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Behörde

Der Begriff der Behörde richtet sich nach seiner jeweiligen Verwendung. Schon aus der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 VwVfG wird durch die Formulierung „Behörde im Sinne dieses Gesetzes“ klar, dass der Behördenbegriff nicht allgemein, sondern lediglich bezogen auf das jeweilige Gesetz definiert wird. Zweckmäßig lässt sich eine Differenzierung vornehmen zwischen einem verwaltungsorganisationsrechtlichen Behördenbegriff1 einerseits und einem verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff2 andererseits.

1. Der verwaltungsorganisationsrechtliche Behördenbegriff

Der verwaltungsorganisationsrechtliche Behördenbegriff baut maßgeblich auf dem Begriff des Organs auf.

Organisationen, spezifischer juristische Personen des öffentlichen Rechts (bspw. ein Staat, ein Bundesland oder eine Stadt), können tatsächlich selbst nicht handeln, denken, wissen oder wollen. Dies müssen Menschen für die jeweilige Organisation tun. Insbesondere im öffentlichen Bereich muss dann aus Gründen der Rechtstaatlichkeit und Transparenz gesetzlich klar geregelt sein, wann und wie das Handeln eines Menschen ihm selbst oder eben einer Organisation zugerechnet wird.

Es macht ein Unterschied, ob die Privatperson Max Müller in seiner Stammbar oder den sozialen Medien davor warnt, dass man ein bestimmtes Medikament nicht verwenden könne oder ob er dies als offizielle Warnung in einer Funktion als Pressesprecher des staatlichen Gesundheitsministeriums tut.

Es wäre zudem unzweckmäßig, wenn durch Gesetz bestimmte Menschen bezeichnet würden, die für eine Organisation handeln. Die Handlungsunfähigkeit des einzelnen Menschen, etwa durch Krankheit oder Tod, würde dann nämlich unmittelbar zu einer Handlungsunfähigkeit der Organisation führen.

Rechtstechnisch wird dies Problem dadurch gelöst, dass für die jeweiligen Organisation Organe vorgesehen sind. Diesen kommt dann eine bestimmte Funktion im Hinblick auf die interne Willensbildung und die Vertretung der Organisation nach außen zu. Die Aufgaben dieser Organe werden von Menschen durchgeführt. Diese werden als Organwalter/Amtswalter bezeichnet.3

Das Handeln dieser wird dann dem jeweiligen Organ unvermittelt zugerechnet, deren Handeln dann wiederum unvermittelt der jeweiligen Organisation zugerechnet wird.

Welche und wie viele Organe für eine juristische Person des öffentlichen Rechts vorgesehen sind und welche Funktionen diese haben, richtet sich im Einzelfall nach deren jeweiliger Organisationsverfassung. Funktionell können sie beispielsweise der internen Willensbildung dienen, reine Aufsichts- oder aber Leitungsfunktionen haben. Von juristisch besonderer Bedeutung sind insoweit diejenigen Organe, die gesetzlich zur Vertretung der juristischen Person des öffentlichen Rechts im Außenverhältnis befugt sind, also beispielsweise gesetzlich berechtigt sind, Willenserklärungen mit bindender Wirkung für diese abzugeben und Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Soweit sie (auch) Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, werden sie als Behörden bezeichnet.4

Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind also selbst keine Behörden, sondern Verwaltungsträger, die Behörden haben und durch diese handeln.5

Der Behördenbegriff im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne versucht zu klären, welche Organe eines Verwaltungsträgers diesen bei Ausübung von Verwaltungstätigkeit nach außen hin vertreten. Bei einer Behörde im verwaltungsorganisationsrechtlichem Sinne handelt es sich somit um eine durch Organisationsrecht gebildete Stelle, die vom Wechsel eines Amtsinhabers unabhängig ist und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen ist, unter eigenem Namen und nach außen eigenständig Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.6

2. Der verwaltungsverfahrensrechtliche Behördenbegriff

Mittels des Behördenbegriffs im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne wird hingegen versucht den Anwendungsbereich des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetzes in seinem ganzen Umfang zu erfassen. So definiert etwa § 1 Abs. 4 VwVfG, dass eine Behörde im Sinne dieses Gesetzes jede Stelle ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.7 Es handelt sich um einen funktionalen Behördenbegriff.

