Urheber- und lizenzrechtliche Aspekte bei der Gewährleistung für Computersoftware – Zugleich zum Problem der Rechtsnatur von Lizenzverträgen

Der Versuch, die gewährleistungsrechtlichen Probleme bei Verträgen über Computersoftware mit den begrifflichen Werkzeugen der zivilrechtlichen Systematik zu bewältigen, ist auf eine Reihe tiefer Probleme gestoßen. Computersoftware ist kein körperlicher Gegenstand1 gleichwohl ist sie immer eng mit Sachen (§ 90 BGB) verbunden; sie ist keine technische Lehre, (§ 1 PatG2), befindet sich aber immer im technischen Umfeld; sie hat keine künstlerisch-ästhetische Qualität, (§ 2 UrhG3), ist aber ohne originelle wissenschaftliche Entwürfe nicht denkbar.

So einfach die negativen Abgrenzungen gelingen, so schwer ist es, für Software jene charakteristischen Eigenschaften zu definieren, die den Vergleich mit den für das System des BGB typischen Vertragsgegenständen ermöglichen. Zudem ist Software stets nur Teil einer von vielen anderen Leistungen bestimmten Gesamtleistung; auch deshalb werden Verträge über Softwareleistungen häufig rechtlich "gemischt" oder "koordiniert" sein4, niemals aber das klare Profil gewinnen, das der zivilrechtlichen Systematik jedenfalls als Idee zugrunde liegt. Die hohe praktische Bedeutung des Gewährleistungsrechts hat Rechtsprechung und Literatur vorerst dazu gezwungen, einzelfallorientiert zu entscheiden, wobei man sich teils an die Vertragstypen des BGB, teils an die allgemeinen Grundsätze (§§ 325, 326 BGB) anlehnt5. Die dabei verwendeten Kriterien schwanken vor allem in der untergerichtlichen Rechtsprechung, die das Problem zunächst einmal definieren muß6. Bei Software, die nach Planvorgabe des Bestellers oder im Zusammenwirken mit ihm erstellt wird, ergeben sich zudem ganz neue Problemzonen der Mitverantwortung des Bestellers für das Endprodukt7, die nicht identisch sind mit den bekannten Bestelleranweisungen (§ 645 BGB)8, und die auch urheberrechtliche Bedeutung bekommen können (Miturheberschaft). All dies geschieht im Zentrum der zivilrechtlichen Systematik (Kauf-/Werkvertrags-/Mietrecht) und beansprucht sie in Grenzfällen bis zur Gefahr der Überdehnung.

Der Lösungsversuch muß die Charakteristik der Software so herausarbeiten, daß ihre Nähe oder Ferne zu den einzelnen Vertragstypen des BGB (deren systematischer Wert grundsätzlich zu unterstellen ist9 im Gewährleistungsbereich erkennbar wird. Dabei zeigen sich überraschende Querverbindungen zu den urheberrechtlichen Problemen der Software, daneben gewinnt der Begriff des Lizenzvertrages genauere Konturen.

Volltext als PDF im Anhang.

  • 1. BGH in GRUR 1985, 1055 Lignamat mit Anm. von Betten.
  • 2. BPatG in GRUR 1987, 31.
  • 3. OLG Frankfurt in BB 1985, 139, (140) - Baustatikprogramm; Ulmer/Kolle, GRUR Int. 1982, 489 (492).
  • 4. u den Begriffen Staudinger-Löwisch, § 305 Rdn. 18 f. (33) und unten Fußn. 127 f.; zur praktischen Auswirkung: BGH in WM 1986, 1255 - S-Projekt; OLG Stuttgart in IuR 1987, 153.
  • 5. BGH in WM 1971, 615 = BB 1971, 677 Steuerberaterprogramm; BGH in WM 1986, 1255 = CR 1986, 799 - S-Projekt mit Anm. von Etter; BGH in NJW 1981, 2684 = BB 1981, 1856 - Programmsperre; OLG Stuttgart in IuR 1987, 57 Architektenprogramm; OLG München in CR 1987, 675 Musikalienkatalog; Brandi-Dohrn, CR 1986, 63 f.; Engel, BB 1985, 1159 f,; Kilian, CR 1986, 187 f.; Koch, Rdn. 535 f.; Mehrings, NJW 1986, 1904 f.; Moritz/Tybusseck, Rdn. 331 f.; Zahrnt, IuR 1986, 252 f.
  • 6. FG Berlin in CR 86, 719 Anwaltsprogramm; OLG Oldenburg in CR 1986, 552 - CTM-Rechner mit Anm. von Mehrings; OLG Hamm in IuR 1986, 396; OLG Stuttgart in CR 1987, 230 Feldlänge; LG Verden in CR 1986, 26 mit Anm. von Etter; LG Köln in CR 1986, 23 mit Anm. von Mehrings,' LG Düsseldorf in IuR 1986, 458 - Divisionszählanlage; LG Augsburg in IuR 1986, 166 - Musikalienkatalog; LG Stuttgart in CR 1986, 203 - Kabelbrand - mit Anm. von Klaas; LG Köln in IuR 1987, 20.
  • 7. BGH in CR 1.986, 799 - S-Projekt: Berücksichtigung der Organisationsstruktur; OLG Celle in IuR 1986, 311 Auftragsbearbeitung: Pflicht des Herstellers zu Kritik am Pflichtenheft; OLG Oldenburg in CR 1986, 552 - CTM-System mit Anm. von Mehrings: unterlassene Mitwirkung am Pflichtenheft löst Annahmeverzug des Bestellers aus; LG Landau in IuR 1986, 456: Definition der Leistungsanforderungen ist Sache des Bestellers; LG Düsseldorf in IuR 1986, 458 - Divisionszählanlage: "Art der betrieblichen Aufgabe" kann neben ausdrücklicher Beschreibung Leistungsinhalt festlegen.
  • 8. LG Osnabrück in CR 1985, 32 (Ls); zur bisher bekannten Problematik Nicklisch, BB 1979, 533; BGH in NJW 1977, 1966 (1967) mit weiteren Nachw.; OLG Frankfurt in NJW 1983, 456 = BauR 1983, 156 - Blasbachtalbrücke (Revision nicht angenommen), krit. Jagenburg, NJW 1982, 2415.
  • 9. Schwark, Rechtstheorie 1978, 73 (75).
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Benno Heussen - Urheber- und lizenzrechtliche Aspekte bei der Gewährleistung für Computersoftware - GRUR 1987 779.pdf317.6 KB