BGH, 20.03.1961 - III ZR 9/60

Daten
Fall: 
Ladeecke
Fundstellen: 
BGHZ 34, 375; MDR 1961, 579; NJW 1961, 1157; VerwRspr 14, 185
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
20.03.1961
Aktenzeichen: 
III ZR 9/60
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Geiger, Kreft, Arndt, Beyer, Gähtgens
Instanzen: 
  • LG Wiesbaden
  • OLG Frankfurt am Main - 15.10.1959

Amtliche Leitsätze

a) § 122 Abs. 2 HGB enthält revisibles Recht.
b) Ein Beamter, der durch die vorsätzliche Amtspflichtverletzung eines Beamten des eigenen Dienstherrn einen Dienstunfall erlitten hat, ist nicht auf den beamtenrechtlichen Anspruch auf Unfallfürsorge beschränkt; er kann vielmehr weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz auch gegen den eigenen Dienstherrn geltend machen.
c) Im Falle einer Amtspflichtverletzung ist ein Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verursacht worden, wenn der Täter vorsätzlich seine Amtspflicht verletzt hat und der Unfall eine adäquate Folge der Amtspflichtverletzung ist; in diesem Falle ist es nicht erforderlich, daß sich der Vorsatz auf die Herbeiführung des Unfalls bezieht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 15. Oktober 1959 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Feststellung (Ziff. 2 des Urteilsausspruches) wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren Schaden aus dem Unfall am 5. November 1957 zu ersetzen, soweit er über den Anspruch auf beamtenrechtliche Unfallfürsorge (§§ 105-114 HBG) hinausgeht.

Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger und der Hauptwachtmeister Günter C. sind Beamte der beklagten Stadt; sie waren als Verkehrsposten eingesetzt. Am 5. November 1957 zwischen 16 und 17 Uhr hielt sich der Kläger in der sogenannten "Wachzeit", die von den Polizeibeamten u.a. zur Waffenpflege benutzt wird, in der Unterkunft des Verkehrsdienstes auf. Nach den Dienstvorschriften ist zum Laden und Entladen der Faustfeuerwaffen auf der Wache die Ladeecke - eine mit einem Sandkasten ausgestattete Ecke des dritten, hintersten Raumes der Unterkunft - zu benutzen. Der Kläger entlud seine Pistole in der Ladeecke und ging dann in den mittleren Raum der Polizeiunterkunft, in dem an einem großen Mitteltisch mehrere Beamte saßen. Der Kläger setzte sich an die Stirnseite eines kleineren Wandtisches, um seine Waffe zu reinigen. Kurz darauf trat C., der die Dienstvorschrift unstreitig kannte, an die Breitseite des Tisches, an dem der Kläger saß, zog seine Pistole hervor und begann sie zu entladen. Dabei löste sich ein Schuß, der den Kläger traf. Das Geschoß drang durch den linken Oberarm und die Brust in den Unterleib ein, zerriss die Milz und durchschlug den Dickdarm.

Der Kläger ist seitdem dienstunfähig. Er wurde mehrmals operiert.

C. wurde vom Schöffengericht in Wiesbaden wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstraße von 300 DM verurteilt; das Urteil ist rechtskräftig.

Mit der Klage nimmt der Kläger die beklagte Stadt als Dienstherrin von C. auf Schadensersatz in Anspruch. Er fordert die Zahlung einer Zulage von mtl. 30 DM, die ihm als Polizeibeamten im Außendienst zustand, die er aber seit Dezember 1957 nicht mehr erhält, für zunächst neun Monate, nach seinem im Berufungsrechtszug erhöhten Antrage für 22 Monate im Gesamtbetrage von 660 DM, weiter die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, dessen Höhe er in das billige Ermessen des Gerichts stellt, beides mit 4 % Zinsen seit Klageerhebung, Weiter begehrt er die Feststellung, daß die beklagte Stadt verpflichtet sei, ihm allen weiteren Schaden aus dem Unfall vom 5. November 1957 zu ersetzen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hält der Klage entgegen, nach § 122 des Hessischen Beamtengesetzes (HBG) habe der Kläger aus Anlaß eines Dienstunfalles gegen sie als seine Dienstherr in nur Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Weitergehende Ansprüche auf Grund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften könne der Kläger gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nur geltend machen, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verursacht worden sei (§ 122 Abs. 2 HBG). Das treffe hier nicht zu. Denn Cziszkat habe zwar die Dienstvorschriften gekannt, er habe sie aber aus Gleichgültigkeit nicht beachtet, also nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt. Wenigstens falle ihm nur eine fahrlässige Körperverletzung zur Last. Die Aufwandsentschädigung für Polizeibeamte im Außendienst könne der Kläger nicht mehr beanspruchen, weil er seit dem Unfall nicht mehr im Außendienst tätig sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Leistungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die vom Kläger begehrte Feststellung getroffen.

