Investitionen erwünscht!? Unternehmensgründungen durch Drittstaatler im Fokus
Der Investitionsstandort Deutschland ist beliebt, hat aber deutliches Entwicklungspotential. Die Gesetzgebung hat in der Vergangenheit hartnäckig die Erleichterung der Aufenthaltsbedingungen für Investoren vorangetrieben. Doch die Barrieren und Hindernisse bleiben ebenso hartnäckig bestehen. Der folgende Aufsatz untersucht die theoretische und praktische Ausgestaltung des § 21 AufenthG und schließt mit konkreten Änderungsvorschlägen ab.
1. Die derzeitige Gesetzeslage
„1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn
1. in wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
2. die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und
3. die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist (...)“
Der Paragraph 21 Absatz 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ist klar strukturiert und leicht verständlich. Die Intention des Gesetzgebers ist dabei klar: Investitionen in die Bundesrepublik Deutschland durch Drittstaatler sollen gefördert werden. Ausländische Investoren außerhalb der EU sollen zu Investitionen ermutigt werden.
Dabei hat die Norm eindeutig die Interessen des gesamten Bundesgebiet bzw. einzelner Regionen im Blick. Die wirtschaftlichen Interessen des Investors bzw. Unternehmers sind dabei zweitrangig.1
Es wäre daher anzunehmen, dass die Bedingungen für Investoren aus Drittstaaten gut sind und Deutschland als Investitionsstandort an Bedeutung gewinnt. Dies ist aber häufig nicht der Fall. Zwar ist der § 21 Aufenthaltsgesetz alleine nicht ausschlaggebend für die Investitionsfreundlichkeit Deutschlands. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Intention des Gesetzgebers, die Zahl ausländischer Investitionen zu erhöhen, durch die Norm erreicht wird. Der folgende Aufsatz untersucht Hürden auf dem Weg zu Unternehmensgründungen in Deutschland und vergleicht dabei die theoretische Gesetzeslage mit der derzeitigen praktischen Ausgestaltung.
2. Normadressaten
Die Norm richtet sich an Gründer aus sog. Drittstaaten, die eine selbständige Tätigkeit planen. Der Begriff der selbständigen Beschäftigung ist im § 21 AufenthG nicht legaldefiniert. Rückschlüsse lassen sich jedoch aus der Definition der nichtselbständigen Tätigkeit im Sinne des § 7 Absatz 4 SGB IV 10 § 84 Absatz 1 S. 2 HGB ziehen. Maßgebend ist insbesondere die Unabhängigkeit, etwa in Beziehung zu den Auftraggebern. In Frage kommen auch Geschäftsführer und Vertreter von Personen und Kapitalgesellschaften, die nicht als Beschäftigte im Sinne von § 18 BeschV i.V.m. § 4 BeschV zu qualifizieren sind.
Ausgenommen sind jedoch solche Geschäftsführer, die über keine Arbeitnehmer verfügen. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung eine Weisungsbefugnis gegenüber Arbeitnehmern, die als Merkmal der Selbständigkeit begriffen wird. Notwendig ist ein beherrschender Einfluss im Unternehmen.2
3. Problemstellungen
Diese Auslegung führt bereits zur ersten Problematik. Dies soll anhand des Beispiels einer GmbH-Gründung dargestellt werden. Die Gründung der GmbH muss entsprechend dieses Rechtsverständnisses mit der Schaffung der ersten Arbeitsstellen einhergehen. Der Geschäftsführer ist jedoch in den ersten Wochen und Monaten mit den Hürden der Unternehmensgründung beschäftigt. Die Lösung solcher "Startschwierigkeiten" ist ein wesentliches Merkmal von Startups.3 Dementsprechend fällt es in der Startphase besonders schwer, Personal zu rekrutieren. Erfahrungsgemäß werden in dieser Phase einige Aspekte der im Businessplan niedergeschriebenen Geschäftsplanung angepasst oder geändert. Dies umfasst auch den Personalbedarf. Der Gründer ist also gezwungen, vorab Personal einzustellen, obwohl sich sein konkreter Bedarf erst nach einigen Monaten deutlich erkennbar macht. In einigen Branchen ist dies nicht so gravierend, da die Geschäftstätigkeit ohnehin nur durch qualifiziertes Personal beginnen kann. In anderen Branchen und Tätigkeitsfeldern, etwa bei Handelsunternehmen, kann die Geschäftstätigkeit jedoch als Ein-Mann-Gmbh auch ohne Personal beginnen. Für den Gründer vermischen sich folglich betriebswirtschaftliche und aufenthaltsrechtliche Erwägungen. Die Personalentscheidungen erfolgen naturgemäß nicht alleine auf Basis direkter wirtschaftliche Beweggründe, sondern eben auch vor dem Hintergrund, dass das gesamte Investitionsprojekt von der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abhängen kann.
