Art. 5 GG

BVerfG, 05.03.1974 - 1 BvR 712/1968

1. Es ist grundsätzlich dem Ermessen der gesetzgebenden Körperschaften überlassen, welche Verbände und Sachverständige bei einem Anhörungsverfahren ("Hearing") zu Wort kommen sollen.
2. Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme oder steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleichermaßen zugute kommen zu lassen; er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl der einzelnen Medien und anderen Träger des Kulturlebens treffen, wobei für die Beurteilung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden können.
3. Den §§ 4 und 12 Abs. 2 UStG 1967 (1973) ist keine Entscheidung des Gesetzgebers für eine prinzipielle umsatzsteuerliche Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UstG) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Die Belastung des Schallplattenumsatzes mit dem vollen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) beruht - trotz steuerlichen Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UStG) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

BVerfG, 11.04.1973 - 2 BvR 701/72

Der die Briefkontrolle bei Untersuchungsgefangenen ausübende Richter muß berücksichtigen, daß dem freien brieflichen Kontakt mit dem Ehegatten im Hinblick auf das verfassungskräftige Gebot der Achtung der Intimsphäre besondere Bedeutung zukommt. Mit der besonderen Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit im Bereich der ehelichen Privatsphäre ist es in der Regel nicht vereinbar, den Brief eines Untersuchungsgefangenen an seine Ehefrau wegen einer darin enthaltenen unsachlichen Kritik an dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren und den in diesem Verfahren tätigen Richtern anzuhalten.

BVerfG, 25.04.1972 - 1 BvL 13/67

1. Die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Regelung des Warenverkehrs gemäß Art. 73 Nr. 5 GG umfaßt auch die Befugnis, Filmeinfuhrverbote aus polizeilichen Gründen zu erlassen
2. Art. 5 Abs. 1 GG gebietet, § 5 Abs. 1 des Überwachungsgesetzes vom 24. mai 1961 (BGBL. I S. 607) dahin auszulegen, daß nur die Einfuhr von Filmen verboten ist, deren Inhalt tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Gedankens der Völkerverständigung gerichtet ist, und diese Schutzgüter gefährdet.
3. Zur Güterabwägung zwischen der Kunstfreiheitsgarantie (Art. 5 Abs. 3 GG) und den Belangen des Staatsschutzes bei der Einfuhr eines verfassungsfeindlichen Filmes, dem die Eigenschaft eines Kunstwerkes zukommt.
4. a) "Zensur" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG ist nur die Vorzensur.
b) Das Zensurverbot stellt eine absolute Eingriffsschranke dar, die keine Ausnahme, auch nicht durch allgemeine Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG zuläßt.
5. Die Vorlagepflicht nach § 5 Abs. 2 des Überwachungsgesetzes verstößt nicht gegen das Zensurverbot.

BVerfG, 27.07.1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68

1. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten vollzieht sich im öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung, nehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und erfüllen eine integrierende Funktion für das Staatsganze. Ihre Tätigkeit ist nicht gewerblicher oder beruflicher Art.
2. Der Bund kann nicht kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Verkehr- und Verbrauchsteuer durch eine Fiktion die in der Veranstaltung von Rundfunksendungen bestehende Tätigkeit der Rundfunkanstalten für den Bereich des Umsatzsteuerrechts in eine Tätigkeit gewerblicher oder beruflicher Art umdeuten.

BVerfG, 23.03.1971 - 1 BvL 25/61, 1 BvL 3/62

1. Das Verbot, Schriften, die Kinder oder Jugendliche offensichtlich sittlich schwer gefährden, im Versandhandel zu vertreiben, zu verbreiten oder zu diesen Zwecken vorrätig zu halten (§ 6 Abs. 1 GjS), ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Die grundsätzliche Wertentscheidung der Verfassung für die Freiheit der Meinung und der Information schließt es aus, Schriften, die durch Bild für Nacktkultur werben (§ 6 Abs. 2 GjS), aufgrund einer unwiderleglichen Vermutung generellen Verboten zu unterwerfen.

BVerfG, 24.02.1971 - 1 BvR 435/68

1. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Sie gewährt zugleich ein individuelles Freiheitsrecht.
2. Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks.
3. Auf das Recht der Kunstfreiheit kann sich auch ein Buchverleger berufen.
4. Für die Kunstfreiheit gelten weder die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG noch die des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG.
5. Ein Konflikt zwischen der Kunstfreiheitsgarantie und dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich ist nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung zu lösen; hierbei ist insbesondere die in GG Art. 1 Abs. 1 garantierte Würde des Menschen zu beachten.

BVerfG, 28.04.1970 - 1 BvR 690/65

1. § 353 b StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Es verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG, wenn dem Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes, der glaubt, ein verfassungswidriges Handeln seiner Behörde in einem Einzelfall festgestellt zu haben, grundsätzlich zur Pflicht gemacht wird, zunächst die in der institutionellen Ordnung des demokratischen Staates liegenden Abhilfemöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er die Öffentlichkeit unterrichtet.