KI in der anwaltlichen Praxis – der freie Beruf auf dem Prüfstand

Ein Fall vor dem Amtsgericht Köln hat zu einer heftigen Diskussion zum Einsatz von KI in der anwaltlichen Praxis geführt. Hauptsächlich ging es in dieser Debatte um das Sachlichkeitsgebot sowie die Wahrheitspflicht. Es stellen sich jedoch auch Fragen der persönlichen Leistungserbringung und damit Fragen zu den Grundprinzipien anwaltlicher Tätigkeit.

1. Der Ausgangspunkt

In einem familiengerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Köln beantragte ein Elternteil die Anordnung des Wechselmodells. Wechselmodell bedeutet, dass die beiden getrennt lebenden Elternteile zu annähernd gleichen Teilen die Betreuung, Versorgung und Erziehung des Kindes / der Kinder übernehmen. In diesem Verfahren wurden, wie üblich, diverse Schriftsätze ausgetauscht. Der Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters einer Partei gab dem Familienrichter Anlass, in seinem Beschluss auch in 2 Absätzen zu dem schriftsätzlichen Anwaltsvortrag Stellung zu nehmen.

Der familiengerichtliche Beschluss führt hierzu im Einzelnen aus:

„Die weiteren von dem Antragsgegnervertreter im Schriftsatz vom 30.06.2025 genannten Voraussetzungen stammen nicht aus der zitieren Entscheidung und sind offenbar mittels künstlicher Intelligenz generiert und frei erfunden. Auch die genannten Fundstellen sind frei erfunden. Viefhues kommentiert nicht im Münchner Kommentar, sondern den juris PraxisKommentar BGB Band 4, dessen Herausgeber er ist.  Die 9. Auflage stammt aus dem Jahr 2024, nicht 2021. § 1678 BGB wird von Hennemann kommentiert. § 1687 des jurisPK-BGB Band 4 wird nicht von Brömmelmeyer, sondern von Thormeyer kommentiert. Eine Randziffer 65 ff. gibt es in dem Kommentar nicht. Die Erläuterungen enden bei Rn. 36. Die Fundstelle Brons, Kindeswohl und Elternverantwortung, 2013, S. 175 ff. konnte seitens des Gerichts nicht gefunden werden. Eine Fundstelle Völkl, FamRB 2015, Bl. 74 ist ebenfalls frei erfunden. In der FamRB 2015 findet sich auf Bl. 70 – 77 der Aufsatz: Ist § 17 VersAusglG verfassungsgemäß? - Verfassungsrechtliche Überlegungen zur Kritik an dieser Vorschrift. Auch ein Werk „Meyer-Götz, in: Hauß/Gernhuber, Familienrecht, 6. Aufl. 2022, § 1671 Rn. 33“ gibt es nicht. Hier werden offenbar 3 verschiedene Werke vermengt. Den entsprechenden Rechtssatz, wonach ein Wechselmodel mit einem psychisch instabilen Elternteil grundsätzlich unvereinbar ist, gibt es nicht. Auch eine Fundstelle OLG Frankfurt, FamRZ 2021,70 ist frei erfunden. Auf Bl. 67-70 der FamRZ aus dem Jahre 2021 findet sich die Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Thematik Zustimmungserfordernis der Ersatznacherben zur Löschung eines Nacherbenvermerks. Auf Bl. 70-70 findet sich die Entscheidung 1 W 1276 / 20 des Kammergerichts, die sich mit der Grundbuchberichtigung aufgrund von Teilerbscheinen auseinandersetzt.
Der Verfahrensbevollmächtige hat derartige Ausführungen für die Zukunft zu unterlassen, da sie die Rechtsfindung erschweren, den unkundigen Leser in die Irre führen und das Ansehen des Rechtsstaates und insbesondere der Anwaltschaft empfindlich schädigen. Er wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen Verstoß gegen § 43 a Abs. 3 BRAO handelt, wenn ein Rechtsanwalt bewusst Unwahrheiten verbreitet. Hierzu gehört der wissentlich falsche Vortrag über Inhalt und Aussagen von Gesetzen und Urteilen (Weyland/Bauckmann, 11. Aufl. 2024, BRAO § 43a Rn. 39; Henssler/Prütting/Henssler, 5. Aufl. 2019, BRAO § 43a Rn. 140). Der Verfahrensbevollmächtige ist Fachanwalt für Familienrecht und sollte die Rechtslage kennen.“1