Sind Personalentscheidungen im ersten Jahr für ein deutsches Startup-Unternehmen schon schwer zu erfüllen, fällt dies ausländischen Unternehmen noch schwerer. Neben den geschäftlichen Risiken und Problematiken müssen diese auch persönliche und private Schwierigkeiten überwinden. Durch den Wohnortwechsel und die Migration in die Bundesrepublik sind sie mit Alltagsproblemen beschäftigt, für deren Bewältigung Inländer über einen viel längeren Zeitraum und mehr Erfahrungen verfügen. Beispiele wären etwa die Suche nach Wohnraum, Behördengänge, die Wahl einer geeigneten Krankenversicherung, einem Stromanbieter usw. Vor diesem Hintergrund ist die Zeit für die Auswahl geeigneter Bewerber sehr knapp. Erfahrungsgemäß kommt es hier häufig zu übereilten Entscheidungen bei der Bewerberauswahl, da u.a. die Schaffung von Arbeitsplätzen als Voraussetzung des § 21 AufenthG zu betrachten ist.
Doch selbst wenn die Stellung im Betrieb und das Vorliegen einer Weisungsbefugnis nicht zu eng und formalistisch gesehen wird und die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht zeitlich parallel zur Gründung, sondern mit Blick auf den im Businessplan vorgesehenen Zeitpunkt der Anstellung der Mitarbeiter gerichtet ist (also nicht der tatsächliche Verlauf, sondern die Planung im Business Plan als Maßstab verwendet wird), bleibt es bei erheblichen praktischen Problemen.
4. Die Beteiligung von Körperschaften und Behörden
Denn gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 AufenthG entscheidet zwar die Ausländerbehörde, allerdings nicht alleine.
Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit zuständigen fachkundigen Körperschaften, Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.
Die Beurteilung der Voraussetzungen nach Satz 1 richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung.
Folgende Unterlagen sollten eigereicht werden:
- Firmenprofil
- Businessplan
- Geschäftskonzept
- Kapitalbedarfsplan
- Finanzierungsplan
- Ertragsvorschau
- Lebenslauf/Curriculum vitae (Beruflicher Werdegang, Qualifikationsnachweise, Diplome, Referenzen/Förderer)
- Ggf., Handelsregisterauszug bzw. mindestens die Anmeldung zum Handelsregister über den Notar
- Krankenversicherungsnachweis
- Nachweis über eine angemessene Altersversorgung ab Vollendung des 45. Lebensjahr4
Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Mitarbeiter der Ausländerbehörde für die Prüfung der eingereichten Unterlagen häufig nicht hinreichend qualifiziert sind. Zur Prüfung des Businessplanes, der Umsatzplanungen in bestimmten Branchen oder spezifischer rechtlicher Hürden des Geschäftsvorhabens sind oft umfangreiche betriebswirtschaftliche, volkswirtschaftliche und juristische Kenntnisse notwendig. Diese können die Mitarbeiter der Ausländerbehörde, deren Tätigkeitsfelder überwiegend Aufenthaltsfragen nicht-wirtschaftlicher Art betreffen, unmöglich alleine bewältigen.
Konsequenterweise hat der Gesetzgeber daher u.a. die Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, der Wirtschaftsförderung oder der Gewerbebehörde vorgeschrieben.
Er hat es jedoch versäumt, die Art der Beteiligung und die Gewichtung der einzelnen Stellungnahmen festzulegen.
