§ 198 GVG

Im Maelstrom der Argumente – Juristischer Denkstil in Kafkas Prosa

*In Franz Kafkas literarischem Werk dreht sich alles um ein einziges – allerdings sehr großes – Thema: Die Wahrheit; und weil er als Jurist täglich mit Rechtsfragen zu tun hatte, verknüpfte er dieses Thema in vielen Texten mit der Frage nach der Gerechtigkeit. Sie stand tagtäglich im Zentrum fast jeden Problems, mit dem Kafka sich als Versicherungsjurist zu beschäftigen hatte: War der Unfall wirklich so geschehen, wie geschildert? Wer hat ihn verursacht, wer verschuldet? Sind die Beurteilungen der Ärzte richtig oder müssen sie von Fachärzten überprüft werden? Zu welchen Renten führt das Ereignis? Vor Klärung all dieser Tatsachen können die Ermessensspielräume, die in jeder Norm stecken, nicht ausgefüllt werden. Aus der jahrelangen praktischen Tätigkeit entwickelt sich so der juristische Denkstil, den wir in zahllosen beruflich veranlassten Texten finden, die Kafka geschrieben hat1.

  • *. Eine gekürzte Version wurde veröffentlicht in: Neue Juristische Wochenschrift, 2022, Heft 11, S. 751-754.
  • 1. Klaus Hermsdorf: Hochlöblicher Verwaltungsausschuß. Amtliche Schriften. Luchterhand, 1991, ISBN 3-630-61971-1.