RG, 20.02.1884 - I 506/83

Daten
Fall: 
Anwendbarkeit von Teilurteilen
Fundstellen: 
RGZ 14, 200
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.02.1884
Aktenzeichen: 
I 506/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

1. Nähere Bestimmung der Anwendbarkeit von Teilurteilen, insbesondere in der Berufungsinstanz.
2. Inwiefern kommt bei gegebener Rechnungspflicht eine tatsächliche Unmöglichkeit der Rechnungslegung in Betracht?
3. Inhalt der von einem Pflichtteilsberechtigten den Testamentsvollstreckern gegenüber zu erhebenden Ansprüche.

Tatbestand

Die Ehefrau B., eine Tochter des verstorbenen C., war von diesem in seinem Testamente, welches unter anderem die sozinische Kautel in der aus den unten folgenden Entscheidungsgründen ersichtlichen Fassung enthielt, mit Vermächtnissen bedacht, die jedoch von B. kraft seines ehemännlichen Vertretungsrechtes ausgeschlagen wurden, indem er statt dessen den seiner Frau gebührenden Pflichtteil forderte. Zur Erläuterung ist dabei zu bemerken, daß dem hamburgischen Rechte ein Noterbenrecht im engeren Sinne, d. h. das alternative Recht gewisser Personen auf Erbeinsetzung oder Angabe eines gesetzlichen Ausschließungsgrundes, unbekannt ist. Der Nachlaß des C. bestand zum größeren Teile aus dem Anspruche des C. an dem Nachlasse eines gewissen vor ihm verstorbenen W., der nach gesetzlicher Erfolge entweder ganz oder zur Hälfte ihm zugefallen war; ob das eine, oder das andere, darüber schwebte noch ein Prozeß mit einem auswärtigen Prätendenten, während der W.'sche Nachlaß sich in der Verwaltung des hamburgischen Erbschaftsamtes befand. Die Testamentsvollstrecker des C. verweigerten wegen dieser und anderer Verhältnisse dem B. vorläufig sowohl jede Rechnungslegung, wie die Auszahlung des Pflichtteiles. B. behauptete außer dem Rechte auf den letzteren im Namen seiner Ehefrau gegen den C.'schen Nachlaß noch einen Anspruch auf Zahlung von 100000 M zu haben, weil C. seiner Tochter, der Ehefrau B., diese Summe schenkungsweise versprochen habe. B. klagte daher gegen die Testamentsvollstrecker auf Zahlung dieser 100000 M, sowie darauf, daß die Testamentsvollstrecker für verpflichtet erklärt würden, ihm unter Erteilung einer Abrechnung über den Nachlaß des C. den Pflichtteil seiner Ehefrau nach Maßgabe dieser Abrechnung zu bezahlen, wobei er allerdings sich jene 100000 M anrechnen lassen wollte, wurde jedoch mit diesen Ansprüchen vom Landgerichte zur Zeit abgewiesen. Auf Berufung des Klägers hob sodann das Oberlandesgericht das erste Urteil im ganzen auf und erließ statt dessen ein "Teilurteil", durch welches die Berufung in Ansehung des Anspruches aus dem behaupteten Schenkungsversprechen zurückgewiesen, dagegen die Beklagten verpflichtet wurden, dem Kläger über den C.'schen Nachlaß Abrechnung zu erteilen; dabei wurde in Aussicht gestellt, daß nach Erteilung dieser Abrechnung über den Anspruch auf Auszahlung auf weiteren Antrag fernerer Termin angesetzt werden solle. Dieses Urteil wurde vom Kläger nicht angefochten; auf Revision der Beklagten wurde es aber vom Reichsgerichte aufgehoben, und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Aufhebung des vorigen Urteiles mußte schon deshalb erfolgen, weil die Form des Teilurteiles in demselben auf eine den Vorschriften der Civilprozeßordnung nicht entsprechende Weise verwandt worden ist. Zunächst liegt