RG, 14.03.1919 - II 393/18

Daten
Fall: 
Gesellschaftsvertragfeststellung
Fundstellen: 
RGZ 95, 147
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.03.1919
Aktenzeichen: 
II 393/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Guben
  • Kammergericht Berlin

1. Was gehört zu der Feststellung, daß ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen sei?
2. Unzulässigkeit der Kündigung innerhalb gewisser Zeit nach Treu und Glauben auch bei einem auf unbestimmte Dauer geschlossenen Gesellschaftsvertrag?
3. Kann in der Vereinbarung eines Gewinnanteils aus jedem einzelnen Geschäft eine Abweichung von der Regel des § 721 Abs. 2 BGB. gefunden werden?

Tatbestand

Der Kläger behauptet, er habe von dem Kaufmanne Max S. erfahren gehabt, daß Arno S. von Zeit zu Zeit erhebliche Mengen Baumwollmaterialien zum Verkauf stelle. Er habe deshalb mit dem Beklagten im August 1916 eine Vereinbarung dahin getroffen, daß er, Kläger, Baumwollmaterialien, die er von den dem Beklagten nicht bekannten Lieferern - den Brüdern Arno und Max S. - kaufen werde, auf gemeinsame Rechnung für sich und den Beklagten kaufe, sie ebenso auf gemeinsame Rechnung verkaufe, und daß der von ihm dabei erzielte Gewinn geteilt werde. Der Beklagte sei hiermit einverstanden gewesen und es sei demgemäß verfahren worden. Da er am 8. September 1916 zum Heere einberufen worden sei, habe er Tags vorher bei Max S. und bei dem Beklagten angefragt, ob auch in seiner Abwesenheit die Geschäfte in gleicher Weise fortgeführt werden könnten, solchenfalls wolle er beide zur Fortsetzung der bisherigen Geschäftsverbindung zusammenführen. In einer gemeinschaftlichen Verhandlung sei dieses Einverständnis erzielt worden, wobei sich Max S. - zugleich für seinen Bruder Arno S. - noch besonders verpflichtet habe, die Geschäfte mit dem Beklagten nur unter der Bedingung fortzuführen, daß der Kläger weiter die Hälfte vom Gewinn erhalte. Seitdem seien die Geschäfte zwischen den Brüdern S. und dem Beklagten ebenso abgewickelt worden, wie vordem zwischen dem Kläger und S. Mit Brief vom 24. September 1916, den er, Kläger, jedoch erst Ende Oktober oder Anfang November 1916 erhalten habe, habe aber bereits der Beklagte die Geschäftsverbindung ohne gerechtfertigten Grund und unter Berufung auf nichtige Vorwände gekündigt. Das Vertragsverhältnis bestehe sonach noch, da diese Kündigung unwirksam sei. Der Beklagte habe auch in Widerspruch mit seiner Kündigung die Geschäftsverbindung mit S. fortgesetzt; es sei aber nicht angängig, dann den Kläger auszuschalten und unter seiner Umgehung den ganzen Geschäftsgewinn für sich zu behalten. Auch widerspreche es Treu und Glauben im Verkehr, wenn der Beklagte, nachdem ihm zufolge der Vereinbarung mit dem Kläger der Name der Lieferer bekannt geworden sei, aus nichtigen Gründen die gesamten Vorteile aus den Geschäften für sich einheimsen wolle. Der Beklagte sei seit der Einziehung des Klägers nur dessen Vertreter bei der Fortsetzung der zwischen dem Kläger und S. bestehenden Geschäftsverbindung gewesen. Der Kläger hat demgemäß beantragt, den Beklagten zur Auskunftserteilung über die seit dem 5. Dezember 1916 mit Arno S. gemachten Geschäfte, zur Zahlung der Hälfte des aus der Auskunft sich ergebenden Gewinns sowie ferner zur Zahlung von 4400 M nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat um Klagabweisung gebeten und stellt die Vereinbarung mit dem Kläger dahin dar, daß er, Beklagter, die vom Kläger einzukaufenden Abfälle weiterverkaufen und daß der erzielte Gewinn geteilt werden solle, und behauptet, die Person der Lieferer sei ihm nur bei den drei ersten Geschäften noch unbekannt gewesen: schon seit Mitte August 1916 habe er diese durch den Kläger selbst erfahren gehabt. Nach seiner Einberufung sei dann der Kläger an ihn mit der Bitte herangetreten, ihn auch weiter an den mit Max S. abzuschließenden Geschäften zu beteiligen. Am 21. September 1916 habe daraufhin bei einer Zusammenkunft in G., bei der der Kläger ihm auch Max S. vorgestellt habe, eine Vereinbarung dahin stattgefunden, daß der Kläger 2/3 des Gewinns erhalte, aber künftighin mit einer Geldeinlage sich beteiligen und das Risiko sowohl für die bisher abgeschlossenen als die künftigen Geschäfte mittragen wolle, auch die Hälfte der allgemeinen Geschäftskosten übernehme. Diese Vereinbarung habe der Kläger nicht eingehalten. Da der Beklagte außerdem bei Einsichtnahme in die Geschäftsbücher entdeckt habe, daß er vom Kläger bisher fortlaufend mittels Anrechnung höherer Einkaufspreise, als tatsächlich an S. bezahlt wurden, betrogen worden sei, habe er am 24. September 1916 mit gerechtfertigtem Grunde gekündigt. Den Brief habe der Kläger spätestens am 8. Oktober 1916 erhalten.

