Analogie ist unlogisch – Über die Funktion der Gefühle im Verfahren der Rechtsgewinnung
»Wenn eine Seite nicht weiß, was Recht ist, und die andere ebenso wenig, wie sollte es dann ein Dritter wissen?«1 »Comparaison n'est pas raison.«2 Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist in der NJW 2016, 1500 ff. erschienen.
- 1. Recht besteht aus Entscheidungen
- 2. Richter
- 3. Jäger und Computer
- 4. Rechtssysteme können nicht widerspruchsfrei sein
- 5. Das Zentrum des Prozessverfahrens: Der Richter
- 6. Das Verfahren der Rechtsgewinnung
- 7. Denken, Fühlen und Entscheiden
- 8. Die neurobiologische Basis des Rechtsgefühls
- 9. Der Gerechtigkeitssinn
- 10. Unbewusste Gefährdungen des Gerechtigkeitssinns
1. Recht besteht aus Entscheidungen
Die Rechtsgeschichte und hier vor allem die Geschichte der Methodenlehre3 zeigt uns die unendliche Vielfalt der Wege, auf denen eine Rechtskultur Systeme entwickeln kann, die sie für Recht erklärt und die sie in geeigneten Verfahren durchzusetzen versteht. Selbst in vorstaatlichen Gesellschaften4 finden wir die ersten Ansätze: Es sind »politische« Entscheidungen, die sich zunächst auf Einzelfälle beziehen und dann beispielgebende Kraft für ähnliche Fälle (Topoi) entwickeln5. Später entsteht das Recht in staatlichen Strukturen, die durch Gewaltenteilung charakterisiert sind, aus definierten Rechtsquellen – darunter vor allem: Gesetze, Präjudizien und Verträge. Diese Rechtsquellen entwickeln sich aus den unterschiedlichsten »Verfahren der Rechtsgewinnung«6, die auf völlig verschiedenen systematischen Ebenen ablaufen: Im Parlament entstehen die Gesetze, in Verträgen und Verwaltungsakten werden sie angewendet und Grundlagen wie Ergebnisse durch Richter überprüft. Alle diese Verfahren werden durch einen Grundsatz miteinander verklammert: Immer geht es um Entscheidungen, die Recht vom Unrecht trennen. Ich werde mich hier mit den gerichtlichen Verfahren beschäftigen, in denen die »produktive Interessenjurisprudenz« ihren Platz hat, wie Philipp Heck es formulierte7.
2. Richter
In vielen Teilen der Welt, die vom Common Law geprägt sind, sieht man im Richter die Gestalt, die – wie ein Töpfer die Keramik – das Recht bei jedem Fall neu erzeugt, auch wenn die Entscheidung auf gesetzlicher Grundlage beruht. Oliver Wendell Holmes setzt Urteil und Recht gleich: »Die Voraussage, wie die Gerichte im Einzelfall entscheiden werden… ist, was ich unter Recht verstehe«8.
Im Common Law wird dem Richter als Person ganz selbstverständlich die zentrale Rolle im Prozess zugewiesenen. Sein Titel Justice deckt sich mit dem Begriff der Gerechtigkeit und man vertraut dem guten Richter mehr als dem guten System. Gustav Radbruch berichtet, dass englische Juristen die Begründungen eines führenden Richters selten in Zweifel ziehen. Über einen berühmten Richter des 18. Jahrhunderts hörte er:
»Ich würde lange zögern, ehe ich entscheiden würde, dass irgendetwas nicht recht wäre, was Lord Mansfield geäußert hat«9.
Dieser Satz zeugt von einem hohen Vertrauen in den Gerechtigkeitssinn des Richters, der sich im Lauf langjähriger Erfahrung gebildet hat und wir werden sehen, dass dieser Gerechtigkeitssinn nicht das Ergebnis eines überlegenen Verstandes ist, sondern eine moralische Leistung, die nur möglich ist, wenn der Richter ein sicheres Gefühl für den fairen Ausgleich der konkurrierenden Interessen entwickelt, die jeden Prozess prägen. Darin liegt die Gefahr der Willkür, die im Common Law durch die strenge Bindung an Präjudizien und das Vertrauen darauf gemildert wird, dass die Richterwahl es verhindern wird, charakterlose Verbrecher auf den Richterstuhl zu setzen.
3. Jäger und Computer
Im mitteleuropäischen Rechtskreis – dem civil law – vertraut man eher auf die Kraft der Systeme: wir jagen die Gerechtigkeit im chaotischen Dschungel des Rechts, der sich in bemerkenswerter Dichte – entwickelt hat10.
Schon Plato hat die Gerechtigkeit ein scheues Wild genannt– ein Igel würde Ronald Dworkin11 sagen:
»Nun also müssen wir wie Jäger den Busch rings umstellen, dass uns die Gerechtigkeit nicht etwa entschlüpfe und dann, wenn sie einmal verschwunden ist, nicht wieder zum Vorschein komme. Denn offenbar ist sie hier irgendwo12«.
Um 1970 dachten wir, bei dieser Jagd sollten uns die Computer helfen können. In den siebziger Jahren gab es eine Reihe ambitionierter Projekte zu denen Wolfgang Kilian wesentliche Beiträge geliefert hat. Ziel war es, das Verfahren der Rechtsgewinnung durch geeignete Algorithmen nachzubilden. Alle Versuche in dieser Richtung sind gescheitert.13 und Berichte, man sei der Lösung nähergekommen, erweisen sich als falsch14. Nur das Gefühl wird dem Richter die Richtung zeigen können, wenn die Entscheidung auf Messers Schneide steht. Unsere Verfahrensordnungen sorgen dafür, dass diese Einbruchsstellen immer offengehalten werden: im Plädoyer des Anwalts (das es auch in Zivilverfahren gibt) und dem letzten Wort des Angeklagten werden sie am Schluss des Verfahrens genutzt, genau an jener Schnittstelle, an der Logik und Gefühl zusammenfließen müssen. Wir werden sehen, dass jedes Rechtssystem den Richter in Gefühlslagen zwingt, denen er nicht ausweichen kann und es scheint so, dass wir ganz tief im Unterbewusstsein auch nichts anderes erwarten.
Entscheidend dafür sind drei Faktoren:
- Das Rechtssystem besteht zwar aus logisch miteinander verknüpften Aussagen, diese können aber weder in der Praxis noch in der Theorie vollständig und/oder widerspruchsfrei sein; immer wird es rechtsfreie Räume geben, auch solche, die nie geschlossen werden können15. In ihnen werden die Entscheidungen ausschließlich von Macht und Moral bestimmt.
- im Zentrum des Verfahrens der Rechtsgewinnung steht die Analogie, also der Vergleich zwischen Sachverhalt und Normfall und zwischen Gesetz und Entscheidung. Das Feld der Analogie wird aber nicht von der Logik, sondern von den Gefühlslagen der Prozessbeteiligten beeinflusst;
- Auch der ideale Richter kann diese Gefühlslagen nicht vollständig (und schon gar nicht logisch) beherrschen, weil sie sein Verhalten überwiegend vom Unterbewusstsein her steuern.
Diese drei Elemente will ich nun etwas näher betrachten.
4. Rechtssysteme können nicht widerspruchsfrei sein
Der Aussage, dass unsere Rechtssysteme weder vollständig noch widerspruchsfrei sind, wird jeder ohne viel Nachdenken zustimmen. Im Steuerrecht, bei dem man manchmal Zweifel haben kann, ob es sich noch um ein Rechtsgebiet handelt, findet man die schönsten: Warum werden Tabak – und Alkoholsteuern erhoben, aber nur auf den Zigarettenpackungen vor der Sucht gewarnt, auf den Flaschen aber nicht? Wie kann man Prostituierte besteuern und ihre Tätigkeit gleichzeitig für sittenwidrig erklären? Warum untersuchen wir nicht, ob die Gesetze sich in der Praxis tatsächlich so auswirken, wie das im Parlament dargestellt worden ist, um die nötigen Mehrheiten zu erreichen? Wollen wir ihre Widersprüche und Lücken nicht kennenlernen?
Die Entscheidung zwischen gerecht und ungerecht folgt nicht formalen oder zweckrationalen Regeln – wie ich Sie bitte, einstweilen als Arbeitshypothese anzuerkennen – sondern ethischen Wertentscheidungen, wie etwa der Frage, ob wir mehr Freiheit oder mehr Gleichheit wollen und wie wir ihr Verhältnis auf faire Weise bestimmen können. In Rechtssystemen bewegen wir uns stets tastend von Insel zu Insel solcher Begriffe, die ständig ihre Lage ändern und manchmal völlig verschwinden. Deshalb können wir Rechtsregeln nicht in einer abstrakten Formelsprache abbilden, wie wir sie in den Programmiersprachen vorfinden, denn das würde voraussetzen, dass wir auch alle Lücken und Widersprüche zwischen System und Regel abstrakt identifizieren und definieren könnten. Wie unsere tägliche Praxis beweist, gewinnen wir von ihnen aber nur dann eine Vorstellung, wenn wir konkret an ihrer Beseitigung arbeiten. Das geschieht im Prozess, in dem wir nach der Wahrheit suchen, wohl wissend, dass es sich dabei nur um die »prozessuale Wahrheit«, also um Konstruktionen unter eingeschränkten Bedingungen handeln kann. Solche Einschränkungen ergeben sich aus Lügen16, Beweisproblemen, Beweisverboten, verfassungsrechtlichen Grenzen usw. Trotzdem ist die prozessuale Wahrheit besser als alle anderen, weil nur sie soziale Akzeptanz und damit Rechtsfrieden schaffen kann. Im Zentrum dieser Verfahren stehen die Richter, deren Tätigkeit wir nun näher betrachten wollen.