In der Praxis führt dies häufig zu chaotischen Entscheidungsprozessen. Die Voraussetzungen des § 21 Aufenthaltsgesetz werden von unterschiedlichen Kammern und Behörden in unterschiedlichen Regionen und sogar innerhalb einer Region unterschiedlich interpretiert. Der Verfasser kennt unter anderem aus der Praxis Industrie- und Handelskammern, die die Gründung von Unternehmen zum Export in Krisenregionen entweder vollständig ablehnen oder absolut favorisieren. Dies führt zu einem regionalen Gründungstourismus. Investoren, die häufig Mitglieder innerhalb von ausländischen Wirtschaftsvereinigungen oder Kammern sind und sich kennen, berichten einander von erfolgreichen oder gescheiterten Gründungen in bestimmten Regionen. Dementsprechend werden bestimmte Regionen häufig Ziel von Gründungen und andere Regionen werden gemieden. Dies widerspricht eindeutig der Intention des Gesetzgebers, welcher unter anderem das regionale Bedürfnis als Kriterium im § 21 Aufenthaltsgesetz festlegte, um eine Verteilung der Gründungen auf Regionen mit infrastrukturellem Bedürfnis zu gewährleisten.
Hinzu kommt die Problematik, das unterschiedliche Behörden oder Kammern zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Neben persönlichen Präferenzen der Sachbearbeiter spielen hier unterschiedliche Blickwinkel auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und Chancen der Unternehmensgründung eine bedeutsame Rolle. So sind Wirtschaftsförderungsgesellschaften häufig gegenüber der Unternehmensgründung positiver eingestellt als Industrie- und Handelskammern. Dies ist zunächst unproblematisch und entspricht dem Willen des Gesetzgebers, unterschiedliche Blickwinkel auf die geplante Investition im Rahmen des Entscheidungsprozesses einzubeziehen.
Es fehlt jedoch an klaren Vorgaben, wie mit diesen unterschiedlichen Stellungnahmen im Einzelfall umzugehen ist. Schließlich verlassen sich die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde auf die Expertise in diesen Stellungnahmen. Wenn diese jedoch nicht übereinstimmen, sind sie gezwungen, auf Grundlage eigener Expertise zu beurteilen, welche der Stellungnahmen im Endeffekt stimmiger ist. Wie oben bereits aufgeführt fehlt es aber an eben genau dieser Expertise.
5. Fazit
Der § 21 Abs. 1 S. 1 AufenthG enthält Tatbestandsmerkmale, welche unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen, die einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegen.5 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Bewertung der in Satz 2 aufgeführten Kriterien zumindest teilweise auch prognostischen Charakter hat. Gemeinsam mit dem weitreichenden Ermessen der Norm führt dies zu unübersichtlichen und schwer vorhersehbaren Ergebnissen.
Der Gesetzgeber hatte bereits in der Vergangenheit erkannt, dass die Intention der Förderung von Investitionen nicht befriedigend umgesetzt wurde. Er reagierte durch mehrere Gesetzesanpassung, welche die Mindestgrenzen hinsichtlich des Investitionskapitals oder der Schaffung von Arbeitsplätzen senkten bzw. ganz abschafften. Außerdem verzichtet er in der aktuellen Fassung auf die Formulierung von Regelvoraussetzungen. Dies liegt daran, dass solche Regelvoraussetzungen in der Vergangenheit als Mindestvoraussetzungen interpretiert worden sind. Die Interpretation der Gesetze durch die Entscheidungsträger war also weitaus restriktiver als der Wille des Gesetzgebers. Ferner ist das ursprünglich in § 21 Abs. 1 S. 2 AufenthG a.F. enthaltene Erfordernis, dass von dem antragstellenden Ausländer idR mindestens 250.000 Euro zu investieren und fünf Arbeitsplätze zu schaffen sind, durch Gesetz vom 1.6.2012 aufgehoben. Auch wurde darauf verzichtet, im Rahmen des § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG ein „übergeordnetes“ wirtschaftliches Interesse und ein „besonderes“ regionales Bedürfnis zu fordern. Dennoch bestehen diese Kriterien de facto weiter, jedenfalls indirekt. So verzichtet die Ausländerbehörde Berlin bei einer Mindestinvestition von 250.000 Euro bzw. der Schaffung von mindestens 5 Arbeitsplätzen auf das Beteiligungsverfahren.