2. Die persönliche Leistungserbringung

Bei einem Anwaltsvertrag handelt es sich regelmäßig um einen Dienstvertrag, bei dem eine Dienstleistung, jedoch kein Erfolg geschuldet wird, § 611 BGB. Für den Dienstverpflichteten, also den Rechtsanwalt, gilt demzufolge § 613 S. 1 BGB, welcher bestimmt: Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten.

Auch die Aufgaben und Tätigkeiten, die den Beruf eines Rechtsanwaltes auszeichnen, wie unter Anderem

  • Beratung von Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten
  • Analysieren der Anliegen von Mandanten sowie der vorliegenden Sachverhalte auf ihre rechtliche Begründetheit und Durchsetzbarkeit
  • Informieren von Mandanten über Rechtslage, Erfolgsaussichten und mögliche Schritte
  • Formulieren von Widersprüchen / Einsprüchen gegen Behördenbescheide / Bußgeldbescheide
  • Verfassen von Forderungsschreiben an gegnerische Parteien
  • Einholen von Gutachten
  • Vertretung von Mandanten als Rechtsbeistand bei Verhandlungen mit Behörden, Unternehmen und Privatpersonen
  • Beratung von Unternehmen, Organisationen und Behörden bei der Ausgestaltung von Rechtsgeschäften
  • Vorbereitung von Gerichtsverhandlungen
  • Anfertigen von Schriftsätzen
  • Einholen von Beweisen und Zeugenaussagen
  • Vertretung der Interessen von Mandanten vor Gericht
  • Mitwirkung bei der Rechtsfindung vor Gericht durch Darstellung rechtlich relevanter Tatsachen aus der Sicht der zu vertretenden Partei und/oder Erstellung von Gutachten
  • Verhandeln mit dem Prozessgegner, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, Behörden und Privatleuten 2

implizieren eine Dienstleistung durch die Person des Rechtsanwaltes.

Die persönliche Leistungserbringung ist ein zentrales Merkmal anwaltlicher Tätigkeit und Ausdruck seiner selbständigen freiberuflichen Betätigung, wie sie in § 2 BRAO [Bundesrechtsanwaltsordnung] definiert ist.

In § 2 BRAO heißt es:

(1) Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus.
(2) Seine Tätigkeit ist kein Gewerbe.

Den freien Beruf in Abgrenzung zum Gewerbe kennzeichnet (im Allgemeinen):

  • Selbstständigkeit und Unabhängigkeit sowie
  • die Ausübung wissenschaftlicher, künstlerischer, schriftstellerischer Tätigkeiten oder
    die Erbringung persönlicher Dienstleistungen höheren Grades, die eine hohe Bildung erfordern.3

In § 1 Abs. 2 PartGG [Partnerschaftsgesellschaftsgesetz] ist ebenso erläutert, was die Ausübung eines freien Berufes ausmacht:

Die Freien Berufe haben im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt, § 1 Abs. 2 S. 1 PartGG.

Weiter definiert § 46 BRAO in seinen Absätzen 2 bis 4 die anwaltliche Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts (ein Syndikusrechtsanwalt ist ein Rechtsanwalt, welcher bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber angestellt ist). Die anwaltliche Tätigkeit zeichnet demnach aus:

  • die fachlich unabhängige und eigenverantwortliche
    › Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, Erarbeitung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten
    › Erteilung von Rechtsrat
    › Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten
  • die eigenständige Analyse der Rechtslage
  • eine einzelfallorientierte Rechtsberatung.

Steuerrechtlich ist die freiberufliche Tätigkeit ebenso von der gewerblichen Tätigkeit abzugrenzen. In § 18 Abs. 1 S. 3 EStG ist zusätzlich definiert: Ein Angehöriger eines freien Berufs ... ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.