5. Das Zentrum des Prozessverfahrens: Der Richter
Der Richter übt Macht aus, die nach den alten Vorstellungen von den Göttern, dann von den Herrschern und schließlich vom Volk verliehen wird. Sie hat magische Quellen (das Gottesurteil!), aber Richten ist auch Handwerk. So zeigt es sich in den römischen und den von ihm unabhängigen nordischen Quellen: schon in der Njäls-Saga (Island) sind um das Jahr 100 »drei Arten von Fachleuten bekannt: Dichter, Handwerker und Gesetzesleute«17. Das Soester Stadtrecht, der älteste norddeutsche Gesetzestext (ab 1220) gibt uns ein anschauliches Bild des Richters:
»Wie sich der Richter verhalten soll: Der Richter soll auf seinem Richterstuhl sitzen wie ein schreckerregender Löwe und den rechten Fuß über den linken schlagen und an das strenge Urteil denken und das Gericht, das Gott über ihn halten wird am jüngsten Tage, und in dieser Weise über Klage und Gegenklage entscheiden18.« Und er soll – wie es in einem anderen Dokument heißt – »Scheltworte … verbieten und dass niemand ohne seine Erlaubnis das Wort ergreifen darf«19.
Allegorie des guten und schlechten Richters, Detail, Fresko aus dem 15. Jahrhundert im alten Rathaus und Gerichtsgebäude in Reguengos de Monsaraz, Portugal.
Im Bild20 wird die Institution durch den Richterstuhl symbolisiert, der ein Derivat des Königsthrons darstellt21. Ideal gedacht genügt allein die Präsenz des Richters auf seinem Stuhl, um dem Verfahren durch seine Autorität die nötige Ordnung zu geben22. »Sitzend soll man das Urteil finden23« – der Richter soll sich Zeit nehmen24. Alle anderen müssen aus Respekt vor ihm stehen bleiben. Im Bild findet sich zusätzlich die Krone, das Zepter und die Fußbank, da hier der König selbst Richter ist. Bemerkenswert ist der Hinweis im Text, dass der Richter mit gekreuzten Beinen sitzen soll. Wir kennen diese Haltung aus einem berühmten Gedicht von Walter von der Vogelweide (Rodin hat sie im »Denker« abgebildet). Dahinter steckt ein Hemmungszauber (Beine oder Finger kreuzen), der den Richter gegen schwarze Magie schützen soll25. Anders als der melancholische Dichter stützt der Richter aber nicht seinen Kopf in die Hand: Er ist der Souverän des Verfahrens (auf vielen Bildern trägt er sein Schwert quer über dem Schoß), trifft alle Verfahrensentscheidungen und vollstreckt das Urteil.
In diesem Text sind alle drei Elemente benannt, die erforderlich sind, um Recht durch Richterspruch zu verwirklichen:
- Der Richter muss eine neutrale, für jeden erkennbare und gegen jeden Druck von außen (auch vor politischer Macht) geschützte Institution sein, ein Mensch, der selbst seine Gefühle im Zaum halten kann und sich seiner Pflichten bewusst ist;
- das Rechtssystem muss ihm ein Verfahren an die Hand geben und die unangefochtene Macht verleihen, das Verfahren zu leiten, das Urteil zu sprechen und es zu vollstrecken, denn nur so sichert er der Institution des Richters den nötigen Respekt der Beteiligten.
- er muss persönlich in jeder Hinsicht unbefangen sein, »denn der Richter kann nicht sowohl Kläger wie Richter sein«26.
Diese »Säulen richterlichen Handelns27« unterscheiden sich nicht von den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die auch heute gültig sind. Sie sollen die schwierige Aufgabe lösen helfen, das Verfahren überlegen zu steuern, die Emotionen, die dabei in allen Prozessbeteiligten hochkommen, je nach Sachlage positiv oder negativ zu bewerten und die Verantwortung für die Entscheidung zu übernehmen. Berufsethische Diskussionen müssen Richtern wie Anwälten Rollenmodelle für ihr Verhalten anbieten.
Man könnte aus der Tatsache, dass der Richter seine Gefühle im Zaum halten muss, weil er sonst die der anderen nicht zu bändigen versteht, schließen, dass er selbst gefühllos sein müsse. Ein Automat, ein Computer. Gleichzeitig spüren wir aber, dass kein Richter ein Urteil fällen könnte, wenn er nicht fähig wäre, die Welt der juristischen Logik zu verlassen: »Verleih Deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er Dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden verstehe« bittet Salomon (1 Buch der Könige 3,9). Die Vorstellung, dass der Verstand nichts entscheiden kann, wenn nicht auch das Herz – der Sitz der Gefühle – auf das Ergebnis einwirkt, ist in diesem einfachen Satz bereits voll ausgebildet.
Die Begründung für diese Einsicht werde ich im Folgenden liefern können und tue das in dem Bewusstsein, dass ich auf dem Boden des Common law darauf ohne weiteres verzichten könnte, weil dort der Einfluss der Gefühle auf die Entscheidung ohne Begründung anerkannt wird. Das wird im Geschworenenprozess sofort sichtbar, in dem Menschen rechtliche Entscheidungen treffen, die keinerlei juristische Ausbildung haben. In dieser Prozessart leitet der Richter in den USA das Verfahren nur und kann allenfalls extreme Verirrungen des Schuldspruchs korrigieren28. Erst die zweite (Revisions–) Instanz, ist unseren Verfahren vergleichbar. Weltweit ist das einmalig: Viele Rechtssysteme kennen Schöffen, die gemeinsam mit Berufsrichtern auf der Richterbank sitzen, ein autonomes Geschworenengericht, in dem der Richter nur sein Verfahrenshelfer ist, wirkt auf uns fremd. Dabei übersehen wir, dass der gelehrte Richter, wie wir ihn kennen, erst in der Moderne als Folge einer konsequent durchgehaltenen Gewaltenteilung entstehen konnte29.
6. Das Verfahren der Rechtsgewinnung
Arthur Kaufmann hat in einem Modell, das anderen überlegen ist, die Verfahren der Rechtsgewinnung in vier Phasen gegliedert30, die das Vorgehensmodell in all seinen Details wie in einer Sprengzeichnung darstellen. Ich beschreibe es hier anhand der Prozessverfahren.
Phase 1 (Abduktion)
Zunächst werden die relevanten Tatsachen ermittelt. Was sind die Tatsachen? Nicht das, was jeder (beim besten Willen) für Realität hält, wie schon Xenophanes31 festgestellt hat:
»Und das Genaue freilich erblickt kein Mensch und es wird auch nie jemand sein, der es erblickt hat) ..., denn selbst wenn es einem in höchstem Maße gelänge, ein Vollendetes auszusprechen, so hat er selbst trotzdem kein Wissen davon: Schein (Meinen) haftet an allem.«
Schon dieser uralte Text unterscheidet zwischen Tatsachen und Meinungen. Tatsachen sind Schiff, Mannschaft und Wetter, Meinungen die Fackeln im Sturm, und genau hier verläuft eine, im Rechtssystem immer wieder bedeutende Grenze zu seinem – die Entscheidungserheblichkeit der Tatsachen. Wie wirklich die Wirklichkeit wirklich ist, kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, denn wir sprechen nur von den Tatsachen, die für die rechtlichen Entscheidungen relevant sind und wählen sie nur unter diesem Aspekt aus. Das kann nur gelingen, wenn wir gleichzeitig die Antwort des Rechts auf den Konflikt wenigstens in ihren Umrissen deutlich genug vor uns sehen. Im systematisch aufgebauten und nach Lückenlosigkeit strebenden civil law ist das einfacher, als im Common Law und in beiden Fällen hilft die Erfahrung, wo wir nicht suchen müssen. Beide Vorgänge sind eng miteinander verknüpft: Was relevant ist, ergibt sich oft erst aus der Hypothese und die Hypothese ist zu verwerfen, wenn sie mit den Tatsachen kollidiert. So entsteht ein »hermeneutisches Vorverständnis« des möglichen Ergebnisses (im Strafverfahren z.B.: Verurteilung oder Freispruch).
Phase 2 (Induktion)
Nun werden induktiv Gesetze, Präjudizien, Auslegungsgrundsätze et cetera zusammengetragen, die zu den jeweiligen Alternativen passen. So entsteht der Obersatz des Subsumtionsschlusses. Auch in dieser Phase wird nicht nur logisch gedacht und definiert, sondern auch verglichen.
Phase 3 (Analogie)
Danach werden zwei große Vergleichsmengen gebildet: Die erste besteht aus den, im Verfahren festgestellten Tatsachen mit dem Normfall32), den der Gesetzgeber geplant – bzw. die Rechtsprechung als Präjudiz definiert – hat. Das führt zur Bevorzugung einzelner Alternativen. Sie werden im zweiten Schritt mit anderen Fällen verglichen, um festzustellen, ob die Ähnlichkeitskriterien, die man verwendet hat, dem Rechtsgefühl entsprechen. Im Begriff »Mord« stecken alle Morde, über die man jemals juristisch gesprochen hat:
»Jeder Begriff in unserem Denken verdankt seine Existenz einer langen Abfolge von Analogien, die im Lauf der Jahre unbewusst entstanden sind, die bereits dazu geführt haben, dass der Begriff entstanden ist, und die ihm im Lauf unseres Lebens fortwährend bereichern«33.
Phase 4 (Subsumtion/Deduktion)
Und schließlich werden diese Erkenntnisse wieder in der logischen Frage zusammengeführt, aus welcher Tatsache sich welche Alternative und welche Norm – und damit eine bestimmte Entscheidung ergibt. In dieser Prüfung werden mögliche Fehler in der Analogiebildung korrigiert, das Rechtsgefühl kann sich ändern, der Blick des Richters schweift zwischen Phase 3 und Phase 4 hin und her (Karl Engisch), bis er schließlich die Entscheidung trifft.
Das gesamte Verfahren der Rechtsgewinnung wird also nicht nur von der Logik, sondern auch von den Denkfiguren der Analogie bestimmt. Diese Erkenntnis hat einen hohen Wert auf unterschiedlichen rechtlichen Feldern. Im Kodifikationsstreit (1814) zwischen Thibaut und Savigny z.B. kann man beiden Recht geben: Wir brauchen das logische System in den Phasen 1,2 und vier, aber in der Phase drei nützt uns nur der sense of justice, für dessen historische Wurzeln Savigny gekämpft hat. Im Folgenden wollen wir das Vorgehensmodell der Analogie näher betrachten.
