RG, 17.10.1884 - II 208/84

Daten
Fall: 
Revisibilität badischer Gesetze
Fundstellen: 
RGZ 12, 305
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.10.1884
Aktenzeichen: 
II 208/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Offenburg
  • OLG Karlsruhe

1. Sind in badischen Prozessen Anhangssatz 234 zum badischen L.R., §. 30 des bad. Einführungsgesetzes zu den Reichsjustizgesetzen vom 3. März 1878 und der französ. Code de commerce revisibel?
2. Wird durch die unter sich übereinstimmenden Anhangssatz 234, §. 30 des bad. Einführungsgesetzes und Code de commerce Art. 551 alter Redaktion das eheliche Güterrecht abgeändert?
3. Auslegung der gedachten Gesetzesstellen.

Tatbestand

Witwe H. machte als Gläubigerin der Ehefrau des im Konkurs befindlichen H. deren gesetzliches Unterpfandsrecht auf verschiedene Liegenschaften geltend. H., der schon bei Eingehung seiner Ehe Vollkaufmann war, hatte diese Liegenschaften laut Ehevertrages vom 3. November 1875 von seinem Vater erworben. Am 4. November 1875 hatte der Eheabschluß und erst am 11. Dezember 1875 der Eintrag des Ehevertrages ins Grundbuch stattgefunden. Es erhob sich nun Streit zwischen Witwe H. und der Konkursmasse betreffs der Frage, ob der Ehefrau H. ein gesetzliches Unterpfandsrecht an fraglichen Liegenschaften zustehe, und diese Frage wurde in erster Instanz verneinend, in zweiter Instanz bejahend entschieden. Die eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Zunächst könnte es sich fragen, ob das Berufungsgericht den §. 30 des badischen Einführungsgesetzes zu den Reichsjustizgesetzen anwenden durfte, obwohl jenes Gesetz vom 3. März 1879 datiert, während die Ehe des Gemeinschuldners am 4. November 1875, also lange Zeit vorher, abgeschlossen worden ist. Indessen kann dies dahingestellt bleiben; denn zur Zeit des Eheabschlusses galt der Landrechts- Anhangssatz 234, welcher mit dem allegierten §. 30 a. a. O. identisch ist, sodaß, wenn auch Anhangssatz 234 maßgebend sein sollte, die richtige Gesetzesvorschrift angewendet wäre und nur eine unrichtige Citierung des Gesetzes vorläge, die unerheblich ist.

Der Anhang zum badischen Landrecht (auch badisches Handelsrecht genannt; vgl. §. 149 Nr. 2 des erwähnten Einführungsgesetzes vom 3. März 1879) enthielt eine ganz selbständige Bearbeitung eines Teiles des französischen Code de commerce alter Redaktion und blieb auch nach Einführung des deutschen Handelsgesetzbuchs soweit in Geltung, als er einige in diesem nicht berührte Materien betraf, so insbesondere Tit. 10 vom Zahlungsunvermögen der Handelsleute, in welchem Satz 234 bestimmte, daß die Ehefrau, wenn der Mann bereits bei Abschluß der Ehe Kaufmann war, für ihre Ersatzforderungen nur auf diejenigen Grundstücke ein Unterpfandsrecht habe, die bei Eingehung der Ehe ihrem Manne zugehörten.

Diese Bestimmung war allerdings eine Nachbildung des alten Art. 551 Code de comm. (der sich in der Fassung des französischen Gesetzes vom 28. Mai 1838 unter Art. 563 vorfindet), allein, da die französische Handelsgesetzgebung niemals im Großherzogtume Baden eingeführt worden ist, hat die Vorschrift des Anhangssatzes 234 den Charakter eines badischen Gesetzes.

Damit erledigt sich der Revisionsangriff, daß durch das angefochtene Urteil auch Art. 551 Code de commerce verletzt sei; denn dieser hat in Baden nie als Gesetz gegolten.

Es folgt daraus aber weiter, daß der badische Anhangssatz 234 nicht zu den revisiblen Gesetzen gehört; denn derselbe ist nebst den anderen, damals noch gültigen Bestimmungen des Anhanges zum badischen Landrecht durch §. 145 Nr. 2 des badischen Einführungsgesetzes vom 3. März 1879 aufgehoben worden, würde somit schon wegen des Schlußsatzes des §. 7 der Kaiserl. Verordnung vom 28. September 1879 die Revision keinesfalls begründen können.