„Wesensbestimmendes Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit in Abgrenzung gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist ... die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers.“4

Die freiberufliche Tätigkeit ist demnach gekennzeichnet von der persönlichen und individuellen Arbeitsleistung, die zu einem persönlichen und individuellen Arbeitsergebnis führt, während die gewerbliche Tätigkeit von dem Einsatz sächlicher und personeller Ressourcen charakterisiert ist.5

3. Abgrenzung der freiberuflichen Tätigkeit

Keine Zweifel bestehen darüber, dass sich der freiberuflich tätige Rechtsanwalt der Hilfe von anderen Personen bedienen oder sächliche / technische Hilfsmittel, wie Datenbanken, Formularsammlungen, Textverarbeitungsprogramme und auch KI nutzen darf.

Immer jedoch ist erforderlich, dass der Rechtsanwalt persönlich tätig wird, indem er zum Beispiel

  • den Sachverhalt prüft,
  • die Entscheidung trifft, wen er mit welchen (Hilfs-/Zu-) Arbeiten betraut,
  • die Entscheidung trifft, welche Quellen er „befragt“, wie er die „Quellen“ befragt,
  • die Entscheidung trifft, wie er mit dem erhaltenen Ergebnis umgeht, wie er das erhaltene Ergebnis verarbeitet, wie er das erhaltene Ergebnis bewertet, wie er das erhaltene Ergebnis anwendet, wie er das erhaltene Ergebnis darbringt – immer bezogen auf den jeweiligen Einzelfall
  • externe Inhalte auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Relevanz prüft,
  • eine Beurteilung vornimmt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der recherchierten Fälle zum konkreten Fall des Mandanten bestehen, welche Tatsachen im konkreten Fall des Mandanten noch ermittelt werden müssen, um diese dem Gericht darlegen zu können, welche (Zwischen-) Schritte/Rechtshandlungen gegebenenfalls daneben/ergänzend durchgeführt werden müssen,

so dass am Ende das Ergebnis Produkt seiner persönlichen und individuellen Leistung ist.

Dies ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn ein Rechtsanwalt den von einem zuarbeitenden Rechtsanwalt in eigener Verantwortung gefertigten Schriftsatz einfach nur unterzeichnet; die Bearbeitung wird hier dem zuarbeitenden Rechtsanwalt, nicht jedoch dem unterzeichnenden Rechtsanwalt zugeordnet.6

Für die Zuarbeit durch eine KI, die noch nicht einmal das Know-How eines Rechtsanwaltes aufweist, kann nichts Anderes gelten.

Wird die Arbeit damit gänzlich personellen und / oder technischen Hilfsmitteln überlassen und das Ergebnis nur noch einer Abschlusskontrolle unterzogen, ist die Arbeit nicht mehr von der persönlichen und individuellen Leistungserbringung durch den Rechtsanwalt geprägt; diese Tätigkeit ist dann keine freiberufliche Tätigkeit mehr.7

Wird die KI nicht nur als Hilfsmittel für die anwaltliche Tätigkeit benutzt, sondern wird der KI die Arbeit ganz oder in wesentlichen Teilen überlassen, beruht das Ergebnis nicht mehr auf der persönlichen Leistungserbringung des Rechtsanwaltes; eine anwaltliche Tätigkeit liegt dann nicht vor.

4. Verletzung von Pflichten aus dem Anwaltsvertrag – Schlussfolgerungen

Bei Abschluss eines Anwaltsvertrages geht der Mandant berechtigterweise davon aus, dass sein Anliegen von dem beauftragten Rechtsanwalt persönlich mit dessen Kenntnissen, Fähigkeiten und Qualitäten bearbeitet wird. Genau deshalb sucht ein Mandant einen Rechtsanwalt und nicht jemand Anderen, zum Beispiel einen IT-Spezialisten, auf.8

Die Übertragung der Arbeit an die KI ohne persönliche Leistungserbringung durch den Rechtsanwalt in nennenswertem Umfang stellt damit eine Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dar.

Eine derartige Handhabung missachtet die anwaltliche Grundpflicht der gewissenhaften Ausübung des Anwaltsberufes, § 43 BRAO. Diese ist zudem geeignet, das Vertrauen in die Rechtsanwaltschaft und damit den Beruf des Rechtsanwaltes grundlegend zu erschüttern.

