RG, 10.07.1884 - I 209/84

Daten
Fall: 
Aktivlegitimation aus der Wechselurkunde
Fundstellen: 
RGZ 12, 131
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.07.1884
Aktenzeichen: 
I 209/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Muß bei Wechselklagen die Aktivlegitimation aus der Wechselurkunde hervorgehen?

Tatbestand

Die Aktiengesellschaft Deutsche Handelsgesellschaft zu Frankfurt a./M. hat eine Zweigniederlassung zu Bromberg, welche die Firma führt: "Deutsche Handelsgesellschaft in Frankfurt a./M. Agentur Bromberg". Ein von Sz. auf S. gezogener, von letzterem acceptierter Wechsel wurde mangels Zahlung protestiert, aber von einem Notadressaten unter Protest "für die Deutsche Handelsgesellschaft in Frankfurt a.M. Agentur Bromberg zu Bromberg" bezahlt. Aus diesem Wechsel klagte im Wechselprozesse die Deutsche Handelsgesellschaft zu Frankfurt a.M. gegen den Acceptanten S., welcher die Aktivlegitimation der Klägerin bestritt. Der Einwand wurde in der Berufungsinstanz für begründet erklärt, in der Revisionsinstanz verworfen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Bei Prüfung der Klageberechtigung der klagenden Aktiengesellschaft kommen zwei Indossamente in Betracht:

  1. Das von dem Aussteller des an eigene Order gezogenen Wechsels ausgestellte erste Indossament, welches auf die "Deutsche Handelsgesellschaft in Frankfurt a.M. Agentur Bromberg" als Indossatarin lautet,
  2. das von der letzteren ausgestellte, auf die "Deutsche Handelsgesellschaft" als Indossatarin lautende nächstfolgende Indossament.

Das Berufungsgericht verneint die Berechtigung der Klägerin zur Erhebung der Wechselklage gegen den Acceptanten, indem es nur das letztere Indossament in Betracht zieht und dasselbe aus zwei Gründen für ungeeignet erklärt, die Aktivlegitimation der Klägerin zu begründen, erstens, weil die Firma der klagenden Aktiengesellschaft laute: "Deutsche Handelsgesellschaft zu Frankfurt a.M.", als Indossatarin aber in dem gedachten Indossamente die "Deutsche Handelsgesellschaft" ohne den Beisatz zu Frankfurt a./M. genannt sei, zweitens, weil dieses Indossament durch die zu Ehren der vorhergehenden Indossatarin geschehene Wechselintervention seine wechselrechtliche Wirkung verloren habe.

Die Revisionsklägerin greift diese Entscheidung aus dem Grunde an, weil ihre Berechtigung zur Erhebung der Wechselklage aus dem ersten Indossament hervorgehe, indem die daselbst als Indossatarin benannte Agentur in Bromberg eine Zweigniederlassung der klagenden Aktiengesellschaft sei.

Dieser Angriff ist für begründet zu erachten.

Der von dem Berufungsgerichte ausgesprochene Satz, die Legitimation des Inhabers eines Wechsels zur Zahlungsforderung müsse aus der Wechselurkunde selbst hervorgehen, bedarf der Einschränkung. Auch einer anderen als der in der Wechselurkunde bezeichneten Person kann das Recht zur Geltendmachung der Wechselforderung zustehen, sofern dasselbe durch ein außerhalb des Wechsels liegendes Rechtsverhältnis dieser Person zu der in der Wechselurkunde als Wechselgläubiger bezeichneten Person, z. B. durch Erbgang, eheliches Güterrecht, Cession oder ein sonstiges Rechtsgeschäft, begründet wird. Es kann daher auch die Klageberechtigung der klagenden Aktiengesellschaft darauf gestützt werden, daß sie als Subjekt des in ihrer Zweigniederlassung zu Bromberg angelegten Vermögens über die dazu gehörigen Vermögensstücke zu verfügen, mithin auch die auf den Namen der Zweigniederlassung als Indossatarin erworbenen Wechselforderungen einzuklagen berechtigt ist. Weder wechselrechtliche noch prozessuale Hindernisse stehen dieser Begründung der Aktivlegitimation im Wege. ...

