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Roland Freisler
Roland Freisler war ein deutscher Jurist und Richter, der vor allem als Präsident des Volksgerichtshofs während der Zeit des Nationalsozialismus bekannt wurde und als solcher einer der wichtigsten Vertreter des sogenannten „Sondergerichtswesens“ war. Er war maßgeblich an der Einführung des „Reichskriegsgerichtsgesetzes“ beteiligt, das die Todesstrafe für Kriegsdienstverweigerer, Deserteure und andere „Feiglinge“ vorsah. Freisler wurde in seinem Amt zu einem wichtigen Instrument der nationalsozialistischen Justiz und trug maßgeblich dazu bei, dass viele politische Gegner, Widerstandskämpfer und andere „Feinde des Staates“ zum Tode verurteilt wurden.
1. Einführung
Roland Freisler (* 30. Oktober 1893 in Celle; † 3. Februar 1945 in Berlin) war ein deutscher Jurist und als Präsident des Volksgerichtshofs einer der zentralen Akteure der nationalsozialistischen Justiz. In dieser Funktion spielte er eine bedeutende Rolle bei der juristischen Verfolgung politischer Gegner des NS-Regimes, insbesondere während der Verhandlungen nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Freisler wurde für seine kompromisslose Loyalität gegenüber dem NS-Regime, seine extrem aggressiven Auftritte im Gerichtssaal und seine fanatische Auslegung nationalsozialistischer Rechtsvorstellungen berüchtigt.
Freisler steht exemplarisch für die Instrumentalisierung der Justiz im Dritten Reich. Er verkörperte eine Justiz, die sich in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie stellte, politische Gegner eliminierte und den Willen des Regimes anstelle der Gerechtigkeit durchsetzte. Seine Tätigkeit am Volksgerichtshof wirft zahlreiche Fragen hinsichtlich der Rolle des Rechts und der Justiz in totalitären Systemen auf, insbesondere hinsichtlich der Verantwortung von Juristen für staatlich organisierte Verbrechen.
2. Frühe Jahre und juristische Ausbildung
Roland Freisler wurde 1893 als Sohn eines Ingenieurs geboren und wuchs in einem bürgerlichen, preußischen Milieu auf. Nach seinem Abitur begann er 1912 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Jena, das er jedoch aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs unterbrach. Freisler meldete sich als Freiwilliger zur Armee und diente ab 1914 an der Westfront. Im Jahr 1915 geriet er in russische Kriegsgefangenschaft, während der er sich autodidaktisch weiterbildete und die russische Sprache erlernte.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1920 nahm Freisler sein Jurastudium wieder auf und schloss es 1922 mit der Promotion ab. In den folgenden Jahren arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt und trat 1925 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. Bereits in den 1920er Jahren entwickelte Freisler eine enge ideologische Bindung an den Nationalsozialismus, der zu dieser Zeit noch eine politisch marginalisierte Bewegung war.
3. Politische Karriere im Nationalsozialismus
Mit dem Aufstieg der NSDAP in den 1930er Jahren stieg auch Freisler schnell in den Rang eines führenden nationalsozialistischen Juristen auf. Nach der „Machtergreifung“ 1933 wurde er zunächst als Staatssekretär im preußischen Justizministerium und später im Reichsjustizministerium tätig. In diesen Positionen war Freisler maßgeblich an der Umgestaltung des deutschen Rechtssystems im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie beteiligt.
Freisler setzte sich dafür ein, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und das Rechtswesen zu einem Instrument der NSDAP zu machen. Seine juristischen Schriften, in denen er für die „völkische“ und „rassische“ Ausrichtung des Rechts plädierte, trugen zur theoretischen Fundierung des nationalsozialistischen Rechtssystems bei. Freisler war ein prominenter Vertreter der sogenannten „Nationalsozialistischen Rechtsanschauung“, die das Recht als Werkzeug zur Durchsetzung der Ziele des NS-Staates betrachtete und die Rechtsstaatlichkeit in wesentlichen Bereichen außer Kraft setzte.
4. Der Volksgerichtshof
Im Jahr 1942 wurde Roland Freisler zum Präsidenten des Volksgerichtshofs ernannt, eines Sondergerichts, das zur Verfolgung von Hoch- und Landesverrat eingerichtet worden war. Der Volksgerichtshof war ein zentrales Instrument der nationalsozialistischen Verfolgung von Regimegegnern und politischen Dissidenten. In seiner Zeit als Präsident dieses Gerichts führte Freisler hunderte von Prozessen, in denen er durch seine fanatischen Anklagen und die extreme Härte seiner Urteile auffiel.
Besonders berüchtigt wurde Freisler durch seine Rolle bei den Prozessen nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. In den sogenannten „Juli-Prozessen“ verurteilte Freisler zahlreiche Beteiligte des Attentatsversuchs, darunter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Friedrich Olbricht und viele andere Mitglieder des militärischen und zivilen Widerstands, zum Tode. Diese Prozesse waren geprägt von Freislers verbalen Ausfällen gegen die Angeklagten, denen er während der Verhandlungen kaum Gelegenheit gab, sich zu verteidigen. Freisler trat nicht als neutraler Richter, sondern als politischer Fanatiker auf, der den Angeklagten ihre „Verräterrolle“ öffentlich vorwarf und sie nicht nur juristisch, sondern auch persönlich erniedrigte.
