RG, 23.03.1917 - VII 394/16

Daten
Fall: 
Heilung des Mangels in der Zustellung
Fundstellen: 
RGZ 90, 86
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.03.1917
Aktenzeichen: 
VII 394/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Elberfeld
  • OLG Düsseldorf

Wird die einjährige Frist der §§ 41 und 42 KO. durch eine an sich wegen eines Mangels der Zustellung unwirksame Klagerhebung dann gewahrt, wenn der Mangel mit rückwirkender Kraft geheilt wird?

Gründe

"Die Revision greift das Berufungsurteil lediglich insoweit an, als der Berufungsrichter die einjährige Anfechtungsfrist als gewahrt angesehen hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie der Berufungsrichter annimmt, der § 42 KO. oder ob nicht vielmehr der § 41 daselbst Anwendung zu finden hat, denn in beiden Fällen hängt die Wahrung der Frist davon ab, ob die Anfechtung bereits mit der im März 1914 geschehenen Klageerhebung als erfolgt zu erachten ist oder nicht. Der Berufungsrichter hat das erstere angenommen und dem ist beizutreten.

Nach feststehender Rechtsprechung hat die Anfechtung innerhalb der einjährigen Frist durch Erhebung der Klage zu erfolgen und ist diese Frist eine Ausschlußfrist, deren Wahrung das Gericht unabhängig von einem etwaigen Zugeständnis des Anfechtungsbeklagten von Amts wegen festzustellen hat. Die Frage aber, ob im einzelnen Falle eine rechtswirksame Erhebung der Klage vorliegt, ist lediglich nach dem Prozeßrechte zu entscheiden. Hat eine an irgend einem Mangel leidende und deshalb an sich der Wirksamkeit entbehrende Klagerhebung auf Grund prozeßrechtlicher Vorschriften nachträglich mit rückwirkender Kraft die gleiche Wirksamkeit erlangt, als sei sie niemals mit dem Mangel behaftet gewesen, so muß einer solchen Klagerhebung auch die bürgerlichrechtliche Wirkung einer rechtswirksamen Klagerhebung beigemessen werden. Zutreffend hat es der II. Zivilsenat des Reichsgerichts in seinem Urteile vom 8. Juni 1915 - RGZ. Bd. 86 S. 245 - für ausgeschlossen erklärt, daß eine Klagerhebung prozessual wirksam sein, aber der materiellrechtlichen Wirkung entbehren könnte. Die Eigenschaft der Anfechtungsfrist als einer Ausschlußfrist rechtfertigt nicht eine abweichende Auffassung.

Im vorliegenden Falle hat die zu Unrecht an die Mutter und Vormünderin der Revisionsklägerin erfolgte Zustellung der Klage das Ergebnis gehabt, daß der von der Mutter bestellte Prozeßbevollmächtigte, Rechtsanwalt L., von Anfang an nicht nur in allen Schriftsätzen, sondern auch in allen Terminen zugleich auch für die Revisionsklägerin aufgetreten ist und verhandelt hat. Dadurch, daß sodann der schon zur Zeit der Klagezustellung zur Wahrnehmung aller Vermögensangelegenheiten der Revisionsklägerin bestellte Pfleger durch den nun auch von ihm zum Prozeßbevollmächtigten ernannten Rechtsanwalt L. im Verhandlungstermine vom 8. Juni 1915 die bisherige Prozeßführung genehmigte, verlor er das Recht, wegen des der Zustellung der Klage anhaftenden Mangels deren Abweisung zu verlangen, mußte vielmehr nunmehr die sachliche Entscheidung über die erhobene Klage entgegennehmen. Für den somit durchzuführenden Rechtsstreit kann als Zeitpunkt des Rechtshängigwerdens des geltendgemachten Anfechtungsanspruchs nur der in Betracht kommen, in dem, wenn auch zu Unrecht, die Klage für die Revisionsklägerin an ihre Vormünderin statt an ihren Pfleger tatsächlich zugestellt worden ist. Mit Recht wird aus der Vorschrift des § 579 Nr. 4 ZPO. gefolgert, daß auch der Mangel der gesetzlichen Vertretungsbefugnis mit rückwirkender Kraft durch Genehmigung des gesetzlichen Vertreters geheilt werden kann (vgl. Hellwig im Recht Jahrg. 9 S. 301 unter II. 2). zu Unrecht glaubt die Revision sich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juni 1916 (RGZ. Bd. 88 S. 294) berufen zu können. Dort hat der Senat das entscheidende Gewicht darauf gelegt, daß es zur Wahrung der Frist der Natur der Sache nach erforderlich ist, daß sich die Klage als geeignet erweist, zu einer sachlichen Entscheidung über den geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu führen, daß aber bei Abweisung der Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts nur ein wirkungsloser und deshalb für die Fristwahrung unerheblicher Versuch der Ausübung des Anfechtungsrechts vorliege. Von einem solchen wirkungslosen Versuche kann im vorliegenden Falle keine Rede sein, da der Pfleger unter Eintritt in den anhängigen Prozeß alle vorhergegangenen - sei es namens der Revisionsklägerin. sei es ihr gegenüber seitens des Klägers vorgenommenen - Prozeßhandlungen ausdrücklich gutgeheißen hat und diese deshalb als wirksam erfolgt gelten lassen muß." ...