RG, 17.10.1884 - II 209/84

Daten
Fall: 
Anfechtung eines Arrestbeschlusses
Fundstellen: 
RGZ 12, 400
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.10.1884
Aktenzeichen: 
II 209/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

1. Steht einem Gläubiger gegen den Beschluß, durch welchen ein Arrest in das Vermögen seines Schuldners auf Antrag eines anderen Gläubigers angeordnet worden ist, ein Widerspruchsrecht zu?
2. Wie ist die Voraussetzung der Anfechtung in §. 2 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 "insofern die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde" aufzufassen?

Aus den Gründen

"Mit Recht geht zunächst das Oberlandesgericht von dem Satze aus, daß der Gläubiger E. den fraglichen Arrestbefehl, welcher in den gesetzlichen Formen und, vom zuständigen Richter erlassen ist, nur von einer doppelten Grundlage aus, entweder aus dem Rechte des Schuldners (Art 1166 Code civil) oder aus eigenem Rechte (Reichsgesetz vom 21. Juli 1879) anfechten könne. Wenn dem gegenüber unter Anrufung des §. 804 C.P.O. vom Kläger geltend gemacht wird, daß weiter auch der Gläubiger als solcher berechtigt sei, einem gegen seinen Schuldner nicht gesetzlich erlassenen Arreste zu widersprechen, so ist dabei übersehen, daß die bezogene Gesetzesvorschrift, wie sich das aus den Motiven S. 453 und den Verhandlungen in der Reichstagskommission, vgl. Hahn, Materialien Bd. 1 S. 872, ergiebt und auch bereits vom Reichsgerichte anerkannt ist, lediglich den Schuldner betrifft, daß ferner auch eine Widerspruchsklage gar nicht erhoben worden, vielmehr eine Anfechtungsklage in Frage steht. ... Dagegen erscheint der Angriff, welcher eine Verletzung des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879 rügt, begründet.

In Anerkennung der subsidiären Natur des Anfechtungsrechtes bestimmt §. 2 besagten Gesetzes, daß der Gläubiger zur Anfechtung befugt ist, sofern die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu seiner vollständigen Befriedigung nicht geführt hat, oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht geführt haben würde.

Was nun die Bedeutung und Tragweite der ersten Alternative, von der es sich hier handelt, angeht, bezüglich deren die Motive eine nähere Aufklärung nicht geben, so ist davon auszugehen, daß nicht jeder ernstliche Versuch einer Zwangsvollstreckung in einzelne Vermögensstücke, z. B. eine Mobiliarexekution, genügt, daß vielmehr dieser Versuch der Zwangsvollstreckung "in das Vermögen des Schuldners" ein erschöpfender, gegen die Gesamtobjekte desselben gerichteter sein muß, sodaß bereite exekutionsfähige Mittel des Schuldners nicht außer Zugriff geblieben sein dürfen. Wann im einzelnen Falle diesem Erfordernisse des Gesetzes genügt ist, das unterliegt dem richterlichen Ermessen, und immerhin steht dem Gegner der Beweis zu, daß der Versuch ein nicht ausreichender gewesen ist und Mittel der angegebenen Art bei dem Schuldner noch vorhanden sind.1

Wie nun im vorliegenden Falle tatsächlich feststeht, war die ganze bewegliche Habe des Schuldners A. im Zwangswege verkauft, deren Erlös durch die Forderung der Beklagten absorbiert wurde, ferner war ein Haus des A. im Dezember 1882 subhastiert und überdies Beweis erboten, daß der genannte Schuldner im März 1882 dem Kläger mitgeteilt habe, er müsse seine Zahlungen einstellen und könne einen am 15. jenes Monates fälligen Wechsel nicht decken. Wenn nun dem gegenüber das Oberlandesgericht lediglich auf Grund der völlig unsubstanziierten Behauptung der Beklagten, daß A. noch anderes Vermögen, namentlich Immobiliar besitze, dessen Versilberung zur vollen Befriedigung des Klägers führen werde und mit der Erwägung, daß letzterer über das Resultat jener Subhastation bezw. der eingetretenen Kollokation jede Auskunft schuldig geblieben sei, die Anfechtung desselben als beweislos zurückweist, so beruht das auf einer rechtsirrtümlichen Auffassung des §. 2 a. a. O. und ist dabei zugleich gegen §. 130 C.P.O. verstoßen, da es die Pflicht des Oberlandesgerichtes war, behufs Ermittelung des Vermögensbestandes des A. von dem ihm gesetzlich zustehenden Fragerechte Gebrauch zu machen."

  • 1. Vgl. Wilmowski, Konkursordnung S. 555; Cosack, Anfechtung S. 43. 44; Hartmann, Anfechtung S. 35. 36.