7. Denken, Fühlen und Entscheiden
Der erste Schritt der Analogie besteht aus der korrekten Bildung von Ober-und Untersatz. Dazu werden logische Operatoren eingesetzt34 aber diese Werkzeuge haben nur die Funktion, sicherzustellen, dass man im Weg der Analyse ohne weiteres die Stelle finden kann, an der etwa unlogische oder willkürliche Vergleiche zugelassen worden sind. So kann man in diesem Bereich offensichtliche Irrtümer vermeiden und den Weg des Gedankens nachvollziehbar machen. Der Schluss aus Ober- und Untersatz (»ähnlich oder unähnlich«) hingegen ist immer eine Wertentscheidung:
»Der Analogieschluss ist kein logisches Verfahren im Sinne einer formalen (»mathematischen« Denkoperation. Es geht um ein, auf Normzwecke gegründetes Werturteil. Die Logik hat nur insoweit Bedeutung, als sie die formale Struktur des Analogieschlusses analysiert hat«.35
Das bedeutet gleichzeitig: Wer Analogien bildet, Metaphern verwendet, Vergleichspaare usw. bildet, benutzt rhetorische Figuren, die nicht an die Logik, sondern an unser Gefühl appellieren36. Literarische Texte schmücken sich mit Metaphern, wissenschaftliche oder juristische Texte hingegen neigen dazu, sie zu verstecken, weil sie logisch und nicht emotional gelesen werden wollen.37 Gleichwohl werden unsere Entscheidungen mehr von der emotionalen Zustimmung oder Ablehnung als von ihrer logischen Vorbereitung geprägt (wie wir weiter unten sehen werden).
In allen vier Phasen arbeiten wir teils nacheinander, teils überschneidend mit dem Verstand und dem Gefühl. Die beiden ersten Phasen des Verfahrens der Rechtsgewinnung sind überwiegend an der Logik und am rationalen Diskurs ausgerichtet38. Aber schon zum Auffinden der relevanten Normen ist es immer wieder erforderlich, planwidrige gesetzliche Regelungslücken zu schließen und das geht nur durch analoge Anwendung anderer Normen39.
Noch intensiver wenden wir die Technik der Analogie in der dritten Phase des Verfahrens an. Dabei betrachten wir die Muster, die wir vor uns sehen und wenn wir uns für Übereinstimmung oder Differenz entscheiden, folgen wir nicht logischen Einsichten, sondern unserer Erfahrung und unseren Gefühlen40. Die Analogie gibt diesem Vorgang Strukturen – wenn auch andere als jene der Logik. Man braucht sie nicht nur zur Füllung von Lücken (besonders: Gesetzeslücken), wie man aus der Perspektive der Begriffsjurisprudenz gelegentlich gedacht hat. Auch bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit wird man seine Erfahrung mit glaubwürdigen Zeugen mit dem Auftritt dieses konkreten Zeugen vergleichen und aus diesem Vergleich auf seine Glaubwürdigkeit schließen. Vergleichbares gilt für viele andere prozessuale Ereignisse. Auch Ermessensspielräume – so vor allem bei der Strafzumessung – kann man nur ermitteln, wenn man Fälle und Präjudizien miteinander vergleicht.
Die wesentliche Gefahr der Analogiebildung besteht darin, dass unsere Gefühle die logischen Strukturen und Erkenntnisse, denen wir im Rechtssystem folgen müssen, überlagern. So kann es dazu kommen,
»dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt«41
und damit die Gewaltenteilung gefährdet. Diese Gefahr haben schon die ältesten Gesetzgeber gesehen. Justinian läßt schreiben:
»Daß nämlich niemand es wage, weder von den jetzt, noch von den künftig Lebenden, zu diesen Gesetzen Kommentare zu schreiben…….. Im Übrigen sollen sich die Juristen aber in keiner Weise an den Gesetzen zu schaffen machen und nicht erneut Anlass dafür geben, dass im Recht Streit, Zweifel und Überfülle herrschen…«42.
Ganz ähnlich heißt es in der Vorrede § 28 IX zum »Project des Codicis Fridericiani Marchici« (oder auch: »Corpus Juris Fridericiani«) von 1748, das vorläufig für alle Gerichte Preußens verbindlich war:
»Und damit die Privati, insonderheit aber die Professores, keine Gelegenheit haben mögen, dieses Land-Recht durch eine eigenmächtige Interpretation zu korrumpieren, so haben Se.Königl. Majestät bey schwerer Strafe verboten, daß niemand, wer er auch sei, sich unterstehen solle, einen Commentarium über das ganze Land-Recht, oder einen Theil desselben zu schreiben.«
Wer schon die Auslegung verbietet, will erst recht die Möglichkeit ausschalten, Analogien zu bilden. Der Versuch, eine absolute Bindung an den Text zu erreichen, ist gescheitert, weil das Rechtssystem sonst zu starr wäre, um auf die sich stets ändernden Tatsachen angemessen zu reagieren. Aber in Einzelfällen ist sie notwendig, um das System funktionsfähig zu halten: Art. 103 Abs. 2 GG verbietet es, Taten aufgrund von Analogiebildungen für Straftaten zu erklären, wenn sie im Übrigen keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage haben43. Dieser Gedanke ist auf eine Vielzahl vergleichbarer Sachverhalte ausgedehnt worden44, so vor allem auf die vielfältigen Vorlagepflichten der Gerichte (z.B. Art 100 Abs. 2 GG; § 132 GVG; Art. 177 III EGV).
Als Anwalt und später als Schiedsrichter habe ich – wie jeder von uns – in jeder Phase des Verfahrens gespürt, dass Recht nicht nur aus System und Logik besteht. Der Richter ist kein gefühlloser Entscheidungsautomat, wie manche Leute ihn sich vorstellen. »Eine emotionslose Überzeugungsbildung ist ein Widerspruch in sich«45. Die Logik bereitet Entscheidungen vor, aber sie trifft sie nicht. Man hat die Analogie zurecht »das Herz des Denkens« genannt46, denn ihre Aufgabe besteht darin, das Spannungsfeld zwischen Verstand und Gefühl so aufzulösen, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen beiden entsteht:
»Diese Spannung macht den Reiz der Metapher aus.«47
Arthur Kaufmann hat die dritte Phase als zentral perspektivischen. Definiert, in dem alle Analogien zusammenlaufen müssen. Er wollte bewusst machen welche Probleme in der Mischung aus induktivem und deduktivem Vorgehen aufkommen. Wenn der Richter die Orientierung verliert, kann er die Trennlinie zwischen Analogie und Subsumtion nicht mehr klar genug wahrnehmen:
»Die menschliche Wahrnehmung ist hochselektiv, weist bedeutende Transformationen auf und wird so geformt, dass sie mit gegebenen Kategorien übereinstimmt.48«
So können sich Vorurteile auf unbewussten Wegen Raum verschaffen. Ein erfahrener Richter weiß, dass es bis zuletzt Überraschungen geben kann, er hat oft erlebt, dass ein beiläufiges Argument auf einmal ins Zentrum der Entscheidung trifft und er ist fähig, die moralische Anstrengung aufzubringen, sich nicht von ersten Eindrücken leiten zu lassen, sondern seine Entscheidung bis zuletzt offen zu halten: Erst dann wird er den einen Sachverhalt im Verhältnis zu einem anderen als gleich oder ungleich bezeichnen und damit eine Aufgabe lösen, die Blaise Pascal so definiert hat:
»Die Vielheit, die sich nicht zur Einheit zusammenschließt, ist Verwirrung, die Einheit, die nicht von der Vielheit abhängig ist, ist Tyrannei«.
Die Analogie enthält nicht nur bewertende, sondern auch ästhetische Elemente49, sie vermittelt sinnliche Erkenntnis: Die ausgewogenen Schalen der Gerechtigkeit bilden ein symmetrisches Bild, an dem wir uns unbewusst stets orientieren. Die Gefahr dabei: Ein Richter darf nicht in einer emotionalen Falle stecken bleiben, wie es den meisten Menschen ergeht, die versuchen, einen Konflikt außerhalb eines rechtlichen Systems zu entscheiden. Der Schluss, zwei Fälle seien einander ähnlich/unähnlich ist also eine Mischung aus logischen Operationen und Wertentscheidungen, bei der die Gefühle der Beteiligten, die sich bei der Arbeit am Vergleich entwickeln eine erhebliche Rolle spielen. Man kann keinen Fall einfach »fotografieren«, er kann unendlich viele Dimensionen haben und so entstehen auch bei relativ übersichtlichen Situationen Bilder von großer Komplexität. In ihnen haben auch die Machtverhältnisse eine Bedeutung: die Möglichkeit zu behaupten, ein Gegenstand sei einem anderen gleich oder ungleich, wird von ihnen beeinflusst50, denn manche Elemente erscheinen unter einer bestimmten Beleuchtung gleicher als andere (wie George Orwell bemerkt hat).
Urteile entstehen in einem Meer von Zweifeln, die nicht logisch, sondern nur emotional überwunden und in die Überzeugung des Richters verwandelt werden können. Der Richter muss nicht nur die »Anstrengung des Begriffs« (Hegel) aushalten, sondern auch »die Erziehung des Gefühls« (Flaubert) verarbeiten – Anwälte haben es in beide Hinsichten leichter. Das ist der tiefere Grund, warum man sagt, zwei Juristen hätten drei Meinungen.
