RG, 11.03.1919 - II 278/18

Daten
Fall: 
Ausschluss der Rückforderung des Geleisteten bei der ungerechtfertigten Bereicherung
Fundstellen: 
RGZ 95, 126
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.03.1919
Aktenzeichen: 
II 278/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • Oberlandesgericht Hamburg

1. Ausschluß der Rückforderung des Geleisteten nach § 814 BGB. Auf wessen Kenntnis kommt es an, wenn bei der Zahlung einer Nichtschuld mehrere Personen zusammengewirkt haben?
2. Zur Anwendung des § 817 BGB.

Tatbestand

Am 24. März und 4. April 1916 kaufte die Klägerin von der Beklagten je ca. 5 Tonnen Schmierseife, lieferbar im April dess. Js. Der Kaufpreis sollte netto Kasse "gegen Liefer- bzw. Verfügungsschein" gezahlt werden. Die Beklagte behändigte der Klägerin am 25. April 1916 zwei Lieferscheine über zusammen 8090 Kg, worauf ihr die Klägerin an demselben Tage durch Banküberweisung den Kaufpreisbetrag von 28993,60 M zahlte. Die Scheine lauteten auf die Seifenfabrik K. in M. als die Leistungspflichtige. Am 1. Mai 1916 stellte die Klägerin die Ware wegen vertragswidriger Beschaffenheit der Beklagten zur Verfügung, indem sie ihr gleichzeitig die Lieferscheine zurückschickte. Sie behauptete, sie habe nach der Behändigung der Scheine eine Probe der Ware durch die Beklagte erhalten, an dieser Probe sei der Mangel festgestellt worden.

In der Zeit zwischen dem Abschlusse der Verträge der Parteien und der Behändigung der Lieferscheine erging die am 19. April 1916 in Kraft getretene Bundesratsverordnung vom 18. dess. Mts. über den Verkehr mit Seife, Seifenpulver und anderen fetthaltigen Waschmitteln (RGBl. S. 307) nebst den gleichzeitig in Kraft getretenen Ausführungsbestimmungen (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 18. April 1916, RGBl. S. 308).

Mit der Klage forderte die Klägerin die Rückzahlung des von ihr überwiesenen Kaufpreises. Im Laufe der ersten Instanz wurde die angediente Ware für Rechnung dessen, den es angeht, verkauft. Nachdem die Klägerin den Erlös von 22425,13 M erhalten hatte, ermäßigte sie den Klaganspruch auf 6568,47 M.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen.

Gründe

"Die Klägerin hat geltend gemacht, daß sie wegen des zu geringen Fettgehalts der Ware wandlungsberechtigt sei und daß der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises auch aus der Bundesratsverordnung vom 18. April 1916 folge. Die Ausführungsbestimmungen zu dieser Verordnung besagen in § 4:

"An Wiederverkäufer dürfen Seife, Seifenpulver und andere fetthaltige Waschmittel nur insoweit abgegeben werden, als bereits vorher eine dauernde Geschäftsverbindung zwischen den Vertragsteilen bestanden hat. Die in einem Kalendervierteljahr abgegebene Menge darf dreißig vom hundert der im gleichen Kalendervierteljahre des Jahres 1915 an denselben Wiederverkäufer abgegebenen Menge nicht übersteigen.

Abweichungen von diesen Bestimmungen sind nur mit Zustimmung des Kriegsausschusses für pflanzliche und tierische Öle und Fette. G. m. b. H. in Berlin, zulässig."

In § 9 sind Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot unter Strafe gestellt. Die Klägerin war unbestrittenermaßen Wiederverkäuferin, ohne zuvor eine dauernde Geschäftsverbindung mit der Beklagten unterhalten zu haben.