Die Veranlassung eines Anderen zum Abschluss eines Anwaltsvertrages unter (Aus-) Nutzung seiner Anwaltszulassung, ohne bzw. nur zu einem geringen Anteil anwaltliche Dienstleistungen zu erbringen, verstößt zudem gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 5 UWG.

Der Anwaltsvertrag ist anfechtbar, wegen Irrtums und/oder Täuschung, §§ 119, 123 BGB.

Der Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) kann verwirklicht sein.

Die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgenommene Abrechnung der hier behandelten nicht-anwaltlichen Tätigkeit kann unberechtigt oder überhöht sein.

Steuerrechtlich liegt kein freier Beruf, sondern ein Gewerbetrieb vor.

Die Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwaltes greift möglicherweise nicht wegen wissentlicher Pflichtverletzung, § 51 Abs.3 Nr. 1 BRAO.

Weist der Rechtsanwalt – pflichtgemäß – darauf hin, dass die beauftragte Tätigkeit im Wesentlichen von KI und nicht von ihm persönlich erbracht wird, wird -nach diesseitiger Auffassung- kein Anwaltsvertrag geschlossen, da Gegenstand eines Anwaltsvertrages immer die persönliche Leistungserbringung des Rechtsanwaltes ist. Der Anwalt wird hier gewerblich und nicht im Rahmen des freien Anwaltsberufes tätig.

5. Künstliche Intelligenz – ihre Wirkungsweise im Unterschied zur menschlichen Intelligenz

„Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Teilgebiet der Informatik. Sie imitiert menschliche kognitive Fähigkeiten, indem sie Informationen aus Eingabedaten erkennt und sortiert. Diese Intelligenz kann auf programmierten Abläufen basieren oder durch maschinelles Lernen erzeugt werden.
In den vergangenen Jahren wurden vor allem im Bereich des maschinellen Lernens große Fortschritte gemacht. Das liegt vor allem an der zunehmenden Verfügbarkeit von großen Datenmengen und hoher Rechenleistung, die eine Grundvoraussetzung für die komplexen Berechnungen von Machine Learning sind.
Bei maschinellen Lernverfahren erlernt ein Algorithmus durch Wiederholung selbstständig eine Aufgabe zu erfüllen. Die Maschine orientiert sich dabei an einem vorgegebenen Gütekriterium und dem Informationsgehalt der Daten. Anders als bei herkömmlichen Algorithmen wird kein Lösungsweg modelliert. Der Computer lernt selbstständig die Struktur der Daten zu erkennen. Beispielsweise können Roboter selbst erlernen, wie sie bestimmte Objekte greifen müssen, um sie von A nach B zu transportieren. Sie bekommen nur gesagt, von wo und nach wo sie die Objekte transportieren sollen. Wie genau der Roboter greift, erlernt er durch das wiederholte Ausprobieren und durch Feedback aus erfolgreichen Versuchen.“9

Künstliche Intelligenz

  • ist Mathematik
  • ist eine Imitation menschlicher kognitiver Fähigkeiten
  • basierend auf programmierten Abläufen oder
  • erzeugt durch maschinelles Lernen.

Maschinelles Lernen

  • ist ein Lernen durch Wiederholung
  • wobei sich die Maschine an einem vorgegebenen Kriterium und dem Informationsgehalt der Daten orientiert
  • wobei kein Lösungsweg vorgegeben ist.

Im Gegensatz dazu ist menschliche Intelligenz weit vielschichtiger.

„Intelligenz (von lateinisch intellegere „erkennen“, „einsehen“; „verstehen“; wörtlich „wählen zwischen …“ von lateinisch inter „zwischen“ und legere „lesen, wählen“) ist die  kognitive  bzw. geistige Leistungsfähigkeit bei Menschen und zum Teil auch Tieren speziell im Problemlösen. Der Begriff umfasst die Gesamtheit unterschiedlich ausgeprägter kognitiver Fähigkeiten zur Lösung eines logischen, sprachlichen, mathematischen oder sinnbezogenen Problems.“10

„Zu den kognitiven Fähigkeiten oder Prozessen eines Menschen zählen unter anderem