schon darin ein Widerspruch, daß das die ganze Sache erledigende Endurteil des Gerichtes erster Instanz in seiner Totalität aufgehoben, und doch nur ein Teilurteil an seine Stelle gesetzt ist, welches die Entscheidung einzelner Punkte noch offen läßt. In der Rechtsmittelinstanz kann korrekterweise ein Teilurteil nur in der Weise ergehen, daß vor allem über das Rechtsmittel als solches nur erst zum Teil entschieden, und entweder dasselbe soweit zurückgewiesen, oder auf dasselbe die angefochtene Entscheidung soweit aufgehoben beziehentlich abgeändert wird. Handelt es sich hierbei auch im allgemeinen nur um eine Frage der äußeren Form, so hängt im vorliegenden Falle dieser Formfehler doch mit einem ferneren Verstoße zusammen, welcher darin liegt, daß der durch das ergangene Teilurteil späterer Erledigung vorbehaltene Anspruch gar nicht mit dem durch dasselbe erledigten Anspruche zusammen den Gegenstand eines und desselben Prozesses bilden kann. Die Civilprozeßordnung kennt kein Verfahren, welches Raum dafür böte, daß, nachdem der Beklagte diejenige Leistung, zu welcher er zunächst zu verurteilen ist (hier nach dem angefochtenen Urteile die Erteilung einer Abrechnung), beschafft hätte, sich innerhalb desselben Prozesses auf Grundlage ebendieser Leistung und im Anschlusse an ihre Ergebnisse noch eine zweite Streitverhandlung über fernere dem Beklagten aufzuerlegende Leistungen entwickeln könnte. Das Teilurteil ist nach §. 273 C.P.O. nur dazu bestimmt, einen von solchen mehreren Ansprüchen vorweg zu erledigen, die, wenn sie nur sämtlich nach Maßgabe der Parteivorträge und Beweisergebnisse schon zur Endentscheidung reif wären, jetzt bereits gleichzeitig erledigt werden könnten, nicht aber einen Anspruch von solcher Beschaffenheit, daß seine Erledigung und Befriedigung im Sinne der Klage die notwendige Voraussetzung dafür bildet, daß der Kläger die ferneren Ansprüche überhaupt in bestimmter Abgrenzung geltend machen könne. In solchem Falle sind die letzteren Ansprüche mittels neuer Klagerhebung geltend zu machen; der erste Prozeß muß durch diejenige Verurteilung des Beklagten, welche wegen der materiellen Abhängigkeit der weiter etwa noch geltend zu machenden Ansprüche von den noch abzuwartenden praktischen Folgen dieser Verurteilung für jetzt allein möglich ist, seinen endgültigen Abschluß finden, abgesehen von einem etwaigen Zwangsvollstreckungsverfahren. Ihre wichtigste praktische Bedeutung hat diese Auffassung darin, daß, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung erst auf Berufung des Klägers in der zweiten Instanz erfolgt, der etwaige Rechnungsprozeß nicht von vornherein in die Berufungsinstanz verlegt werden kann, wie dies doch nach §. 499 verglichen mit §. 500 C.P.O. geschehen würde, wenn ein Teilurteil, wie das hier in Frage stehende, zulässig wäre. Der Rechnungsprozeß muß vielmehr in ähnlicher Weise durch neue Klage bei einem Gerichte erster Instanz anhängig gemacht werden, wie nach §. 