Das Landgericht gab den Klagansprüchen im wesentlichen statt. Es sah das Rechtsverhältnis der Parteien als ein Gesellschaftsverhältnis an, das auf eine bestimmte Dauer abgeschlossen gewesen sei, nämlich solange die Baumwollabfälle der Firma S., die auf gemeinschaftliche Rechnung weiter verkauft werden sollten, vorhanden waren. Einen gerechtfertigten Grund zur Kündigung hielt es nicht für gegeben. Dagegen erkannte das Kammergericht auf Abweisung der Klage. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung in die Instanz.

Gründe

... "Ist auch dagegen nichts zu erinnern, daß die im August 1916 zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung eine Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB. begründete, so genügt die bloße Verweisung auf die Parteierklärungen und die Aussagen der Zeugen doch nicht für die Feststellung, das Verhältnis sei nach Einberufung des Klägers zum Heere im September 1916 als Gesellschaft weiter fortgesetzt worden. Denn die tatsächlichen Behauptungen der Parteien widersprechen sich, werden gegenseitig bestritten und es fehlt jede Feststellung darüber, welches Vorbringen vom Gerichte für erwiesen erachtet worden ist. Es reicht aber einmal zum Nachweis für den Abschluß eines Gesellschaftsvertrags nicht aus, daß die Parteien ihrerseits das Verhältnis rechtlich als Gesellschaft angesehen haben, denn ihre rechtliche Beurteilung ist für die dem Vertrag in Wahrheit zukommende rechtliche Bedeutung ohne Belang. Und es genügt ferner nicht, daß eine jede Partei Vereinbarungen behauptet, die, sofern sie getroffen worden wären, rechtlich in der Tat einen Gesellschaftsvertrag darstellten, wenn eben diese Vereinbarungen ihrem Inhalte nach von der Gegenseite bestritten und vom Richter weder die eine noch die andere Behauptung für erwiesen angenommen worden ist. Ein Gesellschaftsvertrag kann immer nur mit einem bestimmten Inhalte, nicht als abstrakter Begriff bestehen. Das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrags anzunehmen und seinen Inhalt dahingestellt zu lassen, ist daher rechtlich verfehlt. Im vorliegenden Falle steht aber von allen rechtlichen Erfordernissen des § 705 nur fest, daß der Kläger zu einem - seiner Höhe nach bestrittenen - Teile an dem Gewinne der vom Beklagten vorgenommenen Verkäufe der Baumwollabfälle beteiligt sein sollte. Dies kann die Anteilnahme an einem zu erzielenden Gewinn als einem gemeinsamen Zwecke bedeuten, es kann aber ebensogut lediglich die Bestimmung der Provision für Maklerdienste sein, die in der Vermittelung des Beklagten als Abkäufer mit den Brüdern S. als Verkäufer bestanden, oder die Vergütung für Kundgabe der Bezugsquelle. Zum Gesellschaftsvertrage gehört vor allem, daß der Beklagte die Verkäufe nicht allein als seine Geschäfte, sondern als gemeinschaftliche Geschäfte der Gesellschaft vornahm, der Gewinn hieraus ein gemeinschaftlicher wurde und auch der Kläger in irgendeiner Weise die Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes durch Beiträge förderte. Inwiefern und wodurch dies nach seiner Einberufung zum Heere geschehen ist, darüber fehlt im Urteile jeder Ausspruch.