  • Wahrnehmung und Aufmerksamkeit,
  • Erinnerung und Lernen,
  • Kreativität, Phantasie und Vorstellungskraft,
  • das Denken (Planen, Orientieren, Argumentieren, Problemlösen uva.)
  • und die Selbstbeobachtung (Introspektion).“11

„Das Problemlösen (sowie die Problemlösung) ist eine Schlüsselkompetenz von Personen, die darauf abzielt, erkannte Probleme durch intelligentes Handeln, durch bewusste Denkprozesse zu beseitigen.“12

„Unter Denken werden alle (psychologischen) Vorgänge zusammengefasst, die aus einer inneren Beschäftigung mit Vorstellungen, Erinnerungen und Begriffen eine Erkenntnis zu formen versuchen.“13

Menschliche Intelligenz

  • beruht auf der menschlichen kognitiven Leistungsfähigkeit,
  • welche Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Kreativität, Phantasie, Vorstellungskraft, Denken (Planen, Orientieren, Argumentieren, Problemlösen, und so weiter) sowie Selbstbeobachtung umfasst
  • ist keine Mathematik
  • wird nicht nur durch ein vorgegebenes Kriterium und durch den Informationsgehalt der zur Verfügung gestellten Daten erzeugt
  • führt deshalb zu Neuerungen, Weiterentwicklungen und Innovationen (im Gegensatz zur KI).

Fazit: Künstliche Intelligenz imitiert damit nur ein kleines Feld menschlicher Intelligenz.

Wesentliche anwaltliche Tätigkeiten kann KI nicht. Dazu gehören beispielsweise:

  • keine individuelle Beratung, da der KI weder ein Erkennen des Problems noch eine Verknüpfung der Daten mit dem individuellen Fall des Mandanten noch eine kreative, planende, argumentierende Tätigkeit möglich sind
  • keine Analyse des Anliegens des Mandanten sowie des vorliegenden Sachverhaltes auf seine rechtliche Begründetheit und Durchsetzbarkeit, aus den gleichen Gründen
  • keine Information des Mandanten über die Erfolgsaussichten und mögliche Schritte
  • kein individuelles Formulieren von Widersprüchen / Einsprüchen gegen Behördenbescheide / Bußgeldbescheide (ausschließlich formelhaftes Wiedergeben durch KI)
  • keine individuelle Beratung von Unternehmen, Organisationen und Behörden bei der Ausgestaltung von Rechtsgeschäften bezogen auf die konkreten Bedürfnisse
  • kein individuelles Anfertigen von Schriftsätzen (ausschließlich formelhaftes Wiedergeben von Daten ohne spezifischen Bezug zum konkreten Fall)
  • keine Mitwirkung bei der Rechtsfindung vor Gericht durch Darstellung rechtlich relevanter Tatsachen aus der Sicht der zu vertretenden Partei
  • keine Erstellung eines Rechtsgutachtens

6. Wettbewerbsrechtliche Verzerrungen

Wie dargelegt, liegt – nach hier vertretener Ansicht – kein Anwaltsvertrag vor, wenn die beauftragte Tätigkeit im Wesentlichen von KI und nicht von dem Rechtsanwalt persönlich aufgrund seiner besonderen Qualifikation erbracht wird.

Diese Feststellung wirft zugleich Fragen des Wettbewerbsrechtes auf.

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, § 3 Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).

Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, § 5 Abs. 1 UWG.

Nach § 5 Abs. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält

  1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen
  2. die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs

Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält,

  1. die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und
  2. deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, § 5a Abs. 1 UWG.

„Geschäftliche Handlung“ ist dabei jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt, § 2 Nr. 2 1. HS UWG.

Dies bedeutet:

Der Rechtsanwalt,
der als Rechtsanwalt mit dem Mandanten einen Anwaltsvertrag in dem Wissen,
dass die beauftragte Tätigkeit im Wesentlichen von KI und nicht von dem Rechtsanwalt persönlich erbracht wird,
abschließt und abwickelt,
nimmt eine irreführende geschäftliche Handlung vor,
indem er als Rechtsanwalt eine anwaltliche Dienstleistung „verkauft“ und angeblich ausführt,
obwohl er mit der Leistungserbringung durch KI ohne wesentlichen eigenen Beitrag keine anwaltliche Tätigkeit in dem freien Beruf als Rechtsanwalt liefert,
die geeignet ist,
die Vertragspartei zu einer geschäftlichen Entscheidung (beispielsweise das Abschließen eines Vertrages oder das Festhalten an einem Vertrag) zu veranlassen,
die sie andernfalls nicht getroffen hätte.