778 Abs. 2 C.P.O. im Falle fruchtloser Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe einer Sache oder zu einer Handlung oder Unterlassung der Kläger seinen etwaigen Anspruch auf Leistung des Interesses im Wege einer neuen Klage bei dem Prozeßgerichte erster Instanz geltend zu machen hat. Wäre daher der Klagantrag: "die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Erteilung einer Abrechnung über den Nachlaß des verstorbenen C. den Pflichtteil seiner Ehefrau nach Maßgabe der Abrechnung zu bezahlen," dahin zu verstehen, daß der Kläger in diesem Prozesse die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer bestimmten Summe ausgesprochen wissen wollte, deren Betrag sich aber erst aus der zu erteilenden Abrechnung ergeben solle, so würde der Antrag auf diese Verurteilung schon aus dem dargelegten formellen Grunde jedenfalls zur Zeit haben abgewiesen werden müssen. Allerdings war aber keine Veranlassung gegeben, den Antrag so auszulegen: man brauchte vielmehr nichts anderes als beantragt anzusehen, als die allgemeine Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet seien, dem Kläger nach Maßgabe der zu erteilenden Abrechnung den fraglichen Pflichtteil auszukehren, und die Verurteilung derselben zur Erteilung dieser Abrechnung. Ob, wenn im übrigen kein Grund zur Aufhebung des vorigen Urteiles vorgelegen hätte, das Reichsgericht nach Maßgabe des §. 528 C.P.O. in der Lage gewesen wäre, von dem angedeuteten Standpunkte aus selbst in der Sache zu entscheiden, braucht nicht erörtert zu werden, da in der That auch noch aus anderen Gründen die Aufhebung ausgesprochen werden mußte, und zwar so, daß die Sache jedenfalls an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung zurückzuverweisen war.

Mit Recht haben sich nämlich die beklagtischen Testamentsvollstrecker darüber beschwert, daß sie dem Kläger überhaupt zur Erteilung einer Abrechnung verurteilt worden sind, wenngleich dem rechtlichen Standpunkte, von welchem aus die Abweisung dieses Anspruches verlangt worden ist, keineswegs in jeder Beziehung beigetreten werden konnte. Ging man einstweilen, mit dem angefochtenen Urteile, davon aus, daß die Beklagten den C.'schen Nachlaß in Höhe des Pflichtteiles der klägerischen Ehefrau für diese, und insofern für den Kläger selbst verwalten und daher im allgemeinen dem Kläger rechnungspflichtig seien, so erschien die ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung doch insofern mindestens als bedenklich, als einerseits eine gewisse Unklarheit darüber gelassen ist, wie sich die von den Beklagten zu erteilende Abrechnung eigentlich zu dem Umstande verhalten soll, daß die Beklagten thatsächlich den C.'schen Nachlaß doch großenteils gar nicht in ihrer Verwaltung gehabt haben, und als andererseits sehr zweifelhaft ist, ob diejenige Abrechnung, welche nach Lage der Sache für jetzt von den Beklagten höchstens verlangt werden dürfte, eine solche sein würde, wie sie der Klagantrag als Grundlage für die Ermittelung des Betrages des Pflichtteiles überhaupt nur im Auge hatte. Gewiß ist, daß jeder Verwalter fremden Vermögens den Interessenten nach Verlauf einer angemessenen Zeit Rechnungsablage schuldet nach Maßgabe des augenblicklichen Standes seiner Verwaltung; aber diese Verpflichtung kann sich doch nur auf dasjenige erstrecken, was er wirklich in seine Verwaltung bekommen hat; schon in Beziehung auf solche Vermögensteile, die er etwa schuldvollerweise in seine Verwaltung einzubeziehen unterlassen hätte, könnte es sich nur um eine Schadensersatzpflicht handeln.1

