RG, 11.12.1917 - VII 262/17

Daten
Fall: 
Anfechtung einer Pfändung
Fundstellen: 
RGZ 91, 367
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.12.1917
Aktenzeichen: 
VII 262/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG II Berlin
  • Kammergericht Berlin

1. Dient die Anfechtung außerhalb des Konkurses der Befriedigung des anfechtenden Gläubigers, wenn sie sich nur gegen eine von mehreren Pfändungen richtet, die verschiedene Gläubiger gleichzeitig in dieselbe Forderung des Schuldners ausgebracht haben? Bewirkt die Anfechtung Nichtigkeit oder nur relative Unwirksamkeit der Pfändung?
2. Worauf geht der Rückgewähranspruch, wenn der auf den Anfechtungsgegner im Verteilungsverfahren entfallene Forderungsteilbetrag hinterlegt ist?

Tatbestand

Durch Beschluß vom 20. Juli 1914, zugestellt am 22., wurden für den Beklagten und durch Beschluß vom 27. Juli 1914, zugestellt am 29., wurden für M. Mietforderungen aus einem ihrem Schuldner P. damals noch gehörigen Hause gepfändet und ihnen zur Einziehung überwiesen, Beide Gläubiger hatten mittels Zustellung vom 11. Juli 1914 die Mieter sowie den Schuldner von der bevorstehenden Pfändung benachrichtigt. Die gepfändeten Mietbetrage wurden hinterlegt und ihnen nach Verhältnis ihrer Forderungen zugeteilt. M. erlangte die Auszahlung seiner Beträge; seine Restforderung beläuft sich noch auf 8733,07 M. Die dem Beklagten zugeteilten Beträge sind hinterlegt geblieben.

Inzwischen wurde das Hans zwangsweise versteigert, wobei der Kläger mit einer an dritter Stelle stehenden Hypothek von 90.000 M ausfiel. Nachdem er für die ausgefallene Forderung ein vollstreckbares Urteil gegen P. erwirkt hatte, focht er die Pfändung des Beklagten wegen absichtlicher Gläubigerbenachteiligung an. Der Antrag der Klage ging auf Verurteilung des Beklagten zur Einwilligung, daß die noch hinterlegten Mietbeträge von 4585,82 M an den Kläger' ausgezahlt würden.

Während das Landgericht auf Abweisung erkannte, gab das Kammergericht der Klage statt. Die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das Berufungsgericht hat zunächst einwandfrei festgestellt, daß die allgemeinen Voraussetzungen der Anfechtung gemäß § 2 AnsG. vorliegen. Auch die Feststellung, daß die angefochtene Pfändung seitens des Beklagten in arglistigem Zusammenwirken mit dem Schuldner, seinem Bruder, und zwar in der dem Beklagten bekannten Absicht des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, erwirkt worden sei, daß die Pfändung sich daher als eine Rechtshandlung des Schuldners im Sinne der §§ 1, 3 Nr. 1 AnfG. darstelle, ist ausreichend begründet und rechtsirrtumsfrei, wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Dagegen macht die Revision geltend, der Beklagte sei nach § 7 nicht verpflichtet, in die Auszahlung der hinterlegten, ihm im Verteilungsverfahren zugeteilten Mietbeträge einzuwilligen, sondern der Anspruch des Klägers könne nur dahin gehen, daß die hinterlegten Beträge zur Teilungsmasse zurückzugewähren seien. Wenn das aber geschehe, so würden sie nicht dem Kläger, sondern dem Pfandgläubiger M. zufallen, der sie am gleichen Tage wie der Beklagte gepfändet habe und dessen Pfandrecht nicht angefochten sei. Die Rückgewähr würde mithin nicht dem Zwecke der Befriedigung des Klägers dienlich sein, wie die §§ 1 und 7 AnfG. verlangten. Das sei vom Berufungsgerichte verkannt worden.

Das Berufungsgericht hat zur Frage der objektiven Gläubigerbenachteiligung ausgeführt, diese liege zunächst darin, daß die Mieten, auf die sich die Hypothek des Klägers erstreckte und die seiner Hypothek dinglich hafteten, durch die Pfändung des Beklagten dieser Haftung entzogen worden seien. Auch die Tatsache, daß gleichzeitig mit dem Beklagten der Gläubiger M. eben dieselben Mietzinsforderungen wegen einer Forderung gepfändet habe, die jetzt noch höher sei, als die Gesamtsumme der streitigen Mietbeträge, vermöge die Benachteiligung des Klägers nicht in Frag" zu stellen. Hier handle es sich um einen Streit zwischen dem Kläger und dem Beklagten, wem von ihnen beiden die hinterlegten Mietbeträge gebührten. Deshalb komme es nicht darauf an, ob gleichzeitig noch ein anderer Gläubiger dieselben Mietforderungen gepfändet habe." ... (Die weiteren Erwägungen des Kammergerichts, die mißbilligt werden, kommen nicht in Betracht. Dann wird fortgefahren:)