Mit der Revision erstrebt die beklagte Stadt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

1.

Ohne Rechtsirrtum ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß C. beim Entladen seiner Waffe auf der Wache in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt (Art. 34 GG) handelte. Insoweit liegt ein Angriff der Revision nicht vor.

Weiter hat das Berufungsgericht angenommen, C. habe, indem er entgegen den Dienstanweisungen seine Waffe nicht in der "Ladeecke" entlud und die Mündung beim Entladen nicht vorwärts-abwärts hielt, Amtspflichten verletzt, die ihm auch dem Kläger gegenüber oblagen. Die Revision hält dies für fehlerhaft, weil der Kläger nicht - wie § 839 BGB voraussetze - in einem Abhängigkeits- oder Untergebenenverhältnis zu C. gestanden habe, beide einander vielmehr dienstlich gleichgeordnet gewesen seien.

Die Rüge ist unbegründet. Amtspflichten können - wie die Revision nicht verkennt - auch einem anderen Beamten als "Drittem" im Sinne des § 839 BGB gegenüber bestehen (BGB-RGRK 11. Aufl. zu § 839 Anm. 41). Solche Amtspflichten gegenüber anderen Beamten können sich aus einem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis ergeben; sie setzen ein solches jedoch nicht voraus. Die Anordnung über die Behandlung und Aufbewahrung von Schußwaffen und Munition vom 14. September 1951 und die Anweisung über den Unterricht für die Schießausbildung vom 24. März 1956 sowie die in diesem Zusammenhang den Polizeibeamten unstreitig erteilten Weisungen begründeten Amtspflichten der mit der Waffe Dienst tuenden Beamten, denen auch C. unterlag. Aus dem Inhalt und Zweck dieser Vorschriften und Weisungen hat das Berufungsgericht fehlerfrei geschlossen, daß sie nicht allein der Erhaltung der Ordnung im inneren Dienstbetrieb der Polizei dienen, sondern gerade auch den Schutz der Interessen aller derjenigen Personen bezwecken, die in den Gefahrenbereich der Schußwaffen kommen. Dazu gehören auch die Polizeibeamten, die sich während des Bereitschaftsdienstes oder der Wachzeit in der Polizeiunterkunft befinden oder diese aus dienstlichem Anlaß aufsuchen. Nach dem Zweck und Inhalt der Bestimmungen war also Cziszkat gegenüber jedem anderen Beamten in der Unterkunft - unabhängig von ihrem dienstlichen Verhältnis zueinander - ebenso wie jedem anderen Besucher der Unterkunft gegenüber verpflichtet, mit seiner Waffe vorschriftsmäßig umzugehen. Der unstreitig vorschriftswidrige Umgang mit der Schußwaffe begründet die Verletzung einer Amtspflicht, die ihm auch dem Kläger gegenüber oblag.

2.

Das Verschulden im Rahmen des § 839 BGB muß sich stets auf die Verletzung der Amtspflicht beziehen. Ein vorsätzliches Handeln - das das Berufungsgericht hier angenommen hat - ist gegeben, wenn der Beamte weiß, daß er pflichtwidrig handelt, wenn er sich mithin bewußt über die Bestimmungen hinwegsetzt, aus denen sich seine Amtspflicht ergibt, oder wenn er wenigstens mit der Möglichkeit eines Verstosses gegen Amtspflichten rechnet und diese Pflichtverletzung in Kauf nimmt (BGB-RGRK 11. Aufl. zu § 839 Anm. 45 mit weiteren Nachweisen).

