klöster ausdrücklich anerkannt. In dem in der Kabinettsorder in Bezug genommenen Berichte des Ministers der geistlichen Angelegenheiten und des Finanzministers vom 19. August 1834 ist zur Begründung dieser Rechtsauffassung ausdrücklich auf den Grundsatz des gemeinen Rechtes und des Allgemeinen Landrechts (vgl. § 201 II 6), daß der Staat bei Aufhebung von Korporationen auch gegen diejenigen, welche Forderungen an die erloschene Gesellschaft hätten, an die Stelle der letzteren trete, und auch auf die Bestimmung des § 63 RDH., daß jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchenguts ungestört verbleiben solle, hingewiesen worden (vgl. RGZ. Bd. 96 S. 31, 34).

Auf demselben Rechtsstandpunkte wie jene preußische Kabinettsorder steht das erste Konstitutionsedikt, die kirchliche Staatsverfassung des Großherzogtums Baden betreffend, vom 14. Mai 1807. Unter Nr. 9 Abs. 2 bestimmt es, daß das Vermögen der Ordensgesellschaften, so oft jene aufgehoben werden oder erlöschen, dem Staate mit Lasten und Vorteilen anheimfalle, mithin auch mit der Pflicht, die fortdauernden kirchlichen oder Staatszwecke, als Seelsorge, Jugendunterricht, Krankenverpflegung u. dgl., anderweit hinlänglich zu begründen. Das Berufungsgericht erkennt an, daß hier von den privatrechtlichen Pflichten des Klosters die Rede sei, nimmt aber auch hier wiederum eine Umwandlung der bestehenden privatrechtlichen Verpflichtungen in eine öffentlichrechtliche Ausstattungspflicht an. Diese Auffassung kann nicht richtig sein; denn bei dieser Auslegung würde der Abs. 2 der Nr. 9 mit dem Abs. 1 in Widerspruch treten, in dem in weitgehender Weise die Unverletzlichkeit des Eigentums der Kirche "an Liegenschaften, Renten, Bauansprüchen und beweglichem Gute" gewährleistet ist. Die Umwandlung des Anspruchs auf Bestreitung aller kirchlichen Bedürfnisse würde aber im Gegensatze dazu eine Entziehung eines Privatrechts bedeuten. Das Oberlandesgericht setzt sich mit seiner Ansicht auch in Widerspruch mit derjenigen des Badischen Oberhofgerichts, das in dem Urteile vom 27. Juni 1871 (Bad, Annalen Bd. S. 239) angenommen hat, daß auch nach diesem Konstitutionsedikte die auf dem säkularisierten Klostervermögen haftenden Schulden auf den Staat übergehen. Die Revisibilität der Nr. 9 des Edikts ist nach § 7 der Kais. VO. vom 28. September 1879 zu bejahen. Denn die Konstitutionsedikte sind unter XVIII des Einführungsedikts zum Bad. Landrecht vom 3. Februar 1809 aufrecht erhalten, soweit sie auf Gegenstände des bürgerlichen Rechtes Bezug haben. Eine solche Beziehung der Nr. 9 des 1. Konst.-Ed. ist nach dem Gesagten nicht zu bezweifeln. Übrigens ist das Konstitutionsedikt erst nach der Säkularisation des Paulinenklosters ergangen und findet deshalb auf diese keine unmittelbare Anwendung. Das erkennt das Berufungsgericht ausdrücklich an. Es meint nur, das Edikt lasse ersehen, welche rechtliche Auffassung zur Zeit der Säkularisation über deren rechtliche Folgen geherrscht habe, und sprecht deshalb in erheblichem Maße für die Richtigkeit des von ihm aus dem RDH. gewonnenen Ergebnisses. Diese Ansicht erweist sich, wie ausgeführt, als rechtsirrig.