Im antagonistischen Prozess des Common law wird die Bedeutung der Gefühlslagen, in der sich vor allem die Geschworenen befinden überdeutlich. Sonia Sotomayor, seit 2009 Mitglied des Supreme Court in Washington schreibt über eine Szene als Staatsanwältin in New York, als es ihr nicht gelungen war, die Geschworenen zu überzeugen51 ihr Vorgesetzter erklärte er, was sie falsch gemacht hatte:
»Ich hatte an die Logik appelliert, statt an die Moral und damit die Geschworenen praktisch vom Haken gelassen. Da es für die meisten Geschworenen schmerzlich sei, einen Menschen für »schuldig« zu erklären und ihm damit ins Gefängnis zu schicken, könne man ihnen nicht einfach mit logischen Argumenten kommen, man müsse ihnen ein Gefühl der Notwendigkeit vermitteln. »Sie müssen glauben, dass sie moralisch verpflichtet sind, einen Schuldspruch zu fällen«, sagte Warren. Wenn man nur logisch argumentiere, entstehe bei den Geschworenen der Eindruck, dass es um ihr eigenes Ermessen gehe, nicht um die Erfüllung einer unabweisbaren Pflicht….«.
Eine Pflicht zur Verurteilung! Nichts in dieser Passage lässt erkennen, dass das Verhalten der Staatsanwältin noch irgendeinen Bezug zum Recht hat. Die Jury soll sich nicht ihr eigenes Bild von der Glaubwürdigkeit des Angeklagten oder der Zeugen machen, sie soll verurteilen, wenn die Staatsanwältin glaubwürdig erzählt hat und die Verteidigung diese Erzählung nicht zerstören konnte. Aus europäischer Sicht ist das etwas grundsätzlich anderes als das, was wir unter prozessualer Fairness verstehen.
Aber der grundsätzlich andere Ansatz, den die angloamerikanischen Rechtssysteme für sich als zweckmäßig erkannt haben, lässt diese Varianten zu und sie sind – wie oben bemerkt – noch Lichtjahre näher an unserem Ideal der Verfahrensgerechtigkeit, als wir sie etwa bei Prozessen in Russland, China oder Arabien finden. Denn auch das Verfahren des Common law endet nicht mit jener Phase, in der die Gefühle wachgerufen werden müssen, um zur Entscheidung zu kommen. Die Jury fällt zwar den Spruch, aber z.B. die Höhe der Strafe oder des Schadensersatzes wird nur selten von ihr bestimmt und kann von den Berufungsgerichten deutlich korrigiert werden. Man sieht also das Risiko, aber man begrenzt es anders, als wir das gewöhnt sind.
Um all diese Gefahren in den Griff zu bekommen, schließt sich die vierte Phase an, in der das Ergebnis, zu dem sein Rechtsgefühl den Richter drängt, wieder an Maßstäben gemessen werden muss, die den Gesetzen der Logik standhalten müssen. Erst in diesem vierten Schritt, der Subsumtion/Deduktion werden die Erkenntnisse aus den früheren drei Stufen mit logischen Mitteln wieder zusammengeführt. Auch fehlverstandene Analogien (z.B. bei unbestimmten Rechtsbegriffen) werden von der Revision umfasst52.
Am Ende muss der Richter entscheiden, er darf den Fall nicht sich selbst überlassen und spätestens jetzt kann er von seinen eigenen Gefühlen nicht absehen. Sie sind es nämlich, ohne die er überhaupt nicht entscheiden könnte, wenn er dem logischen Ergebnis (trotz aller Zweifel, die oft genug bleiben) nicht vorbehaltlos – und d.h.: mit dem Bauch – zustimmen kann53. Und man könnte sogar sagen, dass die Phase der Deduktion, in die erfahrungsgemäß neben der Tatsachenermittlung, die meiste Arbeit gesteckt wird, gefühlsmäßige Irritierungen in Phase 3 ausgleicht und überspielt. »Gerechtigkeit hat mehr mit der juristischen Fantasie zu tun als mit der juristischen Dogmatik54«. Das ist solange in Ordnung, als man sich dieser Tatsachen bewusst und fähig ist, auch den umgekehrten Weg zu gehen, die Gefühle wieder durch die juristische Logik zu korrigieren und am Schluss die Durchsetzungskraft behält, eine Entscheidung zu treffen.
Einen Trost haben wir immerhin: Die Dichter haben noch größere Schwierigkeiten im Kampf mit der Analogie als wir. Robert Gernhardt gibt uns einen Einblick, der Sie aufmuntern wird55.
DAS GLEICHNIS
Wie wenn da einer, und er hielte
ein frühgereiftes Kind, das schielte,
hoch in den Himmel und er bäte:
»Du hörst jetzt auf den Namen Käthe!« –
Wär' dieser nicht dem Elch vergleichbar,
der tief im Sumpf und unerreichbar
nach Wurzeln, Halmen, Stauden sucht
und dabei stumm den Tag verflucht,
an dem er dieser Erde Licht…………
Nein? Nicht vergleichbar? Na, dann nicht!
8. Die neurobiologische Basis des Rechtsgefühls
Warum werden wir bei der Frage, in welche Richtung wir ein Ermessen ausüben sollen, ob es zulässig ist, Analogien zu bilden oder nicht, ob und wie wir Metaphern benutzen dürfen, emotional so stark in Anspruch genommen? Die jüngere neurobiologische Forschung56 zeigt uns, dass bereits das Erfassen der Wirklichkeit, aber auch alle Arten von logischen Schlüssen eng mit unserer Gefühlswelt zusammenhängen. Wir können also nicht, wie man sich das laienhaft denkt, zunächst gefühllos denken und dann emotional handeln – beides ist vielmehr von Anfang an ebenso untrennbar miteinander verbunden wie Denken und Sprechen miteinander verwoben sind. Das ist auch von außen bemerkbar; jede logische Argumentation, die sich nicht mit den Gefühlen des Sprechenden deckt, wird von den Zuhörern als Phrase erlebt: »Du kannst von dem, was Du nicht fühlst, nicht reden«57.
Absolut unmöglich aber ist es, ohne Gefühle Entscheidungen zu treffen58, also Urteile zu fällen. Aber setzen Urteile nicht einen freien Willen voraus? Die Diskussion über diese Frage hat in der antiken Philosophie begonnen und ist durch Experimente von Benjamin Libet 1979 und viele nachfolgende weltweit durchgeführte Untersuchungen naturwissenschaftlich angefeuert worden59. Die Rechtswissenschaft reagierte auf breiter Front60. Auf ihre Überlegungen und die philosophischen Gegenreaktionen (Michael Pauen/Detlev B. Linke/Peter Bieri usw.) will ich nicht eingehen, umso weniger als jüngere Forschungen des Max-Planck-Instituts für Kognitions-und Neurowissenschaften in Leipzig (John-Dylan Haynes -2008) die bisherigen Forschungsergebnisse als »überinterpretiert« bezeichnet haben. Aber schon die einfachste laienhafte Einsicht sagt einem: Wer als Jugendlicher in einem Ghetto aufwächst, kann auf Beleidigungen vielleicht nur mit Gewalt reagieren, weil ihm die Handlungsvariante „Ironie“ in seiner Software fehlt. Man kann aber vielleicht in bestimmten Situationen von ihm verlangen, sowohl Gewalt als auch Ironie zu unterlassen. Wolfgang Prinz61 hat den derzeitigen Forschungsstand auf abstrakter Ebene analysiert und eine vermittelnde Position vorgeschlagen:
»Obwohl wir keine Willensfreiheit im Sinne einer Naturtatsache besitzen, besitzen wir sie doch im Sinne eines gesellschaftlichen Artefakts. Willensfreiheit ist die Offenheit des Willens: Intuitionen und Institutionen der Willensfreiheit wirken so, dass der private Geist sich gegenüber dem öffentlichen Diskurs öffnet und sich ihm verpflichtet.«
Max Planck hat schon lange zuvor einen noch einfacheren – und deshalb überzeugenderen – Vorschlag gemacht. Er hält die Frage für ein Scheinproblem, bei jeder von uns in seiner inneren Analyse spürt, dass er sich frei entscheiden kann, dabei aber niemals die Kenntnisse der Kausalitätsketten besitzen kann, die letztlich zu einer Entscheidung führen. Von außen betrachtet sind wir also kausal unendlich gebunden, aber wir merken es nicht62. Der Begriff des »freien Willens«, den wir innerhalb der Rechtssysteme benutzen, bezieht sich immer auf die innere Perspektive, also auf ein Verhalten, das den Menschen zugänglich ist. Aber auch von der äußeren Perspektive ist das Problem lösbar. Wenn der Mensch sich von außen betrachtet im Verstand, wie im Gefühl wie ein Automat verhält, ist auch der Richter ein Automat und dann rechnen die beiden sich im inneren Bewusstsein, sich frei zu entscheiden, gegenseitig etwas vor, was wir – wie oben gezeigt – allerdings in keine Computersprache der Welt übersetzen können. Wir müssen es mit unserer normalen Sprache tun und die Ergebnisse sind – wie bekannt – nicht perfekt.
Für unser Thema ist aber ein anderer verhaltenspsychologischer Ansatz von Interesse: In einer langjährigen Untersuchung (1992-2003) fand ein Forschungsteam um Giacomo Rizzolatti63 heraus, dass es zwischen Denken und Handeln vermutlich noch eine Zwischenphase gibt, in der wir von unseren unterbewussten Strömungen, den Gedanken, unseren Gefühlen, dem sozialen Druck, und Phantasien über die Absichten anderer hin und her gezogen werden wie durch ein Rudel Schlittenhunde kurz vor dem Start, wenn noch keiner weiß, in welche Richtung es gehen soll. Oder um ein anderes Bild zu gebrauchen: wir stehen vor einem großen Buffet, um das sich viele Menschen drängen, wir spüren dem Zeitdruck, wir wissen, dass bald die besten Sachen abgeräumt sind, wir wollen aber den Nachtisch nicht vor der Suppe essen (nur, damit es noch einen gibt) – und das Endergebnis all dieser Wahlmöglichkeiten ist es, dass wir dem Raum verlassen, ohne irgendetwas zu essen.