Das Landgericht hat die Klage unter dem Gesichtspunkte der Wandlung zugesprochen. Den weiteren Klaggrund erachtet es für hinfällig, indem es erwägt, daß § 817 BGB. der Rückforderung des Kaufpreises entgegenstehe; es sei anzunehmen, daß die Klägerin, die mit erheblichen Vermögenswerten am Seifenhandel beteiligt sei, das Verbot gekannt und ihm bewußt zuwidergehandelt habe.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, für eine Wandlung sei kein Raum mehr gewesen, die beiderseitigen Verpflichtungen seien dadurch erloschen gewesen, daß die Beklagte zufolge der Bundesratsverordnung die Seife nicht mehr habe liefern dürfen, und daß die Klägerin demnach zur Zahlung des Kaufpreises nicht mehr verpflichtet gewesen sei. Dagegen erachtet es den weiteren Klaggrund für gerechtfertigt, weil die Klägerin eine Nichtschuld bezahlt habe und deshalb nach §§ 812, 813 BGB. das Geleistete zurückfordern könne. Die Anwendbarkeit der die Rückforderung ausschließenden Vorschriften der §§ 814 und 817 verneint es im Hinblick darauf, daß derjenigen Person, die für die Klägerin die Zahlung geleistet habe, die Bundesratsverordnung nicht genügend bekannt gewesen sei. Der die Zahlung Leistende sei der Zeuge Sch. gewesen. Zwar habe er nicht selbst die Banküberweisung unterschrieben, aber er habe in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter der Klägerin auf die Rechnung der Beklagten die Zahlungsanweisung gesetzt. Diese Anordnung des Zeugen, der das hier in Rede stehende Geschäft auch abgeschlossen und unter eigener Verantwortung zu erledigen gehabt habe, werde regelmäßig befolgt, indem ein mit Bankvollmacht ausgestatteter Direktor der Klägerin oder der persönlich haftende Gesellschafter B. selbst die Überweisung unterschreibe. Der Zeuge habe bei der Anordnung der Zahlung zwar von der Bundesratsverordnung gewußt, aber nicht angenommen, daß sie sich auch auf früher geschlossene Verträge beziehen könne. Er habe daher weder bewußt eine Nichtschuld bezahlt (§ 814) noch bewußt gegen die Verordnung verstoßen (§ 817). Auf den Eid, der dem persönlich haftenden Gesellschafter B. darüber zugeschoben war, daß er in Kenntnis der hier fraglichen Kaufabschlüsse und in Kenntnis der Bundesratsverordnung die Zahlung angeordnet oder bewirkt habe, komme es nicht an, weil B., wie die Aussage des Zeugen Sch. ergebe, am Zahlungstage von dem Abschlusse der beiden Geschäfte überhaupt keine Kenntnis gehabt habe und weil es danach unerheblich sei, wenn er damals die Bundesratsverordnung gekannt haben sollte und wenn vielleicht gerade er den Banküberweisungszettel unterschrieben haben sollte, was übrigens beides nach der Aussage des Sch. nicht wohl anzunehmen sei. Das Berufungsgericht geht bei diesen Erwägungen, soweit sie sich auf die Vorschrift des § 817 beziehen, davon aus, daß ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, der die Rückforderung ausschließen würde, nur angenommen werden könnte, wenn der Zahlende die Bundesratsverordnung und deren Tragweite gekannt habe; es handle sich hier nicht um allgemein gültige Gesetze, für die das Reichsgericht in dem Urteile RGZ. Bd. 72 S. 76 ausgesprochen habe, daß das Bewußtsein, gegen das Gesetz zu verstoßen, nicht erforderlich sei, sondern um eine wirtschaftliche Maßnahme, und es sei selbstverständlich, daß man nicht gegen eine wirtschaftliche Maßnahme im Sinne des § 817 verstoßen könne, ohne sie zu kennen.

Den gegen diese Beurteilung erhobenen Angriffen war der Erfolg zu versagen.

Die Revision gibt zur Erwägung, ob die Beklagte nicht durch die Hingabe der Lieferscheine die streitigen Verträge erfüllt habe und ob danach die Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung nicht überhaupt auszuscheiden hätten. Dem steht - abgesehen von den Bedenken, die der Vorschrift des § 788 BGB. entnommen werden könnten - entgegen, daß nach den Ausführungsbestimmungen zu der Bundesratsverordnung die Ware ohne Zustimmung des in § 4 Abs. 2 bezeichneten Kriegsausschusses nicht mehr "abgegeben" werden durfte, und zwar gilt dies, obwohl die Verträge vor der Verkündung der Verordnung geschlossen sind. Der wegen des letzteren Umstandes von der Revision angeregte Zweifel ist grundlos, weil das Verbot allgemein und ohne einen solchen Vorbehalt erlassen ist. Die Hingabe der Scheine konnte daher insolange der Klägerin einen Anspruch auf die Aushändigung der Ware nicht verschaffen und darum insolange nicht als Erfüllung wirken, als nicht der Kriegsausschuß der Lieferung zustimmte. Dazu ist es aber nicht gekommen. Die Parteien haben sich auch, soweit ersichtlich, nicht darum bemüht, vielmehr wurde die Ware, ohne daß die Klägerin sie erhalten hätte, nach der Rücksendung der Scheine für Rechnung dessen, den es anging, anderweit verkauft. Der Bereicherungsanspruch ist deshalb an sich in § 812 begründet.

