Art. 50 GG

BVerfG, 21.05.1952 - 2 BvH 2/52

1. Gegen die Zulässigkeit eines Hilfsantrags im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind jedenfalls dann keine rechtlichen Bedenken zu erheben, wenn über ihn in demselben Verfahren entschieden werden kann, in dem über den Hauptantrag zu entscheiden ist, und wenn durch die Entscheidung über den Hilfsantrag die (prozessualen und materiellen) Rechte Dritter nicht in anderer Weise betroffen werden, als sie betroffen worden wären, wenn der Hilfsantrag als Hauptantrag gestellt und verabschiedet worden wäre.
2. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen erhaltenen Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.
3. Aus der Aufnahme von Mitteln für den sozialen Wohnungsbau der Länder in den Bundeshaushalt erwächst dem einzelnen Land kein Anspruch auf einen summenmäßig bestimmten Anteil.
4. § 14 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes gewährt den Ländern nur ein Recht auf Mitwirkung bei der Verteilung der Mittel, jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Anteil.
5. Art. 65 GG handelt nur von der Stellung des Bundeskanzlers und der Bundesminister innerhalb der Bundesregierung und gegenüber anderen Verfassungsorganen des Bundes; er betrifft nicht das BundLänderverhältnis und bestimmt nichts über den zulässigen Umfang der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes.
6. Art. 50 GG umreißt nur grundsätzlich die besondere Funktion des Bundesrats als eines Verfassungsorgans des Bundes. Er schließt nicht aus, daß ein einfaches Bundesgesetz weitere Formen der Einflußnahme der Länder auf die Bildung des Bundeswillens einführt, soweit nicht ausdrückliche Vorschriften des Grundgesetzes entgegenstehen oder Kompetenzen des Bundes ihrer Natur nach unbeschränkbar sind.
7. a) Für ein Rechtsverhältnis, das vom föderalistischen Prinzip beherrscht ist, gilt nicht die im Geltungsbereich des demokratischen Prinzips beheimatete Regel, daß die Mehrheit entscheidet, sondern der Grundsatz der Einstimmigkeit. Wo ein Bundesgesetz das Einvernehmen der Länder mit einem Bundesorgan fordert, genügt daher die Zustimmung der Mehrheit der Länder nicht.
b) Aus dem föderalistischen Prinzip folgt die verfassungsrechtliche Pflicht, daß die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen ("Rechtspflicht zu bundesfreundlichem Verhalten"). Ein aus sachfremden Motiven erhobener, daher unsachlicher und in diesem Sinne willkürlicher Widerspruch eines Landes ist deshalb rechtlich unerheblich.
8. Sachgerecht ist eine Verteilung von Bundeswohnungsbaumitteln auf die Länder nur, wenn dabei ausschließlich Gesichtspunkte berücksichtigt werden, deren Berücksichtigung deshalb gerechtfertigt erscheint, weil sie in einer inneren, natürlichen Beziehung zu der zu lösenden Aufgabe stehen, wenn sie also dem Sinn und Zweck der zu schaffenden Ordnung gemäß sind. Die Frage, ob dieser Grundsatz verletzt ist, ist eine Rechtsfrage.