Verbraucherwarnung: Gratis Rückgabe innerhalb von 100 Tagen von fahrrad.de gilt trotz Umgehungsversuche des Fahrradversenders

Der Online-Fahrradversender fahrrad.de wirbt in großen Lettern mit „Gratis Rückgabe innerhalb von 100 Tagen“ in der Kopfzeile. „Und für den Fall, dass etwas doch nicht passen sollte, bieten wir dir 100 Tage Umtauschrecht“, heißt es fernerhin auf der Website. Einschränkende Fußnoten, die auf Kleingedrucktes verweisen, sind nicht vorhanden. Eigentlich ein guter Service – wenn sich fahrrad.de ohne Umgehungsversuche daran halten würde.

In der Theorie

Problem beim Onlinekauf von Fahrrädern und Sinn eines Rückgaberechtes

Onlineshops können ohne einen Laden zu führen die Ware vom Lager direkt zum Kunden liefern und dadurch Kosten sparen und günstige Preise weitergeben. Der Nachteil dabei: Der Kunde kann mit dem Fahrrad keine Proberunde drehen wie bei einem Besuch in einem Laden. Deshalb bietet fahrrad.de den zusätzlichen Service einer kostenlosen Rücksendung innerhalb von 100 Tagen. So wird dem Kunden die Möglichkeit geboten, letztlich das Fahrrad so zu testen als würde er es mehrmals in einem Laden besuchen und fahren.

Der gesetzliche Normalfall: 14-tägiges Widerrufsrecht

Wer als Verbraucher online beim Unternehmen fahrrad.de ein Fahrrad bestellt, hat ohnehin ein gesetzliches Widerrufsrecht. Der Kunde kann also innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt der Ware den Vertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen (§§ 355, 356 BGB). Fahrrad.de übernimmt sogar die Rücksendekosten („Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren.“) – kein Muss.

Die vertragliche Erweiterung: 100-tägiges Rückgaberecht

Neben dem 14-tägigen Widerrufsrecht bietet fahrrad.de auch die „Gratis Rückgabe innerhalb von 100 Tagen“. Dabei handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung zugunsten des Verbrauchers.

Die Werbebotschaft wird im Header und Footer der Website übermittelt und fließt als wirksame Bestimmung in den Kaufvertrag. Bemerkenswert ist, dass diese Botschaft im Vergleich zu den anderen beiden im Header keinerlei Einschränkung durch eine Fußnote erfährt. Erst auf einer Unterseite zur allgemeinen Kundeninformation folgen weitere Details:

„100 Tage kostenlose Rückgabe
Neben Ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht können Sie unter den nachfolgenden Bedingungen von uns gelieferte Ware 100 Tage (beginnend am Tag nach Erhalt der Ware) kostenlos an uns, die internetstores GmbH, Fritz-Müller-Str. 106-108, 73730 Esslingen, zurückschicken:

Die Ware darf keine Gebrauchsspuren aufweisen und muss vollständig und originalverpackt innerhalb der 100 Tage-Frist bei uns eintreffen. Wir übernehmen die Rücktransportkosten, wenn Sie in unserem Online-Shop www.fahrrad.de unter „Retourenlabel“ ein Rücksendelabel anfordern.

Ihr gesetzliches 14-tägiges Widerrufsrecht und Ihre gesetzlichen Gewährleistungsansprüche bleiben davon selbstverständlich unberührt! Bis Ihr gesetzliches Widerrufsrecht abgelaufen ist, gelten ausschließlich die in der Widerrufsbelehrung genannten Bedingungen.“

In der Praxis

In meinem Fall: fahrrad.de macht aus Rücksendung eine Reparatur

In meinem Fall habe ich solch ein angebotenes Retourenlabel angefordert, um das noch völlig neu aussehende, aber natürlich auch gefahrene Fahrrad innerhalb der 100-tägigen Frist zurückzusenden. Sogar in der Originalverpackung. Statt der erwarteten Erstattung des Kaufpreises, bekam ich eine E-Mail, in der mir mitgeteilt wurde, dass das Fahrrad repariert wurde und sich auf dem Weg zu mir befindet. Dabei war nicht einmal etwas kaputt.