"Der Standpunkt der Revision würde sich vertreten lassen, wenn die Anfechtung auf Grund des Anfechtungsgesetzes dingliche Wirkung hätte, wenn man also mit den Vertretern der sogenannten Dinglichkeitslehre annehmen wollte, daß entsprechend dem § 142 BGB. die Anfechtung die angefochtene Rechtshandlung zu einer nichtigen mache. Aber die Dinglichkeitslehre hat in der Literatur nur wenig Anhänger gefunden, die überwiegende Mehrzahl der Schriftsteller hat sie auch für das neue Recht verworfen (vgl. Jaeger, Anfechtungsgesetz, Anm. 15 zu § 1, Konkursordnung 5. Aufl. Anm. 10 flg. zu § 29 und die dortigen Nachweise). Ebenso hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts, insbesondere auch des erkennenden Senats, wie für das alte so auch für das neue Recht ständig daran festgehalten, daß die Anfechtung im Konkurse wie außerhalb des Konkurses nicht Nichtigkeit, sondern nur relative Unwirksamkeit im Verhältnis zwischen dem Anfechtenden und dem Anfechtungsgegner bewirkt (RGZ. Bd. 13 S. 6, Bd. 30 S. 404, Bd. 40 S. 5, Bd. 42 S. 367, Bd. 47 S. 219, Bd. 50 S. 124, Bd. 52 S. 340, Bd. 58, S. 107 u. a. m.). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, ist um so weniger Anlaß, als gerade der vorliegende Fall beweist, zu welch unhaltbaren und unbilligen Ergebnissen die Dinglichkeitslehre führen würde.

Wenn hiernach die Pfändung des Beklagten nur dem anfechtenden Kläger gegenüber unwirksam ist, allen andern, dem Schuldner sowohl als auch Dritten gegenüber die vollgültige Pfändung bestehen bleibt, so folgt daraus ohne weiteres, daß bei Pfandgläubiger M., der am gleichen Tage wie der Beklagte die Benachrichtigung von der bevorstehenden Pfändung den Drittschuldnern hat zustellen lassen, zu seinen Gunsten aus der erfolgreichen Anfechtung des Klägers keinen Vorteil herleiten kann. Unter keinen Umständen könnte M. die im Verteilungsverfahren dem Beklagten zugeteilten Beträge für sich beanspruchen, solange er nicht selbst mit Erfolg die Pfändung des Beklagten angefochten hat. Die Sachlage ist rechtlich nicht anders zu beurteilen, als wenn die Pfändungen des Beklagten und des M. zeitlich in der Art nach einander lägen, daß der Beklagte Erstpfändender und M. Zweitpfändender wäre, oder wenn von mehreren im Range sich folgenden Hypotheken die vorgehende angefochten würde. Ebensowenig wie in diesen Fällen die nachfolgenden Realgläubiger, wenn sie nicht selbst anfechten, aufrücken, weil das ihnen vorgehende Pfandrecht oder die vorgehende Hypothek an sich und ihnen gegenüber wirksam bleibt Jaeger, Konkursordnung Anm. 26 zu § 29; RGZ. Bd. 47 S. 216, Jur. Wochenschr. 1899 S. 831 Nr. 13), ebensowenig kann der im Range gleichstehende Realgläubiger in die Rechtsstellung seines Konkurrenten dadurch hineinwachsen, daß dessen Recht seitens eines anderen Gläubigers mit Erfolg angefochten wird.

Auch die Frage, ob eine Gläubigerbenachteiligung etwa deshalb entfällt, weil, wenn der Beklagte nicht gepfändet hätte, durch die Pfändung des M. diesem die gesamten Mietbeträge für seine Forderung, die jetzt noch höher ist als die hier streitigen Beträge, zugefallen wären, ist zu verneinen. Denn wenn der Beklagte damals nicht gepfändet hätte, so wäre der Kläger ebenso wie jeder andere Gläubiger in der Lage gewesen, mit M. gleichzeitig zu pfänden.

Wenn hiernach die Pfändung des Beklagten dem Kläger und nur ihm gegenüber unwirksam ist, so ist für ihn die Befriedigungsmöglichkeit aus den dem Beklagten im Verteilungsverfahren zugeteilten Beträgen gegeben. Er hat in bezug auf sie "zwecks seiner Befriedigung" (§ 1 AnfG.) an Stelle des Beklagten, und zwar bis zur Höhe seiner Forderung, "soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist" (§ 7), Anspruch auf Rückgewähr. Wären die dem Beklagten zugeteilten Beträge bereits an ihn ausgezahlt, so würde der Rückgewährungsanspruch auf Herauszahlung dieser Beträge an den Kläger bis zur Höhe seiner Forderung gehen, die übrigens unbestritten höher als jene ist. Da die Beträge aber hinterlegt sind, so war es folgerichtig, wenn das Berufungsgericht dem Antrage des Klägers entsprechend erkannte, daß der Beklagte in die Auszahlung der für ihn hinterlegten Beträge an den Kläger einzuwilligen habe."