Zweifelhafter ist, ob nach den für den Urkunden- und Wechselprozeß geltenden Grundsätzen die Berufung der Klägerin auf das erste Indossament in Verbindung mit der Eigenschaft der darin als Indossatarin genannten Agentur in Bromberg als einer Zweigniederlassung der klagenden Aktiengesellschaft zulässig ist, obgleich diese Eigenschaft in der Klageschrift weder behauptet, noch die zum Beweise derselben dienende Urkunde gemäß §. 556 C.P.O. der Klage beigefügt war. Es ist jedoch die (unter den Auslegern der Civilprozeßordnung allerdings sehr bestrittene) Ansicht für richtig zu erachten, daß die Abweisung der im Urkunden- und Wechselprozesse erhobenen Klage wegen Nichtbeifügung einer Urkunde zur Klageschrift (§. 556 Satz 2 a. a. O.) oder wegen Nichtantretung des Beweises durch Vorlegung einer Urkunde im Verhandlungstermine (§. 560 Abs. 2 a. a. O) alsdann nicht stattfindet, wenn die durch die Urkunde zu beweisende Thatsache als offenkundig oder unbestritten keines Beweises bedarf. Dies ergiebt sich, was die Antretung des Beweises betrifft, aus der Vorschrift des §. 560 Abs. 2 a. a. O., daß die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abzuweisen ist, wenn Kläger einen ihm obliegenden Beweis nicht mit den im Urkundenprozesse zulässigen Beweismitteln angetreten hat. In betreff der Klageschrift aber ergiebt sich dasselbe aus der Erwägung, daß die Pflicht zur Ankündigung der als Beweismittel zu benutzenden Urkunden durch urschriftliche oder abschriftliche Beifügung derselben zur Klage sich nicht weiter erstreckt, als die Pflicht zur Antretung und Führung des Beweises. Der Kläger, welcher es unterläßt, der im Urkundenprozesse erhobenen Klage bezüglich einer zur Klagebegründung gehörigen Thatsache, insbesondere bezüglich der Aktivlegitimation, die zum Beweise derselben dienende Urkunde beizufügen, läuft Gefahr, wegen dieses Mangels mit der erhobenen Klage abgewiesen zu werden, wenn der Beklagte nicht erscheint oder die Klage bestreitet; der an sich vorhandene Mangel stellt sich aber als ein unwesentlicher, die Abweisung der Klage nicht rechtfertigender heraus, wenn sich bei der Verhandlung ergiebt, daß die in Rede stehende Thatsache des Beweises nicht bedarf. Dieser Fall liegt im gegenwärtigen Rechtsstreite vor. Die Thatsache, daß die Deutsche Handelsgesellschaft zu Frankfurt a./M., Agentur Bromberg in Bromberg, eine Zweigniederlassung der klagenden Aktiengesellschaft ist, hat Beklagter laut des Thatbestandes der ergangenen Urteile weder in erster noch in zweiter Instanz bestritten, und der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß hierüber "thatsächlich kein Zweifel obwaltet", ist in Verbindung mit dem Thatbestande nicht dahin zu verstehen, daß dieser Umstand vom Beklagten bestritten, aber durch den vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister erwiesen sei, sondern dahin, daß derselbe als unstreitig keinem Zweifel unterliege.

Ein Bedenken gegen die Herleitung der Klageberechtigung der Klägerin aus dem ersten Indossamente ergiebt sich auch nicht aus dem Umstande, daß dieses Indossament nicht das letzte ist, sondern darauf ein von der Agentur in Bromberg ausgestelltes undurchstrichenes weiteres Indossament folgt. Letzteres Indossament steht der Legitimation der Klägerin nicht entgegen, wenn man unterstellt, daß die Agentur in Bromberg als Honoratin oder anstatt derselben die Klägerin den Wechsel nach geleisteter Ehrenzahlung von dem Notadressaten, welcher diese Zahlung geleistet, unter Befriedigung desselben eingelöst hat; denn nach Art. 55 W.O. kann jeder Indossant, der einen seiner Nachmänner befriedigt hat, sein eigenes und seiner Nachmänner Indossament ausstreichen, und er kann die Rechte aus dem Wechsel gegen Vormänner und Acceptanten auch dann geltend machen, wenn er bisher unterlassen hat, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, welche Sätze auch dann Anwendung finden, wenn bei stattgehabter Wechselintervention der Honorat den Wechsel von dem Ehrenzahler eingelöst hat, wie man in Übereinstimmung mit dem vormaligen Reichsoberhandelsgerichte,1 annimmt. Aber auch wenn man die Einlösung des Wechsels seitens des Honoraten von dem Ehrenzahler als durch das angefochtene Urteil nicht festgestellt erachtet, steht das zweite Indossament der auf das erste Indossament gestützten Klageberechtigung nicht entgegen, weil jenes nach der zutreffenden Ausführung des Berufungsgerichtes durch die Wechselintervention zu Ehren des im ersten Indossamente genannten Indossatars seine wechselrechtliche Wirkung verloren hat, sodaß hierdurch nicht allein die Regreßpflicht der Nachmänner des Honoraten, sondern auch ihre Berechtigung zur Geltendmachung der Rechte aus dem Wechsel gegen Vormänner und Acceptanten erloschen ist."

  • 1. vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 12 S. 47,