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Verwaltungsverfahren
Unter dem Begriff Verwaltungsverfahren lassen sich zahlreiche administrative Verfahren zusammenfassen. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs „Verwaltungsverfahren“ existiert jedoch nicht. Auch die Gesetzgeber haben sich mit den Legaldefinitionen für bereichsspezifische Begriffsbestimmungen entschieden, denen keine generelle Geltung zu kommt.1 Begriffsbestimmungen aus Rechtsprechung und Literatur haben daher nur für einen bestimmten rechtlichen Kontext eine Bedeutung.
1. Der verfassungsgerichtliche Begriff des Verwaltungsverfahren
Das vom BVerfG entwickelte Begriffsverständnis des Verwaltungsverfahrens richtet sich nach Art. 84 Abs. 1 GG und legt einen sehr breiten Ansatz zu Grunde. Das BVerfG rechnete zunächst zu Regelungen des Verwaltungsverfahrens sämtliche gesetzlichen Bestimmungen, „die den Weg und die Form der Willensbildung der Verwaltung bei der Gesetzesausführung betreffen, von der Vorbereitung und dem Beginn des Verwaltungshandelns bis hin zur Entscheidung selbst und deren Durchsetzung, ggf. im Wege der Vollstreckung sowie der Entscheidungskontrolle im Bereich der Verwaltung“.2
Seit 1980 führt das BVerfG etwas restriktiver aus, dass Vorschriften über das Verwaltungsverfahren jedenfalls diejenigen gesetzliche Bestimmungen seien, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln. Die Frage, welche Regelungen nach Art und Inhalt dem Verwaltungsverfahren zuzuordnen seien, könne allerdings nicht ein für alle Mal abschließend beantwortet werden, da die Abgrenzung zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Verwaltungsrecht einem steten Wandel ausgesetzt sei, für den eine Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG offen bleiben müsse.3
Trotz dieses breiten Ansatzes kann der verfassungsgerichtlichen Begriffsverständnis jedoch nur im rechtlichen Kontext des Art. 84 GG Bedeutung erlangen und nicht unmittelbar auf das Verwaltungsrecht übertragen werden. Der verfassungsgerichtlichen Verfahrensbegriff ist zum einen zu eng, da er im System der Art. 83 ff. GG auf die „Gesetzesausführung“ ausgerichtet ist und sich lediglich an der „Entscheidung“ einer Behörde als Verfahrensergebnis orientiert, zum anderen ist er für das Verwaltungsrecht zu weit, weil er auch die Verwaltungsvollstreckung beinhaltet.
2. Der verwaltungsrechtliche Verfahrensbegriff
Nach § 9 VwVfG ist das Verwaltungsverfahren die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein. Diese Legaldefinition des § 9 VwVfG wird in der Literatur auch als das „Verwaltungsverfahren im engeren Sinne“ bezeichnet.4 Das interne Verwaltungsverfahren wird von der Definition des § 9 VwVfG und damit dem „Verwaltungsverfahren im engeren Sinne“ nicht erfasst. Es werden allerdings wichtige Teilaspekte des innerbehördlichen Aspekte im VwVfG geregelt. Beispielhaft sind hier die Amtshilfe nach den §§ 4–8 VwVfG und das Mitwirkungsverbot für ausgeschlossene und befangene Amtswalter nach den §§ 20 f. VwVfG zu nennen. Das Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne geht davon aus, dass ergänzend zum Verfahrensverständnis des § 9 VwVfG auch Verfahren der administrativen Rechtsetzung, behördliches Informationshandeln und informelles Verhalten, zivilrechtliches Handeln der Verwaltung, sowie verwaltungsinternes Agieren nicht ausgeschlossen werden können.5Für ein sachangemessenes Begriffsverständnis habe das Verwaltungsverfahren nämlich einerseits das Realgeschehen („Verwaltung in Aktion“) und andererseits das Ordnungsmodell (phasenspezifisch gegliederter Vorgang der Informationsgewinnung und -verarbeitung mit dem Ziel adminstrativen Handelns) zu umfassen.6
Das Verwaltungsverfahren im weiteren Sinne kann daher am ehesten umschrieben werden, als einen planvoll geordneten Vorgang der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung in der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Verwaltung zwecks Befähigung der betreffenden Stelle, sich auf rationale Weise zu verhalten (Handlung, Duldung, Unterlassung).7
- 1. Vgl. etwa den Wortlaut von § 9 VwVfG und § 8 SGB X „Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes".
- 2. BVerfGE 37, 363 (390) = NJW 1974, 1751 (1753).
- 3. BVerfGE 55, 274 (320) = NJW 1981, 329 (335).
- 4. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, § 1 Rn. 55.
- 5. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz, Einführung, Rn. 11.
- 6. Dazu Schmidt-Aßmann NVwZ 2007, 40.
- 7. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsverfahrensgesetz, Einführung Rn. 11.