Im vorliegenden Falle nun besteht zwischen den Parteien kein Streit darüber, daß die Beklagten den bedeutendsten Teil des C.'schen Nachlasses, nämlich den W.'schen Nachlaß, sei es nun der ganze, oder nur die Hälfte desselben, gar nicht selbst unter sich haben, sondern daß dieser vom Erbschaftsamte, wenn auch ganz oder zur Hälfte für ihre Rechnung, verwaltet wird. Insoweit könnte also gegenwärtig von einer eigentlichen Rechnungslegung der Beklagten noch nicht die Rede sein, sondern höchstens von einer Mitteilung derjenigen Auskunft, die sie vom Erbschaftsamte über den Stand seiner Verwaltung zu erlangen vermocht haben. Das Oberlandesgericht nun scheint mit seiner Entscheidung hierüber hinausgreifen zu wollen, indem es auf die den Beklagten sich darbietende Möglichkeit hinweist, die "Zuweisung" des W.'schen Nachlasses, bezw. der Hälfte desselben, an sie selbst in irgend einer Weise herbeizuführen und demnächst denselben mit zum Gegenstande ihrer Rechnungslegung zu machen. Aber von diesem Standpunkte aus würde sich doch nicht die Verurteilung der Beklagten zur sofortigen, sondern nur zur späteren, eventuellen Rechnungslegung ergeben haben, und es wird daher ungewiß, wie die in der Urteilsformel des Berufungsurteiles ausgesprochene Verurteilung eigentlich gemeint ist. Dabei mag noch hervorgehoben werden, daß der vom Oberlandesgerichte allerdings nur als adminikulierenden herangezogenen Erwägung, der Einwand thatsächlicher Unmöglichkeit der Rechnungslegung komme rechtlich überhaupt nicht in Betracht, nach dem oben dargelegten keinesfalls beigestimmt werden könnte. Daß andererseits mit einer Rechnungslegung, wie sie bis jetzt allein thatsächlich möglich sein würde, dem Kläger auf seinem Standpunkte kaum gedient sein möchte, ist ebenfalls schon bemerkt worden.

Eines weiteren Eingehens auf alles dies bedarf es nun aber nicht, weil die ganze Voraussetzung, daß die Beklagten dem Kläger rechnungspflichtig seien, überhaupt nicht für richtig zu halten war. Testamentsvollstrecker als solche verwalten den Nachlaß niemals mit für einen Pflichtteilsberechtigten als solchen. Bei der rechtlichen Betrachtung dieses Verhältnisses ist natürlich von dem abzusehen, was ohne rechtliche Nötigung thatsächlich sehr häufig in solchen Fällen vorkommen mag. Thatsächlich mag oft genug im wohlverstandenen beiderseitigen Interesse die Abwickelung in der Weise vor sich gehen, daß das Pflichtteilsrecht den nur auf dem Testamente beruhenden Erbrechten gleich behandelt wird, indem der Pflichtteilsberechtigte und der Testamentsvollstrecker ausdrücklich oder stillschweigend dahin einverstanden sind, daß letzterer die Liquidation des ganzen Nachlasses ungestört zu Ende führe und jenem auf Grund des Ergebnisses derselben die entsprechende Quote auskehre. Gegenwärtig steht aber in Frage, wie das Verhältnis zwischen den beiden nach der Strenge des Rechtes aufzufassen sei; und da, gelangt man zu einer ganz abweichenden Regelung desselben, deren Wesen sich dahin zusammenfassen läßt, daß der Testamentsvollstrecker dem Pflichtteilsberechtigten als solchem gegenüber einerseits gar keine Rechte, andererseits aber auch nicht die mindeste Verwaltungsverpflichtung hat. Ganz auszusondern sind hier natürlich solche Fälle, in welchen der Pflichtteilsberechtigte wegen vollständiger Verletzung seines Pflichtteilsrechtes auf Grund der Nov, 115 c. 3 und 4, bezw. der Hamburger Statuten 3, 1, 26, überhaupt als Intestaterbe einrückt, bezw. mittels der querela inofficiosi testamenti die gerichtliche Vernichtung des Testamentes für seinen Intestaterbteil herbeiführt. Hiervon abgesehen, ist dem Pflichtteilsberechtigten entweder sein Pflichtteil als eine ideelle Quote des Nachlasses letztwillig zugewandt, oder er hat den Wert desselben auf Grund von Singularvermächtnissen, bezw. soweit diese ihn nicht decken, mittels der actio ad supplendam legitimam nach l. 30 pr. l. 31. l. 36 pr. Cod. de inoff. test. 3, 28 und §. 