Dies hat das Berufungsgericht angenommen, weil Cziszkat unstreitig die verletzten Vorschriften kannte, weil ihm nicht entgangen sein könne, daß der Kläger kurz vor dem Unfall seine Waffe in der Ladeecke entladen hatte, und weil er den Nebenraum mit der Ladeecke täglich vor Augen gehabt habe. C. habe sich - dahin geht die Überzeugung des Berufungsgerichts - im Vertrauen darauf, daß nichts passieren werde, bewußt über die Vorschriften hinweggesetzt.

Demgegenüber rügt die Revision, das Berufungsgericht habe diese Feststellung nicht treffen dürfen, ohne C., der von der Beklagten als Zeuge genannt worden sei, zu vernehmen. Der Rüge fehlt zwar nicht - wie der Kläger meint - die Bestimmtheit (§ 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), sie ist jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung auf Grund des unstreitigen Sachverhalts und der Strafakten, die bereits im ersten Rechtszuge Gegenstand der Verhandlungen waren und zum Zwecke des Beweises verwertet worden sind, gebildet; auf die Strafakten hatten sich beide Parteien bezogen. Die Beklagte hat sich allerdings in ihrem Schriftsatz vom 12. November 1958 auch auf das Zeugnis von C. berufen; dieses Beweisangebot, auf das die Beklagte im Berufungsrechtszug - abgesehen von einer allgemeinen Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag - nicht ausdrücklich zurückgekommen ist, brauchte das Berufungsgericht aber schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die unter Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungserheblich war. Der Kläger hatte in seinem Schriftsatz vom 2. Oktober 1958 unter II bei Erörterung der Schuldfrage ausgeführt, C. habe die Dienstvorschriften nicht etwa vergessen, sondern sich in der Hoffnung, es werde nichts passieren, bewußt über sie hinweggesetzt; zum Beweise dafür, daß C. dies im Strafverfahren ausdrücklich zugegeben habe, hatte der Kläger sich auf das Zeugnis des Vorsitzenden des Schöffengerichts, Amtsgerichtsrat Dr. B., bezogen. Diesem Vortrage und Beweisangebot begegnete die Beklagte im Schriftsatz vom 12. November 1958, indem sie bestritt, daß C. im Strafverfahren einen bewussten Verstoß gegen die Dienstvorschriften zugegeben habe, und ihn als Zeugen dafür benannte, daß er sich im Strafverfahren nicht anders und nicht weiter eingelassen habe, als es in den Strafakten festgehalten sei. Diesen Ausführungen konnte das Berufungsgericht nur entnehmen, daß die Ermittlungen in den Strafakten die innere Einstellung von C. zur Tat nach Ansicht der Beklagten richtig wiedergäben; es brauchte daher C. nur zu vernehmen, wenn seine in den Strafakten festgehaltenen Erklärungen zur Überzeugungsbildung nicht ausgereicht hätten und das Berufungsgericht auf die vom Kläger behaupteten weiteren Erklärungen hätte eingehen müssen. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Berufungsgericht brauchte auf etwaige zusätzliche Erklärungen von C. keinen Wert zu legen, es konnte sich vielmehr mit den beurkundeten Erklärungen im Strafverfahren, mit deren Verwertung beide Parteien einverstanden waren, insbesondere der Einlassung von C. in der Haupt Verhandlung am 23. Juni 1958, begnügen und hierin in Verbindung mit den unstreitigen Tatsachen eine ausreichende Grundlage für seine Überzeugungsbildung finden.

Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die tatsächliche Feststellung versäumt, ob C. gewußt habe, daß seine Waffe geladen war oder auch nur geladen sein konnte. Der Tatbestand des Berufungsurteils stellt als unstreitig fest, daß C. seine Dienstpistole - die er nach der Dienstanweisung im Wachdienst mit gefülltem Magazin im Griffstück, entspannt und gesichert, aber ohne Patrone im Lauf (streifenfertig) zu führen hatte - im Aufenthaltsraum entlud und auseinandernahm. Ob er dabei wußte, daß sich eine Patrone im Lauf befand oder durch sein Hantieren mit der Waffe in den Lauf gelangt war, ist unerheblich.