Daß der Anspruch nicht durch § 814 ausgeschlossen ist. hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen. Der Revision ist nicht zu folgen, wenn sie die Ansicht vertritt, daß es bei der Frage, ob die Klägerin wissentlich eine Nichtschuld bezahlt habe, nicht auf die Kenntnis des Zeugen Sch., sondern ausschließlich auf die Kenntnis desjenigen ankommen könne, der namens der Klägerin die Banküberweisung unterschrieben hat. Nach außen ist bei der Überweisung allerdings nur der Unterzeichner der Urkunde als Willensorgan der Klägerin hervorgetreten. Das allein kann jedoch hier, trotz der Vorschrift des §166, nicht entscheidend sein. Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht über den Geschäftsbetrieb der Klägerin und über den Hergang bei der in Rede stehenden Zahlung getroffen hat, ist davon auszugehen, daß Sch. selbständig darüber zu befinden hatte, ob die Zahlung zu leisten sei, und daß der Unterzeichner der Urkunde (entweder der persönlich haftende Gesellschafter B. selbst oder einer der Direktoren) ohne eigene Prüfung der Angelegenheit seine Unterschrift gegeben hat. War das aber der Fall, dann ist der Wille, die Zahlung zu leisten, auf das Zusammenwirken von zwei Personen, des Sch. und des Unterzeichners der Urkunde, zurückzuführen. Der Unterzeichnende hat dann zwar die letzte und maßgebende Entschließung getroffen, dies aber nur in dem Sinne getan, daß er das Ergebnis der von Sch. vorgenommenen Prüfung und dessen Entschließung sich zu eigen machte. Das Berufungsgericht hat daher vom Standpunkte seiner tatsächlichen Beurteilung aus mit Recht die Auffassung des Sch. als ausschlaggebend angesehen. Anders würde die Sache liegen, wenn der Unterzeichner der Urkunde auf Grund eigener sachlicher Entschließung oder sonstwie unabhängig von der Auffassung des Sch. gehandelt hätte. In dieser Beziehung hat die Beklagte Behauptungen aufgestellt, indem sie dem Gesellschafter B. den erwähnten Eid zuschob. Das Berufungsgericht hat zutreffend von der Auferlegung des Eides abgesehen. Wenn B., wie es tatsächlich feststellt, am Zahlungstage von den beiden Abschlüssen überhaupt nichts wußte, entfällt die Möglichkeit, daß er auf Grund eigener Prüfung der Angelegenheit die Urkunde unterschrieben hat oder daß die Unterzeichnung, sofern sie durch einen der Direktoren erfolgt ist, auf seiner Anordnung beruht hat. Der Angriff aus § 139 ZPO., den die Revision zu dem vorliegenden Punkt erhebt, ist ungerechtfertigt. Darlegungs- und beweispflichtig für den Ausschluß des an sich gegebenen Bereicherungsanspruchs war die Beklagte. Nachdem sie in dieser Richtung Behauptungen aufgestellt und Beweis angetreten hatte, hätte es sich für das Berufungsgericht nur noch darum handeln können, sie zu neuen Behauptungen und Beweiserbieten zu veranlassen. Hierauf erstreckt sich aber die richterliche Fragepflicht nicht.

Auch auf die Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB. kann sich die Beklagte nicht berufen. Das in Rede stehende Verbot und die Strafandrohung beziehen sich nicht etwa überhaupt auf den Verkehr mit den dort genannten Waren, sondern nur auf deren Abgabe. Die Vertreter der Klägerin hätten deshalb nur dann gegen das Verbot verstoßen und sich strafbar machen können, wenn sie etwa darauf ausgegangen wären, die Beklagte zu einer verbotswidrigen Abgabe zu bestimmen, und sich so der Anstiftung schuldig gemacht hätten. Dafür fehlt aber jeder Anhalt. Ebensowenig liegt etwas vor, was der Klägerin als ein die Rückforderung ausschließender Verstoß gegen die guten Sitten zuzurechnen wäre. Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu werden, ob die Unterscheidung, die das Berufungsgericht hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 817 zwischen allgemein gültigen Gesetzen und wirtschaftlichen Maßnahmen, treffen will, gebilligt werden könnte."