Liegt kein Gesellschaftsvertrag vor, so entfällt die vom Beklagten beanspruchte Befugnis jederzeitiger Kündigung nach § 723 BGB. und es ist zu prüfen, ob der Klaganspruch begründet ist vom Gesichtspunkte der Provisionsforderung oder der Entschädigung für sonstige Leistungen und ob sich der Beklagte der Erfüllung der von ihm zugesicherten Gegenleistung mit Grund entziehen kam. Schon diese Erwägungen führen zur Aufhebung des Urteils....

Aber auch wenn sich ergeben wird, daß in der Tat die Geschäftsverbindung der Parteien als Gesellschaftsvertrag fortbestanden hat, wie das Berufungsgericht bereits jetzt annimmt, so ist das Vorbringen des Klägers für die Frage, ob der Gesellschaftsvertrag auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen wurde und ob die Kündigung des Beklagten nach Recht erfolgt ist, nicht ausreichend gewürdigt worden. Von Bedeutung ist dann zunächst, daß die Fortsetzung des Gesellschaftsvertrags vereinbart wurde mit Rücksicht auf die Einziehung des Klägers zum Heere, und es war jedenfalls zu prüfen, ob nach dem Willen der Parteien der dieser Einziehung Rechnung tragende abgeänderte Gesellschaftsvertrag nicht auch für die Dauer der Einziehung fortbestehen sollte (vgl. Jur. Wochenschr. 1906 S. 741 Nr. 11). Dieser Wille konnte namentlich dann vorliegen, wenn es richtig ist, wie der Kläger behauptet, daß er nach dem bisherigen Vertrage nicht nur den Einkauf, sondern auch den Verkauf der von S. bezogenen Waren als Geschäftsführer der Gesellschaft besorgte und die aus Anlaß seiner Einziehung mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung sonach lediglich den Zweck haben sollte, dem Beklagten nunmehr diese gesamte Geschäftsführung für die Dauer der Einziehung des Klägers zu übertragen. Jedenfalls lag erkennbar dem Kläger daran, auch für die Dauer seiner Einziehung die alten Verhältnisse aufrecht zu erhalten und sich die Gewinnbeteiligung weiter zu sichern, und es kann daher recht wohl stillschweigend für eben diese Dauer die Fortsetzung des Vertrags gewollt sein. Dann läge aber kein für eine unbestimmte Zeit eingegangener Gesellschaftsvertrag vor. Sodann muß auf die vom Kläger behauptete Tatsache Gewicht gelegt werden, daß der Beklagte seine Bezugsquelle noch nicht gekannt und von ihm erst bei der Vereinbarung über die Fortsetzung des Gesellschaftsvertrags mitgeteilt erhalten habe. Teilte der Kläger dem Beklagten diese Bezugsquelle gerade zum Zwecke der Aufrechterhaltung und Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit, so brachte er diese Kenntnis als Einlage in die Gesellschaft, und der Beklagte kann dann nicht einseitig diese für eigene Erwerbszwecke ausnutzen. Solange er sich die Vorteile dieser Geschäftseinlage zunutze macht und damit die ihm zustehenden Rechte eines Gesellschafters ausübt, muß er vielmehr auch die als Gesellschafter übernommenen Pflichten erfüllen. Ferner schließt der Umstand, daß die Gesellschaft nicht für eine bestimmte Zeit eingegangen ist, nicht aus, daß nach dem übereinstimmenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen der Parteien oder dem nach Treu und Glauben gemäß § 157 anzunehmenden Willen innerhalb einer bestimmten Zeit der Gesellschaftsvertrag nicht gekündigt werden sollte. Dem steht die Vorschrift des § 723 Abs. 3 nicht entgegen. Das ergibt die Bestimmung des Abs. 1, wonach auch bei Gesellschaften, die nicht für eine bestimmte Zeit eingegangen sind, eine Kündigungsfrist bestimmt werden kann. Ebenso muß auch vereinbart werden können, daß die Kündigung während einer bestimmten Frist nicht oder erst von bestimmter Frist ab zulässig sein soll, und diese Zeit kann auch nach § 157 gefunden werden, der alle Verträge, auch die Gesellschaften, die für keine bestimmte Zeit eingegangen sind, beherrscht. Sollte aber der anteilige Gesellschaftsgewinn dem Kläger als Gegenleistung für den der Gesellschaft gemachten Beitrag dienen, der in der Kundmachung der vorteilhaften Bezugsquelle bestand, so war nach Treu und Glauben im Verkehr der Vertrag wenigstens so lange auszuhalten, bis der Kläger aus den Gewinnen eine angemessene Entschädigung erhalten hatte, und es durfte ihm diese Entschädigung hierfür nicht sofort dadurch entzogen werden, daß der andere Gesellschafter die Gesellschaft kündigte, während er notwendig die Kenntnis der Bezugsquelle auch nach der Auflösung der Gesellschaft behielt, obwohl ihm diese lediglich als Gesellschafter und zum Erwerb für Gesellschaftszwecke mitgeteilt worden war. Inwieweit diese Kündigung überdies nach § 226 als unzulässig anzusehen wäre, hätte gleichfalls der Prüfung bedurft. Künftighin wird übrigens auch noch klarzustellen sein, aus welchen Gründen der Kläger Rechnungslegung über die Geschäfte verlangt, die der Beklagte mit dem Kaufmann Arno S. betätigt hat, während nach seinem Klagevorbringen die Lieferer der Baumwollabfälle die Brüder Max und Arno S. waren.