Der Umgehungsversuch

Ich verweigerte also die Annahme des „reparierten“ Fahrrads und teile fahrrad.de mit, dass sie etwas falsch gemacht hätten, schließlich sei die Rücksendung und keine vermeintliche Reparatur von mir angefordert worden. Die Antwort des fahrrad.de-Mitarbeiters:

„Ich muss Ihnen leider mitteilen das Ihr Fahrrad schon Gebrauchsspuren aufwies. Deshalb war eine Rücknahme nicht mehr möglich. Sie haben zwar 100 Tage Rückgaberecht, dies bezieht sich aber auf ungebrauchte Artikel. Weiterhin haben wir ein Nachbesserungsrecht, was wir auch in Anspruch genommen haben. Es tut mir Leid, aber wir können das Fahrrad leider nicht mehr zurücknehmen.“

Der Blödsinn des Umgehungsversuchs

Durch die Weigerung der Paketannahme blieb fahrrad.de ohnehin nichts übrig als das Fahrrad wieder in Besitz zu nehmen; da zudem das Rückgaberecht wirksam ausgeübt wurde, ging auch das Eigentum am Fahrrad wieder auf fahrrad.de über. Das ist gut für den eigenen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises.

Wer uneingeschränkt mit „Gratis Rückgabe innerhalb von 100 Tagen“ wirbt, muss sich rechtlich auch dran festhalten lassen. Dass Gebrauchsspuren vorhanden sind, etwa am Reifen durch das Fahren, ist dabei völlig irrelevant, da zum einen das verlängerte Rückgaberecht gerade zum Testen des Fahrrads gedacht ist; und zum anderen eine Beschränkung auf ungebrauchte Fahrräder keinerlei Erwähnung in der Werbebotschaft findet und damit nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Eine derartige Beschränkung auf ungebrauchte Artikel ist lediglich bei Produkten, die nicht wieder in den Verkehr gebracht werden dürfen, etwa Lebensmittel oder Hygieneartikel, üblich. Und wenn der fahrrad.de-Mitarbeiter in die Kundeninfo-Seite seines Unternehmens geschaut hätte, wäre er zur selben Einsicht gelangt: „Bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.“ Ein Fahrrad ist jedenfalls kein Hygieneprodukt.

Ein Nachbesserungsrecht, wie es hilfsweise angeführt wurde, scheidet bei einem Rückgaberecht logischerweise aus. Ein Nachbesserungsrecht gemäß §§ 437, 440 BGB besteht nur, wenn der Kunde auch einen Mangel anzeigt. Dann besteht die Möglichkeit der primären Nachbesserung oder des sekundären Ersatzes. Einen solchen Mangel hat es nicht gegeben. Deswegen ist es auch völlig schleierhaft, was da repariert worden sein soll – zumal vorher explizit die Rückgabe vereinbart wurde.

Ergebnis

  • Das von fahrrad.de gewährte 100-tägige Rückgaberecht bindet das Unternehmen zur Rücknahme und Rückerstattung.
  • Das Fahrrad muss auch zurückgenommen werden, wenn es vom Kunden in Betrieb genommen wurde; gerade dieses Testfahren will das 100-tägige Rückgaberecht schließlich ermöglichen.
  • Das Nachbesserungsrecht im Falle eines Mangels tangiert das 100-tägige Rückgaberecht nicht.

Tipps: Was tun?

  • Nicht diskutieren;
  • auf 100-tägiges Rückgaberecht bestehen und auf vertragliche Bindungswirkung hinweisen;
  • falls aus der Rückgabe eine Reparatur gemacht wird, Annahme des Pakets verweigern;
  • Fotos vom Fahrrad machen und wenn möglich mit Zeugen verpacken;
  • via PayPal zahlen, um im Notfall den Käuferschutz zu erhalten oder zumindest über die Eröffnung eines Streitfalles Druck auf den Händler (fahrrad.de) aufzubauen;
  • Googles Käuferschutz beim Kauf nutzen (fahrrad.de ist ein von Google zertifizierter Händler);
  • öffentlich darüber berichten;
  • und schließlich Forderung gerichtlich durchsetzen.