Der Revision ist zuzugeben, daß die Kenntnis der Dienstvorschriften nicht notwendig auf ein bewusstes Übertreten schließen läßt und daß die Beklagte bereits in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hatte, C. habe die Dienstvorschriften "ohne näheres Nachdenken" nicht beachtet, ihm sei - als er den Kläger beim Reinigen seiner Waffe gesehen habe - "unvermittelt" der Gedanke gekommen, daß er seine Waffe wieder einölen könne; er habe also "rein impulsiv, gedankenlos und unüberlegt" gehandelt. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag jedoch nicht - wie die Revision meint - übersehen, sondern ihn im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben und in den Entscheidungsgründen sachlich behandelt. Wenn es gleichwohl in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt ist, C. habe sich bewußt über die Vorschriften hinweggesetzt, so ist dies revisionsmäßig nicht zu beanstanden.

II.

1.

Der Kläger, der - nach seiner Behauptung in der Klageschrift - bislang sein Gehalt weiter bezogen hat, macht Ansprüche geltend, die über die in den §§ 105 ff HBG geregelten Unfallfürsorgeansprüche hinausgehen. Nach § 122 Abs. 2 HBG können Weitergehende Ansprüche auf Grund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Geltungsbereich des Gesetzes oder gegen die in seinem Dienst stehenden und in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt handelnden Personen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person verursacht worden ist.

2.

Das Berufungsgericht hat die Ursächlichkeit der Verletzung der Dienstvorschrift für den eingetretenen Schaden bejaht und hierzu ausgeführt: Hätte C. seine Waffe in der Ladeecke entladen, so wäre der Kläger von dem Schuß nicht getroffen worden. Die Dienstvorschriften bauten gerade auf Erfahrungen aus früheren Unfällen beim Umgang mit Schußwaffen auf. Es liege deshalb nicht außerhalb der Lebenserfahrung, daß die Nichtbenutzung der Ladeecke einen Unfall dieser Art verursachen könne.

Diese Ausführungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die Klageansprüche durch § 122 Abs. 2 HBG nicht ausgeschlossen seien. Insoweit handelt es sich um die Auslegung und Anwendung des hessischen Landesrechts. Als Recht, das nur im Bezirk des Berufungsgerichts gilt, ist hessisches Landesrecht grundsätzlich nicht revisibel (§ 549 ZPO); daran ändert die Tatsache, daß außerhalb des Frankfurter Gerichtssitzes Senate in Darmstadt und Kassel gebildet worden sind, nichts (Urteil des Senats vom 14. Juli 1956 - III ZR 23/55 -). Jedoch ergibt sich die Revisibilität des § 122 Abs. 2 HBG aus einem besonderen Gesichtspunkt. Die Vorschrift stimmt in ihrem wesentlichen Inhalt und in dem Satzteil "wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person verursacht worden ist" wörtlich mit § 151 DBG, § 81 BRRG und entsprechenden Bestimmungen der Beamtengesetze anderer Länder überein (vgl. z.B. § 141 LBG von Berlin; § 158 Beamtengesetz für Nordrhein-Westfalen; § 161 Beamtengesetz für Schleswig-Holstein; Art. 165 Bayer. Beamtengesetz). Diese Übereinstimmung ist keine zufällige und beruht nicht allein auf der gemeinsamen Wurzel des § 124 Abs. 2 DBG; sie ist vielmehr durch zwingende Rahmenvorschriften des Bundes (Art. 75 GG) herbeigeführt worden, um die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Bediensteten einheitlich zu regeln (§§ 1, 81 BRRG). Eine solche bewußte Abstimmung, die zum Zwecke der Vereinheitlichung des Beamtenrechts herbeigeführt worden ist, begründet die Revisibilität der Vorschrift (vgl. LM zu § 549 ZPO Nr. 47).

Die Rechtsanwendung unterliegt daher auch insoweit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.

3.