Durch solche Bilder wird unmittelbar klar, was theoretisch nur schwer zu beschreiben ist: Es ist die Lage von Schöffen und Geschworene, die keine juristischen Fachkenntnisse haben. Sie dürfen sich – wie jeder andere Richter – der Pflicht zur Entscheidung nicht entziehen und können dabei nur dem Gerechtigkeitssinn folgen, den sie im Lauf ihres Lebens praktisch entwickelt haben. Wir sind geneigt, auf ihre Fähigkeiten einen kritischen Blick zu werfen, aber schon Jugendliche können sehr präzise Vorstellungen über Gerechtigkeit entwickeln. Karl Heinz Bohrer schreibt, wie er mit zwölf Jahren darüber gedacht hat:
»Er… kam darauf, dass alles Leben, so auch der Grund für das Todesurteil, aus einer höheren und aus einer niederen Gerechtigkeit bestehe. Die höhere Gerechtigkeit aus dem Gefühl, die niedrige aus der Vernunft. Man müsse etwas Gutes oder Gerechtes tun, nicht nur weil das Gesetz es vorschreibt, sondern weil das innere Gefühl dabei beteiligt sei. Das sei die höhere Gerechtigkeit64.«
In den USA sind die Geschworenengerichte im 17. Jahrhundert aus der Sorge entstanden, staatliche Richter könnten leichter bestochen werden. Man kann sich in Deutschland nur sehr schwer vorstellen, auf einen bestochenen Richter zu treffen. Tatsächlich findet sich bis zurück zur reichsgerichtlichen Rechtsprechung keine einzige Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 332 Abs. II StGB65. Aber in Italien66 und Frankreich67 scheint es solche Fälle zu geben, ebenso wie in den USA68.
Heute werden die Geschworenengerichte aus tieferen Gründen aufrechterhalten: Die angelsächsischen Systeme vertrauen darauf, dass ein Urteil die Gerechtigkeit besser abbildet, wenn Menschen, die keine Rechtskenntnisse haben, das Ergebnis bestimmen. Liegt ihre Entscheidung weit ab von der Logik der Systeme, können die Berufsrichter in den höheren Instanzen sie korrigieren. Aber für den ersten Zugriff soll der Gerechtigkeitssinn der Allgemeinheit den Ausschlag geben.
9. Der Gerechtigkeitssinn
Es gibt nur einen Leitstern, der uns hilft, durch all diese Schwierigkeiten zu navigieren. Es ist der »Gerechtigkeitssinn« – der sense of justice , wie John Rawls ihn in Anlehnung an Justitian69 definiert hat, also das strategische Ziel »gemäß den geltenden Regeln zu handeln und jedem das zu gewähren, worauf er Anspruch hat.70« Der Gerechtigkeitssinn hat zwei tragende Elemente:
- Die innere Entschlossenheit, das Handwerk der Rechtsdurchsetzung unbeeinflusst von inneren und äußeren Faktoren zu betreiben und dabei praktisch brauchbare Ergebnisse zu erreichen;
- ein sensibles Gespür dafür, wie ein faires Verhältnis der unterschiedlichen Werte, die im Rechtssystem ihren Ausdruck finden, gestaltet werden muss.
Wie sind diese Eigenschaften mit dem gängigen Satz vieler Richter in Einklang zu bringen: »Ob sie hier Gerechtigkeit bekommen, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall kriegen sie ein Urteil«? Diese Aussage klingt zynisch, drückt im Kern aber die richtige Erkenntnis aus, dass Gerechtigkeit nur im Verfahren geboren werden kann und gleichzeitig durch das Verfahren beschränkt wird. Rechtssicherheit entsteht nur, wenn die Beweislage für eine der in Anspruch genommenen Positionen ohne weiteres zur Entscheidungsreife führt. Bis Anfang des letzten Jahrhunderts – und vor allem unter dem Eindruck des Rechtspositivismus – waren die meisten Juristen im mitteleuropäischen Rechtskreis sich sicher, dass es eine ausschließlich logische Frage sei, die Beweise für ausreichend zu halten oder sie zu verwerfen. Den Parteien billigte man Gefühle zu, sich selbst nicht. Man war überzeugt, dass auch in Bereichen, in denen der Richter ein Ermessen hat, sich (in geeigneten Fällen) dieses »Ermessen auf Null reduzieren« lasse. In der angloamerikanischen Rechtstradition ist von Anfang an verstanden worden, dass die Bewertung der Beweise das Epizentrum des Prozesses ist und hat sie aus grundsätzlichen Erwägungen des Jury zugewiesenen, sofern auch nur eine Partei das so beantragt. Eine Handvoll Laien hatte kein Rechtswissen an der Hand, sondern nur den sense of justice. Riezler71 verstand darunter »das Gefühl für das, was Recht ist« oder »… dass nur das dem Recht Entsprechende geschehen soll« – Leerformeln, die allerdings erstmals deutlich genug auf das Problem hingewiesen, mit dem wir uns hier beschäftigen. Michael Bihler kam 1979 einen erheblichen Schritt weiter72.
»Das Rechtsgefühl ist die spontane Stellungnahme in einem juristischen Konflikt auf der Seite eines oder mehrerer Beteiligter. Es wird von dem, der so Partei ergreift, als Empathie, als Gefühl der Einfühlung in den anderen, wahrgenommen.… Die Legitimierung der Gerechtigkeitsaussage durch ihre Verbindung mit als evident angesehenen rechtlichen Begründungen stellt eine Rationalisierung des Gefühls da und ermöglicht die Berufung auf das Gefühl in der öffentlichen Diskussion um die erfolgte Stellungnahme.«
Hier wird das Rechtsgefühl erstmals nicht auf den Richter allein bezogen, sondern auf die Wechselwirkung zwischen den am Verfahren Beteiligten und der Allgemeinheit. Unser soziales Leben schwankt ständig zwischen Chaos und Ordnung und das Recht kann stets nur ein »empfindliches Gleichgewicht« zwischen beiden Zuständen herstellen. Das Rechtsgefühl weiß nichts besser als der Verstand, aber es sorgt für kreative Unruhe, wenn die Differenz zwischen dem Rechtssystem und dem Gefühl der Allgemeinheit allzu groß wird: »Man sieht nur mit dem Herzen gut« – Antoine de Saint Exupery hat geahnt, wo die Lösung liegen muss: Man muss einerseits die innere Kraft aufbringen, genau hinzusehen (was auch heißt, die Erkenntniskraft, den Verstand und die Logik zu bemühen), dann seine Entscheidung aber nicht nur an der Logik auszurichten, sondern Herz und Verstand miteinander zu verbinden. Das ist im Kern eine moralische Leistung.
Skulptur der Justitia am Rathaus Haarlem, Niederlande.
Wir verwenden unterschiedliche Bilder für sie. Geläufig ist die Justitia, die mit der Binde über den Augen ihre Unabhängigkeit sichert, mit der Waage für den Ausgleich der Interessen sorgt und mit dem Schwert das Urteil vollstreckt. Das wird auch im asiatischen Denken so verstanden:
»Man bedarf einer Waage, um zu erkennen, ob etwas leicht oder schwer ist. Man bedarf eines Maßstabs, um zu erkennen, ob etwas lang oder kurz ist. So ist es mit allen Dingen und mit dem Herzen ganz besonders«73.
Die Bilder, die vor dem inneren Auge der Justitia entstehen, sind weit weniger stabil. Sie gleichen eher einem Mobile, das schon ein leichter Windhauch der Emotion verändern kann.74 Der Gerechtigkeitssinn ist leicht irritierbar und geht oft genug fehl, wie uns Literaturen der Justizkritik seit Jahrhunderten berichten75. Bei ihrer Bewertung darf man nicht vergessen: Je anspruchsvoller das Niveau eines Rechtsstaates ist, umso mehr verlangt die Kritik von ihm.
10. Unbewusste Gefährdungen des Gerechtigkeitssinns
Die Lebens – und Berufserfahrung zeigt jedem Richter die Gefährdungen seines unabhängigen Urteils, sobald sie ihm bewusst werden. Könnte er seine Träume deuten, also den Königsweg ins Unterbewusste gehen, wären ihm vielleicht auch unbewusste Gefährdungen zugänglich. Für die Außenwelt ist all das verschlossen. Aber der Richter muss sprechen und handeln, und vor allem: Er kann seine Körpersprache nicht verstecken:
»Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, überzeugt sich, dass die Sterblichen kein Geheimnis verbergen können. Wessen Lippen schweigen, der schwatzt mit den Fingerspitzen. Aus allen Poren dringt der Verrat76«.
Sigmund Freud und zeigt uns damit den zweiten Weg ins Unbewusste, der für die Prozessbeteiligten offensichtlich ist. Einige Beispiele:
- Spöttische Bemerkungen des Vorsitzenden77, für die er sich nicht entschuldigt,
- Unmutsäußerungen in gespannten Situationen, die über eine verständliche Verärgerung über das Verhalten eines Angeklagten hinausgehen78,
- Drohung mit der »Sanktionsschere« mit erheblicher Verurteilung (7-8 Jahre) gegenüber einem Geständnis (3,5 Jahre)79,
- eine »scherzhafte« Bemerkung eines Schöffen im Gespräch mit dem Verteidiger80.
- Einzelgespräche mit Parteien, um das Verfahren (und gegebenenfalls eine Absprache) zu steuern (§ 243 Abs 4 S. 1 StPO)81.
In spontanen Äußerungen eines Richters zeigen sich Gefährdungen seines Gerechtigkeitssinns, die er selbst nicht wahrnimmt. Anders kann man es sich nicht erklären, dass etwa ein Richter am Landgericht Chemnitz in öffentlicher Verhandlung zu Protokoll gibt: »Die Wahrheit interessiert mich nicht!«82 1986 wäre eine solche Bemerkung verständlich gewesen, denn wenn die DDR auch vielleicht kein Unrechtsstaat war (wie Gregor Gysi meint), so war sie jedenfalls kein Rechtsstaat. Aber die Bemerkung fiel 2012 und das Oberlandesgericht Dresden fand keinen Anlass zur Sorge. Wohl aber das Bundesverfassungsgericht.