3 Inst. eod. 2, 18, bezw. den Hamburgischen Statuten 3, 1, 27, zu fordern. Im ersteren Falle hat er zu der betreffenden Quote das Recht auf eigene Mitverwaltung des Nachlasses; denn die Bestellung eines Testamentsvollstreckers muß in Ansehung dieser Quote zu denjenigen gravamina gerechnet werden, welche nach l. 32 und l. 36 §. 1 Cod. de inoff. test. 3, 28 bei letztwilliger Hinterlassung des Pflichtteiles einfach als nicht geschrieben gelten. Im anderen Falle hat der Pflichtteilsberechtigte gegen den Nachlaß ein gewöhnliches Forderungsrecht von einem objektiv von vornherein feststehenden Betrage, welches sofort fällig ist, sobald überhaupt auf Grund des Testamentes succediert wird, und welches zwar von dem Testamentsvollstrecker als Vertreter des Nachlasses befriedigt werden muß, aber von den Ergebnissen der Verwaltung desselben in seinem Bestande gar nicht berührt wird. In concreto liegt der letztere Fall vor. Unter der in der Person der klägerischen Ehefrau eingetretenen Voraussetzung, daß einer der Descendenten des Testators selbst oder durch seinen gesetzlichen Vertreter das Testament anfechten sollte, ist in dem letzteren in Ansehung des betreffenden Descendenten verordnet, daß derselbe nur auf den Pflichtteil eingesetzt, im übrigen enterbt und nach Auszahlung des Pflichtteiles von dem Nachlasse gänzlich geschieden sein solle. Obgleich hier der Ausdruck "eingesetzt" gebraucht ist, kann doch nicht bezweifelt werden, daß die Verfügung nicht etwa als bedingte Erbeinsetzung, sondern nur als bedingtes Vermächtnis des Betrages des Pflichtteiles in Geld gemeint ist, wie schon aus dem Zusatze hervorgeht, daß ein solcher Descendent nach "Auszahlung" des Pflichtteiles von dem Nachlasse "gänzlich geschieden" sein solle; auch ist in dem gegenwärtigen Rechtsstreite dieser Punkt, daß es sich nur um eine Geldforderung an den Nachlaß handle, von keiner Seite bezweifelt worden. Dabei ist aber jede Untersuchung darüber, ob nicht aus anderen Bestimmungen des Testamentes die Meinung zu entnehmen sei, daß auch dieser Pflichtteil nicht sofort, sondern erst nachdem die Liquidation des Nachlasses bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten sei, ausgezahlt werden solle, überflüssig; denn selbst wenn der Testator dies ausdrücklich verordnet hätte, so würde es als nicht geschrieben behandelt werden müssen, nach den schon angeführten l. 32 und l. 36 §. 1 Cod. de inoff. test. 3, 28, welche sich gerade besonders gegen jede etwa vom Testator hinzugefügte Befristung oder aufschiebende Bedingung richten und dieselbe für ungültig erklären.

Mithin liegt die Sache so, daß der Kläger im Namen seiner Ehefrau einfach von den Beklagten als Verwaltern des C.'schen Nachlasses eine Geldsumme zu fordern hat, welche gleich ist dem neunten Teile des Wertes desselben, und zwar nach dem Bestande im Augenblicke des Todes des Erblassers (l. 6 Cod. de inoff. test. 3, 28), wovon nur die Beerdigungskosten noch abzuziehen sind (l. 8 §. 9 Dig. de inoff. test. 5, 2).