Wenn endlich das Berufungsgericht auch den Klaganspruch auf Zahlung von 4400 M nebst Zinsen als Gewinnanteil aus den vom 4. September bis 5. Dezember 1916 gemachten Geschäften deshalb abweist, weil der Kläger nicht einzelne Geschäfte herausgreifen und nur den Gewinn fordern dürfe, der sich am Schlusse der Verbindung unter Berücksichtigung etwaiger Verluste ergebe, so fällt dieser Erwägungsgrund ohne weiteres mit der Grundlage, daß der Gesellschaftsvertrag auch nach der Einziehung des Klägers zum Heere fortgesetzt worden sei. Kämen z. B. lediglich Vereinbarungen über zu zahlende Provisionen in Frage, so sind diese von einem jeden Verkauf fällig, den der Beklagte über die von S. bezogene Ware zufolge der Vermittelung des Klägers abgeschlossen hat. Aber auch wenn ein Gesellschaftsvertrag anzunehmen ist, trifft die Erwägung des Berufungsgerichts nicht ohne weiteres zu. Denn nach den Behauptungen des Klägers ist im vorliegenden Falle nicht ein Anteil am Gesamtgewinn aus einer bestimmten Rechnungsperiode vereinbart gewesen, der sich erst nach Berücksichtigung aller Gewinne und Verluste während dieser Zeit ergibt, sondern es soll dem Kläger die Hälfte des Gewinns aus jedem einzelnen Weiterverkaufe der auf gemeinsame Rechnung bezogenen Ware zugesichert wurden sein. Dann aber wäre zu prüfen gewesen, ob nach dem Willen der Parteien nicht abweichend von der Regel des § 721 Abs. 2 der Gewinnanteil dem Kläger auch jeweilig nach Abschluß des einzelnen Geschäfts auszuzahlen war, nicht erst am Schluß eines Geschäftsjahrs, so daß die geltend gemachte Forderung des Klägers aus den behaupteten abgeschlossenen Geschäften fällig war und es dem Beklagten vorbehalten bleiben mußte, etwaige Ansprüche an den Kläger, Verluste aus anderen Geschäften mitzutragen, aufrechnungsweise geltend zu machen."...