RG, 19.10.1883 - II 218/83

Daten
Fall: 
Amtshaftung der Gemeinde für Verschulden des Pfandgerichts
Fundstellen: 
RGZ 10, 286
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.10.1883
Aktenzeichen: 
II 218/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Findet, wenn das Pfandgericht (der Pfandbuchführer) eine Gemeindebehörde ist, der L.R.S. 1354 Anwendung, sodaß für die durch Verschulden des Pfandgerichtes verursachten Beschädigungen die Gemeinde haftet?

Gründe

... "Der L.R.S. 1384 findet auch dann keine Anwendung, wenn der Gemeinderat als Pfandgericht eine Behörde der Gemeinde ist.

Die Vorschrift, wonach die Geschäftsgeber für das Benehmen ihrer Geschäftsträger in den ihnen anvertrauten Verrichtungen gutstehen sollen, kann auf den Staat und die Gemeinden, deren Bedienstete durch ihr Verschulden Schaden verursachen, nur unter derselben Voraussetzung angewendet werden, welche für die Haftung physischer Personen gefordert wird. Diese wesentliche Voraussetzung ist aber das Bestehen eines solchen Dienstverhältnisses, vermöge dessen der eine Teil Geschäftsgeber ( commettant) und der andere Teil Geschäftsträger ( préposé) ist. Ein solches Verhältnis liegt aber nicht schon deshalb vor, weil der eine für den anderen oder in dessen Auftrag eine Arbeit oder einen Dienst verrichtet, sondern es ist noch weiter erforderlich, daß der Beauftragte in bezug auf die Verrichtung vom Auftraggeber abhängig, dessen Anleitungen und Weisungen unterworfen sei.

Nach diesem Grundsatze findet L.R.S. 1384 keine Anwendung, wenn jemand einem von ihm unabhängigen Geschäftsherrn (Meister) eine Arbeit überträgt, welche dieser nach seinem Ermessen, nach den Regeln seiner Kunst oder Wissenschaft auszuführen hat; ebensowenig in dem Falle, wenn jemand nur verpflichtet ist, einen anderen zur selbständigen Verrichtung eines Geschäftes auszuwählen. In Fällen dieser Art kann nur für ein besonders zu begründendes, nicht auf gesetzlicher Präsumtion beruhendes, Verschulden bei der Auswahl gehaftet werden, vgl. Art. 380 H.G.B.; auch Ihering in Jahrbüchern für Dogmatik Bd. 4 S. 84. 85, dagegen steht hierbei der Haftung auf Grund des L.R.S. 1384 insbesondere entgegen, daß demjenigen, welcher die Verrichtung übertragen hat, keinerlei Einwirkung auf deren Ausführung zukommt.

Ein solches Verhältnis liegt aber bei denjenigen Beamtungen des Staates oder der Gemeinde vor, in bezug auf welche die öffentlich rechtliche Verpflichtung der Korporation nur darin besteht, die Behörde zu errichten, damit dann deren Beamte in eigenem Namen " de son chef," wie Laurent Bd. 20 S. 638 dies zutreffend bezeichnet, das Amt nach jenen gesetzlichen Vorschriften verwalten, welche ihren Geschäftskreis zu einem in sich abgeschlossenen, selbständigen gemacht haben.

Das Pfandgericht übt nun, es mag als Staats- oder Gemeindebehörde gedacht werden, einen Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Maßgabe der Bestimmungen des Landrechtes und der - nicht von der Gemeinde - sondern vom Staate erteilten Instruktionen aus; in bezug auf dieses Amt hat die Gemeinde dem Gemeinderate weder Weisungen zu geben, noch ihn zu überwachen. Hiernach kann in bezug auf die Pfandbuchführung die Gemeinde keinesfalls als commettant des Gemeinderates, dieser als préposé derselben angesehen werden, und wenn im Gesetze vom 24. Juni 1874 in Rücksicht auf die neue Einrichtung der Pfandschreiberei in bestimmten Städten die Haftung der Gemeinden ausgesprochen ist, so kann dieser neue Rechtssatz nicht zur Auslegung des L.R.S.'s 1384 herangezogen werden."