Der Kläger wäre von vornherein berechtigt gewesen, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung zu erwirken, falls er eine bestimmte Summe als jenen Wert des Nachlasses hätte behaupten und eventuell beweisen können. Andererseits ist aber nicht abzusehen, aus welchem Grunde die Beklagten ihm zur Erteilung einer Abrechnung verpflichtet sein sollten, außer etwa über die erwähnten Beerdigungskosten, falls sie deren Absetzung verlangen. Nach der auch aus diesem Grunde erforderlich gewordenen Aufhebung des vorigen Urteiles verbleibt es nichtsdestoweniger formell natürlich dabei, daß der Klagantrag, auch soweit er auf Erteilung einer Abrechnung gerichtet war, nur zur Zeit im Sinne des Urteiles erster Instanz abgewiesen ist, da die Beklagten in der Berufungsinstanz keinen Antrag auf Abänderung des genannten Urteiles im Sinne endgültiger Abweisung gestellt haben.

Die Folge der Aushebung des vorigen Urteiles konnte jedoch nicht in völliger Verwerfung der klägerischen Berufung bestehen. Denn es war anzunehmen, daß die Beklagten dem Kläger allerdings auch eine gewisse Beihilfe zur Formierung seines Anspruches zu leisten schuldig seien. Die Anerkennung eines solchen Anspruches des Pflichtteilsberechtigten, welcher nach Lage des Falles die Auskehrung des Betrages seines Pflichtteiles als solchen in Geld zu fordern hat, kann nach gewissen im gemeinen Rechte sich darbietenden Analogien nicht von der Hand gewiesen werden. Nach gemeinem Gewohnheitsrechte steht es nämlich ganz fest, daß, wer mit der hereditatis petitio oder der actio familiae erciscundae klagt, vom Beklagten die Vorlegung eines eidlich zu bestärkenden Verzeichnisses des von demselben aus dem betreffenden Nachlasse Besessenen verlangen kann2 welche Verbindlichkeit, obwohl nicht nur mit der Rechnungspflicht verwandt, sondern oftmals auch mit ihr verbunden, doch (gegen die Ansicht von Bähr, a. a. O. S. 256 flg.) von ihr durchaus zu unterscheiden ist. Dieselben Billigkeitsrücksichten nun, welche dahin geführt haben, demjenigen nichtbesitzenden Erben, welcher auf die Herausgabe oder die Teilung der Erbschaft als eines Ganzen klagt, ohne über die Bestandteile derselben so gut unterrichtet sein zu können, wie der belangte Besitzer, einen Anspruch auf solche Erleichterung in der Geltendmachung seines Rechtes zuzuerkennen, nötigen vom Standpunkte des gemeinen Rechtes aus auch dazu, dem durch ein Testament auf eine persönliche Pflichtteilsklage beschränkten Pflichtteilsberechtigten, vor dem der die Erbschaft als ganzes verwaltende Testamentserbe oder Testamentsvollstrecker ebenfalls die Kenntnis aller für die Berechnung des Belaufes des Pflichtteiles erheblichen Materialien voraus hat, dem letzteren gegenüber eine analoge Berechtigung auf Auskunftserteilung zu gewähren. Die verklagten Testamentsvollstrecker erscheinen daher als verpflichtet, dem Kläger einen Status des C.'schen Nachlasses, eine Übersicht aller Aktiva und Passiva desselben nebst Wertanschlägen nach ihrem besten Wissen und Vermögen mitzuteilen. Ein solches Verlangen würde selbstverständlich nicht sofort nach Eröffnung der Succession haben erhoben werden können; aber ebensowenig bedarf es einer weiteren Ausführung, daß dasselbe jetzt, nachdem ein paar Jahre verstrichen sind, nach billigem Ermessen völlig gerechtfertigt erscheinen müßte, wobei für jetzt dahingestellt bleiben kann, wie sich der Zeitpunkt, in welchem