RG, 18.05.1889 - I 101/89

Daten
Fall: 
Plakatvignette
Fundstellen: 
RGZ 23, 116
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.05.1889
Aktenzeichen: 
I 101/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Duisburg
  • OLG Hamm

Bildliche Darstellung mit Genehmigung ihres Urhebers als Plakatvignette verwendet. Unter welchen Voraussetzungen ist dieselbe gegen unbefugte Nachbildung geschützt?

Tatbestand

Klägerin hat auf Veranlassung des Norddeutschen Lloyd ein Plakatbild angefertigt, welches ein auf der Fahrt befindliches unter Segel gehendes Dampfschiff darstellt. Ein ähnliches Reklamebild, zugestandenermaßen mit Benutzung des von der Klägerin hergestellten, hat Beklagter für den Vertrieb von Rauchtabak anfertigen lassen. Auf dem klägerischen Plakat findet sich der Vermerk "gesetzlich eingetragen". Eine Eintragung in das Musterschutzregister hat nicht stattgefunden. Klägerin hält sich für berechtigt, die Beklagte wegen unbefugter Nachbildung in Anspruch zu nehmen, in erster Linie, weil es sich um eine durch §. 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 geschützte Abbildung handle, eventuell auf Grund des Gesetzes vom 9. Januar 1876. In letzter Hinsicht ist geltend gemacht, daß die Abbildung auf den Plakaten des Norddeutschen Lloyd von einem Künstler ersten Ranges O. koloriert sei, daß Klägerin hierfür 300 M bezahlt und das ausschließliche Vervielfältigungsrecht erworben habe. Die auf Entschädigung, eventuell auf Herausgabe der Bereicherung, sowie auf Einziehung der im Besitze der Beklagten befindlichen Nachdrucksexemplare und der ausschließlich zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen ist in den beiden Vorinstanzen abgewiesen worden. Die Revision ist zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Instanzrichter nehmen an, daß die in Rede stehende bildliche Darstellung weder durch §. 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken, noch durch das Gesetz vom 9. Januar 1876, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, geschützt sei. Die Unanwendbarkeit des §. 43 a. a. O. ist auf die Erwägung gegründet, daß zu den in dieser Bestimmung den geographischen, topographischen, naturwissenschaftlichen, architektonischen, technischen an die Seite gestellten "ähnlichen Zeichnungen und Abbildungen, welche ihrem Hauptzwecke nach nicht als Kunstwerke zu betrachten sind", nur solche bildliche Darstellungen gehören, die zu wissenschaftlichen ober belehrenden Zwecken hergestellt sind, und daß dem klägerischen Plakatbilde ein derartiger Zweck fern liegt. Diese Erwägung ist tatsächlich und rechtlich zutreffend, auch nicht zum Gegenstande eines Revisionsangriffes gemacht worden.

Den Schutz des Gesetzes vom 9. Januar 1376 haben die Instanzrichter der fraglichen Abbildung aus zwei Gründen abgesprochen: einmal, weil sie überhaupt nicht als ein Wert der bildenden Künste zu betrachten sei; sodann, weil sie bei entgegengesetzter Auffassung doch jedenfalls unter §. 14 des gedachten Gesetzes fallen würde.

Den Erwägungen, die bezüglich des ersten dieser beiden Gründe für die Vorinstanzen maßgebend gewesen sind, kann nicht zugestimmt werden. Der Berufungsrichter hat im Anschlusse an die Entscheidungsgründe des Landgerichtes ausgeführt, daß die mehrerwähnte Abbildung nicht zum Zwecke der Darstellung des Schönen, jedenfalls nicht vorwiegend zu diesem Zwecke geschaffen sei, wie aus ihrer Benutzung als Träger der aufgedruckten Firmen erhelle, abgesehen davon, daß eine Absicht kaufmännischer Firmen, aus Menschenfreundlichkeit in den Betrachtern ihrer Reklameplakate die Gefühle des Schönen zu erwecken, nicht zu vermuten sei.

Was zunächst die letzte Bemerkung anlangt, so ist ohne weiteres klar, daß, wenn eine Darstellung an sich dem Begriffe eines Werkes der bildenden Künste entspricht, sie diese Eigenschaft durch die Art ihrer Benutzung unmöglich verlieren kann. Der Begriff eines Werkes der bildenden Kunst wird aber dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Urheber dasselbe zum Behufe der Benutzung für Zwecke der gewerblichen Reklame angefertigt hat. Es ist nicht bloß möglich, sondern kommt, wie die Erfahrung lehrt, häufig genug vor, daß die künstlerische Thätigkeit, wie anderen der Kunst fremden Zwecken, so auch der gewerblichen Reklame dienstbar gemacht wird. Die ästhetische Darstellung ist in solchen Fällen noch immer der unmittelbare, in der Sache selbst liegende Zweck, der für die Frage nach der Anwendung des Gesetzes vom 9. Januar 1876 allein von Bedeutung ist. Daß der Urheber bei der Hervorbringung andere Zwecke ins Auge gefaßt hat, ist für die rechtliche Würdigung des Werkes ohne Erheblichkeit.

Von dem hervorgehobenen Gesichtspunkte aus würde in neue thatsächliche Erörterungen einzutreten sein, wenn das Berufungsurteil nicht durch die Bezugnahme auf §. 14 des Gesetzes vom 9. Januar 1876 getragen würde. Der Urheber eines Werkes der bildenden Künste, welcher gestattet, daß dasselbe an Werken der Industrie nachgebildet wird, soll hiernach gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie nur nach Maßgabe des Muster- und Modellschutzes geschützt werden. Dieser Fall liegt hier vor, da Plakate unzweifelhaft zu den Werten der Industrie zu rechnen sind. Die Ausführung der Revision §. 14 a. a. O. sehe voraus, daß das betreffende Wert des Musterschutzes fähig sei, Plakate und Geschäftsreklamen aber seien zur Eintragung in das Musterregister nicht geeignet, ist unbegründet. Nicht das Plakat, für welches das von der Klägerin hergestellte Bild zuerst benutzt worden ist, wohl aber dieses Bild als Plakatvignette würde der Eintragung in das Musterregister ebenso fähig sein, wie z. B. Muster zu Randverzierungen für Plakate in dasselbe eingetragen werden können. Übrigens bezieht sich §. 14 unterschiedslos auf alle Werke der bildenden Künste, die mit Gestattung ihres Urhebers an Werken der Industrie nachgebildet sind, würde also auch dann zur Anwendung kommen müssen, wenn es sich um ein Werk handelte, welches seiner Beschaffenheit nach zur Eintragung in das Musterregister ungeeignet ist. Da ein mit Erlaubnis des Urhebers an Industrieerzeugnissen nachgebildetes Werk gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie nur nach Maßgabe des Muster- und Modellschutzes geschützt ist, so entbehrt dasselbe, wenn dieser Schutz versagt, den gedachten Nachbildungen gegenüber des Rechtsschutzes gänzlich. Dieses Ergebnis steht im Einklange sowohl mit dem Inhalte wie mit den Motiven der gesetzlichen Bestimmung, in denen bemerkt wird, daß ein Künstler, der die Nachbildung seines Werkes an einem Industrieerzeugnisse zuläßt, damit aus dem Gebiete der sog. hohen Kunst heraustritt und daher gegen weitere Nachbildung im Bereiche der Industrie nur denjenigen Schutz in Anspruch nehmen kann, welcher den gewerblichen Mustern und Modellen eingeräumt ist. Die in Rede stehende Abbildung ist demnach, da sie nicht in das Musterregister eingetragen ist, gegen die Nachbildung der Beklagten nicht geschützt."