Diese Entscheidungen waren richtig und stellen klar, dass der Gesetzgeber die Problematiken in der praktischen Umsetzung der Norm erkannte. Sie gehen aber nicht weit genug. Die Norm an sich lässt zu viel Interpretationsspielraum. Sie ist als Ermessensnorm konzipiert. Dabei spielt nicht nur das Ermessen der Ausländerbehörde eine Rolle. Bereits die deutsche Auslandsvertretung, die den Investor zu seinem Vorhaben befragt, prüft die vorgelegten Unterlagen - häufig durch Sachbearbeiter, die nicht speziell hierfür geschult sind. Jede einzelne Stellungnahme der Behörden und Kammern im Sinne des § 21 Absatz 1 Satz 2 Aufenthaltsgesetz verfügt wiederum de facto über einen eigenen Ermessensspielraum. Die Ausländerbehörde gibt wiederum eine Stellungnahme an die Auslandsvertretung ab, bei der neben dem Ermessen bezüglich das Geschäftsvorhaben auch das Ermessen bezüglich der Bewertung der einzelnen Stellungnahmen eine bedeutsame Rolle spielt. Die Einschätzung der Ausländerbehörde wird wiederum an die Botschaft übermittelt. Diese sind dann bei positiven Stellungnahmen für die Ausstellung eines Visums zuständig, wobei davon auszugehen ist, das auch hier wiederum das Ermessen eine bedeutende Rolle spielt.
Auch dem nicht fachkundigen Beobachter und rechtlichen Laien fällt sofort auf, dass hier zu viele „Köche den Brei verderben“. Neben dem immensen Zeitaufwand spricht auch die Unklarheit hinsichtlich der Interpretation der Tatbestandsmerkmale der Norm durch unterschiedliche Entscheidungsträger gegen die derzeitige Handhabung.
6. Vorschläge
Der Gesetzgeber ist angehalten, die Norm zu entzerren.
Voraussetzung dafür ist, dass die Zahl der beteiligten Entscheidungsträger im Verfahren reduziert. Möglich wäre dies etwa, indem die volkswirtschaftliche Beurteilung des Gründungsvorhaben durch wirtschaftlich geschulte Stellungnahmen – etwa der Industrie und Handelskammern – als verbindlich formuliert werden und die Entscheidungsmacht übriger Beteiligter wie der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung auf andere Fragen wie etwa sicherheitsrelevante Aspekte beschränkt wird. Ferner wäre es ratsam, zumindest einen Teil der Norm vom behördlichen Ermessen zu lösen. Außerdem erscheint es notwendig, dass eine Entscheidungs- und Beurteilungshierarchie implementiert wird. Wie ist mit Fällen umzugehen, in denen etwa die IHK ein Gründungsvorhaben negativ, die Wirtschaftsförderung aber positiv beurteilt? Der Autor kennt aus der Praxis viele solcher Fälle. Es kann und darf nicht Aufgabe der Ausländerbehörde sein, die Stimmigkeit sich widersprechender Expertengutachten zu beurteilen.
Dazu müsste klar formuliert werden, unter welchen Bedingungen ein Vorhaben die Voraussetzungen der Norm erfüllt und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen ist. Solche Maßnahmen wären nicht nur hilfreich für Investoren, sondern auch für die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde oder der Botschaft. Denn auch für sie ist die Rechtslage derzeit sehr unübersichtlich, was zu Unsicherheiten führt. Mag die derzeitige Ausgestaltung der Norm auch gut gemeint sein, so bedarf es klarerer Vorgaben seitens des Gesetzgebers, um dem Gesetz mehr Kontur zu verleihen.
- 1. VG Berlin, 33 K 426/13, BeckRS 2014, 51577.
- 2. OVG Köln BeckRS 2003, 24163.
- 3. Schäfer/Ternès, Startups international: Gründergeschichten rund um den Globus, 2018.
- 4. VAB Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin 2019, S. 191.
- 5. OVG Hamburg, 3 Bs 196/07, BeckRS 2008, 33588; VGH Mannheim , 11 S 448/09, BeckRS 2009, 33091.