Zu den weitergehenden Ansprüchen auf Grund allgemeiner gesetzlicher Vorschriften gehören auch Schadensersatzansprüche, die ein verletzter Beamter aus der Amtspflichtverletzung eines anderen Beamten (§ 839 BGB, Art. 34 GG) herleitet; das entspricht einhelliger Meinung (vgl. Bochalli, Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl. zu § 151 Anm. 3; Fischbach, Bundesbeamtengesetz, Ergänzungsband zur 2. Aufl. 1959, zu § 151 Anm. II 2; Ehrig, Hess. Beamtengesetz zu § 122 Anm. 2). Solche Ansprüche sollen gegen "einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn" nur unter der besonderen Voraussetzung des Abs. 2 geltend gemacht werden können. Im vorliegenden Fall nimmt der Kläger "seinen" Dienstherrn, die beklagte Stadt, von der er Unfallfürsorge zu beanspruchen hat, weitergehend in Ansprach. Es stellt sich also zunächst die Frage, ob das Rechtsverhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn aus Anlaß eines Dienstunfalles durch § 122 Abs. 1 HBG abschließend geregelt werden sollte, mit der Folge, daß weitergehende Ansprüche auch im Falle einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung (§ 122 Abs. 2 HBG) nicht gegen den eigenen Dienstherrn, sondern nur gegen einen anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn geltend gemacht werden könnten (so Ehrig, Hess, Beamtengesetz zu § 122 Anm. 2 und 3; OLG Hamm DR 1941, 2342).

Die Frage ist zu verneinen., Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 23. Februar 1959 zu § 158 des Beamtengesetzes für Nordrhein-Westfalen ausgeführt, daß der Begriff des "Dienstherrn" in den Abs. 1 und 2 der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung nicht im gleichen Sinne verwendet worden ist, daß die Wortauslegungsmethode zu keinem sicheren Ergebnis führt, daher die Ausnahme in Abs. 2 eng auszulegen und einer erweiterten Auslegung nicht zugänglich sei (LM zu NRW-LBG Nr. 2). Ebenso hat der Senat zu § 124 DBG entschieden, daß die Beschränkungen des Beamten bei Geltendmachung seiner Ansprüche so eng auszulegen seien, wie es irgend möglich ist (BGHZ 6, 3, 12) und weiter ausgeführt, daß der Anspruch des Unfallverletzten Beamten nicht dem Grunde nach beseitigt werde (a.a.O. S. 17). Die gleichen Erwägungen treffen auch für § 122 HBG zu. Unter den unbestimmten Begriff "ein" öffentlich-rechtlicher Dienstherr im Geltungsbereich des hessischen Gesetzes fällt auch die beklagte Stadt in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des klagenden Beamten und es wäre innerlich nicht zu rechtfertigen, den Beamten ihr gegenüber auf den Anspruch auf Unfallfürsorge zu beschränken, ihm ihr gegenüber jeden weiteren Anspruch sogar dann zunehmen, wenn eine vorsätzliche unerlaubte Handlung in Rede steht. Allerdings läßt sich in dem Regelfall eines durch Fahrlässigkeit verursachten Dienstunfalles die Beschränkung in der Geltendmachung weiterer Ansprüche gegen den eigenen Dienstherrn innerlich rechtfertigen durch die Sicherheit des Unfallfürsorgeanspruches, die Rücksichten auf das dienstliche Verhältnis und die ähnliche Regelung in § 898 RVO für die Sozialversicherung (vgl. Pagendarm ZBR 1959, 345, 347). Gerade aber der Hinweis auf § 898 RVO macht deutlich, daß weitergehende Ansprüche gegen den eigenen Dienstherrn des Beamten nicht schlechthin ausgeschlossen sein können; denn § 898 RVO schließt die Geltendmachung weiterer Ansprüche gerade nur gegen den Unternehmer aus, in dessen Dienst der Verletzte steht, läßt sie aber bei vorsätzlicher Verursachung des Unfalls durch diesen Unternehmer zu. Der Kläger ist daher nicht gehindert, unter den Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 BBG weitergehende Ansprüche gegen die beklagte Stadt geltend zu machen (im Ergebnis übereinstimmend Bochalli, Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl. zu § 151 Anm. 3 a; Fischbach in seinen verschiedenen Kommentaren z.B. Bandesbeamtengesetz 2. Aufl. zu § 151 Anm. VIII; Ergänzungsband 1959 zu § 151 Anm. II 2; Landesbeamtengesetz von Berlin 1954 zu § 141 Anm. II S. 273; Weiß-Kranz, Bayerisches Beamtengesetz 1960 zu Art. 165 Anm. 4; Pagendarm ZBR 1959, 345 ff, 380 ff).

4.

Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, daß die Klageansprüche durch § 122 Abs. 2 HGB nicht ausgeschlossen seien, wie folgt begründet: Cziszkat habe zwar den Kläger nicht vorsätzlich verletzt, er habe gleichwohl eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen, weil er seine Dienstvorschrift vorsätzlich übertreten habe. Das Gesetz setze nicht voraus, daß der Vorsatz sich auf den Eintritt des Schadens beziehe, es lasse vielmehr den Vorsatz in Bezug auf die unerlaubte Handlung, der hier festgestellt sei, genügen. Zwingende Gründe, die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut anders auszulegen, seien nicht gegeben. Zwar lasse § 898 RVO weitergehende Ansprüche eines Sozialversicherten gegen seinen Dienstherrn nur zu, wenn strafgerichtlich festgestellt ist, daß er "den Unfall vorsätzlich herbeigeführt" hat; jedoch sei nicht zu verkennen, daß das Rechtsverhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn ein anderes sei als das des privaten Arbeitnehmers zum Unternehmer.

Dem ist zuzustimmen. Der Gesetzeswortlaut und der Sinn der gesetzlichen Regelung sprechen für die Auslegung des Berufungsgerichts. Die Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) gehört zu den im 25. Titel des Schuldrechts behandelten "unerlaubten Handlungen", deren gemeinsames, ihren rechtlichen Charakter bestimmendes Merkmal auf der gegenständlichen (objektiven) Seite des Tatbestandes, liegt; es besteht in der widerrechtlichen Verletzung der allgemeinen, zwischen allen Personen bestehenden, gewissermaßen nachbarlichen Rechtsbeziehungen, die von jedermann zu beachten sind, weil sie die Grundlage des Gemeinschaftslebens bilden (BGB-RGRK 11. Aufl. Vorbem. 2 vor § 823). Die Verletzung von Dienstpflichten ist für sich allein keine unerlaubte Handlung. Sie wird es erst dann, wenn sie einen gegenständlichen Eingriff in den allgemeinen Rechtskreis einer anderen Person enthält, mit dem das Gesetz die Rechtswirkung einer Schadensersatzpflicht verknüpft (a.a.O. Vorbem. 3). Diesen allgemeinen Begriffsmerkmalen entspricht § 839 BGB, in dem er einmal die Verletzung einer Amtspflicht, die einem Dritten (dem Geschädigten) gegenüber besteht, und zum anderen einen Schaden, der diesem Dritten daraus entstanden ist, tatbestandlich fordert. Wenn und weil diese beiden Merkmale gegeben sind, wird die Verletzung dienstlicher Pflichten zu einer unerlaubten Handlung.

§ 122 Abs. 2 HBG stellt - ebenso wie die anderen entsprechenden beamtenrechtlichen Bestimmungen - das Verschuldensmerkmal "vorsätzlich" in Bezug zu der unerlaubten Handlung, nicht zu der Verursachung des Dienstunfalls. Vorausgesetzt wird damit eine vorsätzliche unerlaubte Handlung, nicht eine vorsätzliche Verursachung des Dienstunfalls. In den Fällen, in denen der Tatbestand der unerlaubten Handlung das Verschulden auf den eingetretenen Erfolg bezieht (§ 823 Abs. 1 BGB), bedeutet die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugleich eine vorsätzliche Verursachung des Unfalls. Notwendig ist dies nach der Fassung des § 122 HBG jedoch nicht. Vielmehr ist dort, wo das Verschulden auf den Gesetzesverstoß bezogen wird (§§ 823 Abs. 2, 839 BGB), die unerlaubte Handlung vorsätzlich begangen, sofern der Täter das Schutzgesetz oder die Amtspflicht vorsätzlich verletzt, selbst wenn er den Erfolg - wie im vorliegenden Fall zu unterstellen ist - nicht, auch nicht bedingt will. Es genügt, daß der Dienstunfall mit seinen Folgen nach den Grundsätzen des adäquaten Kausalzusammenhangs der vorsätzlichen Amtspflichtverletzung zugerechnet werden kann. Das aber ist nach den Umständen des Streitfalles nicht zu bezweifeln.

Der abweichenden Regelung in § 898 RVO hat das Berufungsgericht mit Recht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Denn in der Tat sind die Unterschiede zwischen der hoheitlichen Betätigung der öffentlichen Hand und der wirtschaftenden Tätigkeit des Unternehmers einerseits, dem Dienstverhältnis des Beamten und dem Arbeitsverhältnis des Sozialversicherten andererseits derart deutlich, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, entgegen dem Wortlaut der beamtenrechtlichen Vorschriften die andere Regelung des § 898 RVO entsprechend zu übernehmen.