Zu Unrecht findet das Berufungsgericht eine Bestätigung seiner Ansicht in dem Erlaß des Großherzogs Karl Friedrich von Baden vom 21. Januar 1809, in dem er die Verpflichtung des Staates verneint, an Stelle eines aufgehobenen Klosters die gestifteten Jahresmessen lesen zu lassen. Dieser Rechtsstandpunkt ist vielmehr zutreffend, weil ein privatrechtlicher Anspruch der Kirchengemeinde auf das Lesen solcher Messen nicht bestand (vgl. RGZ. Bd. 94 S. 148). Auch daraus, daß der Staat für das Pfarrbenefizium in Bonndorf in den Jahren 1812 und 1819 einseitig eine fixierte Dotation gewährte, folgt nicht, wie das Berufungsgericht meint, daß er glaubte, insoweit ein für allemal seiner Verpflichtungen ledig zu sein. In den Urkunden selbst steht darüber nichts. Dagegen spricht, daß der Staat, wie das Berufungsgericht selbst feststellt, in einem anderen Falle, der die Rippoldsauer Kirche betraf, von vornherein für den Fall eintretender Notwendigkeit weitere Zuschüsse versprach. Jedenfalls konnte einer etwaigen irrigen Rechtsauffassung maßgebende Bedeutung nicht zuerkannt werden. Daß eine Kirchengemeinde im Falle der Unzulänglichkeit der gewährten Dotation einen Anspruch auf Ergänzung haben kann, hat das Reichsgericht im Anschluß an die Bestimmungen der Preuß. Kabinettsorder vom 25. September 1834 vielfach anerkannt (vgl. z, B. Urteil vom 20. Oktober 1913 IV 277 / 13, teilweise abgedruckt JW. 1914 S. 161 Nr. 25). Ein solcher Anspruch könnte nur durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht der Kirchengemeinde erlöschen. 5. Verfehlt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, der RDH. habe gemäß Art. 2 der Rheinbundsakte vom 12, Juli 1806 (Pfister, Geschichtliche Entwicklung des Staatsrechts im Großherzogtum Baden, Supplementband S. 30) seine verbindliche Kraft als Reichsgesetz verloren und komme inhaltlich nur als badischrechtliche Vorschrift in Betracht. Es scheint damit nachweisen zu wollen, daß seine auf den Bestimmungen des RDH. beruhende Entscheidung der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen sei. Unklar ist zunächst, worauf die inhaltliche Fortgeltung des RDH. beruhen soll, wenn er als Reichsgesetz aufgehoben ist. Der RDH. war Reichsgesetz und ist, wie in der Literatur allgemein anerkannt wird, durch die Auflösung des Deutschen Reiches als solches unberührt geblieben. Seine Aufhebung konnte schon deshalb nicht beabsichtigt sein, weil er die Rechtsgrundlage für die in ihm bestimmten Änderungen des Territorialbestandes auch der Rheinbundstaaten bildete und auf ihm die auch von ihnen ausgeübte Befugnis zur Säkularisation der Stifter und Klöster beruhte. Die fortdauernde Gültigkeit des RDH. als Reichsgesetz und der dadurch begründeten Rechtsverhältnisse läßt sich um so weniger bezweifeln, als sie in späteren Gesetzen wiederholt Anerkennung gefunden hat, z. B. in der Proklamation des Großherzogs von Baden vom 13. August 1806 (Pfister a. a. O. S. 50), in der es heißt: "Wir erklären sämtliche uns von alters her angestammten, dann durch den Luneviller Frieden und darauf gefolgten Reichsdeputationshauptrezeß erworbenen Fürstentümer, Graf- und Herrschaften, zu einem unteilbaren souveränen Staat und Großherzogtum Baden", ferner in den Art. 15,17 der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 (Pfister S. 180) sowie in dem zum Vollzug des RDH. ergangenen Staatsvertrage vom 7. Oktober 1818, auf dessen Grundlage nach weiteren Verhandlungen mit dem Papste am 16. August 1821 die Bulle Provida sollersque betr. Einrichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz erging (vgl. Sägmüller, Der Rechtsanspruch der kath. Kirche auf finanzielle Leistungen seitens des Staates, S. 39 flg., 48, und im übrigen zu dieser Frage die Schiedssprüche des sächs. Oberappellationsgerichts in Dresden in Sachen des Preußischen gegen den Weimarischen Staat vom 1. April 1848 und 5. Dezember 1850, Archiv für kath. Kirchenrecht Bd. 11 S. 106 flg., 131 flg., 134/5; Niedner a. a. O. S. 139; Sägmüller S. 25 / 6).

5.

Auf dem hier vertretenen Standpunkte steht nicht bloß die preußische, sondern auch die badische Rechtsprechung. Außer der bereits unter 4. erwähnten Entscheidung des bad. Oberhofgerichts vom 27. Juni 1871 kommen in Betracht die Urteile desselben Gerichtshof vom 9. Juni 1870 (bad. Annalen Bd. 36 S. 305) und 8. Juli 1869 (a. a. O. Bd. 37 S. 190), endlich das Urteil des bad. Oberlandesgerichts in Karlsruhe vom 23. März 1899 (bad. Rechtspraxis Bd. 59 S. 233).

Von den zahlreichen Entscheidungen preußischer Gerichte, soweit sie sich lediglich auf gemeinrechtliche Grundsätze und nicht auf die Kabinettsorder vom 25. September 1834 stützen, seien genannt: die Urteile des Obertribunals, Striethorst Archiv Bd. 22 S. 140 und Arch. f. kath. Kirchenrecht Bd. 22 S. 138, des Reichsgerichts vom 1. Februar 1888 V 220 / 87, Bolze, Praxis Bd. 7 S. 29 Nr. 83. v. 9. Juli 1888 IV 80 / 38, Auszug JW. 1888 S. 350 Nr. 27, 28, v. 25. Oktober 1888 IV 146 / 88, Bolze Bd. 6 S. 3 Nr. 7, v. 23. Februar 1905 IV 432 / 04, v. 29. März 1906 IV 465 / 03, v. 23. April 1907 III 406 / 06 bei Gruchot Bd. 51 S. 1139 mit 1132, des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte vom 23. September 1860, Preuß. JMBl. 1861 S. 221, 223, endlich des Oberverwaltungsgerichts in dessen Entsch. Bd. 38 S.194, 202 und Bd. 57 S.231. 233.

Für die von jeher herrschende Rechtsauffassung ist es, wie die Revision mit Recht hervorhebt, bezeichnend, daß in dem der Denkschrift des preußischen Ministers der geistlichen Angelegenheiten vom 14. November 1877 über den hannoverschen (also nach gemeinem Rechte zu beurteilenden) Klosterfonds beigegebenen Verzeichnis der Verbindlichkeiten dieses Fonds als Entstehungsgrund der Verbindlichkeiten in der überwiegenden Mehrzahl der 486 Fälle "Universalsukzession" in das Vermögen eines aufgehobenen Klosters aufgeführt ist (Ebhadt-Böckler, Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben in Kirchensachen für den Bezirk des Provinzial-Konsistoriums in Hannover 1877 S. 728 flg; vgl. auch Riedner. a. a. O. S. 8, 98). ...