RG, 01.10.1918 - III 84/18

Daten
Fall: 
Ware "beschlagnahme- und verwendungsfrei"
Fundstellen: 
RGZ 93, 332
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.10.1918
Aktenzeichen: 
III 84/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Bedeutung der Zusicherung, daß die verkaufte Ware "beschlagnahme- und verwendungsfrei" sei.

Tatbestand

Am 28. März 1917 verkaufte der Kläger an die Beklagte1046,5 Kilo Thybetkunstwolle, "loco Crimmitschau, netto Kasse gegen Faktura nach Empfang der Ware, beschlagnahme- und verwendungsfrei", und sandte die in Schiedel, Bahnstation Crimmitschau, lagernde Ware an demselben Tage mit der Eisenbahn an einen Spediteur in Großenhain. Bevor sie in Großenhain anlangte, trat am 1. April 1917 die am gleichen Tage veröffentlichte, von der zuständigen Stelle verfügte Beschlagnahme von Kunstwolle und Kunstbaumwolle in Kraft. Aus diesem Grunde verweigerte die Beklagte Annahme und Zahlung.

Der Kläger forderte den Kaufpreis, weil die Ware beim Abschluß und bei der Versendung beschlagnahme- und verwendungsfrei gewesen und weil auch schon vor dem 1. April das Eigentum oder doch die Gefahr auf den Kläger übergegangen sei.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision blieb erfolglos.

Gründe

"Der Berufungsrichter legt dar, daß sich der Kläger auf Übergang der Gefahr im Sinne des § 447 BGB. nicht berufen könne, da §447 nur eine körperliche Veränderung betreffe; daß es aber hierauf wie auf den vom Kläger behaupteten, übrigens zu verneinenden Übergang des Eigentums um deswillen nicht ankomme, weil die Vertragsbestimmung "beschlagnahme- und verwendungsfrei" dahin verstanden werden müsse, es solle diese Freiheit auch noch zur Zeit des Eintreffens der Ware beim Käufer vorhanden sein.

Diese Auslegung einer gerade ebenso lautenden Vertragsbestimmung ist im Urteile des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 6. Juli 1917 II. 165/17 als nicht rechtsirrig, sondern als eine dem Gesetz entsprechende Prüfung und Feststellung der wirtschaftlichen Bedeutung des Abkommens erachtet worden. Ein rechtliches Bedenken steht dem nicht entgegen; eine solche Auslegung ist zum mindesten rechtlich möglich. Der Berufungsrichter stellt aber zudem hier fest, daß die Verwendungsfreiheit zur Zeit des Angebots nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Beklagte war, und daß dies auch dem Kläger selbst nicht entgangen sein könne. Das ist eine tatsächliche Feststellung des übereinstimmenden Willens beider Teile dahin, daß die Vertragsbestimmung eben jene Bedeutung haben sollte. Demgegenüber versagen die Einwendungen der Revision, daß bei der Massenhaftigkeit der Beschlagnahmeverfügungen auch die Zusage einer nur im Momente des Abschlusses bestehenden Verwendungsfreiheit wertvoll und darum denkbar und voll eines guten Sinnes gewesen sei, und daß die Beklagte durch Beförderungsaufträge an den Kläger selbst und an den Spediteur tatsächlich die Ware verwendet habe, insofern sie in diesen Aufträgen Verfügungen über die Ware traf. Der Berufungsrichter führt aus: Die Beklagte habe nach Treu und Glauben und bei der offenbaren Nichtigkeit eines Geschäfts über eine schon beschlagnahmte Ware auf Verwendungsfreiheit im Augenblicke des Abschlusses ohnedies rechnen dürfen und habe die Vertragsbestimmung nur im Sinne einer zu ihren Gunsten eingeräumten Bedingung, also in dem dargelegten weiteren Sinne, auffassen können. Dies allein sei für sie ausschlaggebend gewesen, und eben dies habe dem Kläger nicht entgehen können; die Verwendungsfreiheit habe hiernach noch bestehen müssen in dem Augenblick, in dem die Ware in die Hand der Beklagten gelangt und dadurch für sie erst wirklich verwendbar geworden war. Die Denkbarkeit und etwaige Bedeutsamkeit einer ihrem Sinne nach auf den Moment des Abschlusses beschränkten Vertragsklausel bleibt also vorliegend ohne Belang; und formelle Verfügungen und Anweisungen der Beklagten über die Beförderung der Ware, damit sie erst in ihre Hand komme, stellen noch keine Verwendung im Sinne der Vertragsbestimmung dar -- selbst dann nicht, wenn die Beklagte schon Eigentümerin geworden sein sollte. Auch dies letztere ist unerheblich und bedarf darum keiner Prüfung."