Solche Äußerungen fallen natürlich nicht vom Himmel, sondern sind oft das Ergebnis von Provokationen, die die Parteien oder die Anwälte sich einfallen lassen. Beide haben einen viel größeren Spielraum als der Richter. Anwälten muss bewusst sein, dass auch im Verfahren unerbittlich das soziale Grundgesetz vom fairen Geben und Nehmen herrscht: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wenn es für den Richter zu gefährlich wird, uns zu sagen, wie er den Fall sieht, ist niemand geholfen. Vielen Richtern ist nicht klar, dass
»die bloße Äußerung einer Rechtsansicht vor der Hauptverhandlung selbstverständlich kein Ablehnungsgrund (ist) (BVerfG NJW 55, 541); anders ist dies ggf, wenn die Vorhalte des Richters lediglich in einer “Rechtsansicht“ verpackt“ sind.83«
Ermuntern die Anwälte den Richter zu offenen Äußerungen und lehnen ihn in der Folge ab, weil seine Ansicht nicht der ihren entspricht, kann viel Porzellan zerschlagen werden.
Die Rechtsprechung zur Richterablehnung bestätigt die allgemeine Auffassung, dass von einem Richter die innere Größe verlangt wird, sein Urteil so zu fassen, dass er es auch gegen seine eigenen Interessen akzeptieren müsste, wenn er Partei wäre.84 Wie eine jüngere Studie zeigt, stellen 47 % der Richter sich diese Frage und 30 % schließen nicht aus, dass sie unbewusst von ihr bewegt werden85. Nicht nur die Gesetze, auch die Urteile müssen »hinter dem Schleier des Nichtwissens« geschrieben werden. John Rawls Formulierung findet hier ein wichtiges Anwendungsfeld: ein Richter, der selbst Mieter ist, muss die moralische Stärke aufbringen, sich bei seiner Entscheidung über die Klage des Mieters nicht mehr mit ihm zu identifizieren als mit dem Vermieter. Tatsächlich zeigt sich aber, dass Richter, die selbst Hauseigentümer sind, in 26,6 % der Fälle eine Räumungsklage stattgeben, sind sie aber selbst Mieter, dann halten sie 39,2 % aller Räumungsklagen für berechtigt86. Rudolf Gerhardt u.a. zeigen in ihrer Studie auch, dass 70 % der Richter gelegentlich eine Divergenz wahrnehmen zwischen dem Urteil, das sie nach Recht und Gesetz sprechen müssen und ihrem eigenen Rechtsempfinden. Sie haben aber keine Chance, dieses Problem »wissenschaftlich« zu lösen, weil es in jedem Einzelfall in anderem Gewand erscheint. Richter spüren das Spannungsfeld zwischen Logik und Gefühlen, es ist ihnen aber meist nicht bewusst, wie sie damit umgehen. Die meisten lassen sich von ihrer Berufserfahrung leiten.
In der Umfrage Schleswig-Holstein/Thüringen stimmen über 50 % der These zu, dass die richtige Anwendung des Gesetzes gegenüber einer Lösung, die dem Gewissen des Richters folgt, den Vorrang habe, aber nur ca. 35 % meinen, dass es ihnen immer gelingt, gerechte Entscheidungen zu treffen, wenn sie sich hinreichend anstrengen. Leider ist der Wortlaut der Fragen87 nicht wiedergegeben, aber sie waren offenbar nur auf der logischen Ebene gestellt. Die Studie der Universität Mainz geht einen anderen Weg und fragt nach den Emotionen und den unterbewussten Faktoren:
- „Empfinden Sie einen Zwiespalt zwischen der Bindung an „Recht und Gesetz“ und Ihrem Rechtsempfinden?“ 69 % der Richter antworteten mit »Ja, gelegentlich«.
- „Welchen Einfluss hat nach Ihrer Erfahrung soziale Herkunft, Erziehung, Religion und Jugendzeit auf das allgemeine Rechtsempfindendes Richters?“ Im statistischen Mittel wurde der sozialen Herkunft auf einer Skala von 1-5 der Wert 3,4 (großer Einfluss) zugebilligt, der Erziehung der Wert 3,61. Ein Erklärungsversuch für diese Werte: Wenn nur 35 % der Richter meinen, dass sie mit ihren Entscheidungen stets das Richtige treffen (eine sehr realistische Einschätzung), berücksichtigen sie dabei, dass trotz aller logischen Bemühungen irgendwelche Faktoren, die ihnen nicht bewusst sind, Einfluss auf ihre Entscheidungen haben. Dazu zwei Beispiele:
- Das Team Kepplinger/Zerback von der Universität Mainz hat auch den Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte untersucht. Das Ergebnis: Prozesse, die Gegenstand der Berichterstattung werden beeinflussen das Strafmaß positiv oder negativ und weder Richter noch Staatsanwälte können sich dagegen wehren, dass es sie auch emotional beeinflusst88. Natürlich kann man versuchen, sich dem Einfluss der Medien zu entziehen, aber bereits die Tatsache, dass man weiß, dass es solche Berichte gibt, führt zu einer »kognitiven Verzerrung«, der jeder Richter in seinem Unterbewusstsein ausgesetzt ist89.
- Eine Untersuchung unter israelischen Richtern ergab, dass sie am Morgen nach dem Frühstück milder urteilten als gegen Mittag, wenn sie hungrig werden.90
Wir können gar nicht vermeiden, dass unsere Entscheidungen nicht nur vom Bewusstsein, sondern auch vom Unterbewusstsein beeinflusst werden. Dieser Bereich definiert sich durch seine Unerkennbarkeit. Die Kunst des Argumentierens dient oft genug nur dazu, die Türen, die dorthin führen, umso fester zu schließen. Selbst wenn der Mensch eine Maschine ist, werden wir sie nicht erkennen können.
Es gibt Situationen, in denen die Leistungsfähigkeit des Gerechtigkeitssinns wirklich auf die Probe gestellt wird: In vielen Teilen der Welt gelten Gesetze, die sich nicht mit dem Gerechtigkeitssinn der Menschen und oft auch nicht der Richter, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte verbinden lässt. In Deutschland liegen solche Zeiten jetzt 60 Jahre zurück, aber sie stehen uns noch lebhaft vor Augen. Wie soll man da entscheiden?
Naturrechtliche und religiöse Modelle bieten Lösungen an91, aber sie haben in unsere Verfassung keinen Eingang gefunden. Gustav Radbruch hat in der frühen Nachkriegszeit in Reaktion auf die Terrorgesetze des Nationalsozialismus eine Formel gefunden, die unmittelbar einleuchtet: Die gesetzliche Regelung muss zurücktreten, wenn «der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als »unrichtiges Recht« der Gerechtigkeit zu weichen hat«92. Der hier angesprochene Maßstab der Unerträglichkeit ist nur im Gefühl verknüpft, nicht im Verstand, denn logische Fehler kann man beseitigen, sie werden nicht als unerträglich empfunden. Das Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG) baut letztlich auf diesem Gedanken auf. Man mag ihm für praktisch sinnlos halten, weil er nur im Ausnahmezustand benutzbar wäre und in einer solchen Situation nicht das Recht, sondern nur die Macht entscheidet. Aber er vermittelt uns immerhin einige Kriterien, beide Zustände voneinander zu unterscheiden.
Zusammengefasst: Um rechtliche Entscheidungen zu treffen, müssen wir die Regeln des Rechtssystems mit der Wirklichkeit und ihren Konflikten vergleichen. Dabei nutzen wir nicht nur die Logik, sondern arbeiten mit analogen Welten, die dafür sorgen, dass Lebenserfahrung, Emotionen und sinnliche Erkenntnisse in die Entscheidung einfließen. Ohne die Analogie könnten wir die Brücke zwischen dem Rechtssystem und der Wirklichkeit nicht schlagen.
- 1. Zhuang-Zi, Texte des Meisters Zhuang (369-286 v.Chr), übers : ins Amerikanisch-Englische von Victor Mair, ins Deutsche von Stephan Schuhmacher, Wolfgang Krüger Verlag Frankfurt /Main 1998.
- 2. Französisches Sprichwort, aus dem lateinischen stammend: omnis comparatio claudicat, nachgewiesen seit dem 13. Jahrhundert, auch bei Balthasar Gracian.
- 3. Jan Schröder: Recht als Wissenschaft – Geschichte der juristischen Methodenlehre in der Neuzeit (1500-1933) (2001) CH Beck 2. Aufl. 2012.
- 4. Uwe Wesel: Frühformen des Rechts im vorstaatlichen Gesellschaften, Suhrkamp 1985.
- 5. Theodor Viehweg: Topik und Jurisprudenz (1954), 5. Aufl. München 1974.
- 6. Arthur Kaufmann: Das Verfahren der Rechtsgewinnung CH Beck 1999.
- 7. Phillip Heck: Das Problem der Rechtsgewinnung, AcP 112 (1914), S. 1 ff.
- 8. Oliver Wendell Holmes jr (1841-1935),US- Verfassungsrichter, cit.n. Dreier: Der Begriff des Rechts, NJW 1986,890. Holmes hatte den Ruf eines Genies, aber auch eines Exzentrikers. Als er sich 1902 beim US-Supreme-Court bewarb, schrieb Senator George Frisbie Hoar an den Chief Justice Melville Fuller : »….. Seine Ansichten haben nicht jene Überzeugungskraft, die nur aus der eigenen Persönlichkeit erwächst. Wir haben den staatlichen und nationalen Gerichten aus Neu-England ein paar harte Eichenbretter geliefert, an denen man lange bohren muss. Unsere Anwälte – besonders die aus Massachusetts – meinen, dass ziseliertes Elfenbein – so wie er es liefert – nicht annähernd so stark und dauerhaft sein wird, um so eine Arbeit zu schaffen, auch wenn sie als ornamentale Spielerei vielleicht zu bewundern ist« (G. Edward White, Justice Oliver Wendell Holmes, - Law and the inner Self, Oxford University Press 1993, S. 305(Übersetzung durch den Unterfertigten).