Die Prozesse unter Freisler wurden weitgehend als Schauprozesse geführt, deren Ausgang von vornherein feststand. Der Volksgerichtshof unter Freisler war keine Institution des Rechts, sondern ein Instrument der politischen Repression und der Verfolgung von Feinden des Regimes. Das Gericht spielte eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Herrschaft und der Eliminierung von Widerstand.
5. Rechtsauffassung und Methoden
Roland Freisler war ein überzeugter Vertreter der nationalsozialistischen Rechtsauffassung, die das Recht nicht als abstrakte Norm, sondern als Ausdruck des politischen Willens betrachtete. In seinen Urteilen und Schriften lehnte Freisler die Rechtsstaatlichkeit im traditionellen Sinne ab. Er sah das Recht als Mittel zur Durchsetzung der Ideologie und Interessen des NS-Staates und plädierte für eine radikale Umgestaltung des deutschen Rechtssystems im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung.
Freisler verstand die „Volksgemeinschaft“ als oberste Rechtsquelle, die individuelle Rechte und Freiheiten zugunsten des „Gemeinwohls“ nach nationalsozialistischer Definition unterordnete. In der Praxis führte dies zu einer völligen Entrechtung von Oppositionellen, Minderheiten und anderen unerwünschten Gruppen. Besonders prägnant zeigt sich dies in den politischen Prozessen, die Freisler am Volksgerichtshof führte, wo er das Recht systematisch als Waffe gegen Regimegegner einsetzte.
Die Prozesse unter Freisler waren gekennzeichnet durch massive Rechtsverstöße. Die Angeklagten hatten kaum Verteidigungsmöglichkeiten, und die Urteile, insbesondere Todesurteile, waren oft von vornherein beschlossen. Freisler verhöhnte die Angeklagten, schrie sie im Gerichtssaal an und ließ ihnen kaum Gelegenheit, sich zu äußern. Seine aggressive und demütigende Rhetorik diente nicht nur der Verurteilung, sondern auch der öffentlichen Diskreditierung der Angeklagten als „Volksfeinde“ und „Verräter“.
6. Tod und Nachwirkung
Am 3. Februar 1945 starb Roland Freisler bei einem Luftangriff auf Berlin, als eine Bombe das Gebäude des Volksgerichtshofs traf. Zum Zeitpunkt seines Todes befand sich Freisler mitten in einer Verhandlung. Sein plötzlicher Tod verhinderte, dass er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor Gericht gestellt wurde. Angesichts seiner Rolle im NS-Justizapparat wäre es wahrscheinlich gewesen, dass Freisler im Rahmen der Nürnberger Prozesse oder durch die Nachkriegsjustiz der Alliierten wegen seiner Verbrechen angeklagt worden wäre.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde Freislers Erbe scharf verurteilt, und sein Name blieb als Inbegriff der nationalsozialistischen „Terrorjustiz“ in Erinnerung. Seine Taten am Volksgerichtshof wurden Teil der Auseinandersetzung mit der Rolle der Justiz im Nationalsozialismus und dienten als warnendes Beispiel für die Gefahren einer politisierten Justiz in einem totalitären Staat.
Die Nachkriegszeit war geprägt von der Aufarbeitung der Rolle der deutschen Justiz im Dritten Reich, und Freisler stand als Symbol für die vollständige Korruption und Instrumentalisierung des Rechts im Dienste des Nationalsozialismus. Seine juristischen Schriften und Urteile wurden einer kritischen Überprüfung unterzogen, und er wurde als einer der Hauptverantwortlichen für die politisch motivierten Verurteilungen im Dritten Reich betrachtet.
7. Fazit
Roland Freisler verkörpert wie kaum ein anderer die Perversion der Justiz im Nationalsozialismus. Seine Tätigkeit als Präsident des Volksgerichtshofs machte ihn zu einem der prominentesten Vertreter der nationalsozialistischen „Terrorjustiz“, die das Rechtssystem zu einem Instrument der politischen Unterdrückung und Verfolgung machte. Freislers Handlungen und Urteile waren geprägt von einer extremen Loyalität gegenüber der NS-Ideologie und einer radikalen Auslegung der nationalsozialistischen Rechtsauffassung, die individuelle Freiheiten und Gerechtigkeit im Sinne des politischen Machtwillens opferte.
Die Figur Roland Freisler bleibt ein Mahnmal für die Verantwortung von Juristen in diktatorischen Systemen und für die Gefahren, die von einer Justiz ausgehen, die sich von ihrem Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit entfernt. Sein Wirken zeigt auf drastische Weise, wie das Recht in den Händen eines totalitären Staates zu einem Mittel der Repression und des Terrors werden kann.