RG, 05.10.1880 - IVa 600/79

Daten
Fall: 
Rechtsnatur eines formgerechten Anerkenntnisses bei synallagmatischen Forderungen
Fundstellen: 
RGZ 2, 337
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.10.1880
Aktenzeichen: 
IVa 600/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Berlin.
  • KG Berlin.

Enthält das formgerechte Anerkenntnis eines durch Abrechnung über gegenseitige Forderungen ermittelten Schuldbetrages nach preußischem Recht einen selbständigen Verpflichtungsgrund?

Aus den Gründen

... "Nach der Feststellung des Appellationsrichters beruht das vorliegende schriftliche Anerkenntnis auf einer Abrechnung, welche in der als richtig anerkannten Rechnung wiedergegeben ist. Diese Rechnung führt die vereinbarte Anschlagssumme für die dem Kläger in Auftrag gegebenen Bauten, sowie die anfänglich nicht vereinbarten Preise für "Extra-Arbeiten" auf, verzeichnet die geleisteten Abschlagszahlungen, contiert ferner Posten, mit welchen der Kläger sich belasten will und soll, zieht einerseits die Summe der im Anschlage vorgesehenen und der in demselben nicht vorgesehenen Beträge, andererseits die Summe der Abschlagszahlungen und der sonst auf die Baugelder anzurechnenden Forderungen der Beklagten und stellt den hiernach zu Gunsten des Klägers verbleibenden Saldo fest. Die Beklagte erkennt unter dieser Rechnung an, daß sie dieselbe als endgültig erhalten habe und daß dieselbe richtig sei; damit bekennt sie nicht bloß, daß die Lieferung der aufgeführten Baumaterialien, sowie die Leistung der Arbeiten und Auslagen erfolgt ist, sondern bewilligt auch die von dem Kläger

endgültig geforderten Preise und erklärt durch die Anerkennung der Richtigkeit des Saldo ihren Willen dahin, in Höhe des ermittelten Restbetrages Schuldnerin des Klägers zu sein.

Diese von seiten des Klägers geforderte und von der Beklagten abgegebene Willenserklärung und die in beiderseitiger Übereinstimmung erfolgte Feststellung des Saldo enthält die Aufstellung eines selbständigen Schuldgrundes; der ausgesprochene Verpflichtungswille, gestützt auf das gewonnene Resultat des bisherigen Geschäftsverkehres, ist als genügende causa debendi zu erachten. Die durch Abrechnung bewirkte vertragsmäßige Feststellung der Höhe einer Gesamtforderung hat den Zweck, ein Zurückgehen auf die der Abrechnung zu Grunde liegenden Schuldbeziehungen entbehrlich zu machen. Dem bei der Abrechnung vorhandenen Willen der Abrechnenden entsprechend, kann sich fortan derjenige, für welchen durch die Berechnung ein Guthaben ermittelt ist, auf die neue Einigung berufen, anstatt die einzelnen früheren Forderungen prozessualisch begründen und beweisen zu müssen. Es trägt die Abrechnung, ohne materiell etwas neues schaffen zu wollen, ein formell neues, von dem ursprünglichen Bestände der Forderungsverhältnisse abstrahierendes, und für seine juristische Wirksamkeit an sich genügendes Wollen in sich. Vgl. Bähr, die Anerkennung etc. 2. Aufl. S. 239.

Auch das frühere R.O.H.G. hat in der anerkannten Abrechnung als einer zweiseitigen Übereinkunft einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund in Beziehung auf den durch dieselbe ermittelten und vertragsmäßig festgestellten Schuldbetrag - andererseits auch einen selbständigen Liberationsgrund - gefunden. (Entsch. Bd. 4 S. 73. 74; Bd. 16 S. 126.)

Ebenso ist von dem früheren preuß. Obertribunale in dem Erk. v. 26. Sept. 1867 ( Striethorst, Archiv Bd. 67 S. 361) angenommen, daß die auf Grund einer Abrechnung über gegenseitige Forderungen abgegebene, die Richtigkeit des festgestellten Resultates anerkennende Willenserklärung eine civilrechtliche Schuldverschreibung konstituiere. Als rechtliche Folge hiervon ist von dem Obertribunale zugleich der Satz aufgestellt: "Will der Erklärende die Unwirksamkeit dieser Verbindlichkeit behaupten und darthun, so reicht dazu die Behauptung nicht aus, daß der eine oder andere der anerkannten Forderungsposten in thatsächlicher Beziehung unrichtig sei, vielmehr ist darzuthun, daß der Wille des Erklärenden in Ansehung dieser Forderungen beeinflußt gewesen, daß eine anerkennende Willenserklärung hinsichtlich dieser nicht habe abgegeben werden sollen; es muß mithin ein Irrtum, der die Willenserklärung veranlaßte, nachgewiesen werden." Diesem Satze ist beizustimmen mit der Erweiterung, daß überhaupt nur solche Einwendungen zuzulassen sind, welche sich gegen die Gültigkeit der vertragsmäßigen Feststellung des Rechnungsverhältnisses oder gegen das Anerkenntnis selbst richten. Da in dem letzteren ein selbständiger Rechtsgrund liegt, so kommt es für die klageweise Begründung des Anspruches auf die causa praecedens nicht mehr an und Erinnerungen gegen die Richtigkeit einzelner Posten, sowie allgemeine Rügen von Unrichtigkeiten der Rechnung sind bedeutungslos; denn für den Fall, daß sie bereits vorher erhoben sein sollten, erscheinen sie als durch späteren Verzicht beseitigt, wogegen die erst nachträglich erhobenen Einwendungen gegen die Einzelposten in Betracht der vorher erfolgten, die Schuldverpflichtung selbständig begründenden Anerkennung durch letztere ausgeschlossen sind. (Vgl. Entsch. d. R.O.H.G.'s Bd. 3 S. 423.432.) Hiernach hat auch im vorliegenden Falle der Appellationsrichter, nachdem er die gegen das Schuldanerkenntnis selbst erhobenen Einreden für unbegründet erklärt hatte, die Erörterung und Berücksichtigung der von der Beklagten gegen einzelne Rechnungspositionen und in betreff der angeblich nicht vertragsmäßig erfolgten Bauausführung erhobenen Einwendungen mit Recht abgelehnt.

Wenn in dem Erk. des preuß. Obertribunales v. 3. März 1845 (Entsch. Bd. II S. 345) darauf Gewicht gelegt ist, daß die preußischen Gesetze nirgends das Anerkenntnis als einen Entstehungsgrund von Rechten bezeichnen, so ist dagegen geltend zu machen, daß auch keine gesetzliche Vorschrift entgegensteht, in dem vertragsmäßigen Anerkenntnisse des Saldo bei dem Abrechnungsgeschäfte einen selbständigen Verpflichtungsgrund zu finden (vgl. Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. II h. 15)." ...