- 9. Der Geist des englischen Rechts, Gesamtausgabe, C.F. Müller 1999, Bd. 15, S. 36; Lord Mansfield (1705-1793), als Chief Justice of the King’s Bench Begründer des englischen Handelsrechts.
- 10. Unsere Justizsysteme sind erheblich dichter als im Common Law. Das zeigt sich in der Statistik (Werte aus 2011-2013): In den USA gibt es durchschnittlich für ca. 317 Millionen Einwohner ca. 26.000 Richter in den einzelnen Bundesländern und 3.600 im Bund, ein Richter ist also für ca. 10.200 Einwohnern zuständig (www.bjs.gov - US Dept. Of Justice, Special Report November 2011 »State Court Organization« NC Y242850 undwww.fjc.gov (Federal Courts). In Deutschland zeigt die Statistik ca. 20.000 Richter für 80 Millionen Einwohner also einen Richter für 4000 Einwohner (Statistik des Bundesjustizamtes für 2012). In England und Wales gibt es für 56 Millionen Einwohner nur 2000 Richter – einer für 28.000 Personen! (das meiste wird durch den örtlichen Magistrat erledigt https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/fil...).
- 11. Ronald Dworkin, Gerechtigkeit für Igel, Suhrkamp 2012 – er kommentiert einen Satz des Archilochos (680-645 v.Chr.): »Der Fuchs weiß viele Dinge, aber der Igel weiß eine große Sache«.
- 12. Plato, Der Staat IV (432 c), dazu auch : Hans Kelsen, Die Illusion der Gerechtigkeit,- Eine kritische Untersuchung der Sozialphilosophie Platons, Wien 1985.
- 13. Wolfgang Kilian: Juristische Entscheidung und elektronische Datenverarbeitung – methodenorientierte Vorstudie, Frankfurt 1974; Fritjof Haft : Rechtsprechungslehre 1992, S. 589-597;(dort zum Lex-Projekt ) P. Leith : Fundamental Errors in Legal Logic Programming , The Computer Journal, Vol. 9, No. 6, 1986, p. 545-552.
- 14. 2006 wurde berichtet, in China Rechtsautomaten würden eingesetzt. Tatsächlich waren es aber nur die auch bei uns bekannten juristische Datenbanken, die als zusätzliche Funktion Vorschläge für ein angemessenes Strafmaß enthielten, um größere Abweichungen in den Strafmaß zu vermeiden.
- 15. Arthur Kaufmann: Die Lehre vom »rechtsfreien Raum« – Kap. 15 in: Rechtsphilosophie, CH Beck, 2. Aufl. 1997 Seite 226 ff.
- 16. Franz Salditt, Das Interesse an der Lüge, Anwaltsblatt 1999,134-137.
- 17. Bernd Kannowski Die Ritter der Gerichte an der Schwelle von mündlicher zu schriftlicher Rechtskultur in: Anwälte und ihre Geschichte, Mohr Siebeck 2011 Seite 6.
- 18. Mittelniederdeutscher Originaltext bei Wolf-Herbert Deus : Soester Recht, 3. Lieferung (Ältere Ordnungen) S. 366, Soest 1971, § 1999: "Wu sick dey richter schicken sall. Dey richter sal sitten op syneme richtestole als eyn grysgrymmich lowe und slan den rechteren voit over den luchteren und dencken an dat strenge ordel und an dat gerichte, dat Godt over enne sitten wel tho dem jungesten dage, und richten dan na clage und antworde „ Übersetzung cit. nach Timothy Sodmann: Ein mittelalterliches Rechtsgangformular aus dem 15. Jahrhundert aus Westmünsterland, in: Festschrift für Ruth Schmidt - Weigand zum 70ten Essen 1996, Seite 179 f. Ich danke ihm sehr für Hinweise zur Entschlüsselung dieses Textes.
- 19. Sachsenspiegel Landrecht I 59,2.
- 20. Detail of the Allegory of the Good and Bad Judge, 15th-century fresco in the old Town Hall and Courthouse building in Reguengos de Monsaraz, Portugal. Wikimedia commons.
- 21. Walther Sallaberger : Den Göttern nahe – und fern den Menschen, in: Erkenz, Die Sakralität von Herrschaft, Akademie Verlag 2002 Seite 85 (88).
- 22. Diese Idee ist auch im alten China lebendig. Bei Kung-Fu-Tse heißt es: »Der Meister sagte: Muss man nicht Shun als einen Herrscher loben, der wirksam regiert hat, ohne zu handeln? Was tat er? Er saß nur ernst und Ehrfurcht gebietend auf seinem Thron.« (Wei-Ling-Gong, 15.5).
- 23. Sachsenspiegel Landrecht III, 69,2.
- 24. Im Sprichwort »Gut Ding will Weile haben« ist ursprünglich die Gerichtsversammlung, das germanische Thing gemeint.
- 25. Ulrike Lade-Messerschmitt in: Kommentar zum Wolfenbütteler Sachsenspiegel, Akademie Verlag 1993, Seite 195 unter Hinweis auf Leopold Schmidt: Die volkstümlichen Grundlagen der Gebärdensprache, in: Beiträge zur sprachlichen Volksüberlieferung, Deutsche Akademie der Wissenschaften 1953 Seite 236; Ruth Schmidt Wiegand in: Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte Bd. II Spalte 1416.
- 26. Sachsenspiegel Landrecht III, 53,2.
- 27. Schleswig-Holsteiner Ethik-Runde, SchlHA Sonderheft Februar 2012, S. 14 ff.
- 28. Peter Hay: US-amerikanisches Recht, C.H. Beck 4. Auflage 2008 Seite 198 ff.
- 29. Noch Ende des 18. Jahrhunderts hatte der jeweilige Landesherr gleichzeitig auch die oberste Gerichtsbarkeit, aber keinerlei juristische Fachkenntnisse. So auch der Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, der 1783 über die Tat der Kindesmörderin Johanna Catharina Höhn zu entscheiden hatte. Im genügte die Todesstrafe nicht, er wollte die Täterin lebenslang öffentlich an die Schandmauer stellen. Goethes Gutachten, das er angefordert hatte, widersprach dem, bestätigte aber gleichzeitig die Todesstrafe. (»Das Kind in meinem Leib«. Sittlichkeitsdelikte und Kindsmord in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August. Eine Quellenedition 1777-1786, hg. v. Volker Wahl, mit einem Nachwort von René Jacques Baerlocher, (= Veröffentlichungen aus thüringischen Staatsarchiven 10). Böhlaus Nachfolger, Weimar 2004. XI, 516 S.
- 30. Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung – eine rationale Analyse CH Beck 1999 Seite 70 ff.
- 31. Griechischer Philosoph (vermutlich 570-470 v. Chr.), Diels / Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker, Band 1, 6. Aufl., Weidmann, Zürich 1951, 137 [B 34].
- 32. Begriff von Fritjof Haft.
- 33. Douglas Hofstadter/Sander: Die Analogie,das Herz des Denkens, Klett Cotta 2014, S. 17.
- 34. Robert Alexy, Theorie der juristischen Argumentation Seite 273 ff. (288), 343.
- 35. Bernd Rüthers, Rechtstheorie, C.H. Beck 1999 Seite Rz 893; ebenso Arthur Kaufmann: Das Verfahren der Rechtsgewinnung, Seite 60,91 ff., dort auch zur Kritik an Robert Alexy, der (Seite 343) meint: »Auch die Analogie kann als ein gültiger logischer Schluss dargestellt werden.« Kaufmann führt diese Ansicht auf eine ungenügende Trennung der einzelnen Phasen und der mit ihnen verbundenen Zwecke zurück.
- 36. Gottfried Gabriel, Logik und Rhetorik der Erkenntnis. Zum Verhältnis von wissenschaftlicher und ästhetischer Weltauffassung. Paderborn 1992.
- 37. Paul de Man, Allegorien des Lesens, Suhrkamp 1989; Christoph Menke Hrsg), Die Ideologie des Ästhetischen, Suhrkamp 1993(Reihe Aesthetica, HrsG Bohrer).
- 38. Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, Frankfurt a.M. 1983.
- 39. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2012 - 1 BvR 127/10, LSK 2012, 210400.
- 40. Gustav Radbruch: Über das Rechtsgefühl (1914), Gesamtausgabe Bd. 1 Seite 423; derselbe: Das Güteverfahren und das deutsche Rechtsgefühl (1918), Gesamtausgabe Bd. 1 Seite 430; Erwin Riezler, Das Rechtsgefühl - Rechtspsychologische Betrachtungen, Schweitzer 1921 (1969); Michael Bihler :Rechtsgefühl, System und Wertung, Münchner Universitätsschriften Bd. 43, CH Beck 1979, Seite 59. Neuere Untersuchungen gehen interdisziplinär vor, wie ein Forum an der Humboldt Universität Berlin vom 5./06.06.2014 zeigt »Recht fühlen« - http://www.hu-berlin.de/service/veranstaltungen/veranstaltungen_neu
- 41. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2012 - 1 BvR 127/10, LSK 2012, 210400.
- 42. Corpus Juris civilis Teil II, Digesten,Constitutio Dedoken cit.n. Okko Behrens u.a. (Herausgeber) C.F. Müller 1995 Seite 15.
- 43. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 2 BvR 666/02, BeckRS 2003, 21388.
- 44. BFH, Beschl. vom 31.03.2014 - III B 147/13, BeckRS 2014, 95013 (Bezugsdauer des Kindergeldes); BVerwG, Beschluss vom 12. 1. 2009 - 8 B 84.08, BeckRS 2009, 31226 (Vermögensgesetz); BGH, Urteil vom 19.2.2013 – VI ZR 69/12, NJW 2013, 1732.