Der Rechtsanwalt nutzt insofern seine Zulassung als Rechtsanwalt für ein Geschäft, in welchem er nicht in dem freien Beruf als Rechtsanwalt anwaltlich tätig wird, sondern als Gewerbetreibender eine gewerbliche Leistung erbringt.

Das Unterlassen der wesentlichen Informationen,
dass nicht der Rechtsanwalt in Person tätig werden wird, sondern die Leistung im Wesentlichen durch KI erbracht werden wird und
dass kein Anwaltsvertrag (über die Erbringung persönlicher Dienstleistungen höheren Grades aufgrund besonderer erworbener und mit der Zulassung anerkannter Qualifikation) geschlossen wird, sondern ein einfacher Dienstleistungsvertrag (Beauftragung von KI und Übermittlung des Ergebnisses der KI)
beeinflusst die Vertragspartei in ihrer Entscheidung und ist geeignet, die Vertragspartei zu einer Entscheidung zu veranlassen, die sie bei Kenntnis nicht getroffen hätte (keine Beauftragung, wenn keine oder nur geringfügige anwaltliche Tätigkeit).

Damit handelt der Rechtsanwalt unlauter sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen.

Wer eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf

  • Beseitigung
  • Unterlassung
  • Schadenersatz
  • Gewinnabschöpfung

in Anspruch genommen werden.

Wichtig ist, dass einem Verbraucher nur der Schadenersatzanspruch zusteht (nicht jedoch der Beseitigungs-, Unterlassungs-, Gewinnabschöpfungsanspruch). Außerhalb eines Schadenersatzanspruchs kann sich ein Verbraucher jedoch an einen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen (zum Beispiel die Wettbewerbszentrale) oder einen Verbraucherverband (zum Beispiel die Verbraucherzentrale) wenden, § 8 Abs. 3 UWG, welche eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung verfolgen werden.

Mitbewerber können Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen.

Für einen Schadenersatzanspruch müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

Eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung der anderen Vertragspartei,
die diese vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat,
und die geeignet ist,
den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen,
die er andernfalls nicht getroffen hätte,
wobei die Entscheidung des Verbrauchers auf der unzulässigen unlauteren geschäftlichen Handlung der anderen Vertragspartei beruht
und diese Entscheidung zu einem Schaden bei dem Verbraucher geführt hat.

Ein schuldhaftes Verhalten als Voraussetzung eines Schadenersatzanspruchs könnte ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn sich der betroffene Rechtsanwalt in einem Rechtsirrtum befunden haben sollte.

Der BGH [Bundesgerichtshof] hat hierzu unter anderem in seiner Entscheidung vom 06.05.1999, I ZR 199/96 ausgeführt:

„... Im Wettbewerbsrecht werden wie generell im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht strenge Anforderungen an die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gestellt. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsirrtum nur dann entschuldigt, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage, in der sich noch keine einheitliche Rechtsprechung gebildet hat und die insbesondere nicht durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt ist, geht das Sorgfaltserfordernis zwar nicht so weit, daß aus der Sicht des rechtsirrig Handelnden die Möglichkeit einer für ihn ungünstigen gerichtlichen Klärung undenkbar gewesen sein müßte. Durch strenge Anforderungen an seine Sorgfalt muß indessen verhindert werden, daß er das Risiko der zweifelhaften Rechtslage dem anderen Teil zuschiebt … . Fahrlässig handelt daher, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muß. ...“ 14

Die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung sind dagegen verschuldensunabhängig, das heißt hier kommt es auf Verschulden nicht an.

7. Anfechtbarkeit des geschlossenen Vertrages

Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde, § 119 Abs. 1 BGB.

Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden, § 119 Abs. 2 BGB.

Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten, § 123 Abs. 1 BGB.

