RG, 26.09.1883 - I 304/83

Daten
Fall: 
Haftung des Verkäufers von ausländischen Inhaberpapieren
Fundstellen: 
RGZ 10, 169
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.09.1883
Aktenzeichen: 
I 304/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt a.M.
  • OLG Frankfurt a.M.

1. Haftet der Verkäufer ausländischer Inhaberpapiere in dem Falle, wenn der Käufer am Zahlungsorte die Einlösung derselben deshalb nicht erreichen kann, weil ihm nach dem dortigen Rechte die Legitimation abgesprochen wird?
2. Erfordernisse einer wirksamen Streitverkündigung des Käufers.
3. Feststellung bestrittener Normen eines fremden Rechtes ohne Beweiserhebung.

Gründe

... "Es handelt sich darum, daß die beklagtische Firma der Klägerin in Frankfurt zur Erfüllung eines zwischen ihnen dort geschlossenen Kaufvertrages über ca. 1600 Dollars in New York zahlbarer fälliger Coupons, u. a. 36 Coupons von Mortgage Bonds der Missouri Pacific Railway Company, über je 30 Dollars lautend, geliefert hat, welche sodann infolge eines von einer gewissen Frau W., als früheren Besitzerin und Eigentümerin dieser Bonds bezw. Coupons zu New York erwirkten gerichtlichen Einschreitens von der Klägerin nicht haben durch Erlangung der Einlösung realisiert werden können. Mit Recht sind die Beklagten deswegen zur Erstattung des Wertes der Coupons, sowie der durch den New-Yorker Prozeß und die darauf bezügliche Streitverkündigung der Klägerin entstandenen Kosten verurteilt. Man kann zwar bezweifeln, ob sich diese Verurteilung aus dem von dem Berufungsgerichte hauptsächlich hervorgehobenen Gesichtspunkte der Eviktion der Papiere als solcher wirklich rechtfertigt, ob nicht vielmehr diesem Klagegrunde gegenüber mit Grund darauf hingewiesen werden könnte, daß die beklagtische Firma durch die in Frankfurt erfolgte Übergabe der Coupons nach Art. 307 H.G.B. der Klägerin das Eigentum an denselben verschafft habe. Aber dieser Punkt kann dahingestellt bleiben; denn beim Kaufe eines Inhaberpapieres ist als Kaufgegenstand nicht bloß die körperliche Urkunde, sondern vor allem das damit verknüpfte Forderungsrecht zu denken. Wie nun schon nach römischem Rechte der Verkäufer einer Forderung dem Käufer für die Verität derselben einzustehen hat, so muß nach heutigem Rechte beim Verkaufe von Inhaberpapieren analog als fernerer Inhalt der Verbindlichkeit des Verkäufers die Haftung dafür angenommen werden, daß dem Käufer nach dem die Obligation aus dem Inhaberpapiere beherrschenden Rechte die Legitimation zur Geltendmachung derselben verschafft sei. Dieser Satz ergiebt sich bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze des gemeinen Rechtes über den Kauf auf die besondere Rechtserscheinung der modernen Inhaberobligationen mit innerer Notwendigkeit. Es mag im allgemeinen die Frage entstehen, ob diese Haftung des Verkäufers im Falle der Nichtlegitimation des Käufers ohne weiteres eintrete, oder in der Regel die Aberkennung der Legitimation in einem mit einem Dritten geführten Rechtsstreite, bezw. die rechtzeitige Streitverkündigung an den Verkäufer zur Voraussetzung habe: für den vorliegenden Fall braucht diese Frage nicht entschieden zu werden, weil die Legitimation der Klägerin in dem in New York geführten Prozesse aberkannt ist, und weil sie den Beklagten rechtzeitig den Streit verkündet hat. Es kann nämlich einem Zweifel nicht unterliegen, daß die materielle Bedeutung der in New York erfolgten gerichtlichen Entscheidung darin bestand, daß die Berechtigung zur Einkassierung der fraglichen Coupons der Klägerin in der Person ihrer dortigen Vertreterin abgesprochen und der Frau W. zuerkannt wurde. ...

Unbegründet ist aber auch die Bemängelung der von der Klägerin seiner Zeit vorgenommenen Streitverkündigung, weil die Klägerin selbst gar nicht Beklagte in dem betreffenden Prozesse gewesen sei. Die Streitverkündigung muß, wo sie zur Erhaltung des dem Käufer zustehenden Regresses erforderlich ist, selbstverständlich eben vom Käufer selbst vollzogen werden, mag auch der Prozeß, welcher ihm den Kaufgegenstand zu entziehen droht, für seine Rechnung formell von einem Anderen geführt werden.

Daß übrigens, selbst wenn man die vorgängige Durchführung eines Rechtsstreites über die Coupons, bezw. die Streitverkündigung, nicht als wesentliche Voraussetzung für das Regreßrecht der Klägerin ansehen wollte, letztere andererseits doch jedenfalls den Beklagten gegenüber zu diesem Verhalten berechtigt gewesen sei, sodaß diese sich auch die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen nicht weigern dürfen, konnte keinem Bedenken unterliegen.

Die Beklagten hatten nun in den vorigen Instanzen noch die Einwendung vorgebracht, daß in Wirklichkeit die Coupons von der Vertreterin der Klägerin in New York einkassiert worden seien, insofern sie von der Eisenbahngesellschaft einen Check darüber empfangen habe, und der Check nach dortigem Rechte als Zahlung gelte, und hieran haben sie jetzt den Revisionsangriff geknüpft, daß das Oberlandesgericht mit Unrecht, ohne den von ihnen angetretenen Sachverständigenbeweis zu erheben, und ohne genügende Gründe angenommen habe, daß auch nach amerikanischem Rechte der Check nicht als Zahlung gelte. Dieser Angriff scheitert daran, daß, während der Ausspruch des Berufungsgerichtes über das amerikanische Recht als solcher nach §.511 C.P.O. der Nachprüfung nicht unterliegt, dieses Gericht nach §. 265 daselbst einen Beweis über den Inhalt des fraglichen ausländischen Rechtes nicht zu erheben brauchte, wenn es denselben, gleichviel aus welchen Gründen, ohnehin schon zu kennen überzeugt war." ...