- 45. Thomas Riehm: Abwägungsentscheidungen in der praktischen Rechtsanwendung, C.H. Beck 2006, Seite 94 ff(97) – die identischen Ergebnisse werden dort ohne Bezugnahme auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse entwickelt.
- 46. Douglas Hofstadter/Sander: Die Analogie – das Herz des Denkens, Klett Cotta 2014.
- 47. Harald Weinrich: Linguistik der Lüge (1964), C.H. Beck, 7. Auflage 2006, S. 45.
- 48. Wolfgang Prinz, Selbst im Spiegel, Suhrkamp 2013, Seite 282.
- 49. Immanuel Kant: »So sagt z.B. ein gewisser Dichter in der Beschreibung eines schönen Morgens: »Die Sonne quoll hervor, wie Ruh aus Tugend quillt«…. Die ästhetische Idee ist eine ein gegebener Begriff beigesellte Vorstellung von Einbildungskraft, welche mit einer solchen Mannigfaltigkeit der Teilvorstellungen in dem freien Gebrauche derselben verbunden ist, dass für sie kein Ausdruck, der einen bestimmten bezeichnet, gefunden werden kann, der also viel Unnennbares zu einem Begriffe hinzudenken lässt, davon das Gefühl die Erkenntnisvermögen belebt und mit der Sprache, aus bloßem Buchstaben, Geist verbindet.« (Kritik der Urteilskraft V,312, cit.n. Kant: Die drei Kritiken, Kröner 1975, S. 309 (Hervorhebung durch den Unterfertigten); Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie, Suhrkamp 1998, S. 118: »Metapher von der »Macht der Wahrheit«
- 50. Arthur Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, Seite 59.
- 51. Meine geliebte Welt, C.H. Beck 2014, S. 226 ff.
- 52. BGH, Urteil vom 23. 10. 1958 - VII ZR 22/58, NJW 1959, 34 – Analogie zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag.
- 53. Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen – die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Bertelsmann 2007; Bas Kast: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft, Fischer 2007; Michael Gershon: Der kluge Bauch – die Entdeckung des zweiten Gehirns, Goldman 1998 2001; Thaler/Sunstein: Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt, Econ 2008.
- 54. Herbert Rosendorfer, Interview mit Benno Heussen, Anwaltsblatt 12/2012, Seite 976.
- 55. F.W.Bernstein (Hrsg) Neue Frankfurter Schule Seite, Arkana 1987,148,s.a.Besternte Ernte, Frankfurt am Main, 2001.
- 56. Antonio Damasio, Descartes Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, List 2004; Selbst ist der Mensch: Körper, Geist und die Entstehung des menschlichen Bewusstseins Siedler 2011.
- 57. William Shakespeare, Romeo und Julia, 3. Akt, 3. Szene- Lorenzo und Romeo.
- 58. Gerd Gigerenzer, Bauchentscheidungen – die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Bertelsmann 2007.
- 59. Wolf Singer: Der Beobachter im Gehirn, Suhrkamp 2002; Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln, Suhrkamp 2003; Wolfgang Prinz: Selbst im Spiegel Suhrkamp, 2013.
- 60. Eine Übersicht über diese grundsätzliche und in der Strafrechtsliteratur auch in anderen Zusammenhängen intensiv diskutierte Frage, gibt Eisele in Schönke / Schröder: Kommentar zum Strafgesetzbuch 29. Auflage, 2014, Vorbemerkungen zu § 13 ff. StGB, RN 107 ff. In Reaktion auf Gunnar Spilgies »Die Bedeutung des Determinismus-Indeterminismus-Streits für das Strafrecht. Über die Nichtbeachtung der Implikationen eines auf Willensfreiheit gegründeten Schuldstrafrechts« (2004) hat sich eine heftige Diskussion mit Kudlich (HRRS 2004, 217 ff / HRRS 2005, 43 ff / HRRS 2005, 51 f) entwickelt. S.a. Tonio Walter in: »Hirnforschung und Schuldbegriff - Rückschau und Zwischenbilanz« in: Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder (2006) Seite 131 - 144.
- 61. Selbst im Spiegel – die soziale Konstruktion von Subjektivität – Suhrkamp 2013, S. 302.
- 62. Max Planck: Scheinprobleme der Wissenschaft, in: Vorträge und Erinnerungen, wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1969.
- 63. Joachim Bauer: „Warum ich fühle, was Du fühlst - Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone“ Hamburg, 9. Auflage 2006, insbesondere Seite 21 ff. Dort Hinweis auf u. a. Rizzolatti / Craighero / Fadiga „The mirror system in humans.“ in: „Mirror neurons and the evolution of brain and language“ (Stamenov / Gallese (Hrsg.), Verlag: John Benjamins, Amsterdam 2003, Seite 37 - 59). Siehe auch: www.infonautik.de/rizzolatti.htm
- 64. Karl Heinz Bohrer, Granatsplitter, Hanser 2012, Seite 124.
- 65. BGH vom 12.01.2006, 4 StR 278/05; BeckRS 2006,03399 hat fehlerhafte Verurteilungen durch die LG Stendal und Dessau aufgehoben.
- 66. Der Richter Renato Squillante soll vom Anwalt Silvio Berlusconis, Cesare Previti 434.404 $ für eine erwünschte Entscheidung erhalten haben (Berliner Zeitung vom 11.12.2004). Die Verurteilung zu sieben Jahren Haft wurde aber nicht rechtskräftig und das Verfahren später wegen Verjährung eingestellt (Corriere della Sella 2.10.2007).
- 67. Der Anwalt von Nicolas Sarkozy, Tierry Herzog, soll die Generalanwälte Gilbert Azibert und Patrick Sassoust im Auftrag seines Mandanten bestochen haben (Tagesspiegel vom 02.07.2014).
- 68. Mark Ciavarella (61), Richter aus Pennsylvania wurde wegen Bestechung zu 28 Jahren Haft verurteilt (Merkur-online vom 11.08.2011).
- 69. Justitian, Digesten D.1.2 (Ulpian): »Gerechtigkeit ist der unwandelbare und dauerhafte Wille, jedem sein Recht zu gewähren« cit.n. Behrends o. A. (Herausgeber), Corpus Juris civilis Text und Übersetzung II, S. 94.
- 70. John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971), Suhrkamp 1979, S. 346.
- 71. Erwin Riezler, Das Rechtsgefühl - Rechtspsychologische Betrachtungen, Schweitzer 1921 (1969), (Hervorhebung durch den Unterfertigten).
- 72. Rechtsgefühl, System und Wertung, Münchner Universitätsschriften, Bd. 43, CH Beck 1979, Seite 59.
- 73. Meng-Zi (Menzius (c.a 372 -290 vChr ) : Von der Freiheit des Menschen, übersetzt von Richard Wilhelm (Jena 1921) I B 7, marix 2012, S. 42.
- 74. Abbildung: Skulptur der Justitia am Rathaus Haarlem, Niederlande. Till Niermann, Wikimedia commons.
- 75. Sie ist besonders wirkungsvoll, wenn sie von ehemaligen Richtern geübt wird wie etwa: Egon Schneider, Der Niedergang des Rechtsstaates, in: Festschrift für Christian Richter II Nomos Verlag 2006.
- 76. Sigmund Freud, Bruchstücke einer Hysterie – Analyse [1905], Studienausgabe [1982] Band VI S. 83 [148]).
- 77. BGH vom 13.10.2005, 5 StR 278/05; NStZ 2006, 49.
- 78. BGH vom 02.03.2004, 1 StR574/03, NStZ RR 2004, 208.
- 79. BGH vom 14.08.2007, 3 StA 266/07, NStZ 2008, 170.
- 80. BGH vom 30.10.1990 - 5 StR 447/90, NStZ 1991, 144.
- 81. BGH vom 02.10.2013, 1 StR 386/13, NStZ 2014, 168.
- 82. BVerfG 2 BvR 1750/12 vom 12.12.2012, IBRRS 89270, MDR 2013, 294
- 83. Bosbach in : Dölling u.a. StPO 3. Aufl. 2013 RN 15 zu § 24 StPO.
- 84. BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschluß vom 29. 6. 2004 - 1 BvR 336/04, NJW 2004, 3550 : » Die Annahme, ein vernünftiger Grund, an der Objektivität eines Richters zu zweifeln, liege nur dann vor, wenn über ein bloßes kollegiales Verhältnis hinaus ein engeres persönliches Verhältnis des zur Entscheidung berufenen Richters zur gegnerischen Partei bestehe, ist frei von Willkür«.
- 85. Rudolf Gerhardt, Hans Mathias Kepplinger, Stefan Geiß (Universität Mainz), Die Kunst der richterlichen Urteilsfindung, noch unveröffentlichte Studie 2012, Vorbericht FAZ 13.6.2012.
- 86. Untersuchung von Hilden (1976), zitiert nach Klaus F. Röhl: Rechtssoziologie, Carl Heymanns 1987 Seite 361. Dort beschriebenen Untersuchungen von Kaupen, Rasehorn, Rottleuthner, Opp und Peukert belegen diese Tendenz, die sich auch in der amerikanischen Justizforschung nachweisen lässt.
- 87. Schleswig-Holsteiner Ethik-Runde, SchlHA Sonderheft Februar 2012, S. 12.
- 88. Publizistik Juni 2009, Band 54, S. 216-239; Inhalt über Bibliotheken zugänglich; Bestellung elektronisch abrufbar: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11616-009-0036-y
- 89. typische Situation: BGH, 09.08.2006 - 1 StR 50/06; BGH NJW 2006, 3290 (Allianz-Arena).
- 90. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.04.2014, Bericht Carl Benedikt Frey; s-a. Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens- 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen; Daniel Kahnemann : Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler 2012.
- 91. Maihofer (Hrsg), Naturrecht oder Rechtspositivismus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Wege der Forschung, Band XVI. 1962.
- 92. Gustav Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, SJZ 1946,105 107. Man trifft in unterschiedlichen Veröffentlichungen aus dieser Zeit auf divergierende, aber inhaltlich weit gehend übereinstimmende Fassungen.