Ein Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs.2 BGB) kann vorliegen, wenn sich der Vertragspartner darüber irrt, der Rechtsanwalt werde in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt anwaltlich tätig. Die Funktion Rechtsanwalt muss dabei verkehrswesentlich sein. Liegt ein Eigenschaftsirrtum vor und wäre die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung nicht abgegeben worden, kann die Erklärung angefochten werden. Die Anfechtungserklärung muss unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nach Kenntniserlangung erfolgen, § 121 Abs. 1 BGB.

Eine Täuschung ist gegeben, wenn der Vertragspartner einen Irrtum erregt oder aufrechterhält. Dies kann durch aktives Tun oder durch Unterlassen geschehen. Erbringt der Rechtsanwalt keine anwaltliche Dienstleistung, sondern eine gewerbliche (und zwar durch KI), hat er hierüber aufzuklären. Ob eine anwaltliche Dienstleistung erbracht wird oder nicht, ist für den Mandanten erkennbar von Bedeutung.15

Die Täuschung ist arglistig, wenn sie vorsätzlich erfolgt. Liegt eine arglistige Täuschung vor und hat diese zur Abgabe einer Willenserklärung durch den Mandanten geführt, kann diese Erklärung angefochten werden. Die Anfechtungserklärung muss binnen eines Jahres nach Kenntnis der Täuschung abgegeben werden, § 124 Abs. 1 BGB.

Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen, § 142 Abs. 1 BGB. Wurde dem Mandanten etwas geleistet (zum Beispiel das Ergebnis der KI), hat der Mandant dieses herauszugeben, § 812 Abs. 1 BGB, beziehungsweise, wenn eine Herausgabe nicht möglich ist, den Wert zu ersetzen, § 818 Abs. 2 BGB. Dies gilt nicht, wenn der Mandant nicht mehr bereichert ist, § 818 Abs. 3 BGB.

8. Der Tatbestand des Betruges und das anwaltliche Vergütungsrecht

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 263 Abs. 1 StGB.

Der Täter muss demnach

  • über Tatsachen täuschen (durch aktives Tun oder durch Unterlassen),
  • einen Irrtum erregen oder unterhalten,
  • die Gegenseite muss deswegen zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen veranlasst werden (zum Beispiel zu einem Vertragsabschluss, zu einem Verzicht auf eine Vertragsbeendigung, und so weiter),
  • die zu einem Schaden bei der Gegenseite führt,
  • der Täter muss vorsätzlich handeln,
  • der Täter muss in der Absicht handeln, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der dem Täter so nicht zusteht.

Unterschieden wird zudem zwischen

  • Eingehungsbetrug (die Täuschung erfolgt hier bei Abschluss des Vertrages; die Gegenseite wird veranlasst, einen Vertrag zu schließen) und
  • Erfüllungsbetrug (die Täuschung erfolgt hier bei der Erfüllung des Vertrages; die Gegenseite erhält zum Beispiel etwas anderes als vertraglich vereinbart).

Die Bereicherungsabsicht könnte fehlen, wenn der Rechtsanwalt tatsächlich teilweise anwaltliche Leistungen erbringt und nur teilweise gewerbliche (durch KI). Dies beruht auf dem Konzept des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes [RVG], wonach die Gebühren als Pauschgebühren angelegt sind. Das heißt: Die Gebühren entgelten, soweit das RVG nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit, § 15 Abs. 1 RVG. Das bedeutet, sobald der Rechtsanwalt nur eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet hat, ist die jeweilige Gebühr entstanden, unabhängig davon, wie oft er danach noch anwaltlich tätig werden muss. Dies gilt vor allem für die Wertgebühren (also die Gebühren, die sich nach dem Gegenstandswert richten).

Eine andere Beurteilung kann bei den Rahmengebühren möglich sein. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG.

Insbesondere Umfang und Schwierigkeit können bei Nutzung von KI ohne wesentlichen anwaltlichen Tätigkeitsbeitrag als unterdurchschnittlich bewertet werden, so dass die Gebühr geringer zu bestimmen ist.

Rahmengebühren entstehen in sozialrechtlichen Angelegenheiten; auch die Wahlanwaltsgebühren in Strafsachen sind Rahmengebühren; ebenso gehört die Geschäftsgebühr (diese entsteht für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit) zu den Rahmengebühren.

Literaturverzeichnis