Behörden handeln dabei für ihren jeweiligen Behördenträger, allerdings stets im eigenen Namen. Dies ergibt sich, etwa für Verwaltungsakte, aus § 37 Abs. 3 VwVfG.8

Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Behörde als Stelle nach außen tätig wird. Es ergeben sich dafür keine Anknüpfungspunkte aus den jeweiligen Legaldefinitionen. Deutlich wird dies ferner aus den Formulierungen im § 9 VwVfG.9 Dort wird der Begriff des Verwaltungsverfahrens im Sinne dieses Gesetzes als „nach außen wirkende Tätigkeit“ umschrieben und auch aus der Formulierung im § 35 Satz 1 VwVfG10„auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet“. Diese Formulierungen wären überflüssig, wenn schon in dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff selbst das Merkmal der nach außen wirkenden Tätigkeit enthalten wäre.

Die Wahrnehmung der Aufgaben erfolgt dabei im Wesentlichen durch den Erlass von Verwaltungsakten11, den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge (vgl. etwa § 54 VwVfG) und auch durch Nutzung privatrechtlicher Handlungsformen.

3. Resümee

Zusammenfassend kommt es für den verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff – anders als für den verwaltungsorganisationsrechtlichen Behördenbegriff – somit nicht darauf an, dass es sich bei der „Stelle“ i. S. d. verfahrensrechtlichen Vorschriften um ein Organ des Verwaltungsträgers handelt. Relevant ist lediglich eine gewisse organisatorische Selbständigkeit der Stelle, die im eigenen Namen tätig wird.

Anders als für den verwaltungsorganisationsrechtlichen Begriff kommt es weiterhin für den verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff nicht darauf an, dass die „Stelle“ Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nach außen wahrnimmt.

Allgemein lässt sich somit feststellen, dass jede Behörde im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne auch eine Behörde im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne ist. Umgekehrt ist allerdings nicht jede Behörde im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne auch eine Behörde im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne.

  • 1. Ein solcher wird etwa in § 47 Abs. 2 Satz 1, § 61 Nr. 3, §§ 68 ff., § 78 VwGO, § 70 Nr. 3 SGG und § 63 FGO zugrunde gelegt.
  • 2. Ein solcher wird etwa in § 1 Abs. 4 VwVfG, § 1 Abs. 2 SGB X, § 6 Abs. 1 AO und den entsprechenden Normen der Bundesländer zugrunde gelegt.
  • 3. Schoch/Schneider/Schoch, 4. EL November 2023, VwVfG § 1 Rn. 136.
  • 4. Stelkens JA 2016, 1013.
  • 5. Schoch/Schneider/Schoch, 4. EL November 2023, VwVfG § 1 Rn. 135.
  • 6. Ausführlich dazu: Stelkens JA 2016, 1013 ff.
  • 7. Die Verwaltungsverfahrensvorschriften der Bundesländer enthalten identische oder entsprechende Legaldefinitionen.
  • 8. Vgl. hierzu auch: § 33 Abs. 3 SGB X, § 119 Abs. 3 AO und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Bundesländer.
  • 9. Vgl. hierzu auch: § 8 SGB X und die entsprechenden Vorschriften der Bundesländer.
  • 10. Vgl hierzu auch: § 118 Satz 1 AO, § 31 Satz 1 SGB X und die entsprechenden Vorschriften der Bundesländer.
  • 11. Ausführlicher dazu: Verwaltungsakt.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Schoch, Friedrich/Schneider, Jens Peter, Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG Kommentar, 4. Ergänzungslieferung November 2023 München
    Zit.: Bearbeiter in Schoch/Schneider, ...EL...Stand: VwVfG, §…, Rn…