die Klage erhoben wurde, in dieser Beziehung verhielt. Die Zeit, für welche der Bestand bezw. der Wert anzugeben sein würde, ist nach dem obigen der Augenblick des Todes des Erblassers; dabei würde indessen natürlich die Benutzung späterer Ermittelungen und Erfahrungen über den Wert der einzelnen Objekte nicht ausgeschlossen sein. Kaum der Bemerkung bedarf es, daß das Recht des C.'schen Nachlasses an dem W.'schen Nachlasse als ein sehr bedeutendes Aktivum mit in Anschlag zu bringen sein würde. Grundsätzlich hindert bekanntermaßen die Ungewißheit oder die Bestrittenheit eines Anspruches oder die etwaige Schwierigkeit seiner Realisierung nicht, denselben bei der Abschätzung des betreffenden Vermögens zu berücksichtigen; dies alles sind nur Umstände, die zu einer im Vergleiche mit seinem Nominalbelaufe geringeren Wertschätzung Anlaß geben mögen. Übrigens soll durch diese Bemerkung keineswegs der Erwägung vorgegriffen sein, ob es nicht fachgemäßer sein würde, z. B. die zwischen dem C.'schen Nachlasse und einem anderen Prätendenten noch streitige Hälfte des W.'schen Nachlasses einstweilen noch außer Ansatz zu lassen und insoweit statt der Auszahlung des Pflichtteiles zunächst nur eine Kautionsbestellung für den Fall des Obsieges ins Auge zu fassen. Auf die Möglichkeit dieses oder eines ähnlichen Auskunftsmittels führt die Analogie der im gemeinen Rechte für die Berechnung der Falzidischen Quart gegebenen Vorschriften3 hin; hier kam es vorläufig nur auf die Feststellung des Prinzipes an.

Der Klagantrag war nun freilich auf Erteilung einer Abrechnung, nicht auf Mitteilung eines Status des Nachlasses in dem soeben dargelegten Sinne gerichtet. Würde aber letztere als Gegenstand des Antrages der ersteren substituiert, so würde hierin nicht etwa eine Klagänderung, sondern nur eine Beschränkung des Klagantrages im Sinne des §. 240 Nr. 2 C.P.O. zu erblicken sein. Sofort ohne weiteres in der Sache selbst auf eine dem entsprechende Verurteilung der Beklagten zu erkennen, dazu sah sich allerdings das Reichsgericht, auch wenn kein anderer Aufhebungsgrund die Zurückverweisung an das Berufungsgericht erforderlich gemacht haben sollte, doch nicht in der Lage; denn die Mitteilung eines Vermögensstatus durfte nicht schlechtweg wie ein in der Rechnungslegung mitbegriffenes, von derselben nur quantitativ verschiedenes Minus behandelt werden. Aber die Sachlage war ganz dazu angethan, dem Kläger nach Anleitung des §. 130 Abs. 1 C.P.O. Gelegenheit zu einer Äußerung darüber zu geben, ob er nicht eventuell eine Verurteilung der Beklagten wenigstens zur Vorlegung eines Status von der beregten Alt wünsche und insbesondere dem Schicksale, mit seinem Antrage auf Rechnungslegung einfach zur Zeit abgewiesen zu bleiben, vorziehe. In diesem Sinne mußte die Sache zur abermaligen Verhandlung in die vorige Instanz zurückgewiesen werden." ...

  • 1. Vgl. Bähr in den Jahrbüchern für die Dogmatik des Privatrechtes Bd. 13 S. 270 flg. 286 und Seuffert, Archiv Bd. 25 Nr. 211 (Oberappellationsgericht zu München).
  • 2. vgl. Wetzell, Civilprozeß (2. Aufl.) §. 28 S. 269 flg.; Windscheid, Pandektenrecht Bd. 3 (5, Aufl.) §. 615 bei Anm. 15 S. 271 flg.; Entsch. des Oberappellationsgerichtes zu Lübeck, bei Römer, Samml. Bd. 3 S. 685 flg., auch Frankfurter Vereinssammlung Bd. 4 S. 236 flg.; und Kierulff, Samml. Bd. 2 S. 3,
  • 3. vgl. z. B. Windscheid, a. a. O. §. 652 S. 375,