Allerdings ist, wie oben bemerkt, §. 30 des Einführungsgesetzes vom 3. März 1879 identisch mit dem aufgehobenen Anhangssatz 234, indem man vorgezogen hat, jenen Landrechtsanhang, soweit er noch galt, im ganzen zu beseitigen und die noch praktischen Bestimmungen als §§. 30 - 33 in das Einführungsgesetz aufzunehmen. Daraus läßt sich aber nicht, wie die Revision versucht, nach Maßgabe von §. 7 besagter Kaiserl. Verordnung die Revisibilität des §. 30 a. a. O. begründen. In der Verordnung werden nämlich "die Zusatzartikel des badischen Landrechts", sowie die gesetzlichen Vorschriften, welche deren Bestimmung erläutern, ausdehnen, aufheben oder ersetzen, unter den badischen Gesetzen aufgeführt, deren Verletzung die Revision begründet. Es ist aber nach der badischen Gesetzessprache zweifellos, daß als Zusatzartikel des Landrechts nur die auf das Landrecht selbst bezüglichen Bestimmungen verstanden werden dürfen, weshalb die Anhangssätze, d. h. die Artikel des badischen Handelsrechtes (vgl. §. 145 Nr. 2 des badischen Einführungsgesetzes), nicht darunter fallen.

Auch liegt in Anhangssatz 234 bezw. §. 30 des badischen Einführungsgesetzes nicht etwa eine unter die Kaiserl. Verordnung fallende ausdrückliche Beschränkung des gesetzlichen Pfandrechtes der Ehefrauen in L.R.S. 2121 und 2135, sondern nur eine Bestimmung zum Nachteile der Ehefrauen von Vollkaufleuten für den Fall des Konkurses des Ehemannes.

Demnach erscheinen Anhangssatz 234 und §. 30 a. a. O. als nicht revisible Gesetze. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites hängt aber wesentlich von der Frage ab, was darunter zu verstehen ist, wenn dort das Pfandrecht der Ehefrau eines im Konturs befindlichen Vollkaufmannes auf solche Liegenschaften beschränkt ist, "die beim Abschluß der Ehe ihrem Manne zugehörten".

Das hier in Frage stehende Wohnhaus war an den Gemeinschuldner von seinem Vater im Ehevertrage vom 3. November 1875 zum Eigentume übertragen worden und am folgenden Tage hat der Eheabschluß stattgefunden, während die Eintragung zu Grundbuch erst am 11. Dezember 1875 bewirkt worden ist.

Wenn nun das Berufungsgericht angenommen hat, daß unter solchen Umständen das fragliche Grundstück im Sinne des §. 30 a. a. O. bezw. Anhangssatz 234 dem Gemeinschuldner beim Abschluß der Ehe zugehörte, so ist dies nach dem oben Gesagten als Anwendung eines nicht revisiblen Gesetzes der Nachprüfung des Revisionsgerichtes entzogen.

Übrigens liegt auch in dieser Anwendung des §. 30 a. a. O. bezw. Anhangssatz 234 nicht die gerügte Verletzung des Landrechtszusatzes 1583a. und §. 25 II des badischen Einführungsediktes zum Landrecht, welche vorschreiben, daß Eigentumserwerb der Liegenschaften erst durch die Eintragung in das Grundbuch gegen Dritte rechtswirksam wird. Ob es zutreffend ist, wenn das Berufungsgericht ausführt, die Ehefrau gehöre nicht zu den Dritten, es gelte für sie also L.R.S. 1583, mag dahingestellt bleiben.

Dagegen haben weder die badischen Vorschriften in Anhangssatz 234 und §. 30 a. a. O., noch Code de commerce Art. 551 am ehelichen Güterrecht des bürgerlichen Gesetzbuches etwas geändert oder auch nur ändern wollen. Nach L.R.S. 1404 bleiben aber sämtliche Liegenschaften, welche einer der Ehegatten am Tage des Eheabschlusses besitzt, dessen Sondergut, das nicht in die Gütergemeinschaft fällt. Im Hinblick auf L.R.S. 1408 ist in Doktrin und Praxis unbestritten, daß schon der bei dem Eheabschlusse einem der Ehegatten zustehende Titel genügt, um die betreffende Liegenschaft zu Sondergut des Ehegatten zu machen. Danach kann es keinem Bedenken unterliegen, daß das im Ehevertrag dem Manne von seinem Vater zu Eigentum übertragene Wohnhaus als Sondergut des Mannes erscheint, also demselben am Tage des Eheabschlusses im Sinne des ehelichen Güterrechts zugehörte und nach L.R.S. 2135 Gegenstand des gesetzlichen Pfandrechtes der Frau wurde. Auf Landrechtszusatz 1583a. und §. 25 II des Einführungsediktes kommt es also hier gar nicht an.

Für Zusagen im Ehevertrage ist allerdings der Eheabschluß eine Voraussetzung ( dies und conditio), aber daraus folgt nicht, daß sie erst vom Tage des Eheabschlusses datieren; wie sich aus L.R.S. 1179. 1185 ergiebt, bleibt vielmehr der Tag des Ehevertrages maßgebend.

Wenn für dieses richtige Prinzip das Berufungsgericht den unpassenden L.R.S. 1181 Abs. 3 citiert hat, so ist dies unerheblich (§. 526 C.P.O.)."