Das Berufungsgericht hat daher mit Recht weitergehende Ansprüche des Klägers nicht für ausgeschlossen erachtet.

III.

Zu den einzelnen Klageansprüchen ist zu sagen:

1.

Der Anspruch auf Zahlung von 660 DM umfasst eine Dienstaufwandsentschädigung, die der Kläger als Polizeibeamter im Außendienst neben seinen Dienstbezügen erhielt, von 30 DM für 22 Monate.

Nach Anl. I zum Hessischen Besoldungsgesetz vom 21. Dezember 1957 (GV 177) Abschn. II 3 erhalten die Polizeivollzugsbeamten der Besoldungsgruppen A 5 - A 12, die überwiegend im Außendienst tätig sind, eine Aufwandsentschädigung von mtl. 30 DM nach näherer Regelung des Innenministers im Einvernehmen mit dem Finanzminister. Nach dem Erlaß vom 17. April 1958 (Hess. StA 674) ist die Aufwandsentschädigung steuerfrei und wird mit den Dienstbezügen im Voraus bezahlt. Sie wird auch während des Erholungsurlaubes oder einer Erkrankung gewährt, entfällt jedoch für jeden vollen Kalendermonat, in dem der Beamte beurlaubt oder erkrankt ist.

Die Beklagte hält diesem Anspruch entgegen, sie dürfe dem Kläger die Aufwandsentschädigung nicht mehr zahlen, seit der Kläger nicht mehr im Außendienst, dessen Mehraufwendung die Entschädigung auszugleichen bestimmt sei, tätig sei. Das greift jedoch gegenüber dem Schadensersatzanspruch nicht durch. Die Beklagte übersieht, daß der Kläger hier nicht einen beamtenrechtlichen Anspruch, sondern den Schaden geltend macht, der ihm durch den Unfall entstanden ist und der auch entgangene Bezüge umfassen kann (§ 252 BGB). Der Behauptung des Klägers, er wäre ohne den Dienstunfall noch im Außendienst tätig und hätte die Aufwandsentschädigung in dem fraglichen Zeitraum erhalten, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Demgemäß liegt der Schaden des Klägers, für den die Beklagte als Dienstherr von C. einzutreten hat, darin, daß der Kläger infolge des Unfalls die Voraussetzungen für die Gewährung der Aufwandsentschädigung nicht erfüllte und diese daher nicht mehr erhielt. Die Beklagte könnte dem Anspruch möglicherweise entgegenhalten, daß der Kläger, weil er keinen Außendienst geleistet habe, Ersparungen gemacht habe, durch die sein Schaden ausgeglichen worden sei., Das ist jedoch nicht geschehen und wird in vollem Umfange auch keinesfalls möglich sein. Denn das Wesen der Aufwandsentschädigung besteht darin, daß sie auf Erfahrungssätzen aufbaut und ohne Nachweis des Bedürfnisses und der Ausgaben im Einzelfall gezahlt wird. Durch die Verurteilung dem Grunde nach ist die Beklagte keinesfalls beschwert.

2.

Der Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld steht dem Kläger gemäß § 847 BGB zu. Die Ansicht der Beklagte, ein Schmerzensgeld könne nur zugesprochen werden, wenn der Vorsatz die Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit umfasst habe, ist unrichtig; sie wird auch durch die von der Beklagten angeführte Entscheidung in RGZ 142, 116, 122 nicht gestützt. Die Beklagte übersieht die besondere Regelung der Verschuldensfrage in § 839 BGB.

3.

Hinsichtlich der Feststellung ist zu berücksichtigen, daß der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nur Ansprüche geltend macht und geltend machen kann, die über seine beamtenrechtliche Ansprüche hinausgehen. Dies wird durch eine Ergänzung des Feststellungsausspruchs klargestellt. Hierin liegt keine teilweise Abweisung des Anspruchs, denn es ist im Rechtsstreit niemals zweifelhaft gewesen, daß die beamtenrechtlichen Ansprüche des Klägers nicht Streitgegenstand sind.

IV.

Hiernach muß die Revision als sachlich unbegründet zurückgewiesen werden. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels treffen gemäß § 97 ZPO die Beklagte.